Das Buch Hesekiel beginnt mit der nationalen Katastrophe Israels, durch welche das Volk in die babylonische Gefangenschaft gerät und endet mit der Beschreibung der Herrlichkeit des königlichen Friedensreiches in der Zukunft. Dieses Buch gibt folglich einen prophetischen Überblick, der eine Zeitperiode von nicht weniger als 2.600 Jahren umfasst.

Der historische Zusammenhang

Hesekiel lebte in einer Zeit, die durch besondere Schwierigkeiten im Nahen Osten gekennzeichnet war. Nach dem Ende des assyrischen Weltreichens und dem Fall Ninives, seiner Hauptstadt (612 v. Chr.), stehen sich Babylonien und Ägypten im Kampf um die Vormachtstellung in der Region wiederholt feindlich gegenüber. Nach ihrem Sieg über die Armeen des Pharao bei Karkemisch (605), unterwerfen sich die Truppen Nebukadnezars, dem König Babylons, das gesamte fruchtbare Gebiet im Nahen Osten [Fußnote 1]. In der anschließenden Zeit von 605 bis 582 v. Chr. führten die Chaldäer mehrere siegreiche Kriege gegen das Königtum von Juda, was in der vollständigen Zerstörung sowohl von Jerusalem als auch vom Tempel Gottes resultierte. Die jüdische Bevölkerung wurde in vier aufeinanderfolgenden Etappen ins babylonische Exil deportiert und zwar im Jahr:

605 (1. Verschleppung, vgl. 2. Chr 36,5–8)

597 (2. Verschleppung, vgl. 2. Chr 36,9–16)

586 (3. Verschleppung zur Zeit der Zerstörung Jerusalems, vgl. 2. Chr 36,17–21)

582 (4. Verschleppung, vgl. Jer 52,30)

Wie war es für Israel bis dahin gekommen? Wir können den Grund in der wachsenden Treulosigkeit des Volkes gegenüber ihrem Gott erkennen: Ab der Regierung Manasses über Juda (701–642) hatte sich die Masse des jüdischen Volkes von dem einzig wahren Gott abgewendet, um sich dem Götzendienst hinzugeben, was wiederum zur Abkehr Gottes von seinem Volk führte. Die erschreckenden Resultate: Der Zusammenbruch Judas als unabhängiger Staat, Krieg und schließlich das Exil. Durch einen souveränen Akt Gottes, der die Fäden der Geschichte stets in der Hand hält, wurde die zentrale Stellung Israels in Bezug auf die Weltregierung eine Zeitlang entzogen, um sie dem Weltreich Babylons anzuvertrauen.

Der Verfasser

Hesekiel, der Sohn Busis (Kap. 1,3), wird bei der zweiten Wegführung im Jahr 597 nach Babylonien gebracht (Kap. 1,2). Er hält sich in einer Kolonie exilierter Juden in Tel-Abib [Fußnote 2], in der Nähe des Flusses Kebar [Fußnote 3] auf, wo er in seinem eigenen Haus wohnt (Hes 3,24; 8,1). Er ist verheiratet, verliert seine geliebte Frau, die einmal „die Lust seiner Augen“ genannt wird (Hes 24,16), jedoch an dem Tag, an welchem Gott ihm offenbart, dass er den Tempel in Jerusalem durch die Babylonier zerstören lassen wird. Wir verfügen ansonsten nur über wenige Details seines Lebens, worin wir einmal mehr die Leitung des Geistes erkennen können, der möchte, dass der Mensch hinter seiner Botschaft verblasst.

Fünf Jahre nach seiner Deportation im Jahr 592/593 v. Chr. wird er in seinen Dienst als Prophet berufen. Er ist zu diesem Zeitpunkt 30 Jahren [Fußnote 4] alt (Hes 1,1) und wie sein Zeitgenosse Jeremia Prophet (Hes 1,3), woraus wir entnehmen können, warum die Stadt Jerusalem und alles, was mit dem Tempel und dem Tempeldienst in Verbindung stand eine zentrale Rolle in seinem Leben einnahm. Der letzte Ausspruch geht ins Jahr 571 v. Chr. zurück (Hes 29,17) und zeigt damit an, dass die Zeit seines Dienstes eine Spanne von mindestens 22 Jahren umfasst.

Der Geist Gottes und die Herrlichkeit des HERRN

Hesekiels Name bedeutet „Der HERR vergilt reichlich“ und Hesekiel durfte die Realität dieser Bedeutung in seinem Dienst tatsächlich in reichem Maße erfahren.

Das Buch Hesekiel ist eines der Bibelbücher, die häufiger über den Geist sprechen [Fußnote 5], wobei der Dienst des Heiligen Geistes vor allem darin besteht, den Herrn Jesus zu verherrlichen (Joh 16,14). Das ist sicher ein Grund dafür, dass in diesem Buch so oft von der „Herrlichkeit des HERRN“ gesprochen wird [Fußnote 6].


1.) Dieses fruchtbare Gebiet bezeichnet den kultivierbaren Bereich im Nahen Osten. Es erstreckt sich von der Nilebene in Ägypten bis hin zum persischen Golf und bildet damit einen Bogen, der auch Palästina, den Norden Syriens und die Ebenen des Euphrats und des Tigris umfasst. Damit bildete Babylonien (anderswo auch Chaldäa genannt) die Grenze des Orients. Heute gehört dieses Gebiet zum Irak.

Nebukadnezar ist übrigens auch unter dem Namen Nabuchodonosor bekannt.

2.) Oder: Tel-Aviv, was allerdings nicht mit der heutigen Stadt mit derselben Bezeichnung verwechselt werden darf, welche im Jahr 1909 gegründet wurde und sich im heutigen Staatsgebiet Israels befindet. Das Tel-Abib zur Zeit Hesekiels befand sich in der Nähe des Nippur, ca. 75 Kilometer südlich von Babylon. Der Name der Stadt bedeutete in Babylonien: „Damm gegen die Fluten“.

3.) Der Fluss Kebar war einer der Hauptzuflusskanäle zur Speisung des Euphrat. In Babylon bedeutete er einfach „der große Fluss“.

4.) Es gibt unterschiedliche Auslegungen, um den Ausdruck „im dreißigsten Jahr“, zu erklären. Die einfachste und befriedigenste besteht darin anzunehmen, dass es sich hier einfach um das Alter des Propheten handelt.

5.) Nämlich 19 Mal: 1,12.20 (2 Mal).21; 2,2; 3,12.14.24; 8,3; 10,17; 11,1.5; 11,24 (2 Mal); 36,27; 37,1.14; 39,29; 43,5.

6.) 18-Mal: 1,28; 3,12.23 (2 Mal); 8,4; 9,3; 10,4 (2 Mal).18.19; 11,23; 16,14; 39,21; 43,2 (2 Mal).4.5; 44,4.

[Übersetzt aus „Sondez les Écritures“ von Stephan Keune]