Wir begegnen hier Aaron und seinen Söhnen. Der HERR teilt Mose mit, was er dem Volk im Allgemeinen vorstellen soll. Sie haben das Haus der Knechtschaft mit seinen Götzen und Unreinheiten hinter sich gelassen und stehen vor dem Einzug Kanaans. Die Amoriter haben inzwischen den Becher ihrer Ungerechtigkeiten voll gemacht. Israel ist ein Volk, das zumindest äußerlich befreit worden, in Ägypten durch das Blut des Passahlammes vor dem göttlichen Gericht geschützt und durch göttliche Kraft durch das rote Meer erlöst worden ist, indem die entgegenstehenden weltlichen Mächte verschlungen wurden. Unterdessen halten sie sich in der Wüste auf, wobei sie der HERR als Führer auf allen Wegen begleitet und in ihrer Mitte wohnt, wo immer sie auch durchziehen.

Sein Handeln bis zum Sinai ist durch pure Gnade gekennzeichnet (trotz stetigem Unglauben und ständigen Klagen). Murren sie über das bittere Wasser als sie 3 Tage gedürstet hatten, erschlägt der HERR niemanden, sondern zeigt Mose das Mittel, um das Wasser süß zu machen. Murren sie, weil sie Hunger hatten, gibt der HERR ihnen Brot vom Himmel und am 6. Tag eine doppelte Portion, um die Ruhe des Sabbats zu bewahren. Als sie einmal mehr murren, weil sie kein Wasser haben, schlägt Mose auf die Anweisung des HERRN hin den Felsen am Horeb, um zu erleben, wie Wasser im Übermaß hervor fließt. Dann erscheint Amalek und Josua bekämpft es; doch Israel behält trotz aller Zusagen nur deshalb die Oberhand, weil die Hände Moses erhoben bleiben. Mit der wunderbaren Versicherung des Königreiches schließt dieser Abschnitt. In 2. Mose 19 ändert sich dann alles, als Israel sich erkühnt, auf der Grundlage ihres Gehorsams dem Gesetz gegenüber, d. h. ihrer eigenen Gerechtigkeit, zu stehen, anstatt ihre völlige Schwachheit anzuerkennen und um die Verheißungen der Gnade zu bitten. Es ist der sichere Beweis dafür, dass sie weder Gott noch sich selbst richtig einschätzen und kennen – das Zeichen eines sich stets verschlimmernden Ruins.

Trotzdem waren sie noch immer sein Volk, was auf keine andere Nation zutraf. Seine Wahl und ihre Erlösung waren ebenso Tatsachen wie das Gericht, das er bei ihrer Befreiung über die damals größten Reiche der Erde ausgeübt hatte. Als solche hatte der HERR Israel zu sich gebracht. Indem sie nun aber auf sich selbst vertrauten hatten sie das Halten seines Bundes als Bedingung ihrer Stellung und Segnung akzeptiert. Das stellt von jetzt an die Grundlage ihrer Verpflichtungen dar. Sie stehen in einer Beziehung zu ihm als seinem irdischen Volk in Verbindung mit seinem Gesetz als der Richtlinie, an die sie in allen Bereichen gebunden sind. Gehorsam ist eine Pflicht. Das Leben oder die Segnungen darauf zu stützen ist allerdings fatal und so sehen wir, wie das Gesetz für den sündigen Menschen ein Diener des Todes und der Verdammnis wird.

Es ist äußerst wichtig zu erkennen, dass kein Sünder auf diesem Boden leben kann: Er muss durch den Glauben an Jesus als dem alleinigen Retter gerechtfertigt werden. Der Apostel zitiert deshalb in Galater 3,11–12 den letzten Vers unseres Abschnitts, um die Stellung unter Gesetz mit der unter Gnade zu kontrastieren. „Dass aber durch Gesetz niemand vor Gott gerechtfertigt wird, ist offenbar, denn „der Gerechte wird aus Glauben leben“. Das Gesetz aber ist nicht aus Glauben, sondern: „Wer diese Dinge getan hat, wird durch sie leben“.“ (Gal 3,11–12). Er hatte bereits in Vers 10 die weitreichende Feststellung gemacht, dass „so viele aus (oder: auf der Grundlage von) Gesetzeswerken sind“ unter dem Fluch sind, wobei er sich auf 5. Mose 27,26 stützt. Denken wir etwas über die Reichweite dieser Tatsache nach. Es herrscht Stillschweigen über die auf dem Berg Gerisim bekannt gemachten Segnungen: All das lief ins Leere. Demgegenüber stehen die Flüche, die auf dem Berg Ebal gegeben wurden, in aller Feierlichkeit aufrecht.

Das Gesetz wurde nicht gegeben, um sündigen Menschen zu zeigen, wie sie dadurch Leben empfangen könnten, sondern um zu lernen, dass es auf diesem Weg unmöglich war. Das Gesetz kann Sünder nur verfluchen und sowohl Israel als auch alle anderen Menschen sind Sünder. Durch Glauben erlangten „die Alten“ Zeugnis, dass sie gerecht waren, denn der Glaube ruht nie auf sich selbst, sondern auf Christus. Wir sehen das bei Abel und allen, die ihm folgten. Vor dem Gesetz machte Gott bedingungslose Verheißungen zugunsten der Erzväter. Doch ihre Kinder vergaßen sie und besaßen die Kühnheit sich darauf einzulassen durch Gehorsam dem Gesetz gegenüber zu leben. Als sie es dann übertraten und sich auflehnten zogen sie nur umso stärker den Fluch auf sich. Solche, die auf das Kommen des Messias warteten und auf jegliche Form des Selbstvertrauens verzichteten, umstattdessen ihre Sünden zu bekennen, wurden durch Gottes Gnade in gleicher Weise wie die Erzväter gerechtfertigt. Denn als der Mensch fiel offenbarte Gott in dem Samen der Frau den Zerstörer Satans, die Quelle und das Ziel des Glaubens.

Das Gesetz hatte ebenso völlig Recht wie der Mensch und das begünstigte Israel falsch lagen. Auf der Grundlage des Gesetzes konnte der sündige Mensch nur dem Tod und der Verdammnis entgegensehen. Doch der Mensch ist sowohl Gott als auch sich selbst gegenüber blind. Er hat nicht nur kein Vertrauen in die Gnade Gottes, sondern akzeptiert auch freiwillig die Vorstellung, sich durch gute Werke das Leben erarbeiten zu können. Und weil er nicht glaubt muss er auf seine Kosten hin lernen, dass er in Bezug auf die Dinge Gottes ohne Kraft und gottlos ist (Röm 5,6), denn „durch Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde“ und keine Rechtfertigung (Röm 3,20). Das Gesetz bewirkt auch Zorn und führt dazu, dass die Übertretung überströmt (Röm 4,15; 5,20). So, wie der Stachel des Todes das Gesetz ist, so stellt das Gesetz auch die Antriebskraft der Sünde dar. Doch Christus allein ist der Erretter, der von Gott für uns in seinem Sühnungstod zur Sünde gemacht worden ist und welcher Gott in Bezug auf die Sünde völlig verherrlicht hat.  Daraufhin steht es Gott frei, seine Gnade ohne Ausnahme allen anzubieten, die an seinen Sohn glauben.

Der Christ ruht heute in einer neuen Rechtfertigung, welche sich von derjenigen Israels unterscheidet, indem sie nicht auf einer menschlichen Grundlage besteht. Israel erfährt gegenwärtig die Konsequenzen seiner Übertretungen, besonders im Hinblick auf die Verwerfung ihres Messias. In der jetzigen Zeit wird Gottes Gerechtigkeit getrennt vom Gesetz offenbart, die sich durch Glauben an Jesus Christus gegen alle (Heiden nicht weniger als Juden) und auf alle, die da glauben erstreckt (wer sie auch sind und was sie auch immer gewesen sein mögen). Denn es ist kein Unterschied, egal was der Stolz des Unglaubens auch zu seinen Gunsten entdecken mag. Denn alle haben gesündigt und erreichen nicht die Herrlichkeit Gottes und werden umsonst gerechtfertigt durch seine Gnade, durch die Erlösung, die in Christus Jesus ist, den Gott dargestellt hat als ein Sühnmittel durch den Glauben an sein Blut, zur Erweisung seiner Gerechtigkeit wegen des Hingehenlassens der vorher geschehenen Sünden unter der Nachtsicht Gottes; zur Erweisung seiner Gerechtigkeit in der jetzigen Zeit, dass er gerecht sei und den rechtfertige, der des Glaubens an Jesus ist (Röm 3,21–26). So wurde jeglichem Stolz ein Riegel vorgeschoben. Der Christ dagegen bekennt seinen Ruin durch die Sünde sowie seine eigenen Sünden und glaubt an den, der einmal für Sünden gelitten hat, damit er uns zu Gott führte (1. Pet 3,18).

Die Verantwortung des Christen ist folglich nicht weniger real als die des Israeliten, doch ist sie ihrer Art nach völlig verschieden. Er hat ewiges Leben in Christus, der es ihm verleiht. Er kommt nicht ins Gericht, das Christus für ihn getragen hat und er ist bereits vom Tod ins Leben übergegangen. Das Blut Christi hat ihn von jeder Sünde reingewaschen, sodass er die Gewissheit besitzt, in den Augen Gottes weiß wie Schnee zu sein. Durch Glauben an Christus Jesus ist er ein Sohn Gottes geworden und mit dem Heiligen Geist versiegelt worden, den er empfangen hat, sodass er jetzt Abba Vater rufen kann. Er ist ein Glied des Leibes Christi in Verbindung mit dem Haupt im Himmel. All das und noch viel mehr begründet eine Verantwortung, die sich nicht nur völlig von der Israels unterscheidet, sondern die auch weit über das hinausgeht, was die Heiligen vor der Erlösung durch Christus und der Innewohnung des Heiligen Geistes besaßen. Verpflichtungen hängen von der bestehenden Beziehung ab und als Christen sind wir durch Gnade in eine völlig neue Stellung in Christus gebracht worden (das wird uns ausdrücklich in Eph 2,10 bezeugt), „zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, damit wir in ihnen wandeln sollen“. Das Maß und Kennzeichen der Stellung Israels bleibt dahinter weit zurück (so hervorragend sie auch war) und unterscheidet sich deutlich von der unseren.

In den Anfangsversen unseres Kapitels sehen wir weiter, wie Israel vor den Taten der Ägypter und Kanaaniter gewarnt wird. Sie sollten sich davor hüten, irgendeine gute Einrichtung von denen, die sie verlassen hatten oder denen, in deren Land sie kommen würden, anzunehmen. Stattdessen sollten sie die Satzungen und Gebote des HERRN beobachten und in ihnen wandeln: Derjenige, der das tun würde, würde leben. Als sie sich dann tatsächlich im Ungehorsam von ihm abwandten, führten sie die bösen Wege beider Nationen in ihren vollständigen Ruin.

[Übersetzt von Stephan Keune]