In der Schrift werden mehrere Anfänge erwähnt. Die ersten Worte der Bibel gehen zurück zu dem Beginn der geschaffenen Dinge: „Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde“ (1. Mo 1,1). Die ersten Versen des Johannesevangeliums bringen uns in eine noch fernere Vergangenheit: „Im Anfang war das Wort“ (Joh 1,1), das heißt, Er existierte vor dem Beginn der Schöpfung. Selbst wenn wir in Gedanken zu dem am weitesten zurückliegenden Anfang zurückgehen würden, den wir uns vorstellen können – Er war da.

Dann lesen wir im ersten Johannesbrief: „Was von Anfang war“ (1. Joh 1,1). Dort ist es der Beginn der Offenbarung des ewigen Lebens in der Person Christi in dieser Welt. Es führt uns zurück zu seiner Menschwerdung.

Auch in Matthäus 19,4–8 spricht der Herr Jesus von einem „Anfang“, bezieht sich dabei aber offensichtlich nicht auf den Anfang der Schöpfung von 1. Mose 1,1, sondern auf die Erschaffung von Mann und Frau in 1. Mose 2, und wie Gott ihnen ihren jeweiligen Platz zuwies und ihnen die Schöpfung unterstellte.

Adam ist jedoch ein „Vorbild des Zukünftigen” (Röm 5,14), und sein tiefer Schlaf und sein Erwachen, woraus die Frau hervorging, war ein Vorbild von dem Tod und der Auferstehung Christi, woraus die Versammlung hervorging, die sein Leib und seine Braut ist. Als der Auferstandene ist Er der Anfang.

„Und er ist das Haupt des Leibes, der Versammlung, der der Anfang ist, der Erstgeborene aus den Toten, damit er in allem den Vorrang habe“ (Kol 1,18). Das herrliche Haupt des Leibes ist der Mittelpunkt. Hier finden wir Ihm als den auferstandenen Menschen. Er ist der „Erstgeborene aus den Toten“ und als solcher „der Anfang“. Alles das, was einen Teil dieser neuen Schöpfung bildet, hat seinen Ursprung in Ihm und seinen Charakter von Ihm.

In welche Sphäre wir auch blicken, ob Schöpfung in Vers 16 oder Erlösung in Vers 18, immer steht Er einzigartig da. Er hat in allem den Vorrang.

Die große Tatsache, mit der wir es unmittelbar zu tun haben, ist jedoch, dass wir in dem auferstandenen Christus den Anfang des gewaltigen neuen Schöpfungssystems sehen, so wie wir in seinem Tod die Grundlage dafür finden.

Epheser 3,15 deutet an, dass es in der Zukunft verschiedene „Familien”, verschiedene Beziehungen und Vorrechte geben wird, wovon einige himmlischer und einige irdischer Natur sind: „Der Vater unseres Herrn Jesus Christus, von dem jede Familie in den Himmeln und auf Erden benannt wird.“

Dementsprechend sagt der Herr selbst: „In dem Haus meines Vaters sind viele Wohnung … ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten“ (Joh 14,2).

Einen kurzen Einblick in einige dieser verschiedenen Familien gibt uns Hebräer 12,22–24. Das himmlische Jerusalem wird erwähnt, Engel, die Versammlung der Erstgeborenen und auch die Geister der vollendeten Gerechten. In Offenbarung 21 und 22 wird der Schleier über der Zukunft gelüftet, und wir dürfen ein wenig dieser Schöpfung im Detail anschauen, von der Christus in Auferstehung der Anfang ist. Es ist bemerkenswert, dass wir in diesen Kapiteln zweimal die Worte lesen: „Ich bin das Alpha und das Omega, der Anfang und das Ende“ (Off 21,6; 22,13), und in beiden Fällen spricht der Herr Jesus Christus. Er ist es, der in der Vision des Johannes auf dem Thron sitzt und alles neu macht (Off 21,5), und Er ist der Kommende, dessen Lohn mit Ihm ist (Off 22,12).

Im ersten Fall geht es um den souveränen Vorsatz Gottes. Das Ende des kleinen, fieberhaften Tages des Menschen ist erreicht. Das Toben der Nationen und das eitle Sinnen der Könige der Erde ist im Gericht verstummt. Das Böse ist gerichtet, sowohl was die Quelle, Satan selbst, angeht, als auch was die Auswirkungen in den selbstzerstörten Menschenkindern betrifft. Die letzten Feinde – Tod und Hades – sind beseitigt. Die ewigen Gedanken Gottes finden ihre Erfüllung. Himmel und Erde sind neu. Die Versammlung ist als die Braut Christi, die heilige Stadt, das neue Jerusalem, an dem für sie vorgesehenen Platz; die Menschen auf der neuen Erde finden ihren Platz und ihr Teil in Gott. Jedes finstere Ergebnis der Sünde verschwindet. Das Alte ist vergangen, und Gottes neues Schöpfungssystem wird auf einem strahlenden Meer des endlosen Lebens und Lichts und endloser Liebe errichtet, wo Er alles in allem ist.

Doch da ist Einer – durch Gnade wohlbekannt –, der im Mittelpunkt thront. Er ist es, der mit souveräner Macht alles das zustande bringt und sagt: „Es ist geschehen.“ Er ist das Ende aller Dinge. Er ist auch der Anfang. Es ist, als ob Er jedes von der Herrlichkeit jener neuen Schöpfungswelt erfüllte Auge zurücklenkt durch alle Jahrhunderte und wechselnden Szenen der Zeit, zu jenem Augenblick, als Er als der Auferstandene aus der einsamen Gruft am Hügel Golgatha hervorkam, und sagt: „Dort seht ihr den Anfang.“ Auf jenem Menschen und seiner Auferstehung aus den Toten ruhte das Zustandekommen der Herrlichkeit jenes ewigen Tages.

Im zweiten Fall geht es um unsere Verantwortlichkeit. Er betont erneut sein baldiges Kommen, aber diesmal weniger mit Bezug auf die Zuneigungen seiner Braut, die daraufhin „Komm!“ sagt, sondern eher im Hinblick auf die Verantwortlichkeit seiner Knechte. Er sagt: „Ich komme bald und mein Lohn mit mir, um einem jeden zu vergelten, wie sein Werk sein wird.“ Und in diesem Zusammenhang stellt Er sich erneut als das Alpha und Omega vor, den Anfang und das Ende. Das Werk jedes Menschen wird stark dadurch gefärbt sein, in welchem Maß er diese Tatsache erfasst hat. Der Dienst ist Gott am wohlgefälligsten, der Christus nicht nur zum Ziel hat, sondern dessen Anfang Christus ist, der seinen Ausgangspunkt und seine Quelle in Ihm hat.

Der wahre Wert und die Wichtigkeit dieses Teils der Wahrheit kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, besonders im Hinblick auf den aktuellen Zustand der Christenheit. Es herrscht eine außerordentliche Gleichgültigkeit gegenüber Christus, wenn auch überall noch solche sind, die seinen wunderbaren Namen lieben und verehren. Mancherorts werden alle Lehren toleriert, solange der Mensch intellektuell und zivilisiert ist und vielleicht Einfluss und Ansehen genießt. Menschen können sich ungestraft Diener Christi nennen und doch von der Kanzel nichts als die alten heidnischen Philosophien predigen, wobei sie christliche Ausdrucksweisen dazu benutzen.

Wenn wir in den sieben Versammlungen in Offenbarung 2 und 3 einen prophetischen Überblick über die bekennende Christenheit auf der Erde sehen, dann haben wir offensichtlich schon den Zustand Laodizeas erreicht, wo diese Eigenschaften genau beschrieben werden. Äußerlich „reich und reich geworden“, aber in Wirklichkeit „elend und jämmerlich und arm und blind und bloß“, weder kalt noch warm, sondern lau wenn es um Christus geht.

Und genau dieser Versammlung in Laodizea stellt der Herr sich als „der Amen, der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes“ vor (Off 3,14). Das ist sehr bezeichnend und zeigt uns das Gegenmittel gegen das wirkende Gift. Lasst uns das gut beachten.

Die Lehre Laodizeas setzt den Menschen an den Anfang – wenn nicht sogar den Affen oder die Urzelle – und sie setzt ganz sicher auch den Menschen, den vergötterten Menschen ans Ende. Und Christus ist lediglich ein Beispiel, ein Ansporn und eine Hilfe in dem Bemühen, den Berg des Fortschritts zu erklimmen.

Im Gegensatz dazu, erklärt die Wahrheit Gottes, wie sie in der Schrift offenbart ist, den Menschen als verloren, weil er durch die Sünde hoffnungslos beschmutzt und verdorben ist. Sie führt das Kreuz ein, wo Sühnung für Sünden bewirkt und der alte Mensch – der verdorbene Sünder – gerichtet und gekreuzigt wurde, in dem Tod des Einen, der die Stelle des Menschen vor Gott eingenommen hat. Sie stellt Christus in Auferstehung vor als den Anfang alles dessen, was die Worte „Schöpfung Gottes“ beinhalten. Wenn die Wahrheit einmal von dem Herzen Besitz ergriffen hat, ist alle Selbstgefälligkeit Laodizeas zunichte gemacht. Möge ihre bewahrende Kraft jedem von uns bekannt sein!

Und noch etwas. Neben dieser bewahrenden Kraft und der großen Bedeutung aus diesem Grund für die gegenwärtige Zeit des Abweichens von der Wahrheit und des beginnenden Abfalls, bedeutet es auch Segen für die Seele, die die Gedanken Gottes denkt und Dinge aus seiner Sicht sieht.

Der Mensch ist als Unbekehrter ein absolut ichzentriertes Geschöpf. Nie gehen seine Gedanken über den eigenen, sehr begrenzten Horizont hinaus. Selbst nach unserer Bekehrung beschäftigen wir uns naturgemäß viel mit uns selbst, mit unserer Vergebung, unserer Befreiung, unseren Segnungen – und der Anfang von dem aus wir rechnen, ist die Stunde unserer Bekehrung. Wir wollen das nicht völlig verurteilen. Der Augenblick, an dem wir uns zu Gott wandten und zum ersten Mal den Wert des kostbaren Blutes Christi kennenlernten, das uns schützt, war in der Tat ein Anfang. Vorbildlich sehen wir das bei Israel in Ägypten. Als die Erstgeburt geschlagen wurde und Israel durch das Blut des Passahlammes geschützt wurde, sagte der Herr: „Dieser Monat soll euch der Anfang der Monate sein, er soll euch der erste sein von den Monaten des Jahres“ (2. Mo 12,2). Wir tun gut daran, zu erkennen, dass alle Tage vor unserer Umkehr zu Gott verlorene Tage waren. Bis dahin hatten wir keinen Anfang. Aber dann war es unser Anfang. Beachte das wiederholte Wort: „euch“. Aber nachdem wir einmal unseren Anfang gemacht haben, sollten wir Fortschritte machen und anfangen, die Dinge so zu verstehen wie Gott sie sieht.

Wenn wir in den Dingen Gottes keine Fortschritte machen, verkümmern wir und verfallen selbst als Christen in einen ichzentrierten Zustand, der immer bedauernswert ist, weil er zum Unglücklichsein und zu einem Mangel an geistlichem Verständnis führt. Wir gleichen den alten Astronomen, die viele widersprüchliche Theorien entwarfen, um die Bewegungen der Himmelskörper zu erklären, von denen keine aufschlussreich oder befriedigend war; und erst als man mit den Traditionen der Vorfahren brach und entdeckte, dass nicht die Erde sondern die Sonne der Mittelpunkt des Systems ist, um den sich die Planeten drehen, konnte alles erklärt werden, und das, was vorher komplex und chaotisch erschien, war plötzlich einfach und harmonisch.

Wer kann ermessen, wie gesegnet es ist, sich in Gedanken von der eigenen Nichtigkeit zu lösen und die Gewaltigkeit der Gedanken Gottes zu erkennen? Möchte es so sein, dass wir die Dinge nicht mit den Augen einer Raupe sehen, deren Horizont sich auf das grüne Blatt beschränkt, von dem sie sich nährt, sondern mit den Augen des Adlers, der sich in das blaue Himmelsgewölbe über den Bergspitzen emporschwingt. Das werden wir tun, wenn unser Ausgangspunkt ist, dass der auferstandene Christus Anfang und Mittelpunkt ist. Kein Gedanke Gottes in Bezug auf Ihn geht verloren, sondern alle werden ihre volle Erfüllung in der kommenden Zeit der Herrlichkeit finden.   Wir haben jetzt einen kleinen – wenn auch unvollkommenen – Überblick über die Fülle von geistlichen Bedeutungen gegeben, die die Worte des Engels beim Anbruch jenes unvergesslichen Tages beinhalteten: „Er ist nicht hier, sondern ist auferstanden“ (Lk 24,6).

[Übersetzt von Marco Leßmann]