Warum soll ein Gläubiger nicht beten: „Zürne uns nicht auf ewig“? Ist Gott nicht ungehalten oder zornig über uns, wenn wir sündigen? Müssen wir nicht in diesem Fall um Vergebung bitten? Und ist Gott nicht ungehalten über uns, bis wir um Vergebung gebeten haben?

Der erste Punkt, den wir beachten sollten, ist, dass das Wort Gottes den Gläubigen ausdrücklich als frei von Verdammnis erklärt. „Also ist jetzt keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind“ (Röm 8,1). Das ist auch nicht nur ein gegenwärtiges Vorrecht, denn für den Fortbestand desselben bürgt der gleiche Vers. „Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern er ist aus dem Tod in das Leben übergegangen“ (Joh 5,24). Übrigens wird der Status des Gläubigen in dieser Hinsicht in der Schrift in Gegensatz zu dem des Ungläubigen gesehen. „wer aber dem Sohne nicht glaubt, wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt auf ihm“ (Joh 3,36). Wenn es also ein Unterscheidungsmerkmal der einen Klasse von der anderen ist, dass der Zorn Gottes auf dem Ungläubigen bleibt, während er von dem Gläubigen gewichen ist, dann ist es offensichtlich, dass der Gebrauch des Gebets: „Zürne uns nicht auf ewig“, für keinen Gläubigen sinnvoll ist.

Was die übrigen Fragen angeht, ist es von größter Wichtigkeit, zwischen der natürlichen Beziehung, die wir alle als Geschöpfe zu Gott unterhalten, und jener neuen, herrlichen Beziehung zu ihm zu unterscheiden, in die wir in dem Moment eingetreten sind, als in Wahrheit von uns gesagt werden konnte, dass wir an Christus glauben.

Als Geschöpfe sind wir Gott, dem heiligen, gerechten Richter aller, verantwortlich. Als gefallene Geschöpfe sind wir vollkommen und hoffnungslos verdammt. „Und gehe nicht ins Gericht mit deinem Knechte! denn vor dir ist kein Lebendiger gerecht“ (Ps 143,2). So lautete das Bekenntnis des Psalmist, vor dem vollbrachten Erlösungswerk und dem vollen Triumph der Gnade in dem Tod, der Auferstehung und der Himmelfahrt unseres Herrn.

Weil wir völlig unfähig waren, im Gericht vor Gott zu stehen, hat Christus unseren Platz eingenommen und unsere Sünden an seinem Leib auf dem Holz getragen. Wenn die Gnade unsere Herzen zu diesem herrlichen Erretter gezogen hat, dann haben wir die Zusicherung des Wortes Gottes, dass in seinem Tod am Kreuz unsere Stellung als verurteilte, sündige Kreaturen vor Gott ihr Ende gefunden hat. Durch den Glauben an ihn haben wir „die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Vergehungen“ (Eph 1,7).

Der Gläubige ist eine gerechtfertigte, angenommene Person. Er wird „umsonst gerechtfertigt durch seine Gnade, durch die Erlösung, die in Christus Jesus ist“ (Röm 3,24) und ist „begnadigt [o. angenommen] in dem Geliebten“ (Eph 1,6). Die Gläubige tritt also in dem Moment, wo er ein Gläubiger wird, in völlig neue Beziehungen zu Gott ein. Er ist nicht mehr verurteilt und unter dem Zorn, sondern eine begnadigte, gerechtfertigte, angenommene Person, durch die grenzenlose Gnade Gottes und die unendliche Wirksamkeit des kostbaren Werkes Christi. Er ist in die Familie Gottes adoptiert, ja sogar aus Gott geboren und deshalb ein echtes Kind Gottes. Er ist eins mit Christus als Glied an seinem Leib, „denn wir sind Glieder seines Leibes, von seinem Fleisch und von seinen Gebeinen“ (Eph 5,30).