Der Apostel hat in dem vorangegangenen Kapitel den Höhepunkt dieses Briefes erreicht – ja, es ist der höchste Punkt, zu dem wir in der Betrachtung Christi als Priester kommen können.

Wie viel das Thema enthält, haben wir im siebten Kapitel gesehen, wo der Apostel in der Lage war, die Wahrheiten weiter auszuführen, auf die er einige Male vorher angespielt hatte. Er stelle ihnen nun das Priestertum Christi nach der Ordnung Melchisedeks, wobei er den Hebräern zeigt, dass sein persönlicher Charakter nicht nur den Zug der Gerechtigkeit enthält, sondern auch die unbeschränkte Macht und Kontrolle über sein Volk, ja, über alle Dinge. Das ist eine Position, die eine unendliche höhere Herrlichkeit und Lehre enthält, als sie in Verbindungen mit einem irdischen Priestertum möglich gewesen wäre. Deshalb ersetzt dieses Priestertum das Priestertum Aarons und seiner Nachkommen völlig. Weiter haben wir gesehen, dass es auch einen Wechsel in Bezug auf das Gesetz in Verbindung mit dem Priestertum gab, das errichtet worden war.

Und so sah sich der hebräische Gläubige der erstaunlichen Tatsache gegenüber gestellt, dass ein Priester, ja Christus der Sohn Gottes, nachdem er Gott in Hinblick auf die Sünde verherrlicht und seinen Platz im Himmel aufgenommen hatte, jegliche Formen von dem was, bisher existiert hatte (obwohl es von Gott selbst eingeführt war), vollständig ersetzt. Welch ein Erwachen muss es für einen echten Gläubigen gegeben haben, als er diese Wahrheit näher betrachtete und erfasste. Er war von Kindesbeinen an gelehrt worden, die Anordnungen des Hauses Gottes und des Tempels in Jerusalem zu ehren. Seine ganze Ausbildung fußte auf der Ehrfurcht vor den alttestamentlichen Schriften und dem, was sie umfassten.

Wie erstaunlich muss es für ihn gewesen sein, dass das Wort Gottes ihm ein Priestertum zeigte, das Gott selbst vorhergesagt hatte und das zeitlich mit der Existenz des anderen Priestertums einherging, eines Priestertums, das ersetzt und völlig geändert werden sollte – ein Priestertum das genau das, was sie gelehrt worden waren zu ehren und regelmäßig als Anordnung Gottes zu beachten, vollständig ersetzten und ändern sollte. Kein Wunder, dass die Versuchung groß war, an den jüdischen Formen und Ritualen festzuhalten. Es war der alleinigen Kraft des echten Glauben vorbehalten, sich von dem System zu trennen, das bisher gültig gewesen war.

Die Wahrheit erreicht hier einen Höhenpunkt. Der Apostel hatte bisher nicht von diesen Dingen gesprochen, aber er stellt hier sehr detailliert eine Tatsache vor, die später in unserem Brief noch viel mehr betont werden sollte, dass das Judentum und das Christentum sich gegenseitig ausschließen, dass du unmöglich beide haben kannst, dass du entweder das eine oder das andere aufgeben musst. Und wenn jemand dazu neigte, Christus für das Judentum aufzugeben, war das eine endgültige Sache und völlig hoffnungslos, wie wir gesehen haben. Wollte er dagegen an Christus festhalten, beinhaltete das, das Gesetz, das Priestertum und alles, was unter dem Judentum damit in Verbindung stand, aufzugeben.

Hebräer 8,1–6

Die Summe dessen aber, was wir sagen, ist: Wir haben einen solchen Hohenpriester, der sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones der Majestät in den Himmeln, ein Diener des Heiligtums und der wahrhaftigen Hütte, welche der Herr errichtet hat, nicht der Mensch. Denn jeder Hohepriester wird bestellt, um sowohl Gaben als auch Schlachtopfer darzubringen; daher ist es notwendig, dass auch dieser etwas habe, das er darbringe. Wenn er nun auf Erden wäre, so wäre er nicht einmal Priester, weil solche da sind, die nach dem Gesetz die Gaben darbringen, (welche dem Abbild und Schatten der himmlischen Dinge dienen, gleichwie Moses eine göttliche Weisung empfing, als er im Begriff war, die Hütte aufzurichten; denn „siehe“, spricht er, „dass du alles nach dem Muster machst, das dir auf dem Berge gezeigt worden ist“). Jetzt aber hat er einen vortrefflicheren Dienst erlangt, insofern er auch Mittler ist eines besseren Bundes, der auf Grund besserer Verheißungen gestiftet ist.

Nun, das hängt genau mit dem Hauptpunkt, wie es im ersten Vers hier steht, zusammen. Es geht nicht nur darum, dass es hier zusammenfassend heißt, dass wir einen solchen Hohenpriester haben, sondern er erinnert hier an die wunderbare Würde seiner Person, erinnert an sein vollbrachtes Werk, seine Herrlichkeit und sein Mitleid, worauf wir in den vergangenen Kapiteln bereits eingegangen sind. Einen solchen Hohenpriester haben wir. Solch ein Hoherpriester geziemte uns. Er hat sein Opfer dargebracht, es ein für alle mal vollendet und ist nun in die Gegenwart Gottes eingetreten.

Beachte ebenfalls den schönen Ausdruck, dass er sich zur Rechten des Thrones der Majestät in den Himmeln gesetzt hat. Das Wort „gesetzt“ deutet auf eine freiwillige Handlung hin, er hat seinen Platz als jemand eingenommen, der das Recht dazu hatte. Das erinnert an etwas, das wir im Johannesevangelium in Verbindung mit der Auferstehung des Herrn finden, wo er in Bezug auf sein menschliches Leben sagt: „ Niemand nimmt es von mir, ich habe Gewalt es zu lassen und habe Gewalt es wieder zunehmen“, während es von seiner Auferstehung einmal heißt, dass sie durch die Herrlichkeit des Vater geschah, das heißt, dass die Herrlichkeit Gottes bei seiner Auferweckung aus den Toten aktiv war; so zeigen andere Stellen, dass es ein eigene freiwillige Handlung war. Er wurde nicht nur durch eine externe Kraft, die außerhalb von ihm lag, aus den Toten auferweckt, sondern er stand auf als jemand, der das Recht und die Macht dazu hatte und über den der Tot keine Autorität besaß und nicht unter seiner Macht gehalten werden Konnte. Nachdem er deshalb sein Werk vollbracht und Gott verherrlich hatte, gab es nichts mehr, was ihn hindern konnte seinen Platz einzunehmen. Ja Gott selbst, seine Herrlichkeit und sein Charakter forderten es, dass derjenige, der seine Gerechtigkeit am Kreuz auf Golgatha so völlig ans Licht gebracht hatte, seinen Platz in den höchsten Himmeln einnahm. Wie vollkommen befriedigt, ja verherrlicht ist Gott jetzt, dass er die Person, von der er sich nach dem gerechten Gericht, als er als unser Stellvertreter an dem Kreuz hing, abwenden musste, jetzt zu seiner Rechten zur Rechten des Thrones der Majestät in den Himmeln empfangen konnte.

Diese Worte beinhalten die absolute Anerkennung von dem, was geschehen ist. Der Platz zur Rechten ist der Platz der Ehrung und Macht, ebenso wie das Zeichen der Befriedigung und Freude. Es gibt keinen Platz im Himmel der Himmel, der den Thron Gottes überragt, welcher jetzt durch unseren Priester eingenommen worden ist. Er sitzt nun dort als jemand, der das Recht dazu hat, wobei sich alle Dinge unter seinen Füßen befinden und er das Zepter über alles in der Hand hält. Das ist Christus und wenn du an ihn denkst und ihn in seiner Herrlichkeit so siehst, ist es unmöglich irgendein unwürdigen Gedanken in Bezug auf die Herrlichkeit seiner Person oder den Wert seines Werkes sowie die wunderbare Würde des Platzes, den er jetzt einnimmt, zu haben. Welches Geschöpf würde es wagen, in die Gegenwart solch eines heiligen Gottes zu treten. Hier ist jemand, der das Recht und den Anspruch hat diesen Platz zur Rechten der Majestät einzunehmen. Er, der im vollen Recht seinen Anspruch auf den himmlischen ewigen Thron geltend machen konnte. Das ist also der Hohepriester und der Platz, den er einnimmt. Und das betont der Apostel hier. Es ist die Summe und der Höhepunkt von dem, was wir in den ersten sieben Kapiteln vor uns gehabt haben.

Aber jetzt geht es um seinen Dienst in dieser Stellung. Ein Diener des Heiligtums und der wahrhaftigen Hütte, die der Herr errichtet hat und nicht der Mensch. Ein Diener nicht in dem Sinn, um Sühnung zu tun, denn auch wenn die Priester auf der Erde täglich Opfergaben darbrachten, brachte unser Herr nur ein Opfer, sodass kein Schlachtopfer für Sünden mehr übrig bleibt. Sein Dienst in dem himmlischen Heiligtum dreht sich nicht um das Bringen von Opfern. Soweit es um unsere Erlösung geht, hat er seinen Platz eingenommen. Nichts kann seinem vollbrachten Werk hinzugefügt werden. Der Siegesruf auf Golgatha: „Es ist vollbracht“, der sein Echo im Himmel, auf der Erde und in unseren Herzen findet, ist die Deklaration, dass nicht das Geringste zu dem Werk hinzugefügt werden muss, durch das Gott so vollständig verherrlicht wurde und durch das wir ewig errettet werden. Gemäß den levitischen Anordnungen wurde das Opfer draußen geschlachtet und das Blut ins Heiligtum gebracht sowie auf den Gnadenstuhl gesprengt. Das Werk wurde draußen vollbracht und beendet. Das Zeugnis seiner Annahme wurde hineingebracht. Wenn sich jemand gesetzt hat, hat er in einem gewissen Sinn nichts zu tun. Es besteht keine Notwendigkeit, aktiv zu werden, was ihn betrifft. Ich möchte die ansprechen, die sich unsicher fühlen: Wenn du immer noch meinst, dass es in Verbindung mit deiner Rettung etwas zu tun gibt, dann ignorierst oder vergisst du die Tatsache, dass sich der Priester gesetzt hat.

Welch eine Ruhe des Gewissens und welch einen Frieden im Herzen gibt es, wenn wir das erfassen! Unser Priester hat seinen Platz eingenommen und auch wir dürfen im Glauben unseren „Platz“ einnehmen und brauchen uns keine Gedanken darüber  machen, ob auch nur ein Handschlag für unsere Errettung beizutragen ist. Wenn du deine Arbeit tust, um auch nur ein Jota zu dem vollbrachten Werk Christi beizutragen, dann falte deine Hände, wenn du ein wahrer Gläubiger bist, bis du in die Herrlichkeit gerufen wirst. Es wird deinen Anspruch nicht beeinträchtigen, ja, im Gegenteil, denn was für eine Beleidigung ist es für das Blut Christi, wenn du versuchst, deine Errungenschaften, deine Gefühle und deine Verdienste dem Wert dessen etwas hinnzuzufügen, was Gott so anerkannte, dass er ihn auf seinen Thron setzte. Ich bleibe hier etwas stehen, weil ich davon überzeugt bin, dass es auf dem Grund vieler Herzen immer noch eine Spur von Selbstgerechtigkeit gibt, die bei jeder möglichen Gelegenheit versucht, etwas von den eigenen Werken dort hineinzubringen, wo das Blut Christi alleine seinen Platz hat.

Ich bin mir absolut bewusst, dass es einen Platz für die Werke des Gläubigen gibt, einen Platz für all unsere Arbeit. Selbst wenn wir für den Rest unseres Lebens arbeiten würden, könnten wir doch nie genug für die Person tun, die alles für uns getan hat. Aber solange es um unsere Erlösung geht, ruhen wir dort, wo er zur Ruhe gekommen ist. Die Rettung Gottes ist für uns ein Platz der Ruhe in Bezug auf unsere Erlösung. Geliebte, wenn Gott selbst zur Ruhe gekommen ist, wenn Christus selbst ruht, warum sollte dann dein armes Herz irgendeinen Anflug des Unglaubens oder der Unsicherheit in Bezug auf das herrliche Werk haben, das er ein für allemal vollbracht hat?

Jetzt, nachdem das geklärt ist (und solange es nicht geklärt ist kann es kein echtes Wachstum, keine echte Freude und keine wahre Aktivität für Christus geben) haben wir als Nächstes seinen priesterlichen Dienst im Heiligtum vor uns, der noch immer andauert. Wir wissen, dass er ständig mit den Bedürfnissen seines Volkes hier beschäftigt ist sowie mit der Herrlichkeit Gottes, die damit in Verbindung steht. Was den Charakter seines Werkes betrifft, wird darauf hier nicht näher eingegangen, mit der Ausnahme, dass gesagt wird, dass er ein Diener ist, der im Heiligtum ist. Das Heiligtum ist der heilige Ort, wo Gott sich selbst offenbart. Das werden wir in den späteren Kapiteln weiter ausgeführt finden, sodass ich hier nicht weiter darauf eingehen möchte, wobei ich gerne eure Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenken möchte, dass an dieser Stelle auf die Stiftshütte Bezug genommen wird, in der er dient, als der wahren Stiftshütte im Unterschied zu dem irdischen Vorbild. Sie wurde durch den Herrn und nicht durch den Menschen errichtet.

Du wirst dich erinnern, dass Mose auf den Berg Sinai gerufen wurde, als Gott ihm das Muster der Stiftshütte zeigte. Er gab ihm höchstwahrscheinlich eine Vorstellung von all den Herrlichkeiten seiner „Hütte“, sodass Mose in der Lage war, diese Dinge in der Stiftshütte wiederzugeben, die somit ein Modell des Heiligtums Gottes selbst war. Und tatsächlich ist es genau das, was uns hier gesagt wird: „Die dem Abbild und dem Schatten der himmlischen Dinge dienen“ (V. 5).

Sie dienen als Beispiel für den Zugang in die Gegenwart Gottes. Außerdem waren sie der Schatten der himmlischen Dinge, wie Mose eine göttliche Weisung empfing: „Denn sieh zu, spricht er, dass du alles nach dem Muster machst, was dir auf dem Berg gezeigt worden ist.“ Damit ist klar, dass die Stiftshütte in der Wüste ein Bild von dem Weg des Zugangs zu Gott war. Der äußere Vorhof stand für die Erde und das vordere Heiligtum bzw. das Heilige entsprach dem Himmel. In dem Allerheiligsten können wir dann weiter ein Bild des Himmels der Himmel sehen und damit der Gegenwart Gottes selbst und seines Thrones.

Die Stiftshütte war ein Muster, aber die wahrhaftige Hütte, die der Herr errichtet hat und nicht der Mensch, umfasst das ganze Universum und steht in Verbindung mit seinem Thron, wo er selbst in all seiner Herrlichkeit wohnt. Unser geliebter Herr nimmt hier die Stellung eines Dieners ein. Er bringt dabei sozusagen die äußersten Bestandteile des Vorhofs, diese Erde und das erschaffene Universum in eine enge Verbindung mit dem Thron Gottes. Wollen wir uns in diesem Bild wiederfinden, dann ist unser Platz in dieser Wüste eigentlich am Rand, außerhalb in dem entferntesten Bereich der Stiftshütte der göttlichen Herrlichkeit. Wir empfangen den Dienst durch ihn, der gleichzeitig Zugang in die nächste Nähe der Anwesenheit der Herrlichkeit hat. Dort unterhält er die Beziehung des Volkes mit ihm selbst. Er erhält uns in der Freude der Gemeinschaft, er unterstützt und unterhält uns im Blick auf alle Versuchungen auf unserem Weg, und seine Gegenwart dort ist die Sicherheit, dass auch wir dort hingehören und in gewissem Sinn sogar dort eintreten können und bald dorthin gerufen werden, wo es nur noch Freude gibt und wo er selbst bereits eingetreten ist.

Lasst uns jetzt für einen Moment die Brücke schlagen zu dem Vers in Johannes 1: „Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns (wörtlich heißt es dort: zeltete unter uns)“. Die Stiftshütte war ebenfalls ein Bild der Person Christi. Diejenigen unter euch, die damit vertraut sind, werden sich daran erinnern, dass die Vorhänge, die sich in der Stiftshütte befanden, ein Vorbild von den unterschiedlichen Eigenschaften Christi waren. Die feinen, weißen Leinen symbolisierten dabei seine vollkommene Menschheit; in den blauen siehst du ihn in seinem himmlischen Charakter, wobei die purpurnen seinen königlichen Charakter und die scharlachfarbenen seine weltweite Herrschaft hinwiesen. Damit entdeckst du in den Vorhängen der Stiftshütte und in den Teppichen Zeugen von der Menschheit Christi.

In Matthäus 1 zitiert der Geist Gottes die Prophezeiung Jesajas, wo die Geburt des Herrn durch eine Jungfrau vorhergesagt wird und wo es heißt: „Und sie werden seinen Namen Immanuel nenne, was übersetzt ist: Gott mit uns“. In Johannes steht allerdings: „Und das Wort wurde Fleisch und wohnte (oder zeltete) unter uns.“ Und so sehen wir, dass Joseph ihn nach seiner Geburt nicht Immanuel, sondern Jesus nennt. Wie wunderbar erinnert uns das an das Ziel, wofür er gekommen war, und die Basis, auf der er als der Repräsentant Gottes unter den Menschen wohnte. Sein Name heißt Jesus, Erretter. Das ist ein weiteres Zeugnis davon, dass Gott mit uns ist, Immanuel.

Wenn wir zu dem Vers im Johannesevangelium zurückgehen „ … und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns“, so fügt der Glaube hinzu: „ … und wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“ Die Verkleidung der Stiftshütte, auf die ich bereits hingewiesen habe, konnte nur von innen gesehen werden. Dort entfaltete sich ihre Herrlichkeit in ihrer Ordnung, ihren Proportionen und ihrer vollen Schönheit. Dagegen stellte sich die äußere Abdeckung für einen Fremden, der sich dem Lager Israels näherte, als eine triste, unattraktive Verkleidung von Seekuh- oder Dachsfellen dar. Der Glaube drückt es in anderen Worten so aus, wenn er auf seine vorherige Verwerfung von Christus spricht: „Als wir ihn sahen, da hatte er kein Aussehen, dass wir seiner begehrt hätten.“ Für den natürlichen Menschen gab es nichts Anziehendes, keine Schönheit in Christus – den erblickte nur der Glaube.

Die rein äußerlichen Blicke auf Christus führte die Menschen dazu, zu sagen: „Kann aus Nazareht etwas Gutes kommen? Forsche und sieh, dass aus Galiläa kein Prophet aufsteht. Ist dieser nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria, der Bruder von Jakobus und Joses und Judas und Simon? Und sind nicht seine Schwestern hier bei uns? Und sie nahmen Anstoß an ihm.“ Ja selbst die Angehörigen seines eigenen Hauses glaubten nicht an ihn. Dort sehen wir gewissermaßen das äußere der Stiftshütte, ein trauriges Zeugnis davon, dass der Mensch kein Auge für das hat, was Gott verherrlicht, denn ich brauche wohl kaum zu betonen, wie vollkommen Christus Gott in den alltäglichsten Handlungen des täglichen Lebens verherrlichte. Und nicht nur das, sondern es war auch seine heilige Trennung, die ihn vor einer Verunreinigung mit der Welt bewahrte und an der Gott Wohlgefallen hatte.

Wenn der Glaube hineingebracht wird, wenn er Christus im wahren Licht betrachtet – was sagt er dann? „Wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater.“ Es gab nichts Vergleichbares im Himmel oder auf der Erde. Er war die Ausstrahlung der Herrlichkeit Gottes und der Abdruck seines Wesens.

So war die Stiftshütte ein Bild Christi, von „Gott mit uns“, der Wohnstätte Gottes bei den Menschen als unser geliebter Herr hier auf der Erde war. Dann zerriss der Vorhang und die Stiftshütte wurde abgerissen, wenn wir es einmal so ausdrücken dürfen. Als unser Herr zu ihnen sagte: „Brecht diesen Tempel ab und in drei Tagen werde ich ihn aufrichten. Er aber sprach von dem Tempel seines Leibes.“ Der Tempel wurde abgerissen und in der Auferstehung wieder aufgebaut. Er fuhr in den Himmel auf und ist jetzt dort als der Diener der wahrhaftigen Wohnung Gottes mit den Menschen, die der Herr errichtet hat und nicht der Mensch.

Wenn wir uns jetzt daran erinnert haben, dass er dort im Heiligtum ist, dann lasst uns erwartungsfroh auf die noch vor uns liegende Zeit blicken. Es hat eine Zeit gegeben, wo Gott unter den Menschen wohnte in der Person seines Sohnes, aber er ist nicht mehr hier. Er ist bei dem Vater und der Glaube kann ihn dort betrachten. Aber es wird eine Zeit kommen, wenn die Hütte Gottes bei den Menschen sein wird und er bei ihnen wohnen wird. Als unser Herr zum ersten Mal kam, wurde er verspottet und verworfen und die Hütte wurde abgerissen. Sie ist nicht mehr länger hier, mit der Ausnahme, dass wir durch unendliche Gnade den Wohnort Gottes durch den Geist auf der Erde darstellen dürfen. Doch die Zeit wird kommen, wenn alles Böse aus der Welt hinausgeschafft werden wird – am Ende des Tausendjährigen Reiches und damit am Ende der Zeit, wo sich die göttliche Macht und Regierung in vorübergehenden Zeichen manifestieren wird. Dann wird endlich die herrliche Wohnung Gottes wieder in unmittelbarer Nähe mit der Erde stehen, was seit dem Eintritt der Sünde diese Welt nicht mehr der Fall gewesen war.

Dann wird die Distanz zwischen Himmel und Erde für immer weggetan sein, obwohl wir stets fühlen werden, dass Gott unendlich weit über uns ist, und dann wird Gott selbst seinen Platz in ununterbrochener Verbindung mit seiner Schöpfung einnehmen, wobei das Wort „Hütte“ einmal mehr gebraucht wird, um diesen ewigen Zustand zu beschreiben (Off 21,1 ff.). Und wir können uns sicher sein, dass es dieselbe gesegnete Person ist, die das bewirkt. Es war der eine, der das Haus Gottes bildete als er hier war, ja der, der durch seinen Geist für Gott einen Wohnort in seinem erlösten Volk erschaffen hat. Er ist der eine, durch den schließlich das zustande gebracht werden wird, was wir hier lesen: „Die Hütte Gottes bei den Menschen … und er wird bei ihnen wohnen“. Wie viele kostbare Gedanken können wir hier entdecken.!Mögen diese Anregungen uns zumindest dahin führen, uns diese Dinge näher anzuschauen, um zu sehen, wie viel es für uns in Verbindung mit der Stiftshütte zu bestaunen gibt.

„Wenn er nun auf der Erde wäre, so wäre er nicht einmal Priester, weil solche da sind, die nach dem Gesetz die Gaben darbringen.“ An dieser Stelle erhob sich einmal die Frage, die der Überlegung wert ist, ob sich der Dienst Christi als Priester nur auf den Himmel bezieht. Ich habe bereits angedeutet, dass ein priesterliches Werk soweit das Opfer betroffen ist, bereits auf der Erde beginnen musste. War es die Aufgabe des Priesters, ein Opfer darzubringen, dann musste auch Christus ein Priester sein, als er sich selbst Gott darbrachte. Er opferte sich selbst durch den ewigen Geist, das heißt, dass sein Leben hier auf der Erde Gott dargelegt und von ihm als Opfer angenommen wurde. Und schon bei seiner Taufe, als er durch den Geist gesalbt wurde, sehen wir praktisch die Annahme durch Gott, dieses Lammes ohne Fehl und ohne Flecken, das sich vollkommen als Opfer eignete. Zu diesem hohen priesterlichen Werk wird er deswegen dort eingeführt.

Beachte jedoch, dass dieser Ausdruck den priesterlichen Dienst des Herrn im Himmel nicht einschränkt oder den Dienst des Herrn nicht auf den Himmel beschränkt. Es wird einfach erklärt, dass, wenn er hier in Verbindung mit dem Gesetz und dem irdischen Heiligtum wäre, er kein Opfer darbringen oder den Dienst ausüben könnte, weil alles auf der Erde in der Hand der Priester Aarons war. Wenn wir das nicht verstehen, werden wir verneinen, dass das Opfer des Herrn auf Golgatha ein priesterliches Werk war. Wenn er nun jedoch hier wäre, wenn er priesterliche Tätigkeiten in Verbindung mit dem Tempel in Jerusalem einfordern würde (wenn ich diesen Ausdruck einmal gebrauchen darf), wäre es dann nicht wichtig zu sagen, dass er mit der Ordnung, die Gott selbst auf der Erde gegeben hatte, in Widerspruch geraten würde? Wenn er zum Beispiel in den Tempel gegangen wäre, das Räucherfass genommen hätte, oder in das Allerheiligste gegangen wäre, und versucht hätte, das Blut auf dem Gnadenstuhl zu sprengen, hätte dann nicht gesagt werden können, dass er widerrechtlich gestört hätte? Als der König von Juda, Ussija, einmal dasselbe tat, wurde er mit Aussatz geschlagen und aus dem Tempel geworfen.

Bei den Vorkehrungen, die wir in Bezug auf die Wiederaufnahme dieser priesterlichen Ordnungen in dem letzten Teil Hesekiels lesen, werden die Priester des Hauses Aaron wieder in ihr Amt eingesetzt, um den Dienst gemäß den irdischen Anordnungen fortzuführen. Natürlich wird es dabei um eine andere Sache gehen als in den Tagen, die dem Opfer unseres Herrn vorausgingen. Bei dem letzteren ging es um Bilder von dem, was noch kommen musste und sie enthielten einen bestimmten Teil von Verdienst in Verbindung mit denen, die sie darbrachten. Aber dann wird es einen erinnernden Charakter tragen, indem auf das, was Christus vollbracht hat, zurückgeblickt wird. So wird Gott auch dann eine irdische Einrichtung in Verbindung mit Israel haben.

Sie finden wir ein irdisches Heiligtum und ein aaronitisches Priestertum während des tausendjährigen Reiches. Niemand, der das Buch Hesekiel sorgfältig studiert, wird das übersehen können. So wahr ist es, dass, wenn er nun auf der Erde wäre, er nicht einmal Priester wäre, weil solche da sind, die nach dem Gesetz die Gaben darbringen. Aber das zeigt nur umso deutlicher, dass es stimmt, was wir über seinen Platz im Himmel gesagt haben. Sein sühnendes Werk auf der Erde geschah im Hinblick auf den Himmel. Nachdem er dieses Werk vollbracht hatte, trat er durch sein eigenes Blut in den Himmel selbst ein. Und durch dieses Hineingehen ersetzte er die irdischen Priester. Auch wir sind jetzt Priester; obwohl wir auf der Erde sind, haben aber mit einem irdischen Heiligtum nichts zu tun. Deshalb stehen wir mit den Priestern des Gesetzes in keinem „Konkurrenzverhältnis“.

Damit kommen wir jetzt zu dem, was mit dem Rest dieses Kapitels in enger Verbindung steht.

Hebräer 8,7–13:

Denn wenn jener erste Bund tadellos wäre, so wäre kein Raum gesucht worden für einen zweiten. Denn tadelnd spricht er zu ihnen: „Siehe, es kommen Tage, spricht der Herr, da werde ich in Bezug auf das Haus Israel und in Bezug auf das Haus Juda einen neuen Bund vollziehen; nicht nach dem Bunde, den ich mit ihren Vätern machte an dem Tage, da ich ihre Hand ergriff, um sie aus dem Lande Ägypten herauszuführen; denn sie blieben nicht in meinem Bund, und ich kümmerte mich nicht um sie, spricht der Herr. Denn dies ist der Bund, den ich dem Hause Israel errichten werde nach jenen Tagen, spricht der Herr: Indem ich meine Gesetze in ihren Sinn gebe, werde ich sie auch auf ihre Herzen schreiben; und ich werde ihnen zum Gott, und sie werden mir zum Volke sein. Und sie werden nicht ein jeder seinen Mitbürger und ein jeder seinen Bruder lehren und sagen: Erkenne den Herrn! denn alle werden mich erkennen vom Kleinen bis zum Großen unter ihnen. Denn ich werde ihren Ungerechtigkeiten gnädig sein, und ihrer Sünden und ihrer Gesetzlosigkeiten werde ich nie  mehr gedenken.“ Indem er sagt: „einen neuen“, hat er den ersten alt gemacht; was aber alt wird und veraltet, ist dem Verschwinden nahe.

Wir haben im vorigen Kapitel gesehen, dass ein Wechsel des Priestertums einen Wechsel des Gesetzes notwendig machte, mit dem das Priestertum umgeben worden war. Wir haben hier einen Diener vor uns, der dem himmlischen Heiligtum angehört und der kein Priester nach der Ordnung Aarons ist. Deshalb muss es einen anderen Grund geben sowie eine andere Basis als der, auf welcher das aaronitische Priestertum seinen Dienst gründete. Jetzt aber hat er einen vortrefflicheren Dienst erlangt. Vergleichen wir den Dienst der Priester, die in der Gefahr standen zu versagen und die Gott nicht verherrlichen konnten, weil sie selbst Sünder waren, mit dem vortrefflicheren Dienst Christi. Die Priester standen täglich da, verrichteten den Dienst und brachten Opfer dar, die niemals Sünden wegnehmen können. Christus hat ein für allemal ein Opfer für Sünden dargebracht und nimmt jetzt für immer seinen Platz zur Rechten Gottes ein. Es stimmt, dass der Priester einen Dienst zu erfüllen hatte, aber Christus hatte einen vortrefflicheren Dienst insofern er auch Mittler eines besseren Bundes ist, der aufgrund besserer Verheißungen gestiftet ist. Wir sehen hier, dass alles besser ist und ich möchte noch bemerken, dass du im Hebräerbrief diesem Wort „besser“ immer wieder begegnest. Ja, man könnte fast über den ganzen Brief schreiben: „Die besseren Dinge“. Und das als Charakterzug des Christentums verglichen mit dem Judentum.

Dieser zweite Teil, den wir hier vor uns haben, bringt die große Wahrheit des neuen Bundes vor uns und macht klar, dass er besser ist als der alte. Der alte Bund war der Bund des Gesetzes, den Gott Israel gab, als er sie aus Ägypten brachte. Genau das wird durch das Zitat aus dem 31. Kapitel Jeremias deutlich. Ich denke auch, dass wir den Unterschied zwischen diesen beiden Bündnissen im Buch Jeremia selbst deutlich sehen können. Im 11. Kapitel Jeremias haben wir den alten Bund vor uns. Im 31. Kapitel finden wir dann den neuen Bund, und wenn wir zum 50. Kapitel gehen, sehen wir wie der Glaube sein Auge auf den neuen Bund richtet. Lasst uns nun kurz zu diesen drei Kapiteln gehen, die uns, wie ich glaube, das, was wir hier im Hebräerbrief finden, klarmachen.

Bevor wir uns jedoch mit dem Thema des neuen Bundes beschäftigen, möchte ich noch erwähnen, dass wir im Alten Testament noch mindestens zwei weitere Bündnisse zwischen Gott und Mensch angedeutet finden. Der Regenbogen war das Zeichen des Bundes Gottes mit der Erde, eine Vereinbarung, durch die er sich selbst verpflichtete, die Erde nie mehr mit einer Flut heimzusuchen. Entsprechend sehen wir um den Thron in Verbindung mit all den Gerichten, die einmal von dem Thron vor dem tausendjährigen Reich in Richtung Erde ausgehen werden, den Regenbogen, der dort in einem abgeschlossenen Kreis dargestellt wird, so als ob es sich dabei um eine Erinnerung handeln würde, dass Gott nur gemäß den Bedingungen dieses Bundes handeln wird. Er wird dieses Versprechen, was er dort gab, nie vergessen und daran werden auch all die Gerichte in der großen Drangsalszeit nichts ändern.

Zweitens werden wir in Verbindung mit Abraham daran erinnert, dass Gott einen Bund mit ihm machte und ihm das Zeichen der Beschneidung als Siegel dafür gab. Dieser Bund war eine ausdrückliche Verheißung des Segens und im Zusammenhang mit diesem Bund haben wir die Wahrheit, dass Israel als Nation für immer vor Gott bestehen wird, weil die Gnadengaben und die Berufung Gottes unbereubar sind. Deshalb wird ein Bund, in den er seinerseits eingetreten ist, immer bestehen bleiben. Aber der abrahamitische Bund trägt einen anderen Charakter als der, den wir uns jetzt anschauen wollen. Er wurde mit Abraham persönlich abgeschlossen und ist eigentlich ein Vorschatten des neuen Bundes, denn der Apostel zeigt im Galaterbrief, dass das Gesetz, das 430 Jahre später entstand, den Bund nicht ungültig machen konnte. Die Beschneidung wurde jedoch später eingeführt, um mit dem Bund des Gesetzes identifiziert zu werden, obwohl sie nicht von Mose, sondern von den Vätern ist und in diesem Sinn von dem Apostel im Römerbrief und anderswo benutzt wird.

Kommen wir jetzt aber zu der Frage des alten und neuen Bundes. Es gab etwas, was bei dem Bund des Gesetzes immer vorausgesetzt wurde – und das war eine Bedingung. Ein Bund ist eine Vereinbarung zwischen zwei Parteien unter bestimmten Bedingungen, die erfüllt werden müssen. Die eine Seite verspricht bestimmte Dinge zu tun, wenn die andere ihren Pflichten nachkommt. Das ist der Bund des Gesetzes. Gott verheißt, sein Volk zu segnen, wenn sie ihrerseits dem Gesetz gehorsam sind. Schau dir beispielsweise das bereits erwähnte 11. Kapitel Jeremias an, was du dir zu Hause einmal durchlesen kannst. Im zweiten Vers lesen wir da: „Hört auf die Worte dieses Bundes und redet zu den Männern von Juda und zu den Bewohnern von Jerusalem!“ (vgl. V. 1–4). Du wirst durch das ganze Kapitel hindurch entdecken, dass es eine Erinnerung an den ersten Bund ist, zusammen mit den damit verbundenen Verheißungen Gottes an Israel sowie an ihr Versprechen, seine Gebote zu erfüllen. Ich brauche wohl kaum an die Beteuerungen Israels zu erinnern, die sie am Sinai äußerten und an Mose, wie er das Blut dieses Bundes nahm und es auf das Buch sprengte, worin die Gesetze geschrieben standen, ebenso wie auf das Volk und alles übrige und Gott und Mensch zum Zeugen dazu aufrief, dass der Bund durch das Blut beschlossen worden war. Im Übrigen brauchen wir nur wenige Schritte in der Geschichte Israels weiterzugehen, zum Abfall in Verbindung mit dem goldenen Kalb, um zu sehen, wie sie die frühesten Bedingungen verwirkten, um unter dem Bund gesegnet zu werden.

Soweit der Bund betroffen war, konnte Israel nur den Fluch empfangen, der auf ihren Ungehorsam ausgerufen war. Sehen wir auf Mose, wie er mit den Tafeln des Bundes in seinen Armen vom Berg herabkommt. Er trägt in seinen Armen die Bedingungen, aufgrund welcher Gott selbst seine Verheißungen an das Volk wahrmachen möchte. Wir sehen folgende Szene: Zunächst Gott im Himmel in all seiner Heiligkeit und Majestät, dann Mose mit den Tafeln des Gesetzes in seinen Händen; unten im Lager das goldene Kalb, was aufgerichtet wird und schließlich das Volk, das in schamloser Weise tanzt. Es ist ein Bild des ersten Bundes und seinen Auswirkungen. Dort haben wir Gottes Heiligkeit und die Sünde des Menschen und hier, in den Armen des Gesetzgebers, das Zeugnis des vollkommenen Gesetzes, das nur dazu imstande war Fluch auf sie zu bringen.

Was tut Mose jetzt? Wenn er in das abtrünnige Lager mit den Tafeln des Bundes in seinen Händen geht, wird das nur dazu führen, dass die Gerichte Sinais unmittelbar auf das abgefallene Volk kommen werden. Also bricht er diese Steintafeln – nicht, wie uns einige einreden möchten, im Ärger oder von Wut erfüllt, oder etwas derartigem; er wird nicht aus Kanaan ausgeschlossen, weil er seine Geduld verloren und die Steintafeln zerbrochen hätte, obwohl er ausgeschlossen wurde, weil er es bei einer anderen Gelegenheit versäumte, Gott die Ehre zu geben. Nein, wir hören an dieser Stelle keinen einzigen Ton göttlichen Missfallens als er das nahm, was Gott zuvor selbst geschrieben hatte, um es am Fuß des Berges in Stücke zu schlagen. Es war so, als wollte Mose sagen, dass der erste Bund bereits vergangen war. Es gab keine Möglichkeit mehr unter diesem Bund gesegnet zu werden, weil sie ihn schon gebrochen hatten.

In seiner Barmherzigkeit und Langmut ließ Gott sie nicht fallen. Er nahm durch die vermittelnden Bemühungen Moses wieder Verbindung mit ihnen auf. Trotzdem muss er immer wieder mit ansehen, wie halsstarrig sich das Volk gebärdet, das jeglichen Anspruch auf seinen Segen und seine Gunst verwirkt hatte. Was also den ersten Bund angeht, könnte man alles mit der Überschrift „Fluch“ betiteln: „Verflucht ist jeder, der nicht bleibt in allem, was im Buch des Gesetzes geschrieben ist, um es zu tun“ (5. Mose 27, 26). Und wenn es noch jemanden gibt, der heute versucht, auf der Basis des ersten Bundes in eine Verbindung mit Gott zu kommen, steht er unter dem Fluch: „Denn so viele aus Gesetzeswerken sind, sind unter dem Fluch“ (Gal 3,10).

Gehen wir jetzt zum 31. Kapitel Jeremias, um zum neuen Bund zu gelangen, von dem wir in unserem Kapitel gelesen haben. Beobachte den zusätzlichen Gedanken hier, der im Hebräerbrief nicht so vorherrschend ist, weil dort andere Dinge mehr betont werden, dass nämlich dieser Bund mit dem Haus Israel und dem Haus Juda geschlossen wird. Die zehn Stämme Israels haben sich verloren. Im Gegensatz zu uns weiß Gott, wo sie sind, und die Zeit wird kommen, wenn alle zwölf Stämme wieder vereinigt werden. Es wird wieder ein Zepter in Gottes Hand geben, wenn Israel und Juda eine Nation im Land unter den Bedingungen des neuen Bundes sein wird. „Nicht nach dem Bund, den ich mit ihren Vätern machte an dem Tag, als ich ihre Hand ergriff“. Wie wunderbar hatte Gott Israel aus Ägypten erlöst: „Ich trug euch auf Adlers Flügeln und habe euch zu mir gebracht“ (vgl. 2. Mose 19,4). „Welchen meinen Bund sie gebrochen haben; und doch hatte ich mich mit ihnen vermählt, spricht der HERR“ (Jer 31,32). Im Hebräerbrief wird aus der Septuaginta zitiert und dort heißt es: „Und ich kümmerte mich nicht um sie“. Aufgrund ihres Versagens hatten sie also die göttliche Aufmerksamkeit verwirkt. Wir haben an dieser Stelle ein Beispiel für die Art und Weise, wie der Geist Gottes von den alttestamentlichen Schriften Gebrauch macht, um nach seiner Weisheit etwas hinzuzufügen, wo er es für notwendig hält. Wenn wir uns das Volk anschauen merken wir, wie zutreffend es war, dass Gott sich unter dem ersten Bund nicht um sie kümmern konnte. Auf der anderen Seite sehen wir, wie wahrhaftig Gott unter diesem Bund ein Ehepartner für Israel gewesen ist! Er war mit ihnen verlobt, wie wir in Hesekiel 16 lesen, und indem er sie mit seiner Herrlichkeit bekleidete und mit seinem Schmuck schmückte, vermählte er sich mit ihr (Hes 16, 10–14). In den Propheten finden wir dann jedoch wiederholt das Zeugnis ihrer Untreue als Nation gegenüber ihm.

Wir lesen weiter: „Sondern dies ist der Bund, den ich mit dem Haus Israel schließen werde nach jenen Tagen, spricht der HERR: Ich werde mein Gesetz in ihr Inneres legen“ (nicht in Steine meißeln wie jetzt) „und werde es auf ihr Herz schreiben; und ich werde ihr Gott, und sie werden mein Volk sein. Und sie werden nicht mehr jeder seinen Nächsten und jeder seinen Bruder lehren und sprechen: ’Erkennt den Herrn!’, denn sie alle werden mich erkennen von ihrem Kleinsten bis zu ihrem Größten, spricht der HERR. Denn ich werde ihre Schuld vergeben und ihrer Sünde nicht mehr gedenken“ (Jer 31,33–34).

Hier haben wir den neuen Bund und wir können zwei Kennzeichen festhalten. Der alte Bund war von der Bedingung des Gehorsams abhängig. Welche Bedingungen gibt es für den neuen? Was ihre Seite betrifft, gibt es überhaupt keine Bedingung! In Verbindung mit dem neuen Bund wird Israel keine Herrlichkeit erhalten, sondern wir sehen zwei Kennzeichen, die zusammengehen. Erstens wird das Gesetz Gottes auf ihre Herzen geschrieben, anstatt auf steinerne Tafeln gesetzt zu werden, worin wir die neue Geburt sehen können, wie sie Hesekiel beschreibt. In Johannes 3,10 lesen wir die Frage unseres Herrn an Nikodemus: „Du bist der Lehrer Israels und weißt das nicht?“ Es ging um die Notwendigkeit wiedergeboren zu werden, ein neues Herz zu bekommen, das sich am Gesetz Gottes freut und das bereits zur Sprache gekommen ist.

Das zweite Merkmal des neuen Bundes ist: „Ich werde ihre Schuld vergeben und ihrer Sünde nicht mehr gedenken“. Was sind das für zwei wunderbare Wahrheiten! Die Vergebung der Sünden für das Gewissen und ein neues Herz, das sich an Gott und seinen Wegen erfreut! Aufgrund dessen wird es nicht mehr nötig sein zu sagen: „Erkennt den HERRN“, weil Gott von seinem ganzen Volk gekannt und geliebt werden wird. „Mein Volk, sie alle werden Gerechte sein“ (Jes 60,21). „Und sie werden alle von Gott gelehrt sein“ (Joh 6,45). Es wird nicht nur Einzelne geben, die wiedergeboren sein werden, sondern Israel als Nation wird wiedergeboren werden.

Ich muss noch ein Wort in Bezug auf Christen unter dem neuen Bund sagen. Wir haben bereits gelesen, dass dieser neue Bund mit dem Haus Israel und mit dem Haus Juda geschlossen werden wird. Als Glieder der Versammlung Christi sind wir weder unter dem alten noch unter dem neuen Bund. Wir wurden nie unter den alten Bund gestellt und wir befinden uns auch nicht unter dem neuen Bund, in der Weise, wie es auf Israel einmal zutreffen wird, d. h. unter diesem Bund als administrativen Ordnung in Verbindung mit den Dingen auf dieser Erde. Dennoch gelten die Segnungen des neuen Bundes, ebenso wie alle übrigen geistlichen Segnungen, die Israel einmal genießen wird, auch für uns. Die Segnungen dieses neuen Bundes werden uns jetzt durch Christus dargereicht. Er ist der „Mittler eines neuen Bundes“ (Heb 12,24) und in dieser Weise dient er uns jetzt im Hinblick auf die beiden Dinge, von denen wir soeben gesprochen haben. Mit welch einer Freude können wir daran denken, dass uns Gottes Wille, durch seine Gnade, in unsere Herzen geschrieben worden ist, dass wir in der neuen Geburt eine neue Natur empfangen haben, die sich an dem Gesetz Gottes freut, dass wir als aus Gott Wiedergeborene, seine Kinder, aufgrund seiner unendlichen Gnade die Fähigkeit haben, ihn zu genießen und dass wir eine neue Schöpfung in Christus geworden sind! Die neue Geburt besitzt für uns in der Tat eine breitere und völligere Bedeutung, als sie für Israel möglich ist. Wir haben dieses „Leben in Überfluss“, das die Christenheit ausmacht in Verbindung mit der neuen Schöpfung. Während das Leben dasselbe ist, geht seine Reichweite beträchtlich weiter. Ich brauche natürlich nicht zusätzlich zu betonen, dass die neue Geburt keine Wahrheit ist, die auf die Versammlung beschränkt ist, sondern für alle Heiligen Gültigkeit hat.

Was die Vergebung der Sünden angeht, vergibt Gott sie nicht nur, wenn ich es einmal so ausdrücken darf, sondern er vergisst sie auch, und das nicht in einem menschlichen Sinn, indem er sich nicht mehr an sie erinnern könnte, sondern in einer göttlichen Art und Weise, sodass nichts mehr zwischen ihm und seinem Volk steht. Es ist so, als ob unsere Sünden überhaupt nicht erst geschehen wären. Er sagt: „Ihrer Sünden und ihrer Gesetzlosigkeiten werde ich nie mehr gedenken“. Der Apostel zeigt später, dass, wenn es kein Erinnern mehr an die Sünden gibt, es keine Notwendigkeit für ein Opfer gibt. Alles ist auf göttliche Weise geregelt worden.

Diese beiden Segnungen des neuen Bundes sind uns also durch unseren Hohepriester dargereicht worden. Er ist aufgefahren und wir müssen in dem Licht der Segnungen, die jetzt unser geworden sind, im Hinblick auf das Gesetz, das irdische Priestertum und Heiligtum, sagen, dass unser Teil darüber weit hinausgeht und unendlich viel herrlicher und kostbarer ist!

Kommen wir noch zu der letzten Stelle in Jeremia 50, die uns zeigt, wie Israel die Segnungen des neuen Bundes erhalten wird (V. 4–5). Auch hier wird wieder Wert darauf gelegt, dass die zwölf Stämme wiedervereint sind. Wir sehen dort zunächst die Aktivität des Geistes Gottes, der auf Seiten derjenigen, die sich so lange von ihm entfernt hatten, eine echte Buße hervorbringen wird, bevor es weiter heißt: „Sie werden nach Zion fragen, auf den Weg dahin ist ihr Angesicht gerichtet: Kommt und schließt euch dem HERRN an mit einem ewigen Bund, der nicht vergessen werden soll! Mein Volk war eine verlorene Schafherde: Ihre Hirten leiteten sie irre auf verführerische Berge; sie gingen von Berg zu Hügel, vergaßen ihre Lagerstätte“ (Jer 50,5–6).

Das bußfertige Volk wendet sich als mit Weinen auf den Weg nach Zion, indem es nach dem Weg fragt und dorthin mit einer Entschlossenheit zurückkehrt, die nur durch den Geist Gottes gewirkt werden kann. Ihr Entschluss lautet: „Wir werden uns ihm aufgrund eines ewigen Bundes anschließen, der nie mehr gebrochen wird. Das ist der neue Bund, den wir vor uns gehabt haben. Es ist eine schöne Aufgabe, einmal durch alle Propheten zu gehen, um zu sehen, wie dieser neue Bund Israel nahe gebracht wird. Ich werde mich hier auf den 119. Psalm beschränken, der als eine Illustration dienen soll, wie die Bestimmungen des neuen Bundes auf die Herzen dieses bußfertigen Volkes geschrieben werden. Wir finden dort acht Mal das hebräische Alphabet, indem jeder Buchstabe des Alphabets acht Mal vorkommt, wenn die Vollkommenheiten des Gesetzes Gottes beschrieben werden, des Gesetzes, was sie verworfen haben und welches nun auf ihre Herzen geschrieben wird, sodass sie ausrufen: „In meinem Herzen habe ich dein Wort verwahrt, damit ich nicht gegen dich sündige“ (Ps 119, 11). „Wie liebe ich dein Gesetz! Es ist mein Sinnen den ganzen Tag“ (V. 97). Sie werden beten können: „Öffne meine Augen, damit ich Wunder schaue in deinem Gesetz“ (V. 18). Es wird keine Wiederholung von dem sein, was am Sinai geschehen ist, wo das Gesetz als Gottes Anspruch an den natürlichen Menschen gegeben wurde, was ihn nur verdammen konnte, sondern es wird der Wille eines gnädigen Gottes sein, an dem ein wiedergeborenes Volk seine Freude finden wird.

Die Schlussfolgerung von allem, was wir vor uns hatten, kann für einen gläubigen Israeliten nur sein, dass die Segnungen des neuen Bundes den ersten Bund, das levitische Priestertum sowie das irdische Heiligtum für immer ersetzt haben. Sie haben diesen Bund gebrochen und dafür nichts anderes als einen Fluch geerntet. Hier wird jedoch Christus vorgestellt, der aufgefahren ist und den Gläubigen in das himmlische Heiligtum einführt. Deshalb können sie sich nun mit einem guten Gewissen und der vollen Gewissheit den Willen Gottes zu tun, von dem alten Bund und seinen Ritualen, die einem alten Gegenstand gleichen, der alt wird und veraltet, wegwenden.

Wie gut ist es, wenn wir uns bewusst machen, dass wir uns von allem, was mit dem Fleisch in Verbindung steht, abgewendet haben. Aber wie gut ist es auch zu wissen, dass es eine Zeit für Israel geben wird, in der auch sie die Segnungen des neuen Bundes genießen werden!

[Eingesandt von Stephan Keune]