Die vollständige Anwendung von dem, was wir bisher vor uns gehabt haben, bezieht sich auf die Wüste und die Stiftshütte, teilweise auf den Fremdling, der mit den Kindern Israel zog und ganz auf das Volk als dem Besitz des HERRN. Dagegen enthält das Verbot der letzten Verse dieses Kapitels (V. 10–16) eine viel weitgehendere Reichweite, wie wir im Neuen Testament erkennen können.

In den vor uns liegenden Versen legt der HERR den achtlosen Herzen der Menschen vor, dass so wie das menschliche Leben durch die Sünde vor Gott verwirkt worden ist, er nicht leichtfertig erlaubt, dass das Blut (welches das natürliche Leben irdischer Geschöpfe ist) in Lebensmittel umfunktioniert wird. Diese Anordnung hatte er bereits nach der Flut gegeben, als er dem Menschen die Freiheit einräumte, Fleisch zu essen. Das Blut war jedoch nur für ihn vorbehalten. Selbst bei natürlichen Tieren sollte es so sein, dass die Ansprüche Gottes diesbezüglich gewahrt werden mussten, obwohl sie geboren wurden, um genommen, getötet und verzehrt zu werden. Das alles ereignete sich lange vor dem Gesetz oder auch den Erzvätern, welche die Verheißungen empfingen. Es wurde denen gegeben, die vor der Vernichtung gerettet worden waren und auf der Grundlage von dem standen, was der HERR in dem Brandopfer sah, das Noah dargebracht hatte. Als Gott dann Noah und seine Söhne (d. h. den Beginn der Welt, so wie sie sich uns jetzt darstellt) segnete, wurde ihnen alles, was sich auf dem Erdboden regte (1. Mose 9,2) zur Speise gegeben, so wie es vorher bei allem grünen Kraut der Fall gewesen war. Dennoch lesen wir, dass sie das Fleisch mit seiner Seele, seinem Blut, nicht essen sollten (1. Mose 9,4). Dem Leben des Menschen wohnt ein Wert inne, der nie zuvor ausgesprochen worden war und jetzt umso mehr in Erscheinung trat, indem die Regierung zum ersten Mal Gott dafür Rechenschaft ablegen musste. „Und wahrlich, euer Blut, nach euren Seelen, werde ich fordern“ (1. Mose 9,5). Dieser Grundsatz ist so ernst, dass er selbst für Tiere galt, deren Seele ja unzurechnungsfähig ist, wenn sie einen Menschen erschlagen würden: „Von jedem Tier werde ich es fordern, und von der Hand des Menschen, von der Hand eines jeden, seines Bruders, werde ich die Seele des Menschen fordern. Wer Menschenblut vergießt, durch den Menschen soll sein Blut vergossen werden; denn im Bild Gottes hat er den Menschen gemacht“ (1. Mose 9,5–6).

Diese Grundsätze aus der Zeit Noahs wurden später unter dem Gesetz weiter ausgearbeitet. Trotzdem bleibt es wahr, dass Gott sie der Welt bereits nach der Sintflut bekannt machte. Als die judaisierenden Parteien in den ersten Tagen der Versammlung versuchten, die Heiden unter Gesetz zu stellen, sorgte Gott dafür, dass sie Freiheit von dem Gesetz Moses als solchem erhielten. Dieser Versuch fand in Antiochien statt, wo der Name Christ zuerst gehört wurde, indem gewisse Männer von Judäa herabkamen und lehrten, dass niemand errettet werden könnte, wenn er nicht beschnitten wäre. Paulus und Barnabas versuchten in einem „nicht geringen Wortwechsel“ (Apg 15,2) die Frage zu klären, leiteten sie dann aber zur Quelle des Disputs weiter, sodass schließlich alle vor den Aposteln und Ältesten in Jerusalem erschienen. Hier war es dann Petrus, der ohne irgendeinen Misston  klarstellte, dass sie Gott versuchten, wenn sie ein Joch auf die Jünger legen würden, „das weder unsere Väter noch wir zu tragen vermochten“. Er fährt fort und sagt: „Sondern wir glauben, durch die Gnade des Herrn Jesus in derselben Weise errettet zu werden wie auch jene“ (Apg 15,10–11). Er sagt nicht nur, „werden jene so gerettet werden wie wir“, sondern wir wie auch jene. Anschließend bezeugen Barnabas und Paulus, durch welche Zeichen und Wunder Gott unter den Heiden durch sie gewirkt hatte. Jakobus ist es dann, der einen Schlussstrich unter das zieht, was schließlich als Entscheid der Apostel und Ältesten der ganzen Versammlung, ja des Heiligen Geistes selbst, angesehen wurde, nämlich den heidnischen Bekennern keine anderen Lasten aufzulegen als nur diese notwendigen Dinge: „euch zu enthalten von Götzenopfern und von Blut und von Ersticktem und von Hurerei. Wenn ihr euch davor bewahrt, so werdet ihr wohl tun“ (Apg 15,28.29).

Es erstaunt nicht wenige, dass das Abstehen von Götzen und persönliche Reinheit auf einer Ebene mit der Enthaltung von Blutgenuss und Ersticktem gesehen wird. Doch die Apostel argumentieren nicht auf der Grundlage des menschlichen Gewissens, denn obwohl dieses ein wichtiger Beobachter ist, war es damals und kann es auch heute noch zu jeder Zeit durch die vorherrschende Meinung und entsprechende Gewohnheiten verdunkelt werden. Damals war es für die Heiden einerlei, ob es um Götzendienst, persönliche Reinheit oder die Verwendung von Blut oder Ersticktem zur Speise ging. Der offenbarte Wille Gottes ist für den Gläubigen absolut unveränderlich und es ist in der Tat so, dass er sein Angesicht gegen derartige Schwelgereien gerichtet hatte, die völlig außerhalb der besonderen Einsetzungen an Israel stehen. Sie haben das volle apostolische Gewicht, wenn sie in Vers 28 „notwendige Dinge“ genannt werden. Und was könnte diese Dinge insbesondere für die Gläubigen aus den Heiden aufheben? Dinge, die so ausdrücklich von den levitischen Anordnungen unterschieden werden? Gottes Ehre ist unantastbar und seine Beweggründe ruhen auf einer ehelichen Beziehung, nicht auf Unzucht. Gott besteht darauf, dass anerkannt wird, dass das Leben ihm gehört. Wenn er also Fleisch zur Speise gibt behält er sich das Blut vor und verbietet ebenso von dem zu essen, was erstickt worden ist. Der Christ sollte diesen Verfügungen in keiner Weise gleichgültig gegenüberstehen, sondern seinen Herrn in Bezug auf sie ehren.

Der vor uns liegende Abschnitt zeigt uns, dass der Verzehr von Blut in Israel einer Provokation der Eifersucht des HERRN gleichkam, die zur Ausrottung des Übertreters führte. Dabei machte es keinen Unterschied, ob es sich um einen Israeliten oder Fremden handelte, der sich unter ihnen aufhielt. Es leugnete die Verpflichtung des Menschen Gott gegenüber zu bekennen, dass er das Leben verwirkt hatte. Denn Gott musste feierlich anerkannt werden. Wenn es nicht auf dem Altar geschah so doch dadurch, dass das Blut als ihm zustehend auf die Erde gegossen wurde. Das war etwas völlig anderes als es sich selbst zur eigenen Befriedigung anzumaßen. Der Tod ist eine ernste Sache und der HERR will nicht, dass er auf die leichte Schulter genommen wird und das sollte auch dann deutlich werden, wenn er seinem Volk erlaubte, Fleisch zu essen, das zu seinem Verzehr vorher getötet worden war. Stattdessen war es sein Wunsch, dass sie, unter Todesstrafe, seine Ansprüche auf das Blut, als Zeichen des hingegebenen Lebens an Gott, anerkannten und in keinem Fall als Speise verzehrten.

In Vers 15 begegnen wir einer deutlichen Unterscheidung zwischen dem Verzehr von dem, was eines natürlichen Todes gestorben war, und dem, was durch andere Tiere zerrissen worden war. „Er sei Einheimischer oder Fremder, der soll seine Kleider waschen und sich im Wasser baden, und er wird unrein sein bis zum Abend; dann wird er rein sein“ (V. 15). Hier geht es nicht um die Herausforderung der Rechte des HERRN, indem absichtlich versucht wurde Blut zu essen, was ja verboten war. Dennoch zeigt sich ein Mangel an Ehrerbietung Gottes Wort gegenüber sowie einem angemessenen Gespür der Beziehung zu ihm, sodass es zu Unreinheit führte verbunden mit der Aufforderung, sich selbst und sein Umfeld (Kleider) in der beschriebenen Weise zu reinigen. Fand sich nun bei dem Verunreinigten eine Haltung der Gleichgültigkeit in Bezug auf diese leichten Bestimmungen der Demut vor, so ließ sich der HERR nicht spotten und die Seele, die ihn so verachtete, würde ihre Ungerechtigkeit zu tragen haben (V. 16).

Wenn wir das Gewicht dieser Worte auf uns einwirken lassen, sind wir dann erstaunt über den Schock, den jüdische Ohren gehabt haben müssen, als sie die Worte unseres Herrn hörten: „Wenn ihr nicht das Fleisch des Sohnes des Menschen esst und sein Blut trinkt, so habt ihr kein Leben in euch selbst. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat ewiges Leben, und ich werde ihn auferwecken am letzten Tag; denn mein Fleisch ist wahrhaftig Speise, und mein Blut ist wahrhaftig Trank“ (Joh 6,53–55). Nehmen wir an, dass seine Worte wie so oft in diesem Evangelium symbolisch gemeint sind: Könnte es etwas Verblüffenderes geben als das? Seine Person und sein Werk ist der Schlüssel dieser Wahrheit, denn unter Gesetz wurde der Verzehr von Blut als Rebellion bezüglich ihrer verwirkten Stellung angesehen. Es bedeutete das Leben anzutasten, welches zu Gott zurückkehrt und nur ihm allein gehört. Heute gibt Gott jedem Gläubigen ewiges Leben in seinem Sohn und hat ihn gesandt, um als Sühnung für unsere Sünden zu sterben. Gnade verändert alles. Wir schmähen jedoch die Wahrheit ebenfalls, wenn wir seinen Tod nicht als die Nahrung unseres Glaubens für unsere Seele ansehen. Das ändert auf der anderen Seite nichts daran, dass uns die Apostel unter der Leitung des Heiligen Geistes im Neuen Testament dazu aufrufen, die äußerlichen Zeichen anzuerkennen, welche bezeugen, dass das hingegebene Leben Gott gehört.

[Eingesandt von Stephan Keune]