Mir liegt es auf der Seele, uns einmal auf eine praktische Weise an die Stellung zu erinnern, in die wir durch unsere Taufe gebracht worden sind. Es hat seit der Zeit der Apostel nicht an Kontroversen über die biblischen Anweisungen bezüglich der Taufe gefehlt, und kaum ein anderes Thema hat die Gemüter der Verfechter der verschiedenen Auffassungen derart erhitzt wie dieses. Inmitten allen Dunstes kontroverser Ansichten kann die Bedeutung dieses Brauches leicht verschleiert werden, mit ernsten Folgen für uns alle. Denn nichts ist in seiner Anwendung feierlicher und der tiefsten Herzensübung für das ganze praktische Leben dienlicher als die christliche Taufe, sofern sie richtig verstanden wird.

Es ist interessant zu bemerken, welche innere Verbindung zwischen der Taufe und dem Mahl des Herrn besteht. Beide sind Anweisungen des Herrn für sein Volk; die Taufe wurde von ihm nach seiner Auferweckung eingesetzt, das Gedächtnismahl unmittelbar vor seiner Passion. Bei beiden war es seine Absicht, dass sie bis zu seiner Wiederkunft beachtet werden sollen. Beide, Taufe und Mahl des Herrn, weisen auf seinen Tod hin. Es ist von größter Bedeutung, dass wir dies immer im Sinn haben. Mit der Behauptung, den Herrn Jesus uns größer darzustellen, wird heutzutage großer Wert auf sein Leben gelegt (als Vorbild, dem wir folgen sollen) zu Lasten der Bedeutung seines Todes.

Der Tod des Christus ist die Grundlage von allem, sowohl für Gott als auch für den Menschen. Ohne seinen Tod wäre jegliche Segnung unmöglich. Durch den Tod des Christus ist jeder Anspruch göttlicher Gerechtigkeit ein für allemal befriedigt. Und mehr noch: Nicht nur die Sünden sind getilgt, sondern durch des Tod des Christus ist der Mensch, der seine Sünden bekannt hat, aus dem Blickfeld Gottes genommen. „Unser alter Mensch ist mitgekreuzigt worden“ (Röm 6,6).

Die Taufe ist für den einzelnen Gläubigen; das Mahl des Herrn ist etwas für die Gemeinde. Die Taufe findet ein für allemal statt, das Mahl des Herrn wiederholt sich kontinuierlich. Aber beides weist auf den Tod des Christus hin. Die Taufe verpflichtet uns, uns mit seinem Tod zu identifizieren; das Mahl des Herrn – in seiner uns berührenden Erinnerung an den einen, der für uns starb – ist die immer wiederkehrende Mahnung an das, was sein Tod für uns und unsere irdischen Beziehungen bewirkt hat.

Lasst uns sorgfältig darauf achten, dass die Taufe etwas nach vorn Gerichtetes ist. Das zeigt uns der Gebrauch des Wortes „auf“ [Christus bzw. den Tod] durch den Geist Gottes in Römer 6,3–4 und Gal 3,27, was in einigen Übersetzungen unglücklicherweise mit „in“ [den Christus bzw. den Tod] übersetzt ist. Im Gebrauch der Taufe schwören wir allem ab, was wir als Menschen in Adam waren, und wir begeben uns in eine Stellung, die unser Leben danach tiefgreifend prägen sollte. Es ist vergleichsweise einfach, sich an ein bestimmtes Datum zu erinnern, und sagen zu können, dass man dann und dann im Wasser getauft wurde; eine große Sache dagegen ist es – etwas, was uns sehr ernsthaft in Übung bringen sollte – sagen zu können, inwieweit wir seitdem nach den Grundsätzen gelebt haben, die in unserer Taufe hervorgetreten sind.

Lesen wir Römer 6,1–4: „Was sollen wir nun sagen? Sollten wir in der Sünde verharren, damit die Gnade überströme? Das sei ferne! Wir, die wir der Sünde gestorben sind, wie sollten wir noch darin leben? Oder wisst ihr nicht, dass wir, so viele auf Christus getauft worden sind, auf seinen Tod getauft worden sind? So sind wir nun mit ihm begraben worden durch die Taufe auf den Tod, damit, so wie Christus aus den Toten auferweckt worden ist durch die Herrlichkeit des Vaters, so auch wir in Neuheit des Lebens wandeln.“ Das Argument des Apostels in diesem uns gut bekannten Abschnitt ist so klar, dass wohl niemand es missverstehen kann. Gerade vorher hat er uns gesagt, dass „wo die Sünde überströmend geworden ist, die Gnade noch überreichlicher geworden ist“ (Röm 5,20). Hier zeigt er uns Gottes wunderbares Handeln, durch das er über alles Böse des Menschen triumphiert hat, indem er diesen dunklen Hintergrund benutzt, um umso mehr das Bild  seiner reichen Gnade für Sünder, die glauben, zu entwerfen. Dann kommt der Apostel einer Krittelei zuvor, die in manchen perversen Gemütern aufkommen könnte. Wenn die Boshaftigkeit des Menschen es nötig macht, dass Gottes Gnade überschwenglich wird – warum sollten wir dann nicht weiterhin sündigen? Dann setzt er fort zu zeigen, dass ein solches Verhalten in klarem Widerspruch zu der christlichen Stellung stünde. Der Gläubige wird von Gott so gesehen, als in dem Tod des Christus mitgestorben; wie könnte er noch in dem leben, für das Christus gestorben ist?

Oft hält es der Apostel in seinen Briefen für notwendig zu fragen „Wisst ihr nicht?“ Daraus lernen wir, wir leicht es passieren kann, dass wir Wahrheiten aus dem Auge verlieren, die wir gut kannten und derer wir uns erfreut haben; oder wir halten zwar an den Wahrheiten in den Briefen fest, entfernen uns aber von ihrem geistlichen Inhalt. Und so spricht der Apostel in diesem Abschnitt die aufgenommene Wahrheit in Verbindung mit der christlichen Taufe an.

Wir sind „getauft auf den Christus“. Damit sind wir für ihn bestimmt (abgesondert). Wir haben anerkannt, dass unsere einzige Hoffnung in ihm ist. Ein lebender Messias hätte für uns keinen Nutzen. Unser Teil ist in „Christus Jesus“, dem Einen, der durch den Tod gegangen ist, und der nun in der Kraft der Auferstehung vor dem Angesicht Gottes lebt. Die praktische Auswirkung davon ist, dass von da an „Christus alles und in allen“ (Kol 3,11) ist. Wir leben nicht mehr uns selbst, sondern wir leben in ihm, der für uns starb und wieder auferstand. Genauso drückt der Apostel es in seinem zweiten Brief an die Korinther (2. Kor 5,15) auch aus. Christus gebührt unsere volle Hingabe, und an der Erfüllung seines Willens sollten wir unsere tiefste Freude haben. Alle, die aus Ägypten ausgezogen waren, waren „auf Mose getauft worden in der Wolke und in dem Meer“ (1. Kor 10,2). Damit waren sie für Mose abgesondert, um durch ihn die Stimme Gottes zu hören, und um in allem seinen Anweisungen zu gehorchen. Lasst uns an diesem Punkt unsere Herzen einmal prüfen: – sind wir als „auf Christus Jesus Getaufte“ absolut und ganz und gar ihm unterworfen, und ist es unsere tägliche Freude, seinen Willen zu tun?

Und weiter: „... so viele auf Christus Jesus getauft worden sind, sind auf seinen Tod getauft worden.“ Den Begriff der Wiedergeburt mit der Taufe in Verbindung zu bringen ist ebenso absurd wie irreführend und destruktiv. Jeder Schriftabschnitt, der von der Taufe spricht, zeigt, dass es dabei um Tod geht und nicht um das Leben. In der Kraft des neuen Lebens, das wir empfangen haben, entsagen wir dem alten, und in der Taufe bekennen wir, dass wir ein für allemal nichts mehr mit Dingen zu tun haben, mit denen Christus nichts zu tun hat. Das sondert uns definitiv von dem ganzen System „Welt“ ab, seinen Zielen, Vergnügungen, seiner Politik, seiner Ehren und Belohungen – all´ das wird von nun an für uns zu den Dingen gerechnet, „die dahinten sind“ (Phil 3,13). Aber sind wir wirklich darauf vorbereitet, einen sauberen Schnitt wie diesen zu vollziehen? Das bedeutet unsere Taufe; aber bedeutet sie das auch für uns? Es ist leicht, sich einer korrekten Form zu rühmen, während das Herz alles zurückweist, für das die Taufe steht. Das macht uns unecht, so dass wir kaum von dem zu unterscheiden sind, was der Herr zu seiner Zeit so unverblümt bei den Pharisäern verurteilte.

Beachten wir die Art und Weise, in der in diesem Abschnitt von der Auferstehung des Christus gesprochen wird. Er „wurde aus den Toten auferweckt durch die Herrlichkeit des Vaters“ (Vers 4). Die Auferweckung des Christus war die Antwort des Vaters auf all das, was er als Mensch hier auf der Erde war. Von Anfang an bis zum Ende verherrlichte er den Vater. Er war (moralisch gesprochen) kein Abkömmling des ersten Menschen. Er war insgesamt ein Mensch einer anderen Ordnung – „der zweite Mensch vom Himmel“ (1. Kor 15,47). Und es ist kein Wunder, dass der Vater immer wieder öffentlich sein Wohlgefallen an ihm bekundete. Die Auferweckung jedoch war die vollkommene Antwort auf seine Vollkommenheit. Der Vater konnte nicht weniger tun, als ihn aufzuerwecken. Indem er seinen Sohn verherrlichte, verherrlichte sich der Vater selbst. Das Ergebnis für uns ist, dass wir mit einem erhöhten Menschen verbunden sind, auf dem das ganze Wohlgefallen des Vaters ruht; und er wird uns vorgestellt als Vorbild und Ziel unseres praktischen Wandels auf dieser Erde. Diese „Neuheit des Lebens“ bedeutet völlige Trennung von der gesamten Ordnung der Dinge hier auf der Erde, dafür aber eine Karriere des Wachsens zu Christus in Herrlichkeit. Kein niedrigerer Standard als der des verherrlichten Christus könnte jemals Gott zufriedenstellen, und kein niedrigerer Standard wird denjenigen zufriedenstellen, der anerkennt, was die Taufe bedeutet.

Der Herr möge uns vor blindem Gehorsam gegenüber Formen bewahren, deren Bedeutung und Kraft wir nicht erkannt haben. Möchten wir mit geistlicher Einsicht und Unterwürfigkeit des Herzens gegen den Herrn seinen Willen tun bis zu seiner Wiederkunft aus dem Himmel.     

[Eingesandt von H.-R. Klenke]