„Ist doch nur ein Geschlechtsregister“

Oft hört man beim Bibellesen am Tisch oder bei anderen Gelegenheiten, wenn zum Beispiel 1. Mose 5 dran ist die Bemerkung: „Die Namen kannst du alle überschlagen. Das ist nur ein Geschlechtsregister“. Man vergisst dann, dass die Bibel als Ganzes das inspirierte Wort Gottes ist. „Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre“ (2. Tim 3,16). Geschichten, Gleichnisse, Prophetien und Geschlechtsregister stehen darin alle mit einem bestimmten Ziel. Leider sehen wir die Absichten nicht immer, was allerdings an unserer gebrechlichen Einsicht liegt. Wir dürfen den Herrn aber um mehr Einsicht in das ganze Wort Gottes bitten. Dass auch Geschlechtsregister einen lehrreichen Inhalt haben, beweist Matthäus 1. Jeder, der sich die Mühe macht, diese Ansammlung von Namen genau zu lesen, wird merken, dass die konsequente Reihenfolge Vater-Sohn viermal unterbrochen wird, indem auch die Mutter des Sohnes genannt wird. Und dreimal wird sie sogar namentlich genannt. Das ist nicht willkürlich geschehen. Diese drei Frauen haben uns gemeinsam etwas zu sagen und jede Einzelne belehrt uns.

Keine sündlosen Menschen

In einem großen Teil der so genannten Christenheit – dem römisch-katholischen Teil – gibt man sich viel Mühe, aufzuzeigen, dass der Herr Jesus von der sündlosen Magd Maria geboren wurde. Das Dogma der unbefleckten Empfängnis von Maria – nach diesem Dogma war Maria sündlos, als „das Heilige“ in ihr gezeugt wurde – wird im Prinzip bereits durch Matthäus angegriffen. Gott redet nicht um die Voreltern des Herrn Jesus herum, um eine romantische, idealistische und unwirkliche Schilderung zu geben. Im Gegenteil. Wenn Matthäus unter der Leitung Gottes das Geschlechtsregister zusammenstellt, nennt Er weder Sarah noch Rebekka. Ja, Er lässt alle Frauen bis auf vier aus und an diesen ist einiges auszusetzen. Drei von ihnen hatten sittlich Böses getan und die vierte gehörte zu einem gottfeindlichen Volk. Die raue Wirklichkeit des tiefen Falls des Menschen wird uns in diesem Register gezeigt, aber auch, wie der Herr Jesus aus solchen Voreltern geboren werden wollte. Er kam nicht, um gute, brave Menschen zu retten. Er kam für die schlechtesten. Er, der sich in seinem Leben nicht für Zöllner und Sünder schämte, hat sich bei seiner Menschwerdung nicht vor den Rahabs dieser Welt geschämt. So sehen wir, dass auch Matthäus 1 „nützlich zur Überführung“ ist. Übrigens braucht man nicht viel Schriftkenntnis zu haben, um das Unschriftgemäße der Dogmen bezüglich Maria aufzuzeigen. Die Marienverehrung an sich wird bereits durch Texte wie Johannes 2,4, Lukas 2, 9 und 11, 27 verworfen. Das Dogma der unbefleckten Empfängnis, das durch Matthäus 1 schon ins Wanken gerät, fällt mit Johannes 3,6: „Was aus dem Fleisch geboren ist, ist Fleisch“. Dass Maria einen Heiland nötig hatte, zeigt sich aus ihrem Lobgesang, in dem sie Gott ihren Heiland nennt. Das Dogma von Marias Mittlerschaft, das man in Vorbereitung hat, steht in flagrantem Gegensatz zu 1. Timotheus 2,5 (Nirgends lesen wir davon, dass Maria sündlos gemacht wurde).

Thamar

Wir wollen zurückkehren zu den drei genannten Frauen aus dem Geschlechtsregister. An erster Stelle steht dort Thamar. Ihre traurige Geschichte finden wir in 1. Mose 38, mitten zwischen den herrlichen Geschichten über Joseph. Eigenartig, dass wir so eine Geschichte in der Bibel finden. Wenn es nach uns gegangen wäre, hätten wir die wahrscheinlich nicht aufgenommen. Doch Gott weiht dieser Frau, die in Unzucht verfällt – gemäß unserer Einteilung – ein ganzes Kapitel. Nein, die Bibel ist kein schwärmerisches Buch, das außerhalb des eigentlichen Lebens steht. Es ist auch kein moderner realistischer Roman, in dem der Schreiber tief in die trüben Gewässer des menschlichen Seelenlebens eintaucht. Nein, die Bibel ist das Wort Gottes, das uns zeigt, dass der Schöpfer sehr wohl weiß, was es in seiner Welt zu kaufen gibt. Er schildert den Menschen so, wie er ist, jedoch beschienen mit dem vollen Licht seiner Gerechtigkeit. Dann wird schwarz nicht weiß genannt und umgekehrt. Der Mensch kommt dann mit seiner ganzen Verlorenheit ins Rampenlicht und wenn nicht Rettung von Gott kommt, ist er unwiderruflich verloren. So sehen wir Thamar. Wie ist es möglich, dass so eine Frau in das Geschlechtsregister unseres Heilands aufgenommen wurde? Oder anders gefragt: Wie ist sie mit Christus in Kontakt gekommen?

Wenn wir Thamar fragen würden, würde sie sagen: „Das kommt wegen meiner Sünden“. Und ist sie darin nicht ein Bild jedes Sünders, der den Herrn Jesus kennengelernt hat? Wie sind wir mit dem Herrn Jesus in Kontakt gekommen? Ist das nicht deswegen, weil wir uns selbst als Sünder erkannt haben? Einerseits ist das beschämend, andrerseits erfreulich. Der Herr Jesus ist nicht für brave Menschen auf die Erde gekommen, sondern um Sünder zur Bekehrung zu rufen. Zum Glück sind wir sündige Menschen. Für Engel, ob gefallen oder nicht gefallen, ist keine Zukunft bereitet, wie für uns. Für gefallene Engel gibt es keine Rettung. Ihr Teil ist im Feuersee. Aber der Sünder übersteigt auch die auserwählten Engel weit. So wie Christus mehr ist als alle Engel, so auch der Sünder, der mit Christus verbunden ist.

Rahab

Sobald sich jemand als Sünder erkennt, sucht er nach Rettung. Jeder aufrichtige Sucher wird auch Finder des Heils Gottes. Die Bibel sagt uns nicht nur, dass wir Sünder sind, sondern weist uns auch auf das Werk des Herrn Jesus auf Golgathas Kreuz hin. Wie wird der Sünder Teilhaber der Resultate dieses Werkes? Mit anderen Worten: Wie wird er errettet? Nun, das finden wir ausgedrückt in den Worten von Paulus an den Gefängniswärter: „Glaube an den Herrn Jesus und du wirst errettet werden, du und dein Haus“. Dafür ist also Glaube nötig. Das finden wir in der zweiten Frau bildlich dargestellt, in Rahab. Wer hätte je gedacht, eine Frau mit so einem Leben unter den Glaubenshelden und –heldinnen in Hebräer 11 wiederzufinden? Und doch steht sie dort, in Vers 31. Sie wird dort unverblümt erwähnt: Rahab, die Hure. Sie glaubte an die Allmacht des Gottes Israels. Sie wusste, dass dieser Gott seinem Volk das Land geben würde. Sie wusste auch, dass sie und ihr Volk zum Untergang verdammt waren. Doch sie glaubte auch an das Rettungsmittel, dass die beiden Kundschafter ihr gaben. Ihr Glaube war nicht nur ein Lippenbekenntnis, nein, er äußerte sich in Taten, weshalb wir lesen, dass „sie die Kundschafter in Frieden aufgenommen hatte“. Sie wird im Neuen Testament noch ein drittes Mal erwähnt. Jakobus stellt sie in seinem Brief gemeinsam mit Abraham als Illustration der Wahrheit vor, wo Glaube sich in Werken offenbart (Jak 2,25). Will ein Sünder errettet werden, muss er erst seinen sündigen Zustand einsehen und danach muss er dem Glauben Gehorsam sein. Er muss Christus als seinen Erlöser annehmen und diesen Glauben durch Taten beweisen. Und möge jeder, der noch nicht bekehrt ist, das tun, was Rahab tat. Als die Kundschafter weg waren, blieb sie mit der scharlachroten Schnur zurück. Sie argumentierte nicht: „Morgen oder übermorgen kann ich die Schnur auch noch aus dem Fenster hängen, denn vorher können die Israeliten ja gar nicht da sein“. Nein, es steht dort: „Und sie entließ sie, und sie gingen weg. Und sie band die Karmesinschnur ins Fenster“. Heute ist die wohlangenehme Zeit, morgen kann es zu spät sein. Wundersam ist das Wort Gottes. In Josua 12,9 werden in ein paar Versen 31 Könige aufgezählt, die durch die Israeliten besiegt wurden. Strategisch gesehen war das doch viel wichtiger als die Rettung von Rahab. Der letztgenannten Tatsache werden allerdings anderthalb Kapitel geweiht, während wir noch dreimal im Neuen Testament hieran erinnert werden.

Hieran sehen wir, wie wichtig Gott diese Geschichte und diese Frau findet. Er will uns ein Beispiel an die Hand geben. Glücklich diejenigen, die Nachfolger Rahabs geworden sind, die die Karmesinschnur kennen, hinter der sie in Sicherheit sind, nämlich dem Blut von Jesus Christus.

Ruth

Wenn wir Thamars Geschichte in einem Kapitel finden und die von Rahab in zwei… Ruths Geschichte ist so wichtig, dass ihr ein separates Buch gewidmet ist, das auch den Namen Ruth trägt. Wie ist es möglich, dass Ruth einen Platz im Geschlechtsregister des Herrn Jesus erhalten hat? Sie verdiente nicht einmal einen Platz unter den Stämmen Israels und erst recht nicht in der Königslinie Judas und im Haus Davids! In 5. Mose 23,3 lesen wir doch, dass kein Moabiter bis zum zehnten Geschlecht in die Versammlung des Herrn aufgenommen werden konnte bis in Ewigkeit! Das Gesetz stand Ruth im Weg. Diese Handschrift zeugte gegen sie! Und doch hat sie ihren Platz in Matthäus 1. Wie ist das möglich? Ja, wie ist es möglich, dass ein Sünder, der durch das Gesetz vom Leben ausgeschlossen war – erst recht vom ewigen Leben – dennoch die ewige Herrlichkeit erbt? Wenn wir Ruth fragen würden, würde sie sagen: „Boas ist mir gnädig gewesen“ (Ruth 2,10). „Er ist auch mein Löser geworden“ (Ruth 3,9). So hat Gott sozusagen auch Gnade vor Recht walten lassen. „Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben; die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden“ (Joh 1,17). Ja, Jesus Christus hat die Handschrift, die gegen uns zeugte, vernichtet und uns von dem Fluch des Gesetzes erlöst.

Meine Sünden ließen den Heiland an das Kreuz gehen. Mein Glaube baut auf dieses Werk, dem Vergießen seines Blutes, aber äußerlich ist es Gottes Gnade, die mich rettet und wodurch ich den Herrn Jesus kennengelernt habe. Das ist der Unterricht, den Gott uns aus einem Geschlechtsregister lernen lassen will.

[Aus „Bode“ 1958]