Die Räder des lebendigen Wagens berühren die Erde: Hesekiel 1,15–21

Die Erscheinung Hesekiels fährt mit der Beschreibung der Cherubim fort und tut das, indem Räder eines lebendigen Wagens vorgestellt werden, welche die Erde berühren. Die Räder erinnern uns hier daran, dass der Thron Gottes nicht statisch ist und es ist in der Tat so, dass der Gott der Bibel ein handelnder Gott ist (Joh 5,17). Er hat diese Erde nicht nur irgendwann einmal geschaffen, sondern unterhält seine Schöpfung fortwährend in einer aktiven Art und Weise (Kol 1,17; Heb 1,3).

Weiter lesen wir, dass die Räder auf der Erde ruhen (V. 15): Gott handelt und greift in den Lauf der Geschichte ein und offenbart sich auch. Er ist derjenige, der ist, der war, aber auch der, „der da kommt“ (Off 1,4) – und nicht nur der, der „sein wird“. Solche, die denken, dass der Herr sich nicht um die Menschen kümmert, irren sich (Zeph 1,12). Egal, ob Gott nun handelt oder „stille ist“ (Jes 18,4) – er ist souverän und verändert sich nicht. Er bleibt derselbe, „gestern, heute und in Ewigkeit“ (Heb 13,8; Mal 3,6). 

In Vers 21 finden wir zwei Fälle, wo sich der Thron Gottes entweder bewegt oder stehen bleibt, und so gibt es Momente, wo die Handlungen Gottes klar erkennbar sind, sowie andere, wo die Frage aufkommt, warum Gott nicht eingreift. Selbst durch die Erscheinung, die Hesekiel sah, konnte er nicht vorhersehen, ob sich der Wagen bewegen würde oder nicht, und genauso wenig ist es uns oft möglich, zu wissen, ob Gott eingreifen wird. Auf allen seinen Wegen bleibt er souverän (Röm 11,33).

Die Räder sind „hoch und furchtbar“ (V. 18): Was sind menschliche Pläne verglichen mit den Absichten Gottes und wer könnte sich ihnen entgegenstellen? Außerdem sind die Räder „voller Augen“ (V. 18): Unser Gott ist allwissend (1. Sam 2,3; Ps 139; Röm 16,27). Seine Augen durchlaufen die ganze Erde, um seiner Weisheit entsprechend zum Wohl der Seinen zu handeln (2. Chr 16,9).[Fußnote 1]. Nichts bleibt dem Zufall überlassen.

Die Räder machen es möglich, dass der Wagen Gottes in alle Richtungen fahren kann. Trotzdem bewegen sie sich niemals rückwärts (V. 17): Gott kommt mit seinem Werk immer voran und er bereut weder seine Handlungen noch die Weise, in der er sie ausführt (4. Mo 23,19).Fußnote 2. Es ist ein grundsätzliches Kennzeichen seines Wesens, dass alle seine Wege stets vollkommen sind (5. Mo 32,4). Welch einen Unterschied zu uns können wir hier feststellen! Wie oft haben wir uns geirrt und mussten wieder auf den richtigen Weg gebracht werden.

Mitunter erhoben sich die Räder der lebendigen Wesen von der Erde (V. 21): Es gibt Momente in der menschlichen oder in unserer eigenen Geschichte, wo Gott die Dinge absichtlich ihrem Lauf überlässt, ohne aktiv einzugreifen (Jes 18,4). Dennoch behält er stets die Kontrolle über die Dinge und führt alles zur Vollendung seiner Absichten.

Schließlich lenkt der Geist den Wagen, indem er den lebendigen Wesen und den Rädern den nötigen Zusammenhalt schenkt (V. 12.20.21): Gott wirkt immer in vollkommener Harmonie und was er tut, ist durchweg stimmig. So sehen wir, dass ihm viele Instrumente zur Verfügung stehen, aber er allein es ist, der sie steuert und einsetzt.

Diese Erscheinung der Räder darf eine Ermunterung für uns sein: Gott verliert nie sein Interesse an uns. Er ist nie gleichgültig oder untätig, und zu seiner Zeit werden wir sehen, wie er zu unserem Guten handeln wird.

Die Stimme des HERRN im Himmel (oberhalb der Ausdehnung): V. 22–25

Oberhalb der Cherubim erblickt Hesekiel etwas, was eine Ähnlichkeit mit dem atmosphärischen Himmel aufweist und „Ausdehnung“ genannt wird (V. 22.23.25.26; vgl. 1. Mo 1,8). Von dort lässt Gott seine Stimme hören (V. 25). Der wahre Gott ist ein Gott, der redet und den Wunsch hat, sich seinen Geschöpfen zu offenbaren. Er spricht zu uns durch seine Schöpfung, seine Leitung im Lauf der Geschichte, die Heilige Schrift, das Kommen seines Sohnes als Mensch auf diese Erde und durch seinen Geist. Hören wir auf den, „der von den Himmeln her redet!“ (Heb 12,25).

Gott auf dem Thron seiner Herrlichkeit (oberhalb der Ausdehnung) Verse 26–28

Schließlich bekommt Hesekiel das Vorrecht, Gott auf seinem Thron sitzen zu sehen. Er sieht ihn in einer Gestalt, die das Aussehen eines Menschen hat (V. 26; Dan 7,13). Gott offenbart sich in dieser Weise, damit der Prophet nicht stirbt (vgl. 2. Mo 24,10; 33,20; Off 1,12–17), denn es ist dem Menschen unmöglich, Gott in seiner Fülle und in seinem göttlichen Wesen zu sehen (1. Tim 6,16). Hier erinnert uns die Ähnlichkeit mit dem Menschen daran, dass Gott ihn in seinem Bild gemacht hat. Darüber hinaus nimmt diese Erscheinung das Kommen Gottes in der Person des Menschen Jesus Christus vorweg (Joh 1,14; 1. Tim 3,16).

Die Vision endet allerdings nicht mit dieser wunderbaren Erscheinung, sondern mit dem Bogen in Vers 28. Gott hatte dem Menschen den Regenbogen nach der Sintflut als Zeugnis dafür gegeben, dass er die Erde nie mehr durch Wassermassen vernichten würde (1. Mo 9,12–17). Dieses Zeichen der Gnade Gottes und seines Friedensbundes zieht sich durch die ganze Schrift und strahlt in Offenbarung 4,3 rings um den Thron her.

Hesekiel erblickt anschließend „die Herrlichkeit des HERRN“ (V. 28). Die Vision lehrte ihn – und zeigt uns heute –, dass es Gott ist, der trotz sich überstürzender Ereignisse auf dieser Erde über allem steht und die Dinge in der Hand hält. Es ist sehr nützlich für uns, dass wir unsere Wahrnehmung Gottes immer wieder erneuern und erweitern, um seine Größe, Majestät und Herrlichkeit zu bewundern!

Hesekiel fällt in größter Bewunderung und Anbetung auf sein Gesicht: Kennen wir solche Momente, wo das Anschauen der Herrlichkeit des Herrn Jesus in den Schriften (vgl. 2. Kor 3,18; 4,6) uns zu einer spontanen Anbetung geführt hat?

[Übersetzt aus „Sondez les Écritures“ von Stephan Keune]


Fußnote 1: Die Bibel benutzt häufig den Ausdruck „die Augen Gottes“, um seine vollkommene Kenntnis aller Dinge zu bezeugen: 2. Chr 6,20; Hiob 34,21; Ps 34,15; 113,6; Spr 5,21; 15,3; Jer 16,17; 32,19; Sach 4,10; Heb 4,13; 1. Pet 3,12.

Fußnote 2: Es gibt Stellen, die scheinbar andeuten, dass Gott etwas bereuen würde (vgl. 1. Mo 6,6; 2. Mo 32,14; 2. Sam 24,16; 1. Chr 21,15; Jer 26,13.19). Doch gehen diese Verse in eine ganz besondere Richtung:– zum einen hat Gott ewige Absichten, die unveränderbar sind und die er nie zurücknimmt oder korrigiert– auf der anderen Seite kann es sein, dass die Art und Weise, in welcher diese göttlichen Absichten verwirklicht werden, Aspekte beinhalten, die wir „konditionell“ oder „bedingt“ nennen können. Sie hängen dabei von der Weise ab, in der die Menschen handeln. Die oben zitierten Stellen setzen nirgendwo voraus, dass Gott einen Fehler gemacht hätte, was seine Ratschlüsse angeht, noch die Notwendigkeit, seine Ratschlüsse zu ändern. Der hebräische Ausdruck, der in den fraglichen Stellen mit „bereuen“ wiedergegeben wird, besitzt verschiedene Bedeutungen, wie z. B. „Leid ertragen“, „Mitleid haben“, „betrübt sein“, „voller Mitleid sein“, „Mitgefühl haben“, etc. Das Wort „shuv“ (wenden, umwandeln, sich bekehren) wird dabei nie in Verbindung mit Gott benutzt. Vergleiche auch den Kommentar zu 1. Samuel 15,10–23 (Band 7, S. 402).