Unter den vielen Beispielen der Gnade Gottes und den vielen Bildern von dem Evangelium, die das Alte Testament enthält, gibt es wenige, die so ansprechend sind, wie die Geschichte von Naaman in 2. Könige 5.

Es ist wunderbar, die Gnade Gottes gegenüber diesem ehrenhaften, aber von Krankheit befallenen Mann zu verfolgen: von der Botschaft der kleinen Magd seiner Frau bis zu dem Moment, wenn er sich, gehorsam dem Wort Elisas, siebenmal im Jordan untertaucht und dadurch die Heilung erfährt, nach der er so sehnsüchtig verlangte. Dieser Heilung musste notwendigerweise die Demütigung vorausgehen, als seine Knechte ihre Argumente gegen ihn vorbrachten. Doch, „wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht weden“, lautet die goldene Regel des Handelns Gottes mit einer Seele, und der Herr Jesus selbst hat dafür das vollkommene Beispiel gegeben. Als er der Sünderheiland wurde, erniedrigte er sich selbst (Phil 2,8), indem er die Strafe des Todes trug, die der Sünder verdient hatte. Und nun gibt Gott dem Demütigen Gnade (1. Pet 5,5), d.h. jedem, der seine Schuld und seine sündige Natur anerkennt. Einem solchen kann der Ausleger ausrichten: „Ich habe eine Sühnung (o. ein Lösegeld) gefunden. Sein Fleisch wird frischer sein als in der Jugend“ (Hiob 33,23–25).

Doch neben dieses schöne Bild der Befreiung und des Segens hat Gott ein höchst ernstes Beispiel der Warnung und des Missfallens Gottes gestellt. Das Evangelium wird den Fernen (den Nationen) und den Nahen (den Juden) gepredigt (Eph 2,17). Die göttliche Botschaft an die gesamte bekennende Christenheit lautete: „Gegen dich aber Güte Gottes, wenn du an der Güte bleibst; sonst wirst auch du ausgeschnitten werden“ (Röm 11,22). Gehasi der Diener des Propheten Gottes hatte eine bevorzugte Stellung die in seinen Tagen einzigartig war. Verbunden mit dem Mann, der das Zeugnis in Israel hatte, hatte er teilgenommen an der Auferweckung des Sohns der Sunamitin und auch an der Vermehrung der Brote und des Korns für das Volk (2. Kön 4). Er war auch dabei, als Naaman die Nachricht der Heilungsmöglichkeit überbracht wurde; möglicherweise war er selbst der Bote.

Doch Eitelkeit und Geldliebe, eine Wurzel alles Bösen (1. Tim 6,10), verleiteten ihn, die Gnade des Gottes Israels diesem Fremden gegenüber zu verfälschen. So musste der Prophet die traurige Erfahrung machen, dass die frischen Quellen der Freude und der Heilung im Herzen Naamans durch die Habgier Gehasis angegriffen wurden. Doch der Glaube vertraut darauf, dass Gott, der ein gutes Werk in dem syrischen Befehlshaber angefangen hatte, es auch vollenden würde. Wäre es nicht so, fänden wir es sehr betrüblich, dass jemand, der gerade erst gelernt hatte, dass der Segen Gottes „ohne Geld und ohne Kaufpreis“ erlangt wird (Jes 55,1), durch das Revidieren der Botschaft des Propheten in seinem Herzen abgekühlt würde.

Gehasi wurde durch seine Gewinnsucht blind für jede andere Sicht. Doch eine Sache ist in dieser Erzählung höchst auffallend: in dem Moment, als er sein Ziel erreicht hatte, war er in seinem Gewissen ein Dieb und brachte das Silber und die Kleidung im Haus unter (2. Kön 5,24). Die Sünde verliert ihre Anziehungskraft in dem Moment, wo sie begangen wird. „Ihr werdet sein wie Gott“, schien für Adam und Eva so verlockend, aber in dem Moment, als sie sündigten, erkannten sie ihre eigene Nacktheit.

Wer wollte Gehasi um seinen Erfolg durch Lüge und Betrug beneiden? Durch Unglauben verhärtet und von Satan betrogen, kommt er und steht vor seinem Herrn. Er begegnet der erforschenden Frage seines Herrn mit einer Lüge, muss aber lernen, dass weder Gott noch der Prophet betrogen worden waren, auch wenn er es war, und dass „was irgend ein Mensch sät, er  auch ernten wird“ (Gal 6,7).

Er wollte Naamans Geld und Kleidung haben – er bekam auch seinen Aussatz. Er fällt unter die „vielen Aussätzigen ... in Israel“ (Lk 4,27), doch erhält er das zusätzliche Gericht, dass es an ihm und seinen Nachkommen für immer hängen wird – ein Hinweis von der endlosen Verdammnis, die auf die wartet, die die Gnade Gottes im Evangelium verneinen, ablehnen oder verderben.

Als Nächstes begegnen wir ihm als Schmeichler am Königshof (und was für ein König! – vgl. 2. Kön 8,4), und von dort verschwindet er von der Bildfläche als hoffnungsloser Aussätziger, offensichtlich bestrebt, das anklagende, schlechte Gewissen mit den Vergnügungen der Welt zu ersticken.

Welch eine Warnung, welche eine Lektion für uns! Wenn wir, die wir an einen so bevorzugten Platz gebracht sind, Gott nur mit unseren Lippen ehren, während unsere Herzen weit entfernt von ihm sind (Mt 15,8), wie sollten wir dann vor einem Größeren als Elisa bestehen „an dem Tage, da Gott das Verborgene der Menschen richten wird, ... durch Jesus Christus“ (Röm 2,16)? Dann werden wir nur das eine schreckliche Wort hören: „Weicht von mir!“ (Mt 7,23).

Deswegen möchten wir alle jene ermahnen: „Tut Buße und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15).