Guten Morgen, Bruder Perfektionist!
Schlecht geschlafen, Bruder Perfektionist? Lag es vielleicht daran, dass dich der Gedanke quälte, dass der Rasen nicht komplett gemäht werden konnte? Dass bei der Steuererklärung ein Rundungsfehler auftrat? Dass die Krawatte einen winzigen Soßenspritzer abbekam? Ist das eine tonnenschwere Last? Nein, natürlich nicht; es ist doch nur wie dürres Laub. Schüttele einmal mit der Hand der Besonnenheit kräftig an dem Baum der Perfektion und du wirst sehen, wie viel Verdrießlichkeit zu Boden fällt.
Wir kommt es eigentlich, dass man sich in tausend Belanglosigkeiten so gern zur Perfektion aufschwingen möchte? Es scheint mir hauptsächlich zwei Ursachen zu haben.
Angst vor Menschen
Was ist, wenn der Nachbar sich über den nicht gemähten Rasen beschwert? Was ist, wenn der Steuerbeamte sagt, ich könne nicht bis zwei zählen? Was ist, wenn jemand den Fleck auf der Krawatte entdecken sollte? Was ist, so möchte ich zurückfragen, wenn das wirklich passiert? Es wird nicht ausbleiben, dass irgendjemand mit irgendetwas in deinem Leben unzufrieden ist. Man kann es nicht allen Recht machen. Und man muss es auch nicht. „Wenn ich noch Menschen gefiele“, sagt der Apostel Paulus, „so bin ich Christi Knecht nicht.“ Selbstverständlich sollen wir niemand zum Anstoß sein und Sünden nicht auf die leichte Schulter nehmen. Doch wenn ich immer alles 110%-ig machen muss, sollte ich mich doch einmal fragen, ob ich nicht in die Schlinge der Menschenfurcht geraten bin.
Angst vor Gott
Ein Überbetonung der Wahrheit, dass Gott in seiner Regierung dafür sorgt, dass wir das ernten, was wir gesät haben, kann dazu führen, dass wir von der Vorstellung gejagt werden, uns nur ja nicht die geringste Abweichung von einer Norm zu leisten. Denn wer weiß, was Gott darauf antworten wird? Da glaubt man vielleicht sogar, dass der Autounfall darauf zurückzuführen ist, dass man morgens nicht intensiv genug gebetet hat. Ist denn Gott etwa ein Kleinkrämer? Verdunkelt man mit solchen Gedankengängen nicht seine Gnade und Geduld? Selbstverständlich ist Gottes Heiligkeit unendlich groß. Aber wenn ich aus Angst vor seinen harten Schlägen, immer als 110%-ig machen muss, dann sollte ich mich doch einmal fragen, ob ich seine Barmherzigkeit wirklich gut verinnerlicht habe.
Also, lieber Bruder (Schwester) Perfektionist, Salomo ruft dir heute zu: “Sei nicht allzu gerecht und erzeige dich nicht übermäßig weise: Warum willst du dich zugrunde richten?“ (Prediger 7,16).