„Denn dies ist gut und angenehm vor unserem Heiland-Gott, der will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.“ (1. Timotheus 2,3–4)

Oft sagt man, an dieser Stelle seien zwei wichtige Wahrheiten genannt: Gott wolle vom Menschen, dass er

1) errettet wird und

2) danach auch zur Erkenntnis der Wahrheit gelangt.

Nicht selten wird diese Auslegung dann mit dem Gedanken verbunden, dass man den Menschen nicht nur das Evangelium bringen dürfe, sondern sie auch in die ganze christliche Wahrheit einzuführen bemüht sein sollte.

Doch abgesehen davon, dass das eine sehr eingeengte Sicht dessen ist, was die Schrift unter „Evangelium“ versteht, ist eine solche Aufsplitterung von 1. Timotheus 2,4 nicht überzeugend. Wenige Verse später (Kap. 4, 3) ist die Rede von solchen „die glauben und die Wahrheit erkennen.“ Wer käme hier auf den Gedanken, dass es sich um zwei unterschiedliche Klassen handeln würde, nämlich

a) um solche, die glauben und

b) um solche, die die Wahrheit erkennen ?

Offenbar soll doch mit diesem Ausdruck gesagt werden, dass diejenigen, die glauben, auch solche sind, die die Wahrheit erkennen. Das Erkennen der Wahrheit ist geradezu ein Kennzeichen der Kinder Gottes (vgl. 2. Joh 1; auch 2. Thes 2,10); man kann nur errettet werden, wenn man die Wahrheit (an)erkennt. Wer glaubt, mag zwar noch nicht über jedes Detail des Glaubens genau Bescheid wissen, aber er ist jemand, der die Wahrheit über sich und über Gott grundsätzlich erkannt hat.

Auch in 1. Timotheus 2,4 sind offenbar die Ausdrücke „errettet werden“ und „zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“ nicht zwei verschiedene nacheinander folgende Dinge.

Dass es in 1. Timotheus 2,4 nicht um das Wahrheits-Gut geht, sieht man übrigens auch an dem fehlenden Artikel vor „Wahrheit“: Die Menschen sollen zur Erkenntnis von Wahrheit kommen.