Bei manchen Auslegungen werden vom Verlag Informationen zu dem Autor hinzugefügt. Meistens fällt das Urteil über den Autor sehr positiv aus. Gerade, wenn ein Autor lebt, ist das oftmals nicht sehr angemessen. Als J.N. Darby ein Buch von sich in Händen hielt, indem er  gelobt wurde, griff er zur Feder.

Mein lieber Freund und Bruder in Christus!

Es hat mich sehr gefreut, Ihre Übersetzung von ... zu sehen, und ich behalte mir das Vergnügen, sie zu lesen oder vielmehr, sie mir vorlesen zu lassen, für Augenblicke vor, wo der Herr zu uns sagt, wie einst zu Seinen Jüngern: „Kommt ihr selbst her ... und ruhet ein wenig aus.“ Ich fühle mich aber gedrängt, lieber Bruder, Ihnen zu sagen, dass meine Freude an dem Erscheinen Ihrer Arbeit durch das viel zu günstige Urteil, das Sie in Ihrem Vorwort über mich abgegeben haben, einigermaßen getrübt worden ist. Bevor ich ein Wort Ihrer Übersetzung gelesen hatte, schenkte ich ein Exemplar dieses Buches einem sehr lieben und aufrichtigen Freund von mir, der mir dann berichtete, dass Sie in Ihrem Vorwort meine Frömmigkeit sehr hervorgehoben hätten. Als ich die Stelle daraufhin las, machte sie auf mich den gleichen Eindruck wie auf meinen Freund. Ich hoffe daher, dass Sie das, was ich Ihnen über diesen Punkt sagen möchte und was das Ergebnis einer langen Erfahrung ist, nicht übelnehmen werden.

Hochmut ist das größte all der Übel, die beständig auf uns lauern. Von allen unseren Feinden ist er der zäheste und der, der am langsamsten stirbt. Selbst die Kinder der Welt merken das. Frau von Stahl sagte auf ihrem Sterbebett: „Wisst Ihr, was im Menschen am letzten stirbt? Es ist die Selbstliebe.“ Gott hasst den Hochmut vor allem anderen, weil er dem Menschen den Platz gibt, der Ihm allein gebührt, Ihm, der über alles erhaben ist. Hochmut verhindert die Gemeinschaft mit Gott und zieht Sein Gericht nach sich; denn Gott widersteht den Hochmütigen. Er wird den Namen der Hochmütigen ausrotten, und es wird uns gesagt, dass Er einen Tag bestimmt hat, an dem „der Hochmut des Menschen gebeugt und die Hoffart des Mannes erniedrigt werden wird“ (Jes 2,17). Sie werden daher mit mir übereinstimmen, wenn ich sage, dass ein Mensch dem anderen keinen größeren Schaden zufügen kann, als wenn er ihn lobt und seinen Hochmut nährt. „Ein Mann, der seinem Nächsten schmeichelt, breitet ein Netz aus vor seine Tritte“ (Spr 29,5), und „ein glatter Mund bereitet Sturz“ (Spr 26,28). Überdies sind wir viel zu kurzsichtig, um den Grad der Frömmigkeit unseres Bruders beurteilen zu können; wir sind nicht imstande, richtig zu urteilen ohne die Waage des Heiligtums, und die befindet sich in der Hand Dessen, der die Herzen erforscht. „So urteilet nicht etwas vor der Zeit, bis der Herr kommt, welcher auch das Verborgene der Finsternis ans Licht bringen und die Ratschläge der Herzen offenbaren wird; und dann wird einem jeden sein Lob werden von Gott“ (1. Kor 4,5).

Lassen Sie uns also bis dahin nicht anders als mit gebührender Zurückhaltung über unsere Brüder urteilen, sei es in Bezug auf Gutes oder Böses, und denken wir daran, dass das sicherste und beste Urteil dasjenige ist, das wir über uns selbst abgeben, wenn wir andere höher achten als uns selbst.

Wenn ich Sie fragen würde, wie Sie dazu kommen, von mir zu sagen, ich sei einer der in der christlichen Laufbahn am weitesten Vorgerückten und ein hervorragender Knecht Gottes, so würden Sie sicher um eine Antwort verlegen sein. Vielleicht würden Sie die von mir veröffentlichten Werke anführen. Aber wissen Sie denn nicht, mein lieber Freund und Bruder, der Sie ebensogut wie ich einen erbaulichen Vortrag halten können, dass das Auge weiter sieht, als die Füße gehen, und dass wir leider nicht immer das sind, was unsere Vorträge ausdrücken? Dass wir „diesen Schatz in irdenen Gefäßen haben, auf dass die Überschwänglichkeit der Kraft sei Gottes und nicht aus uns“ (2. Kor 4,7)?

Ich will Ihnen nicht die Meinung mitteilen, die ich von mir selbst habe; denn ich würde dabei wahrscheinlich die ganze Zeit meine eigene Ehre suchen und, während ich meine Ehre suche, demütig erscheinen, was ich nicht bin. Ich möchte Ihnen lieber sagen, was unser Herr von mir denkt, Er, der das Herz erforscht und die Wahrheit spricht. Er ist der Amen, der treue Zeuge und der oft im Innersten meiner Seele zu mir geredet hat, und dafür bin ich Ihm dankbar. Glauben Sie mir, Er hat mir nie gesagt, ich sei „ein hervorragender Christ und vorgerückt in den Wegen der Gottseligkeit“. Im Gegenteil, Er sagt mir sehr deutlich, dass ich, wenn ich meinen Platz verstünde, finden würde, dass es der des vornehmsten Sünders und des Geringsten aller Heiligen ist. Und, nicht wahr, Sein Urteil sollte ich doch sicher eher annehmen als das Ihrige.

Der hervorragendste Christ ist vielleicht einer, von dem man nie hat sprechen hören, irgendein armer Arbeiter oder Knecht, dessen ein und alles Christus ist und der alles für Sein Auge und nur für Sein Auge tut. Denn Er allein ist würdig, gepriesen, verehrt und angebetet zu werden. Seine Güte können wir nie genug erheben. Der Lobgesang der Erlösten (Off 5) preist niemand als Ihn, der sie mit Seinem Blut erkauft hat. Er enthält auch nicht ein Wort des Lobes für einen Einzigen aus ihrer Zahl, auch nicht ein Wort, das sie als hervorragend oder als nicht hervorragend bezeichnet. Alle Unterschiede verschwinden in ihrem gemeinsamen Namen „Erlöste“, der das Glück und die Herrlichkeit der ganzen großen Menge ausmacht. Trachten wir danach, unsere Herzen in Einklang zu bringen mit diesem Lobgesang, in den wir alle einst einzustimmen hoffen. Das wird unsere Glückseligkeit schon hier auf der Erde sein, und es wird zu Gottes Verherrlichung beitragen. Seine Verherrlichung wird nur zu oft durch das Lob, das Christen einander zollen, beeinträchtigt. Wir können nicht einen zweifachen Mund haben, einen zur Verherrlichung Gottes und einen anderen zur Verherrlichung des Menschen. Möchten wir uns das Tun der Seraphim droben zum Vorbild nehmen, die mit zwei Flügeln ihre Angesichter verhüllen (als Zeichen einer gewissen Bestürzung in der heiligen Gegenwart des Herrn), mit zweien ihre Füße bedecken (als wollten sie ihre Schritte vor sich selbst verbergen) und mit zweien fliegen, um den Willen des Herrn auszuführen, während sie beständig rufen: „Heilig, heilig, heilig ist Jehova der Heerscharen, die ganze Erde ist voll seiner Herrlichkeit!“ (Jes 6).

Erlauben Sie mir diese wenigen Worte christlicher Ermahnung. Ich bin überzeugt, dass sie Ihnen früher oder später von Nutzen sein werden, weil Sie selbst erfahren werden, wie wahr sie sind. Gedenken Sie meiner in Ihren Gebeten, wie auch ich bete, dass der Segen des Herrn auf Ihnen und Ihrer Arbeit liegen möge. Wenn Sie je eine Neuauflage des fraglichen Buches herausgeben sollten, was, wie ich hoffe, der Fall sein wird, so lassen Sie bitte die beiden Stellen aus, auf die ich Sie aufmerksam gemacht habe, und nennen Sie mich einfach „einen Bruder und Diener im Herrn“. Das ist Ehre genug und bedarf keiner weiteren Beifügung ...