Der Prophet Joel – oder: „Ich werde euch die verlorenen Jahre erstatten“

Der Bote und die Botschaft:

Als Joel auftrat, war Juda durch eine von Gott gesandte Heuschreckenplage verwüstet (Kap. 1). Diese nahm Gott zum Anlass, ein noch viel härteres Gericht anzukündigen: die Invasion eines Feindes aus dem Norden (Kap. 2). Gott verband diese Botschaft mit der fünfmaligen Ankündigung des Tages des Herrn[1], an dem Er diesen Feind vernichten und Israel reicher denn je segnen würde (Kap 3,1 ff. <2,28 ff.> und 4 <3>[2]).

Joel war ein recht „sanfter“ Prophet. Als er Juda die Notwendigkeit der Umkehr aufs Herz legte, brandmarkte er keine konkreten Sünden. Auch kündigte er nicht nur Gericht an, sondern gab eine Anleitung, wie die Umkehr geschehen sollte, ging auf mögliche Befürchtungen ein und wies auch vergleichsweise ausführlich auf Judas zukünftigen, reichen Segen hin.

Streiflichter aus Joels Prophezeiung:

Was Joel mir zu sagen hat, ...

... wenn mein geistliches Leben öde ist:

Finde dich nicht damit ab, sondern erkenne an und beklage, dass es öde ist.

Es kommt leider oft vor, dass Gott von mir keine Anbetung bekommt (1,9), obwohl ich „nicht leer vor [Ihm] erscheinen“ soll (2. Mo 23,15). Diese Öde und Leere ist aber nicht normal! Deshalb ruft Gott durch Joel auf: „Wacht auf ... und weint! Und heult“ (1,5; vgl. Klgl 3,39). Gott bewirkt Öde und Leere (2,25; Jes 45,7; vgl. Hiob 1,21; Ps 106,15). Aber gut zu wissen: „Nicht von Herzen plagt und betrübt er die Menschenkinder“ (Klgl 3,33). Er hat ein Ziel mit mir: dass Er geehrt wird (2,17 und 26).

Leere in meinem Leben kann verschiedene Ursachen haben. Meist werden das meine eigenen Sünden sein. Es gibt in meinem Leben auch „Most“ (1,5), der mir Vergnügen bringt, aber zugleich meinen Verstand für Gott unbrauchbar macht (Hos 4,11; vgl. 3. Mo 10,9.10). Gottes Reaktion auf Sünden ist früher oder später Segensentzug (s. 2,12; vgl. 5. Mo 28,38.39). Was dann? Gott kann helfen:

... wenn ich resigniere, weil ich so viel sündige:

Bekenne deine Sünden und kehre um – es ist nie zu spät und nie zu schlimm!

Gottes Botschaft durch Joel: „Auch jetzt noch, spricht der Herr, kehrt um zu mir mit eurem ganzen Herzen“ (2,12 ff.; vgl. 1. Kön 8,37 ff.). „Auch jetzt noch“ – kann das denn sein? Wo ich schon so lange Sünde auf Sünde geladen habe? Wo Gott mich schon so oft zur Umkehr gerufen hat? Wo ich immer wieder in alte Sünden zurückgefallen bin? Wo ich schon die Hoffnung aufgegeben habe, dass Gott jemals wieder etwas mit mir anfangen kann? Ja, „auch jetzt noch“!

... wenn ich umkehren möchte:

Mach' etwas Echtes, und lass nichts dazwischenkommen!

Wie soll diese Umkehr geschehen? Mit ganzem Herzen, nicht nur äußerlich (2,12.13). Mit Zerknirschung darüber, dass ich versagt und damit Gott verunehrt habe (2,12.13.17). Ganz bewusst und ohne Ablenkung (Fasten, 2,12). Nichts „Wichtigeres“ dazwischen kommen lassen, keine Entschuldigungen suchen, um die Umkehr zu verschieben (2,16 in Verbindung mit 5. Mo 24,5). Im Vertrauen, dass Gott zu mir steht – dass Er sich erbarmt und mich wieder segnet.

... wenn ich über den verlorenen Segen frustriert bin:

Gott wird dich wieder segnen!

Gott verheißt durch Joel: „Ich werde euch die Jahre erstatten, welche die Heuschrecke, der Abfresser und der Vertilger und der Nager gefressen haben“ (2,25). Es kann sein, dass Folgen meines sündigen Handelns nicht mehr rückgängig gemacht werden (können), „denn was irgend ein Mensch sät, das wird er auch ernten“ (Gal 6,7). Aber Gott vergibt immer, und noch mehr: Beim Volk Israel wollte er die Jahre erstatten! Das, was es durch die Zuchtmaßnahme verloren hatte, würde es wieder zurückbekommen (vgl. 1,4 mit 2,25), damit keine Beschämung bliebe (2,26 f.). Es ist traurig, dass die öden Tage „gefressen“ wurden – sie sind weg. Aber Gott kann sie in seiner Güte erstatten, wenn ich umkehre. Ich werde dann aus Erfahrung wissen, dass Er mein Gott ist (2,27). Ein Gott, der den segnet, der zu Ihm umkehrt.

Joels Prophezeiung über die Ausgießung des Heiligen Geistes

„Und danach wird es geschehen, dass ich meinen Geist ausgießen werde über alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter werden weissagen, eure Greise werden Träume haben, eure Jünglinge werden Gesichte sehen. Und sogar über die Knechte und über die Mägde werde ich in jenen Tagen meinen Geist ausgießen.“ (3,1.2 <2,28.29>).

„Danach“ – nach der Freude über reiche Ernten (2,18 ff.) – wird Gott weiteren Segen auf einer ganz anderen Ebene geben: Er wird seinen Geist über alle Menschen ausgießen.

Als am Pfingsttag nach der Auferstehung des Herrn Jesus die Gläubigen mit Heiligem Geist erfüllt wurden, zitierte Petrus diese zwei Verse aus Joel mit den Worten: „Dies ist es, was durch den Propheten Joel gesagt ist: ...“ (Apg 2,16 ff.). Diese Geschehnisse bewegten sich genau auf der Linie, die Joel mit seiner Prophezeiung gezogen hatte. Wie Joel prophezeit hatte, war der Heilige Geist – anders als bisher – nicht nur über einzelne Personen gekommen, sondern insgesamt auf alle Gläubigen ausgegossen worden.

Joels „Linie“ reicht aber noch weiter in die Zukunft. Seine Prophezeiung ist in verschiedenen Punkten noch nicht vollständig erfüllt. Insbesondere wird es einmal eine Ausgießung des Geistes buchstäblich auf „alles Fleisch“ (alle Menschen) geben – nicht nur auf Juden wie an Pfingsten. Andererseits ging das Geschehen an Pfingsten weit über Joels Prophezeiung hinaus, denn es wurde der eine „Leib“ gebildet (1. Kor 12,13), die Versammlung, die himmlischen Charakters ist. Der Heilige Geist wohnt seitdem in der Versammlung und in den einzelnen Gläubigen. Joel spricht hingegen von dem flächendeckenden Wirken des Geistes in den Menschen, die dann (im Tausendjährigen Reich) die Erde bewohnen werden.

Zusätzlicher Literaturhinweis:

Zu Joel 2,28 ff. <3,1 ff.>: Christian Briem, Ein Volk für seinen Namen (Apostelgeschichte 2, S. 76 ff.; Apostelgeschichte 1 – 2, S. 195 ff.)


Fußnoten:

[1] Der Tag des Herrn umfasst das Gericht über diese Erde mit dem anschließenden Tausendjährigen Friedensreich des Christus. Siehe dazu den „Leitfaden zum Studium der kleinen Propheten“ in FMN [06/2003], S. [25].

[2] Die Versangaben richten sich nach der Elberfelder Übersetzung Version 2003. Soweit in der nicht revidierten Elberfelder Übersetzung eine andere Verseinteilung existierte, ist diese in <> angegeben.

[Erschienen in der Zeitschrift „Folge mir nach“. Zu beziehen bei der Christlichen Schriftenverbreitung, Hückeswagen (www.csv-verlag.de)]