Die Beschreibung des Gerichts setzt sich in Kapitel 51 fort und gibt die Beweggründe und Charakterzüge der Babylonier noch detaillierter wieder.

Es ist zuerst immer das geschichtliche Babel, das vor uns gestellt wird. Das können wir besonders klar in den Versen 27–32 erkennen, wo die Könige Mediens gegen Babylon zusammengerufen werden. Dennoch zeigen sich hier Merkmale, die uns an das symbolische Babylon erinnern, dessen Zerstörung uns im Buch der Offenbarung beschrieben wird [Fußnote 1]. Wir begegnen gerade in diesem Abschnitt Begriffen, die uns das Ausmaß ihres Falls sehen lassen (Jer 51,25.26; Off 18,21). Außerdem wird uns die Bestürzung gezeigt, welche die Menschen auf der ganzen Erde erfassen wird (Jer 51,41; Off 18,9.10). Es ist eine Prophetie, die die endgültige Wiederherstellung Israels (sowohl der Kinder Israels als auch der Kinder Judas) im Blick hat, welche aber damals nicht unmittelbar nach der Einnahme Babylons durch Kores stattfinden konnte. Ein jüdischer Überrest ist zwar bereits nach Jerusalem zurückgekehrt, doch wird diese Wiederherstellung nicht vor der Zeit des Endes stattfinden, nachdem sich die Ereignisse aus Offenbarung 18 erfüllt haben.

Die Rache des HERRN: V. 1–24

Die Zerstörung Babylons ist fest beschlossen, weil weder Israel noch Juda von seinem Gott „verwitwet“ ist (V. 5). Obwohl Babylon sich durch seinen Reichtum und Luxus mit vielen Nationen umgeben hat (vgl. Off 14,4) wird es plötzlich zu Fall kommen. Es wird der Augenblick kommen, an dem der HERR seine Rache ausüben wird, denn:

-          er antwortet auf das Flehen der Gefangenen, die ihre Bitten an den Gott der Rache (V. 35.36; Ps 94,1).

-          er zeigt, dass der Sturz das „Werk des HERRN“, des Gottes Israels, ist, indem er den Fall seines Volkes aufnimmt.

-          er rächt die frevelhafte Zerstörung seines Tempels durch die Babylonier.

Derjenige, der spricht, ist der Schöpfer der Himmel und der Erde, wogegen die Götzen Babylons nichts anderes als Nichtigkeit und Lüge sind (V. 17.18) und deshalb zugrunde gehen müssen. Er ist der HERR der Heerscharen und der Gott Israels, der regiert.

Israel ist die Rute, durch die der HERR seine Herrschaft über alles ausübt, was ihm gehört. Er wird sie am Ende der Tage einmal als Hammer benutzen, um jeglichen Widerstand zu zerschmetternn [Fußnote 2]. Doch muss der HERR zuerst Babylon schlagen.

Die Zerstörung Babylons: V. 25–33

Der HERR selbst schreitet ein, um Babel von seiner Erhöhung zu stoßen und ruht nicht eher, bis er mit Babylon zum Ziel gekommen ist, dessen Verderben ewig sein wird. Die Ruinen Babylons sind nie wieder aufgebaut, noch bewohnt worden, während viele Städte immer wieder zerstört wurden, um daraufhin wieder aufgerichtet und erweitert zu werden. Die Ruinen bestehen als Zeugnis der Erfüllung von Gottes Ratschlüssen fort, die er in seinem Wort niedergelegt hat.

Mehrere Nationen werden nun zusammengerufen, „um das Land Babel zu einer Wüste zu machen“ (V. 29). Tatsächlich sollen es die Meder sein (V. 11.28), welche zusammen mit ihren Verbündeten Babel in Ruinen legen werden (Dan 5,30.31). Von nun an vergeht nur noch eine kurze Zeit bis Babylon in einer überraschend plötzlichen Art und Weise eingenommen wird.

Die Klage Jerusalems und die Antwort des HERRN: V. 34–58

In den Versen 34 und 35 kommt die schmerzerfüllte Klage Zions (d. h. Jerusalems) zum Ausdruck. „Gefressen“ und vernichtet durch Nebukadnezar ruft sie nach Vergeltung.

Der HERR antwortet und bestätigt, dass die Zerstörung Babylons bevorsteht und ewig sein wird. Nachdem es so zu einer „Wohnung der Schakale“ gemacht worden ist, wird es nie mehr bewohnt werden.

Weitere prophetische Details seiner Geschichte werden jetzt vorgestellt, um den Fall Babylons näher zu beschreiben:

-          Der Rausch der Führer Babylons (V. 39; Dan 5,23.30)

-          Das Austrocknen des Euphrat (V. 36).

In der Geschichte änderte Kores den Verlauf des Euphrat, der durch Babel fließt, und drang mit seinen Armeen durch das trockene Flussbett in die Stadt ein.

Der HERR lässt an einer Stelle den kraftvollen Ruf ergehen: „Geht aus ihr hinaus, mein Volk“ (vgl. Off 18,4). Er gibt den Weggeführten das Startsignal und kündigt den Rückkehrern an, dass der HERR seine Beziehungen mit seinem Volk wieder aufnehmen wird, das er für eine Zeit zur Seite stellen musste (Jes 52,9–12; Hos 2,23).

Dieser Ruf wird bei den Überlebenden tiefe Herzensübungen hervorrufen und sie zur Buße führen. Indem sie auf die Verwüstung Jerusalems sehen werden sie erkennen, dass die Ursache dafür im Ungehorsam Israels zu suchen ist. Doch der, welcher das Schicksal seines Volkes in die Hand genommen hat, wird um seiner selbst willen handeln und den schamlosen Götzendienst Babylons bestrafen. Er wird sich als der Gott der Rache offenbaren und in Übereinstimmung mit den Prinzipien der göttlichen Gerechtigkeit Babylon das zukommen lassen, was es verdient hat. Babylon wird seine Strafe aufgrund seines Götzendienstes, Hochmuts und Gewalttätigkeit Gottes Volk gegenüber empfangen.

Die Bekanntmachung der Prophetie: V. 59–64

Jeremias Prophezeiung durfte nicht verschlossen liegen bleiben, da die Zeit seiner Erfüllung nahe bevorstand (im Gegensatz zu Daniels Prophetien, die für die Zeit des Endes bestimmt waren; Dan 12,4). Jeremia schickt Seraja, den Sohn Nerijas, nach Babel, als er zusammen mit Zedekia im vierten Jahr seiner Regierung nach Babel reist. Zu diesem Zeitpunkt ist Zedekia Nebukadnezar noch unterworfen, fünf Jahre bevor er sich empört. Seraja soll die vollständige Prophetie gegen Babylon öffentlich vorlesen und ein Zeichen geben. Allen Versuchen zum Trotz, das Wort Gottes zu zerstören oder ihm zu widersprechen, bleibt es ein unwiderlegbares Zeugnis, das den Menschen die Warnungen Gottes übermittelt und sie schließlich zur Ausführung bringt.

Die Worte Jeremias enden an dieser Stelle in Übereinstimmung mit seinem Auftrag als dem Propheten der Nationen. Das folgende Kapitel wurde zweifellos durch einen anderen Schreiber verfasst und verbindet die Geschichte der letzten Tage Jerusalems mit der Gefangennahme Zedekias, der Zerstörung des Tempels und der Stadt selbst.

[Übersetzt aus „Sondez les Écritures“. Eingesandt von Stephan Keune]


[Fußnote 1] Das historische Babylon mit Nebukadnezar stellt einen Gipfelpunkt an Verdorbenheit dar. Sowohl in Bezug auf ihren Stolz als auch ihre Unterdrückung anderer durch die Macht, welche Gott ihnen zu Beginn der „Zeiten der Nationen“ verliehen hatte. In der Offenbarung wird Babylon als „Hure“, bzw. „große Stadt“ bezeichnet, die den religiösen Verfall sowie Hochmut symbolisiert und das verfolgt, was Gott am Anfang des Christentums in der Versammlung aufgerichtet hat.

[Fußnote 2] Man kann auch Vers 20–23 hinzunehmen und sie auf Babylon beziehen, dessen sich der HERR bediente, um die Nationen zu schlagen (Jer 50,23), was seine Verantwortung und die Schwere seines Falls besonders hervorhebt. Babylon muss demnach auf dieselbe Weise geschlagen werden, wie es selbst geschlagen hat.