In eigener Kraft

Es gibt ein Sprichwort, das heißt: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott. Richtig ist dieses Sprichwort nicht, zumindest nicht für den Gläubigen, der weiß, dass eigene Werke nichts nützen, wenn sie nicht „in Gottes Wegen“ geschehen. Gott will uns helfen und dabei will Er auch von unserer Kraft Gebrauch machen. Aber dann auf seine Weise und zu seiner Zeit. Dann heißt es nicht: „Hilf dir selbst“, sondern: „Herr, hilf mir!“.

Dies wird uns klar im Leben Jakobs illustriert. Er hat sein ganzes Leben hindurch versucht, sich selbst zu helfen und selbst die Verheißungen Gottes wahr zu machen. Dabei schreckte er nicht davor zurück, allerlei minderwertige Mittel zu gebrauchen. Er fiel dabei allerdings von einer Schwierigkeit in die nächste. Kaum hatte er auf seine Weise etwas erreicht, waren neue Vorkehrungen und Kunstgriffe nötig.

Demgegenüber steht Gott, der als der treue Gott Jakob jedes Mal wieder seine Hilfe anbot. Immer wieder wollte Er Jakob unterstützen und den Weg weisen. Leider vertraute Jakob lieber auf seine eigene Findigkeit, bis dass er, alt geworden, ein Leben voller Fiaskos hinter sich hatte (was die menschliche Seite betrifft) und endlich Gott das Steuer vollends in Händen gab.

Jakobs Geburt symbolisiert, was wir später in seinem Charakter wieder finden. Er hielt seinen Bruder an den Fersen fest. Er wollte der erste sein und mit Händen und Füßen versuchte er, dieses Ziel zu erreichen. Nicht umsonst erhielt er den Namen Jakob. Gott hatte vorhergesagt, dass der größere dem kleineren dienen würde. Aber statt abzuwarten, dass Gott dieses Versprechen für ihn wahr machen würde, erachtete Jakob es nötig – mit Ehrfurcht gesagt – Gott unter die Arme zu greifen. Als er größer geworden war, machte er gern von den Umständen Gebrauch, um Esau das Erstgeburtsrecht wegzunehmen. Nun hat das Erstgeburtsrecht wenig zu bedeuten, wenn nicht der Segen dazu gegeben wird. Was würde das größte Erbe mit allem, was dazu gehört, nützen, wenn wir es wenige Jahre später los wären, weil Gott den Besitz nicht segnet?

Der erzväterliche Segen

In der Tat, Jakob schätzte die Verheißungen Gottes wert. Jakob wusste, dass an Gottes Segen alles gelegen ist. Also, den Segen, den erzväterlichen, prophetischen Segen musste und sollte er erwerben.

In seiner Mutter, die ebenso wie er die Versprechungen Gottes wertschätzte, hatte er eine gute Hilfe, um den Segen, koste es, was es wolle, zu bekommen. Sie belauschte die Gespräche zwischen Isaak und Esau. Augenscheinlich sah es für Jakob nicht gut aus. Es musste etwas her, um Isaaks Pläne zu durchkreuzen. Rebekka hatte einen prächtigen Plan. Jakob hielt kurz dagegen. Nicht, dass ihm der Betrug widerstrebte, nein, die Angst vor einem möglichen Fluch ließ ihn kurz zögern. Aber danach ging er, ordentlich gekleidet, in das Zelt Isaaks. Sogar in seinem Betrug war er fromm: „Weil der Herr, dein Gott, es mir begegnen ließ“. Es war ein schwieriger Augenblick, aber es gelang. Er bekam den Segen! Schon schnell zeigte sich, dass der mit so viel Mühe erworbene Segen noch nicht ganz sichergestellt war. Anscheinend vertrauten Jakob und Rebekka unzureichend auf das, was Gott bezüglich des Verhältnisses der Brüder gesagt hatte, um das Schwert Esaus zu riskieren. Jakob musste für eine Zeit verschwinden. Aber wie sollte dies Isaak erklärt werden? Sehr gern machte Rebekka von einer Sache Gebrauch, die zweifellos schon lange ein Gesprächsthema zwischen ihr und ihrem Mann war. Die zwei kanaanitischen Frauen Esaus waren Isaak und ihr eine „Plage des Geistes“ gewesen. Isaak war mit Rebekka einig, dass Jakob in dieser Hinsicht anders handeln sollte als Esau und dass er eine Frau aus seiner Familie nehmen sollte. Und so schaffte sie es, dass Jakob durch seinen Vater zu Laban geschickt wurde. Einmal wurde ja auch eine Frau für Isaak aus derselben Gegend gesucht.

Folgen des Übels

Da ging Jakob als einsamer Reisender auf die Suche nach einer Frau. Keine Kamele, wie bei Elieser, auch kein Gold und Schmuck. Der Herr erschien ihm in der Nacht. Der unveränderlich treue Gott, bei dem kein Schatten eines Wechsels ist, verhieß Jakob seine Hilfe, sagte ihm das Land zu und versprach ihm eine große Nachkommenschaft. Jakob versprach, Gott zu dienen, aber er gab das Heft noch nicht aus der Hand. Er stellte die Bedingungen: „Wenn…“.

Am Brunnen im fremden Land verhielt Jakob sich anders als Elieser. Der Knecht zeigte mehr Gottesfurcht bei der Wahl für den Sohn seines Herrn als Jakob. Elieser fragte Gott und bat um ein Zeichen, aus dem sofort die guten Charaktereigenschaften der zukünftigen Frau hervorgehen würden. Bei Jakob lesen wir nichts von Gebet. Diesen so gewichtigen Schritt für die Zukunft tat er ohne Gott zu fragen und er hat die Folgen davon spüren müssen.

Wenn er auch kein Gold und keine Kleider als Brautschatz hatte, er hatte keine zwei linken Hände! Sieben Jahre sollte er für Rahel dienen. Am Ende der sieben Jahre wartete Jakob im düsteren Zelt auf seine Frau. Nach dem Gewirr der Festmahlzeit, bei der gut gegessen und getrunken wurde, wurde sie verschleiert durch Laban hereingebracht. Morgens zeigte sich der Betrug. Wird Jakob an das andere Zelt zurückgedacht haben, in das der jüngste Sohn hineinging und sagte, dass er der ältere sei? Gott vergibt die Sünden, aber die Folgen davon nimmt Er nicht immer weg. „Siehe, dem Gerechten wird auf der Erde vergolten“ (Spr 11,31).

Jakob wurde durch Gott gezüchtigt, hat dies aber wahrscheinlich nicht bemerkt. Deswegen spielte er sich gegen Laban auf, war seinem Onkel aber unterlegen, der ihn weitere sieben Jahre an ihn band. Denn Jakob wollte Rahel haben. Ob dies auch Gottes Weg war? Ob Rahel wirklich die richtige Frau für ihn war? Danach fragte er nicht. War es nicht Rahel, die die Teraphim stahl? War sie es nicht, die später die unbedachten Worte sprach: „Gib mir Kinder! Und wenn nicht, so sterbe ich“. Und sie starb auch – bei der Geburt ihres zweiten Sohnes. Von dieser Frau konnte Jakob nicht sagen: „Dort habe ich Rahel begraben“ (1. Mo 49,31). Eine Hilfe ist Rahel ihm nicht gewesen.

Furcht anstelle von Vertrauen

In der nächsten Periode seines Aufenthalts bei Laban hat Jakob sich mit listigen Mitteln in den Besitz einer großen Herde gebracht. Aber nach sechs Jahren zogen wieder dunkle Wolken am Firmament auf. Laban sah nicht sehr freundlich aus und schmiedete von Eifersucht getrieben böse Pläne. Jakob hielt die Zeit für gekommen, wegzuziehen. Darüber hinaus hatte Gott ihm befohlen in das Land seiner Väter zurückzukehren. Aber wann?

Als Laban weg war, um die Schafe zu scheren, zog er sang- und klanglos weg. Was allerdings konnte Jakob gegen Laban tun? Mit seiner Herde konnte er nie so schnell vorwärts kommen, wie sein Onkel. Innerhalb von sieben Tagen wurde er eingeholt. Von Jakob und seinem Besitz wäre nicht viel übrig geblieben, wenn Gott nicht zwischen beide getreten wäre und zu seiner bedingungslose Verheißung gestanden hätte. Da standen sich nun die beiden auf dem Gebirge Gileads gegenüber. Jeder sah nur auf sein Recht und auf das Unrecht des andern. Ist das heute nicht genauso der Fall, wenn Streit zwischen Brüdern herrscht?

Nachdem die Furcht vor Laban gewichen und das Zeichen eines Steinhaufens aufgerichtet war, kam die Angst vor Esau wieder auf. Sogar eine ganze Heeresmacht von Engeln, die Gott ihm gezeigt hatte (Machanaim), konnte Jakob nicht beruhigen. Er hatte noch nicht gelernt, vorbehaltlos auf Gott und seine Rettung zu vertrauen. Zunächst probierte er es sogar so, dass er einen Boten mit einem demütigen Gruß aussandte. Aber seine Furcht verkleinerte sich nicht, als er hörte, dass Esau ihm mit vierhundert Mann entgegen kam. Wie würde das ablaufen? Er rief jetzt seine ganze Findigkeit ab. Erst wurde das Lager in zwei Teile aufgeteilt. Wenn der eine Teil geschlagen werden würde, könnte der andere entkommen.

Und danach bat Jakob um Hilfe. Ein wirklich kraftvolles Gebet schien es nicht zu sein. In jedem Fall hatte Jakob nicht viel Vertrauen in die Antwort, die Gott geben würde. Er hatte seine Sorgen zwar Gott bekannt gemacht, sie aber nicht im Glauben vor seinem Angesicht gelassen. Auch nach dem Gebet kämpfte er noch mit der vollen Last seiner Furcht und Angst. Anstatt Gott wirken zu lassen, nahm er selbst das Ruder in die Hand: Esau musste gütig gestimmt werden.

Durch eine Reihe Geschenke würde er sein Ziel vielleicht erreichen. Was gaben all diese Methoden dem Jakob wenig Ruhe und Vertrauen! Sogar nach Pniel, wo Gott ihn überwinden ließ und wo Jakob fühlte, von dem Segen des „Überwundenen“ abhängig zu sein, ließ er das vermissen. Als er Esau herankommen sah, teilte er sein Heerlager nochmals und stellte seinen liebsten Besitz hinten an. Was würde das Jakob genutzt haben, wenn der Gott, der das Herz der Fürsten wie Wasserbäche lenkt, Esaus Herz nicht von seinen früheren Rachegefühlen abgewandt hätte?

Endlich Ruhe

Nachdem er alle Hilfe von Esau ausgeschlagen hatte, ging Jakob in das Land hinein. Er hielt allerdings sein vorheriges Versprechen nicht. Nicht Bethel, sondern Sichem wurde sein Wohnort. Hoffnungslose Schwierigkeiten waren die Folge davon. Dann endlich kam Jakob nach Bethel und betete Gott an. Die Folgen seiner verkehrten Taten von früher, folgten ihm nach. Er wurde durch seine eigenen Kinder betrogen. Bei all der Freude darüber, dass Joseph noch lebte, musste es doch seine Seele durchschnitten haben, dass seine Kinder ihm dies angetan hatten. Gläubige sündigen nicht billig!

Als der alte Erzvater nach Ägypten reiste und furchtsam in Beerseba anhielt und dort endlich einmal nicht seinen eigenen Weg suchte, sondern Gottes Angesicht befragte, sagte Gott: „Ich bin Gott, der Gott deines Vaters; fürchte dich nicht, nach Ägypten hinabzuziehen; denn zu einer großen Nation will ich dich dort machen“ (1. Mo 46,3). Als der Patriarch vor Pharao stand, war sein Zeugnis: „Wenig und böse waren die Tage meiner Lebensjahre“. Wie viel Übel war davon allerdings die Folge des eigenen Handelns?

Zum Glück endet Jakobs Geschichte nicht mit dieser Jammerklage. Auf seinem Sterbebett beging er nicht den Fehler Isaaks. Er segnete Ephraim mit seiner rechten Hand. Mit außergewöhnlicher Klarheit segnete er seine Söhne und weissagte über eine ferne Zukunft und gab Befehl für seine Gebeine. Endlich fand der müde Pilger Ruhe.

Dass wir doch von diesem warnenden Beispiel lernen und das Lebensschiff in Gottes Hände geben! Wir wollen so gern erst selbst den Weg zusammenstellen und danach Gott bitten, uns zu helfen. Allerdings will der Herr unseren Weg bestimmen und bittet uns, Ihm an seiner Hand zu folgen. Auch unser Zusammenleben als Gläubige möchte Er führen. Wie viele menschliche Hilfsmittel wurden in die Gemeinde mit all ihren bösen Folgen eingeführt. Lasst uns auf die Leitung des Geistes Gottes vertrauen und das Ruder nicht in die eigene Hand nehmen.

[Aus „Bode“, Jahrgang 1956]