„Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit; oder wenn ein Glied verherrlicht wird, so freuen sich alle Glieder mit“ (1. Kor 12,26).

Dieser Vers wird gern angeführt, um zu zeigen, wie groß das geschwisterliche Mitgefühl ist, wenn sich eine Not im Volk Gottes zeigt. Das ist an sich auch richtig, dass das so ist, und so mag man diese Stelle auch anwenden – dennoch ist das nicht die eigentliche Bedeutung dieses Verses.

In 1. Korinther 12 geht es nicht um Leid, das die Gläubigen auf dieser Erde durchmachen müssen. Es geht vielmehr um Gnadengaben und um die vielfachen Funktionen am Leib Christi. Wenn ein Glied leidet, dann bedeutet das, dass es seine gottgegebene Funktion nicht ausfüllen kann. Und wenn das geschieht, leiden alle Glieder mit. Wenn man einen Spreißel im Finger hat, beeinträchtigt das den Betroffenen bei allen möglichen Arbeiten und Bewegungen. Der ganze Körper wird in Mitleidenschaft gezogen. Das ist der Gedanke hier.

Wenn ein Glied verherrlicht wird, sich also in seiner Funktion (wieder neu) bewährt, dann freuen sich alle Glieder mit. Wenn meine Hand beispielsweise einen Ast gekonnt absägt, sodass eben kein Spreißel in den Finger kommt und der Rücken sich nicht lange krumm bücken muss, dann ist das zum Wohl des ganzen Leibes, und alle Glieder freuen sich mit. Wenn jemand auf eine „schöne Stufe“ gelangt (um die Aussage von 1. Timotheus 3,13 anzuwenden), dann ist das ein Grund zur Freude aller, da es zum Segen des ganzen Leibes ist.

Man mag sich hier fragen, inwiefern wirklich alle Glieder davon betroffen sind. Wenn ein Bruder seinen Dienst in Buxtehude nicht gut versehen kann, was für Auswirkungen hat das auf die Gläubigen in Christchurch (Neuseeland)? Zunächst keine direkten. Aber es geht hier um die grundsätzliche Reichweite einer Sache. Und die besteht. Denn wenn der Bruder aus Buxtehude einen geplanten Besuch in Christchurch aufgrund der Probleme nicht antritt, dann wird das Ganze sehr konkret.

1. Korinther 12,26 ist übrigens eine Feststellung und keine Ermahnung. Dennoch sollten wir uns fragen, inwiefern wir das, was dieser Vers sagt, auch in unserer Praxis abbilden. Haben wir wirklich Mitgefühl, wenn jemand seine Arbeit nicht verrichten kann? Denken wir hier nur mal daran, wie manche Gläubige reagierten, als Paulus im Gefängnis seiner Wirksamkeit teilweise beraubt war (Phil 1). Und wenn ein Glied leidet, sehen wir dann, was uns allen fehlt und sind wir darum bemüht, dem Mangel abzuhelfen? Und freuen wir uns wirklich, wenn der Herr den Dienst eines Bruders bestätigen kann oder kriecht in uns der Neid empor?