Die Betrachtung der Auferstehung des Herrn Jesus als Beweis des Sieges Gottes führt zwangsläufig zu einem weiteren Aspekt derselben herrlichen Wahrheit, der sehr eng damit verbunden ist. Es mag die Frage aufkommen, was dieser Sieg bedeutet. Beinhaltet er außer de Darstellung der absoluten Macht Gottes und der persönlichen Rechtfertigung des Herrn Jesus noch irgendetwas anderes?

Dass der Herr Jesus dadurch persönlich gerechtfertigt wurde, macht Apostelgeschichte 2 deutlich. Seine Auferstehung war das große Thema der Rede des Petrus am Pfingsttag, bei der etwa 3000 Menschen die unwiderstehliche Überzeugung gewannen, dass Gott in die große Kontroverse zwischen den Führern Israels und Jesus – zwischen den Bauleuten und dem Stein, den sie verwarfen – eingegriffen hatte, und dass das oberste himmlische Berufungsgericht zugunsten Jesu entschieden hatte. Er wurde siegreich gerechtfertigt. „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, dieser ist zum Eckstein geworden“ (Lk 20,17).

Jeder, der den Herrn Jesus Christus liebt, muss sich an diesem Gedanken erfreuen. Doch wir sollten nicht übersehen, dass seine Auferstehung noch mehr umschließt als das. Es war der große Präzedenzfall, an dem unendliche und ewige Dinge hingen.

Gelegentlich beschäftigen sich die Gerichte mit einem großen Rechtsstreit über eine scheinbar triviale Sache. Beide Seiten warten mit einem Aufgebot an Rechtsgelehrten auf, viele Zeugen werden gerufen, viel Geld wird ausgegeben, eine Menge Zeit wird beansprucht und dem Gericht und den Zeugen bietet sich ein brillantes Schauspiel von Redekunst, Witz und Scharfsinn, doch dem Uneingeweihten erscheint alles so unbedeutend, dass er geneigt ist, sich mit den Worten abzuwenden: „Viel Lärm um nichts!“

Aber das stimmt nicht, der Schein trügt, die ganze Mühe ist gerechtfertigt durch die Wichtigkeit des Falls. Der strittige Fall ist repräsentativ, wenn auch an sich nichts Großartiges. Aber es gibt viele ähnlich gelagerte Fälle, und dieser wurde als Präzedenzfall auserwählt. Die gefällte Entscheidung wird, egal wie sie ausfällt, Grundsätze und Rechtsauslegungen schaffen, die mit sofortiger Wirkung für viele andere Fälle gelten. Vielleicht sind sogar mit diesem Fall hunderte oder tausende andere Fälle verhandelt und entschieden, und das hebt ihn sofort aus der Menge heraus und verleiht ihm große Bedeutung.

Die Schrift macht sehr deutlich, dass die Auferstehung Jesu ein solcher Fall war. Nicht dass sie an sich unbedeutend war – da hinkt unser Vergleich natürlich. Kein Ereignis hatte je für sich gesehen eine größere Bedeutung, und doch wird die Wichtigkeit noch dadurch vergrößert, dass es der große Präzedenzfall ist, mit dem alles steht oder fällt – wir selbst eingeschlossen. In Epheser 1,17–23 ist eines dieser wunderbaren Gebete aufgezeichnet, die beständig aus den Herzen des großen Apostels Paulus zu Gott emporstiegen. Er betete:

„Damit der Gott unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Herrlichkeit, euch gebe den Geist der Weisheit und Offenbarung in der Erkenntnis seiner selbst, damit ihr, erleuchtet an den Augen eures Herzens, wisset, … welches die überschwängliche Größe seiner Kraft an uns, den Glaubenden, nach der Wirksamkeit der Macht seiner Stärke, in der er gewirkt hat in dem Christus, indem er ihn aus den Toten auferweckte; (und er setzte ihn zu seiner Rechten in den himmlischen Örtern.“

Hier finden wir die Auferstehung eindeutig in diesem Licht: seine Auferstehung ist der Präzedenzfall, und wir erkennen dadurch die Größe der Kraft Gottes an uns. Kein Wunder, dass der Apostel eine solch kraftvolle Sprache verwendet. Gottes Kraft an uns –  seinem Volk – ist überschwänglich groß, weil sie an der Wirksamkeit der Macht seiner Stärke gemessen wird, in der Er in Christus gewirkt hat.

Die Absicht des Geistes ist sicher, uns eine Vorstellung davon zu geben, dass sich Gottes Kraft in einem überragenden und außerordentlichen Maß in der Auferweckung Jesu betätigt hat. Solche starken Ausdrücke werden nicht benutzt, wenn es um die Auferweckung der Millionen geht, die an dem Glück der ersten Auferstehung teilhaben, weil jenes ein wesentlich einfacherer Fall ist, wo die schrecklichen Fragen der Sünde, des Todes und der Macht Satans keine Rolle spielen, wie es bei dem Herrn Jesus der Fall war. Dort wurde der wahre Kampf gekämpft, dort fand jede feindliche Macht, ob menschlich oder satanisch, ihren höchsten Ausdruck, und vereinigte sich zu einem letzten Versuch, den Heiland in der Herrschaft des Todes zu halten; dort erhob sich die Macht Gottes, schleuderte jeden Angriff zurück, vernichtete die ganze Macht des Feindes und erweckte Ihn aus den Toten auf, und seitdem ist Er, sitzend zur Rechten Gottes, „über jedes Fürstentum und jede Gewalt“ erhöht (Eph 1,21). 

Was für eine majestätische Sprache! Der Geist Gottes frohlockt offensichtlich über den triumphalen Ausgang dieses großen Präzedenzfalles.

Und unsere kleinen Fälle sind in seinem großen Fall geklärt. Deshalb beginnt Epheser 2: „Auch euch.“ Wenn wir dem Lauf der Argumentation folgen, heißt es: „Nach der Wirksamkeit der Macht seiner Stärke, in der er gewirkt hat in dem Christus, indem er ihn aus den Toten auferweckte; … auch euch, die ihr tot wart in euren Vergehungen und Sünden.“ In Christus ist der Rechtsstreit geklärt, und wenn sich die Kraft Gottes in uns zeigt, dann in genau der gleichen Weise: wir sind lebendig gemacht und auferweckt und sitzen in den himmlischen Örtern in Ihm (Eph 2,5–6). Doch seine Auferstehung hat nicht nur eine geistliche Bedeutung für uns heute, sondern ist auch das sichere Pfand der Auferstehung all derer, die des Christus sind bei seiner Ankunft. Das wird mit folgenden Worten klar gezeigt:

„Nun aber ist Christus aus den Toten auferweckt, der Erstling der Entschlafenen; … der Erstling, Christus; sodann die, die des Christus sind bei seiner Ankunft“ (1. Kor 15,20–23).

Der Tod kann uns letzten Endes nicht mehr halten als er ihn halten konnte. Unsere Hoffnung ist sicher und gewiss, nicht nur weil Gottes Wort das sagt (obwohl das ausreichend wäre), sondern auch, weil wir in Christus das immerwährende Pfand dafür haben. Daran dachte Paulus, als er schrieb: „indem wir wissen, dass der, der den Herrn Jesus auferweckt hat, auch uns mit Jesus auferwecken und mit euch darstellen wird“ (2. Kor 4,14).

Um uns aufzuerwecken, ist nur ein Wort nötig – ein einziges Wort der Macht.

„Es kommt die Stunde, in der alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören, und hervorkommen werden“ (Joh 5,28–29).

Das war unter anderem der Grund, warum die Sadduzäer so erbitterte Gegner der Apostel waren, wie es in der Apostelgeschichte beschrieben wird. Die Pharisäer waren die Gegner zu Lebzeiten des Herrn Jesus, weil Er als die Wahrheit auf Schritt und Tritt ihre Heuchelei enttarnte. Doch sobald Er nicht mehr da war und das apostolische Zeugnis über seine Auferstehung zur Hauptsache wurde, kamen die Sadduzäer in Tätigkeit.

„Während sie aber zu dem Volke redeten, kamen die Priester und der Hauptmann des Tempels und die Sadducäer auf sie zu, die es verdross, dass sie das Volk lehrten und in Jesu die Auferstehung aus den Toten verkündigten“ (Apg 4,1–2).

Diese eifrigen Leugner der Auferstehung waren sich völlig bewusst, dass die Auferstehung Jesu schädlich für ihr gesamtes Lehrgebäude war. Wäre es ein isoliertes oder zufälliges Ereignis gewesen, hätten sie stillschweigend darüber hinweggehen können, oder es als Ausnahme bezeichnen können, die die Regel bestätigte, dass es keine Auferstehung gibt. Aber so war es nicht. „In Jesus“ war die Auferstehung aus den Toten dem Grundsatz nach eingeführt, und daher ließen sie keine Gelegenheit ungenutzt, die Verkündiger zum Schweigen zu bringen und ihr Zeugnis zunichte zu machen.

Gott sei Dank, dass das Zeugnis nicht zunichte gemacht wurde und werden kann. Wer kann ermessen, wie viel Trost und Kraft dieses Zeugnis den Seelen der Gläubigen gebracht hat? Hören wir, was Petrus sagt:

„Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der nach seiner großen Barmherzigkeit uns wiedergezeugt hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi aus den Toten“ (1. Pet 1,3).

Wir verstehen vielleicht nur wenig von der Trostlosigkeit, die sich in die Herzen derer einschlich, die den Herrn Jesus Christus liebten, als sie Ihn sterben sahen. Es erweckte nicht nur ihr persönliches Mitgefühl, sondern zerstörte auch mit einem Schlag alle ihre Hoffnungen, die sich auf Ihn als ihren vom Himmel gesandten Messias gründeten. Wir ahnen etwas davon, wenn wir die zwei Jünger betrachten, die nach Emmaus gingen (Lk 24) und ihren Zustand und ihr Verhalten beachten. Die Hoffnung in ihren Herzen war tot.

Doch dann offenbarte sich ihnen der Auferstandene selbst. Was für eine Veränderung! Sie wurden „wiedergezeugt zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi aus den Toten.“ Es war als wären sie in eine neue Welt geboren, wo neue Hoffnungen regierten, und diese Hoffnungen waren lebendig, weil sie sich auf den Lebendigen gründeten, dessen Auferstehungsleben nie mehr enden würde. Da kann nur Lob und Dank aus dem Herzen des Apostels zu Gott emporsteigen!

Auch für uns ist es wichtig, dass wir eine solche Erfahrung gemacht haben und gelernt haben, alle unsere Hoffnungen und Erwartungen auf den Auferstandenen zu gründen. Gerade da, als scheinbar alles verloren war, war der wahre Sieg errungen, und uns, die wir durch die Gnade glauben, bleibt nichts mehr übrig, als still zu wachen und zu warten, bis die Kraft, die sich in diesem großen Präzedenzfall so völlig gezeigt hat, auch an uns ausgeübt wird und uns auf ewig dem Bereich des Todes und Grabes enthebt und unsere Hoffnungen krönt mit der Herrlichkeit Gottes.

[Übersetzt von Marco Leßmann]