Manchmal wird die Frage gestellt: „Warum sieht man so wenig Ergebnisse eines Dienstes des Wortes an Gläubigen, wie zum Beispiel wahre Gottesfurcht und Wachstum in der Gnade?“ Wir wollen darüber kurz nachdenken und gleich zu Beginn mit Trauer zugeben, dass die Ergebnisse unseres ganzen Dienstes, ob mündlich oder schriftlich, sehr gering sind. Tatsachen ins Auge zu sehen, ist immer richtig, genauso wie die Frage nach der Ursache und der Versuch, Abhilfe zu schaffen.

Es wird ein geübtes Gewissen nicht befriedigen, daran erinnert zu werden, dass wir in Tagen leben, in denen zu den Gläubigen im Allgemeinen nicht mehr gesagt werden kann, als dass sie nur „eine kleine Kraft” haben (Off 3,8), und dann daraus den Schluss zu ziehen, dass wir nicht mehr erwarten können, als das, was wir im Moment sehen. Wir sollten sofort entgegnen, dass solche Aussagen, die mit prophetischer Einsicht an die Masse gerichtet wurden, nicht richtig angewendet werden, wenn sie zitiert werden, um die Übungen des Einzelnen oder sein Trachten nach dem Besseren zu verhindern. Ein „Mann Gottes“ im schriftgemäßen Sinn ist jemand, der sich selbst als eine Ausnahme von der Regel erweist, indem er vor Gott steht, um Seine Interessen besorgt ist, während die Masse von Niedergang und Gleichgültigkeit gekennzeichnet ist.

Wir wollen daher der Frage, warum so wenig Gottesfurcht und Wachstum in der Gnade aus all dem Dienst erwächst, gemeinsam nachgehen. Liegt es an dem Diener, an dem Dienst oder an denen, denen der Dienst gilt? Wenn wir versuchen, eine Antwort zu geben, können wir nur gemäß unserer Kenntnis und Erfahrung in unserem Bekanntenkreis sprechen, der notwendigerweise sehr klein ist im Vergleich zu dem großen Kreis der Versammlung Gottes.

Zuerst also die Diener – und mit diesem Ausdruck meinen wir, wie zweifellos die Schrift auch, jeden, der das Werk des Herrn tut, ganz gleich in welchem Bereich der Dienst liegen mag. Unseres Erachtens kann weder Diener, noch Dienst, noch Empfänger des Dienstes freigesprochen werden. Aber wenn wir versuchen zu differenzieren, muss die Betonung besonders auf den Diener gelegt werden – einschließlich des Schreibers dieses Artikels –, weil wahrscheinlich kein Dienst, ob mündlich oder schriftlich, besser ist als der Kanal, durch den er kommt.

Wenn jemand einen Beweis für diese Aussage verlangt, soll er 2. Korinther 5,18 bis 7,3 lesen und auf die Kraft der Worte des Apostels achten. Der Botschafter für Christus konnte sich mit weitem Herzen und geöffnetem Mund an die weltlich gesinnten Korinther wenden und sie zu einer strikten Trennung von der Welt anhalten, weil sein eigenes Leben so von völliger Hingabe und Absonderung geprägt war, dass es seinen Worten ein immenses Gewicht und eine gewaltige Kraft verlieh.

Viele von uns predigen das Wort nur in geringer und undeutlicher Weise, aber selbst dann lasst und zusehen, dass die Wahrheit zuerst einen angemessenen Effekt auf uns selbst hat, damit unser Leben als Beispiel für die Wahrheit, die wir predigen, dienen kann. Das kann nicht genug betont werden. Haben wir nicht alle die Erfahrung gemacht, dass nur ein Mann mit festem christlichen Charakter in der Lage ist, Worte mit wirklichem Gewicht zu reden, und dass uns solche Worte weitaus tiefer beeindruckt haben, als Worte, die eher durch Beredsamkeit oder Originalität oder Intelligenz geprägt waren?

Als Zweites wollen wir unseren Dienst überprüfen. Wir geben alle offen zu, dass er Unvollkommenheiten hat. Aber worin bestehen sie? Obwohl wir zugeben müssen, dass es viele gibt, wollen wir uns doch in diesem Artikel auf eine beschränken, die in zweifacher Weise wirkt und dadurch eine Quelle der Schwachheit ist. Wir meinen die starke Neigung, die Verbindung zwischen der lehrmäßigen und der praktischen Seite der Wahrheit zu ignorieren. Vielleicht können war am besten veranschaulichen,  was wir damit meinen, wenn wir zu Römer 6 gehen und die drei Worte hervorheben, die wir oft erwähnen: „wisset“ (Verse 3, 6 und 9), „haltet“ (Vers 11) und „stellt dar“ (Verse 13 und 19).

„Wisset” kommt zuerst und weist deutlich auf die vorrangige Bedeutung der Lehre hin. Nichts wird richtig sein, wenn wir in den großen Wahrheiten des Christentums nicht richtig belehrt sind. Die Gläubigen in Rom wussten um die geistliche Bedeutung der Taufe (Vers 3), des Kreuzes (Vers 6) und der Auferstehung Christi (Vers 9) oder hätten darum wissen müssen. Dadurch wird das Todesurteil über unser altes Leben und die Einführung eines neuen Lebens gezeigt, sodass wir jetzt Gott leben.

Dann „Haltet”, was auf die ständige Tätigkeit des Glaubens hinweist, der das Wissen annimmt, und es für sich selbst in Besitz nimmt und damit die Grundlage für neue und echte christliche Erfahrungen in der Kraft des Heiligen Geistes legt. Der Geist bestätigt den Glauben, der die von Gott gegebene Stellung annimmt, indem er dazu passende Erfahrungen schenkt.

„Stellt dar”, weist schließlich darauf hin, dass wir uns selbst Gott praktisch ausliefern, was die vollständige Unterwerfung des eigenen Willens und Besitzes unter den Willen Gottes einschließt. Ohne dieses Darstellen, wird das nicht aufrechterhalten, obwohl der Glaube die Stellung angenommen hat.

Nun gibt es Christen, die in ihrem Dienst diesem letzten Punkt sehr große Bedeutung beimessen, indem sie immer wieder zur Auslieferung und Hingabe an Gott auffordern, und es ist zu befürchten, dass, von Ausnahmen abgesehen, die Lehren, die diesem allem zugrunde liegen, verdunkelt oder nur sehr unvollkommen erfasst werden. Wenn das so ist, mag viel Ergebnis hervorgebracht werden, aber diese Ergebnisse können den, der die Dinge im Licht der Ergebnisse des Todes und der Auferstehung Christi beurteilt, kaum zufrieden stellen.

Sich lange bei der Lehre aufzuhalten und dabei den klaren Aufruf zur Hingabe zu vergessen oder weitestgehend zu verschleiern, ist andererseits genauso falsch. Die Lehre mag klar und schriftgemäß erklärt werden, und viele hilfreiche Belehrungen über den Glauben und vom Geist Gottes bewirkte Erfahrungen mögen hinzugefügt werden, aber ohne das „Darstellen“, wird der Hörer mit einer engen Verbindung zum Fleisch und zur Welt zurückgelassen und – was noch schlimmer ist – vielleicht ohne dass sein Herz in Übung kommt. Er wird die Dinge verstandesmäßig klarer sehen, aber das ist alles. Wir wagen zu sagen, dass das ein großer Fehler unseres Dienstes gewesen ist.

Dass ein beachtliches Maß an Gnade und Kraft nötig ist, um solch einen praktischen Dienst auszuüben, ist klar. Und doch werden solche Worte gebraucht, denn die meisten von uns nehmen nur wenig von der Kraft der Wahrheit wahr, wenn sie nur in abstrakter Weise vorgestellt wird, während ihre praktische Bedeutung nicht zu überhören ist, wenn sie in konkreter Form vorgestellt wird. Als Nathan David in abstrakter, gleichnishafter Form die bösen Prinzipien vorstellte, die sein Verhalten gekennzeichnet hatten, hörte David zu und stimmte zu, und begriff doch nicht die praktische Anwendung auf sich selbst. Die ruhigen Worte: „Du bist der Mann“, gaben der Sache in Davids Gedanken eine klare Gestalt und Wirkung, durchbrachen seine Selbstzufriedenheit und beugten ihn zu echter Buße.

Es ist beachtenswert, dass die Propheten des Alten Testaments ihren Dienst in höchst persönlicher Weise ausübten. Sie stellten nicht nur Gottes Gedanken über das Volk Israel vor, sondern behandelten in ernster und treuer Weise den praktischen Zustand des Volkes. Die Apostel und Propheten des Neuen Testaments taten es nicht anders. Die Briefe zeugen davon. In jedem Brief folgen der Entfaltung der Wahrheit Belehrungen und Ermahnungen, die sich an die Herzen der Gläubigen wenden und ihr Leben betreffen. Sollte unser Dienst nicht diesem Vorbild folgen? Ich denke ja. War das immer so? Ich fürchte, dass es zu häufig nicht so war.

Zum Schluss die Hörer. Sie haben auch ihren Anteil an der Schuld, denn das Gleichnis vom Sämann richtet sich genauso an Gläubige wie an Sünder. Selbst wenn die Diener untadelig wären und ihr Dienst so wäre, wie er sein sollte, fürchten wir, dass er doch bei vielen keine Ergebnisse erzielen würde. Es gibt einige, die anscheinend nur flache Herzen und Zuneigungen haben und außerstande sind, in Übung zu kommen; es gibt andere, die so in die Sorgen des Lebens und den Betrug des Reichtums und in die Begierde nach den übrigen Dingen vertieft sind, dass das Wort in ihnen keine Frucht bringt.

Schon immer hat es solche Hörer des Wortes gegeben, die keine Frucht bringen, obwohl das Wort sowohl lehrmäßig als auch praktisch vorgestellt wurde, und es ist nicht verwunderlich, dass es von solchen heute mehr denn je gibt. In unserem Jahrhundert ist das Leben unglaublich komplex und anspruchsvoll geworden und das, „was in der Welt ist“, hat sowohl in der Anzahl als auch in der Attraktivität stark zugenommen. Das, „was man sieht“, ist so vielfältig und verlockend, dass das, „was man nicht sieht“, in unseren Herzen leicht verblasst und in den Hintergrund gerät, obwohl wir Christen sind.

Bei einigen von uns besteht darüber hinaus die Gefahr, dass wir seit unserer geistlichen Kindheit unter viel gesunder Belehrung aufgewachsen sind und uns in Gemeinschaft mit solchen befinden, deren Position schriftgemäß ist. Das kann dazu führen, dass wir den Fehler begehen, in den schon die alten Juden verfallen sind, und davon ausgehen, dass man nur eine korrekte äußerliche Stellung einnehmen muss.

Wenn wir in diese Schlinge geraten, mögen wir innerlich auf unsere Abstammung und Position zählen, wie die Juden sich in den Tagen unseres Herrn rühmten, Abrahams Kinder zu sein. Nichts stumpft jedoch das Gewissen und die Herzensübung und jene praktische Antwort auf die empfangene Wahrheit, die Frucht hervorbringt, mehr ab als das.

Möge Gott in Seiner Gnade auf jeden von uns blicken und Sein Werk beleben – zuerst in uns und dann durch uns. Ihm sei die Herrlichkeit!

[Übersetzt von: Marco Leßmann]