In deinen Schlafgemächern fluche nicht dem Reichen; denn die Vögel des Himmels könnten die Stimme entführen, und das Geflügelte das Wort melden. Prediger 10,20

Eine Geschichte aus dem vorigen Jahrhundert: Es herrscht gute Stimmung im Haus eines reichen und sehr angesehenen Geschäftsmannes. Zahlreiche Gäste sind geladen – einflussreiche Leute aus Politik und Wirtschaft. Ebenfalls im Raum befinden sind zwei niedliche junge Dompfaffen, die in einem großen Käfig sitzen, der meist offen steht. Der Geschäftsmann hat die Vögel vor etwa drei Monaten von einem Studenten gekauft, als sie erst wenige Wochen alt waren.

Junge Dompfaffen singen in ihren ersten Lebensmonaten noch nicht. Deshalb waren die munteren Vögel bisher fast nur schweigend herumgeflattert. Doch heute, vielleicht angeregt durch die vielen Gäste, fliegt einer der Dompfaffen auf den prächtigen Kronleuchter und schmettert in den höchsten Tönen die „Internationale“ – das Kampflied der kommunistischen Arbeiter!

Im Raum wird es stiller. Die Geschäftsleute sind entsetzt. Dieses Lied, das sie gar nicht mögen, kann der Vogel doch nur von ihrem Gastgeber gelernt haben! Ist dieser Mann ein Kommunist oder sogar ein gefährlicher Ost-Agent? Die Situation wird ungemütlich für den Gastgeber, der in Erklärungsnöte kommt.

Doch der Geschäftsmann ist kein Kommunist. Es erfordert allerdings beinahe kriminalistischen Spürsinn, um herauszufinden, woher sein junger Dompfaff dieses Lied kennt. Die Spur führt zurück zu jenem lustigen Studenten, der dem Geschäftsmann die beiden jungen Vögel verkaufte.

Dazu muss man einige Einzelheiten über den Dompfaff wissen:

  • Frisch aus dem Ei geschlüpfte Dompfaff-Kinder halten das erste lebende Wesen, das sie zu Gesicht bekommen, für ihren „Vater“, egal ob es sich um einen Dompfaff, einen Kanarienvogel oder gar einen Menschen handelt.
  • Dieser „Vater“ ist für den Gesangsunterricht zuständig und sie lernen seine Lieder.
  • Dabei passen ungefähr 5–6 Melodien in das kleine Dompfaff-Köpfchen, und mehr lernen sie auch nicht mehr in ihrem Leben.
  • Dompfaff-Kinder können in den ersten Monaten noch nicht singen. Aber irgendwann ziehen sie sich zurück, um vorsichtig das in den ersten Lebenstagen erlernte Liedgut zu proben und zu verbessern, bis es aufs Haar dem Gesang des „Vaters“ gleicht.

Der Student, der diese Zusammenhänge wohl kannte, machte sich einen Spaß daraus, dem jungen Dompfaff das verdächtige Lied beizubringen – und der Geschäftsmann wird den Vogel wohl nie mehr davon abgebracht haben.

Auch bei Menschen bleibt besonders gut haften, was sie früh lernen. Das Gehirn scheint in den ersten Lebensjahren besonders viel aufnehmen zu können. Eine große Chance, das zu lernen, was unentbehrlich ist fürs Leben: Gottes gute Gedanken in der Bibel! Wer sich früh damit befasst, sammelt im Lauf der Zeit einen Schatz fürs Leben.

[Zusammengestellt aus dem Kalender „Kompass“, www.csv-verlag.de]