„Du hast ihn ein wenig unter die Engel erniedrigt“ (Hebräer 2,7)

Oftmals wird die Ansicht geäußert, dass der Mensch in der Schöpferordnung Gottes einen Platz unter den Engeln einnimmt und dass sich deshalb auch der Herr Jesus bei Seiner Menschwerdung unter diese erniedrigt hat.

Mir scheint, dass man es sich da etwas zu einfach macht. Wir können die irdische Dimension der Menschen nicht ohne weiteres mit der himmlischen Dimension vergleichen. In der „Schöpferordnung“ in 1. Korinther 11,3 (Gott – Christus – Mann – Frau) werden die Engel zum Beispiel gar nicht erwähnt. Engel und Menschen sind eben grundverschieden. Und die Engel haben keine Herrschaft über die Menschen bekommen und die Menschen keine Herrschaft über die Engel.

Nun, es ist klar, dass die Engel dem Menschen in vielen Fähigkeiten überlegen sind. Denken wir beispielsweise an ihre gewaltige Kraft (Mt 13,39.49; 24,31). Die Erscheinung dieser machtvollen Wesen übt oft einen furchterregenden Einfluss auf Menschen aus (Mt 28,4; Lk 1,12).

Aber nur von dem Menschen wird gesagt, dass er in dem Bild Gottes erschaffen wurde. Dass der Mensch das Bild Gottes ist, bedeutet, dass er Gott auf der Erde sichtbar repräsentiert und vertritt. Er soll die Macht Gottes über die Erde zum Ausdruck bringen, indem er über sie herrscht (1. Mo 1,26). Adam und Eva, denen zunächst diese hohe Aufgabe gegeben wurde, haben ihr allerdings nicht entsprochen, sie waren ungehorsam. Seitdem hat der sündige Mensch seine Stellung nicht zur Ehre Gottes eingenommen. Dennoch hat er grundsätzlich seine Stellung und Würde behalten, denn auch nach dem Sündenfall wird er noch das Bild Gottes genannt (vgl. 1. Kor 11,7). Die Engel hingegen, so mächtig sie sind, wurden nicht zu dem Mittelpunkt und Haupt eines Systems erhoben. Gott hat ihnen die Regierung über andere Geschöpfe nicht gegeben.

Menschen aber konnten vor dem Sündenfall sterben (nämlich dann, wenn sie sündigten) und nach dem Sündenfall sind sie dazu gesetzt (Heb 9,27). Ihre Seele kann von ihrem Körper getrennt werden. So etwas gibt es bei Engeln nicht. Sie haben keine Seele und keinen Körper. Sie sind Geistwesen, die nicht sterben können. Auch die in Sünde gefallenen Engel – Satan und seine Dämonen – können und werden nicht sterben (sie werden natürlich den zweiten Tod erleiden).

In dieser Hinsicht ist der Mensch niedriger als die Engel! Und als der Herr Jesus Mensch wurde und starb, erniedrigte Er sich unter die Engel (während seines Lebens auf der Erde dienten Ihm die Engel, da kann ich keine Erniedrigung unter die Engel erkennen). Christus erniedrigte sich unter die Engel wegen des Leidens des Todes (Heb 2,9). Er war dem Tod allerdings nicht unterworfen, niemand konnte Ihm das Leben nehmen (Joh 10,18). Doch durch Gottes Gnade hat Er freiwillig den Tod geschmeckt (Heb 2,9).

Wir dürfen bei allen Überlegungen nicht vergessen, dass der Herr Jesus immer Sohn Gottes war, bleibt und ist. Als Er, der Schöpfer, in seine Schöpfung eintrat, nahm Er den ersten Platz vor allen Geschöpfen ein -  auch vor den Engeln! Deshalb wird der Herr Jesus in Kolosser 1,15 der „Erstgeborene aller Schöpfung“ genannt. Der Ausdruck Erstgeborener bezeichnet an dieser Stelle natürlich, wie an manchen anderen auch, nicht den zuerst Geborenen, sondern den Ranghöchsten, vgl. Psalm 89,28.

Christus, gesehen als Sohn des Menschen und Knecht Gottes, sind nach seiner Auferstehung und Verherrlichung die Engel unterworfen worden (siehe Heb 2,5 ff.). Der Mensch Jesus Christus ist das Haupt über alles, auch über die Engel (Eph 1,20 ff.). Im Tausendjährigen Reich wird Seine Herrschaft über Himmel und Erde gesehen und verwirklicht werden (Eph 1,9.10).

Und wir, die wir Christus angehören, dürfen heute schon erleben, dass Engel uns dienen (Heb 1,14). Aber Verfügungsgewalt haben wir nicht über sie. Doch wenn wir die Regierung mit Christus einmal teilen werden, werden wir bevorrechtigt sein, Engel zu richten und Engel für Dienste einzusetzen (1. Kor 6,3; vgl. Off 21,12). Sobald wir in der Herrlichkeit sind und die himmlische Dimension betreten haben, werden wir – die Erlösten – solche sein, die über den Engeln stehen. Dann haben wir auch Unsterblichkeit und Unverweslichkeit angezogen (1. Kor 15,53–54).

Was für eine Gnade ist uns, den erlösten Menschen, zuteil geworden! Das ist sicher auch etwas, was die Engel in Staunen versetzt (1. Pet 1,12).