Nicht viele Begebenheiten im Leben unseres geliebten Herrn werden dreimal in den vier Evangelien berichtet, doch die Einsetzung des Mahles des Herrn in der Nacht Seiner Überlieferung ist eine von ihnen. Der Apostel Johannes, der als Einziger der vier Evangelisten diese Begebenheit auslässt, nimmt sich jedoch Zeit, uns einen umfassenden Bericht von den wunderbaren Worten zu geben, die der Herr bei dieser Gelegenheit zu Seinen Jüngern gesprochen hat; und seine göttlich angeordnete Auslassung wird von dem Apostel Paulus nachgeholt, der inspiriert wurde, uns in 1. Korinther 11 zu berichten, wie diese Anordnung des Herrn ihm gegenüber durch Offenbarung von dem Herrn selbst noch einmal besonders bestätigt wurde. Er empfing sie nicht von Petrus oder Johannes oder irgendeinem anderen der elf Jünger, die bei dieser Begebenheit anwesend waren, sondern „von dem Herrn.“ Und was er so empfangen hatte, gab er treu an die Korinther weiter – und an uns.

Hätten wir nur die Berichte aus Matthäus 26 und Markus 14, könnten wir dazu neigen, es als eine ergreifende kleine Zeremonie zu betrachten, die besonders geeignet war, die Herzen der Jünger in dieser hochheiligen Szene zu bewegen, die aber keine Bedeutung für uns hat, da nichts erwähnt wird, was klar machen würde, dass sie auf kommende Tage anwendbar wäre. Ähnliches könnte auch über den Bericht in Lukas 23 gesagt werden, doch lesen wir dort die Worte: „Dies tut zu meinem Gedächtnis.“  Das mag den Eindruck bei uns erwecken, dass der Herr bei dieser Aussage die Zukunft im Blick hatte, aber es bliebe immer nur ein Eindruck, denn es gab keine klare Anweisung aus dem Mund des Herrn. „Dies tut“ könnte sich auch nur auf diesen bestimmten Augenblick in der Nacht Seiner Überlieferung bezogen haben.

Doch wenn wir uns den inspirierten Worten des Apostels Paulus zuwenden, sind wir nicht länger unseren Eindrücken überlassen. Wir haben die Gewissheit göttlicher Anweisungen. Er wiederholt die Worte unseres Herrn sowohl in Verbindung mit dem Brot als auch mit dem Kelch. Bei letzterem berichtet er jedoch Worte, die die anderen drei auslassen: „so oft ihr trinkt.“ Und dann fügt er seinen eigenen inspirierten Kommentar hinzu: „Denn so oft ihr dieses Brot esst und den Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt“ (1. Kor 11,26). Es ist also absolut sicher, dass der Herr wünscht, dass Seine Jünger diese einfache Anordnung während der Zeit Seiner Abwesenheit befolgen, bis Er wiederkommt.

Nun stellt sich die Frage, was die Absicht und der Zweck des Herrn war, als Er Sein Mahl einsetzte, damit es während der Zeit Seiner Abwesenheit befolgt werden sollte. Wir werden diese Frage unter drei Überschriften beantworten.

1. Gedächtnis

Die erste und offensichtliche Antwort ist, dass Er sich danach sehnt, dass Seine Heiligen sich an Ihn erinnern und Er wusste sehr wohl, dass sie durch eine Welt zu gehen hätten, wo Satan jede erdenkliche Art der Zerstreuung anbieten würde, und wo ihm jedes Mittel recht wäre, das die Deutlichkeit, mit der Er vor dem Glauben und der Liebe ihrer Herzen stehen sollte, verschwimmen lassen könnte. Daher finden wir Seine Worte: „Dies tut zu meinem Gedächtnis“ dreimal in der Schrift. 

Er möchte gerne, dass Sein Volk sich an Ihn erinnert, daran kann kein Zweifel bestehen. Besonders möchte Er, dass wir uns in dieser Zeit Seiner Verwerfung, in der Ihn die Welt praktisch vergessen hat, an Ihn erinnern. Spricht uns das allein nicht schon an und bewegt unsere Herzen dazu, Seinem Verlangen zu entsprechen?

Es gibt jedoch auch die andere Betrachtungsweise im Hinblick auf das, was für uns gut und nötig ist. Ihn in bleibender Erinnerung zu haben und unter dem gnädigen Einfluss Seiner Liebe bewahrt zu bleiben, ist höchstnotwendig für uns, und damit nicht nur das Mahl selbst, sondern auch dessen Wesen. Beide Elemente des Mahls sind für uns Zeichen Seines Todes. Das Brot nannte Er Seinen Leib. Den Kelch nannte Er Sein Blut. Sie werden nicht in eins genannt, als stellten sie einen lebenden Christus auf der Erde dar, sondern völlig getrennt voneinander, als Zeichen Seines Leibes, der für uns gegeben wurde und Seines Blutes, das in den Tod ausgeschüttet wurde. Wenn wir davon essen und trinken, haben wir die Symbole des Christus vor Augen, der für uns starb und uns dadurch befähigt hat, zu sagen: „Hieran haben wir die Liebe erkannt“ (1. Joh 3,16).

Natürlich sollten wir Ihn selbst und Seinen Tod in ständiger Erinnerung haben, aber das ist kein Grund dafür, dass wir diese besonderen Gelegenheiten, die Seinem Wort entsprechen, vernachlässigen. Wenn die ersten Jünger in Troas gewohnheitsmäßig am ersten Tag der Woche zusammenkamen, um Brot zu brechen – wie sie es offensichtlich nach Apostelgeschichte 20,7 taten, und wir haben keinen Grund, anzunehmen, dass das eine einmalige Sache war, im Gegenteil – meint ihr nicht, dass die Jünger des (ein-)zwanzigsten Jahrhunderts diese Anordnung mit derselben Regelmäßigkeit befolgen sollten? Jene in Troas lebten unmittelbar nach dem großen Ereignis, zu dessen Gedächtnis sie zusammenkamen. Wir sind schon mehrere Jahrhunderte davon entfernt. Ist die Erinnerung daran für uns daher nicht noch notwendiger – wenn das überhaupt möglich ist – als für sie?

Und wenn unser Herr und Meister uns gebeten hätte, irgendeine große Sache zu tun, hätten wir sie nicht getan? Wie viel mehr dann, wenn Er uns solche einfachen Symbole vorstellt, mit der Bitte, etwas so Geringes zu tun, wie zu Seinem Gedächtnis zu essen und zu trinken? Und seht Seine Weisheit darin, denn die Weise des Menschen ist es häufig genug, die aufwändigsten Monumente zu errichten, um das Gedächtnis einer Person oder Sache lebendig zu erhalten, was sich schließlich doch als nicht von langer Dauer erweist.

Die Weise des Herrn war es, die einfachsten Mittel zu benutzen, um uns das vorzustellen, was von unendlicher und ewiger Bedeutung ist. Wäre es anders, würden wir vielleicht alle unsere Gedanken auf die Zeichen konzentrieren und dabei ihre Bedeutung übersehen. So aber ist die extreme Schlichtheit der Zeichen geeignet, den ganzen Wert der herrlichen Tatsachen hervorzuheben, die sie darstellen.

Doch wir erinnern uns nicht nur an Ihn in Seinem Tod, wenn wir an Seinem Mahl teilnehmen, sondern wir verkündigen auch den Tod des Herrn. Das zeigt, dass nach den Gedanken des Herrn diese Anordnung einen offenkundigen Wert vor Menschen haben sollte. Es ist ein

2. Beständiges Zeugnis

davon, dass Er gestorben ist, ein Zeugnis, dem nicht widersprochen werden kann. Es besteht aus einer auszuübenden äußerlichen Handlung, die genau zu dem Zeitpunkt eingesetzt wurde, als das geschah, woran erinnert werden soll, und deren Ausübung bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt fortgesetzt werden soll. Die große Kraft dieses Zeugnisses mag vielen unserer Leser nicht ersichtlich sein. Aus Platzgründen können wir hier aber nicht näher darauf eingehen.

Der Tod und die Auferstehung des Herrn Jesus ist natürlich das Thema des Evangeliums, sodass das Zeugnis davon den Menschen überall da vorgestellt wird, wo das Evangelium in Treue verkündigt wird. Und doch ersetzt es nicht den Platz, den das Mahl des Herrn in diesem Zusammenhang hat. Das Evangelium verkündet Seinen Tod und dessen herrliche Ergebnisse, während Sein Mahl ein bleibendes und beständiges Zeugnis von seiner Realität ist. Beides ist nötig, doch bei einer Evangelisation können nur vergleichsweise wenige teilnehmen, während beim Mahl des Herrn alle aufrichtigen Gläubigen teilhaben können, um zusammen diese große Verkündigung vorzunehmen. Spricht dieser Gedanke dein Herz nicht sehr deutlich an?

Drittens setzte der Herr Sein Mahl ein, damit es ein Ausdruck der Gemeinschaft wäre – der Gemeinschaft Seines Todes. Und damit sind bestimmte

3. Verantwortlichkeiten

verbunden. Das wird uns in 1. Korinther 10,15–22 entfaltet. Es ist nicht als eine individuelle Sache eingeführt worden und soll auch nicht als eine individuelle Sache befolgt werden. Es sind „wir, die Vielen“, die daran teilnehmen, und dadurch drücken wir die Tatsache aus, dass wir „ein Brot, ein Leib“ sind. Beachte genau die Formulierung dieses Verses. Das eine Brot des Mahles des Herrn stellt den heiligen menschlichen Körper Christi vor, der für uns in den Tod gegeben wurde. Unsere Teilnahme am Essen dieses einen Brotes stellt unsere Einheit als solche vor, die zu dem einen Leib Christi, der Versammlung, gehören. Es ist nicht der eine Leib, der die Einheit der Gläubigen darstellt, sondern vielmehr ihr Teilnehmen an dem einen Brot. Dadurch drückt jeder von uns seine Einsmachung mit Seinem Tod aus und verpflichtet sich allen Verantwortlichkeiten, die sich daraus ergeben.

Die armen Heiden, die Dinge aßen, die den Göttern geopfert worden waren, hatten Gemeinschaft mit Dämonen. Das sagen uns die Verse 19 und 20. Der Israelit, der von den Opfern aß, kam mit Gott in Berührung, indem er an Seinem Altar teilnahm, und folglich musste er sehr sorgfältig damit sein, wie er aß, wie es in 3. Mose 10,12–14 bezeugt wird. Das sagt uns Vers 18. Das trifft auch für den Christen zu, wie Vers 21 sagt. Wenn wir am Tisch des Herrn teilnehmen, müssen wir große Sorgfalt üben. Wir können nicht in Berührung mit den „Tischen der Dämonen“ und anderen verunreinigenden und unvereinbaren Dingen sein. Uns obliegt die Verantwortung, dem treu zu sein, der gestorben ist und der der Mittelpunkt unserer Gemeinschaft ist. Es geht nicht darum, dass wir alle gegeneinander treu sein sollten, sondern, dass wir Ihm treu sein müssen und der Tatsache, dass Er gestorben ist. Das ist in der Tat eine große Verantwortung.

In dieser Verantwortung möchte der Herr uns halten. Wenn wir dagegen verstoßen, reizen wir Ihn zur Eifersucht, wie uns Vers 22 erinnert, und wie es in 1. Korinther 11,29–32 verdeutlicht wird. Doch darauf können wir jetzt nicht näher eingehen.

Die Verantwortung ist da und wir müssen ihr ins Auge sehen. Selbst wenn wir diesen letzten Wunsch unseres Herrn ignorieren würden, wie es leider einige tun, dürfen wir uns dadurch nicht der Verantwortung entziehen, sondern müssen vielmehr noch größere Verantwortung übernehmen. Und letztlich ist es für den, der den Herrn wirklich liebt, nichts Hartes oder Belastendes.

Sein letzter Wunsch spricht die tiefsten Zuneigungen unserer Herzen an. Ist nicht in jedem von uns eine Liebesantwort, die uns dazu führt, ihm zu entsprechen?

[Übersetzt von Marco Leßmann]