„In einer Weise redet Gott und in zweien, ohne dass man es beachtet. Im Traume, im Nachtgesicht, wenn tiefer Schlaf die Menschen befällt, im Schlummer auf dem Lager: dann öffnet er das Ohr der Menschen und besiegelt die Unterweisung, die er ihnen gibt“ (Hiob 33, 14–16)

Das erste Buch Mose berichtet von 7 Personen, die auffallende Träume gehabt haben: Abimelech (20,3), Jakob (28,12 und 31,10), Laban (31,24), Joseph (37, 5ff), der Mundschenk des Pharaos (40,9–11), der Bäcker des Pharaos (40,16–17) und der Pharao selbst (41,17–24).

Im Leben des Patriarchen Josephs spielen Träume eine besondere Rolle. Sie kommen immer paarweise vor und sie sind auf die zukünftige Erhöhung Josephs gerichtet. Dazu gehören auch die beiden Träume des Mundschenken und des Bäckers vom Pharao, von denen in 1. Mose 40 berichtet wird. Mein Eindruck ist, dass die Träume in 1. Mo 40 einen tieferen Sinn haben, als den, den Joseph direkt den beiden Hofbeamten auslegt. Dazu einige Gedanken:

Es kann kein Zweifel sein: Die beiden Hofbeamten waren nicht grundlos in den Kerker geworfen worden. Der inspirierte Text sagt. dass sie sich „versündigten“ und zwar „gegen ihren Herrn“ (40,1). Allerdings hören wir nur von dem Mundschenk ein – wenn auch verspätetes – Bekenntnis seiner Schuld. In  Kapitel 41, 9 spricht er vor dem Pharao von „meinen Sünden“. Vom Obersten der Bäcker wird kein derartiges Schuldbekenntnis erwähnt. Der einzige, der nichts Ungeziemendes getan hatte, war Joseph. Und doch war er, ebenso wie die beiden anderen, in „demselben Gericht“.

Aber dem einen seiner Mitgefangenen konnte Joseph gute Botschaft bringen. Dem anderen konnte er nur das Gericht ankündigen. Ebenso hat es der Herr auf der Erde getan. Und er tut es heute noch durch seine Diener. Sie sind „für Gott ein Wohlgeruch Christi in denen, die errettet werden, und in denen, die verloren gehen; den einen ein Geruch vom Tode zum Tode, den anderen aber ein Geruch vom Leben zum Leben.“ (2. Kor 2, 15–16).

Die Aufgabe des Mundschenken und des Bäckers war es, für das leiblich Wohl des Pharaos zu sorgen. Sie hatten sich versündigt und konnten diesen Dienst nicht versehen. Sie hatten versagt. Aber drei Tage später konnte der Mundschenk wieder seinen Dienst verrichten und dem Pharao zu trinken reichen.

Ganz anders bei dem Bäcker: In seinem Traum brachte er dem Pharao nicht die gewünschte Nahrung; er hatte die Vögel nicht daran gehindert, das Backwerk zu fressen – und der Pharao bekam nicht die für ihn zugedachte Speise.

Der allmächtige Pharao ist hier ein Bild für Gott. Alle Menschen sollten für Gott leben und ihm etwas geben. Aber der natürliche Mensch kann Gott keine Frucht bringen. Erst, wenn wir Gott zu Sklaven geworden sind, haben wir unsere Frucht zur Heiligkeit. Wir sind „getötet worden durch den Leib des Christus, um eines anderen zu werden, des aus den Toten Auferweckten, damit wir Gott Frucht brächten.“ (Röm 7, 4) Von diesem Gestorben- und Auferweckt-Sein sprechen auch die drei Tage – wie so oft in der Schrift.

Die Speise für Gott kann in uns nicht durch eigene Werke oder eigenes Tun erbracht werden. Nur wenn wir Christus bringen, bringen wir Gott das, was Er sich wünscht.

Christus wird uns hier, wie mir scheint, im Bild des fruchtbaren Weinstocks vorgestellt. Er selbst ist der wahre Weinstock (Joh 15), ein Fruchtbaum, der übrigens hier zum ersten Mal in der Bibel erwähnt wird. Nur das Produkt dieses wahren Weinstocks kann zu völligen Freude für Gott den Vater sein. Allerdings mussten die Trauben durch den Mundschenken ausgepresst werden. So ist auch Christus durch unsere Sünden am Kreuz sozusagen „gepresst“ worden – und das Ergebnis war zur völligen Freunde und Befriedigung Gottes, des Vaters.

Etwas anderes konnte und brauchte der Mundschenk nicht zu tun; er konnte weder die Traubenblüten hervorbringen, noch deren Wachstum und Reifen bewirken. Wir Menschen konnten zum Werk des Herrn Jesus sozusagen nur unsere Sünden beitragen.

Das Knospen, Blühen und Reifen der Trauben scheint mir ein Vorbild des Lebens des Herrn auf der Erde zu sein. Er war der Spross (Sach 6, 12), der wie ein Reis vor Gott aufgeschossen ist, und wie ein Wurzelspross aus dürrem Erdreich (Jes 53, 2) um schließlich viel Frucht für Gott zu bringen (vgl. Joh 12, 24).

Bei dem Bäcker war alles ganz anders. Er erzählt seinen Traum erst als zweiter, als er hörte, dass Joseph „gut“ (man kann auch übersetzten „Gutes“) zu dem Mundschenken geredet hatte. Der Mundschenk vertraute Joseph sofort, der Bäcker wollte erst abwarten und hören. Er ist ein Vorbild für Ungläubige, die meinen, der wahre Joseph werde jedem etwas Gutes erzählen. 

Auch der Traum ist anders als der Traum beim Mundschenk: Der Pharao kommt im Traum des Bäckers gar nicht direkt vor; es wird nur einmal gesagt, dass das Backwerk für den Pharao war. (Aber er erhielt es nicht, weil es vorher weggefressen wurde.) Im Traum des Mundschenken kam der Pharao selbst vor: Ihm wurde der mit Traubensaft gefüllte Becher gereich; der Mundschenk ist in direkter Beziehung zum Pharao; Weinstock und Traubensaft sind das, was sie miteinender verbindet, ebenso wie uns das Werk Christi mit dem Vater verbindet und wir nur durch ihn etwas für Gott bringen können.

Der Brotkorb ist aber nicht „vor“ dem Bäcker, so wie der Weinstock „vor“ (w. „angesichts“) dem Mundschenken war, sondern er befindet sich auf dem Kopf des Bäckers. Das Haupt ist in der Bibel oft ein Bild von Anführerschaft und Leitung (nicht etwa des Verstandes oder Intellekts, wie oft fälschlich behauptet wird). Der Bäcker vertraute auf seine eigene Führung in der Frage, wie er dem Pharao das Essen bringen sollte. Die Esswaren für den Pharao waren zudem im obersten der Körbe, einer Stelle, die nicht nur am weitesten sichtbar das Ganze zur Schau trug, sondern auch am weitesten vom Bäcker entfernt war und am Leichtesten von den Vögeln erreicht werden konnte. Überhaupt fragt man sich, weshalb es DREI Körbe gab, aber nur der oberste Esswaren für den Pharao enthielt. Entspricht das nicht dem Menschen, der nur ein TEIL seiner Kraft und Energie für Gott einsetzen möchte?

Anders als der Weinstock mit den Trauben, ist das Backwerk auch nichts natürlich Gewachsenes, das nur noch gepresst werden muss, sondern es ist ein mit viel Mühe und Aufwand hergestelltes Produkt. Im Hebräischen steht für „Backwerk“ ganz wörtlich „Werk des Backens“. Vorbildlich ist es das „Werk“ oder das „Tun“, was uns hier versinnbildlicht wird. Es ist etwas, das nicht Christus darstellt, sondern das eigene Werk betont, das Gott niemals gefallen kann.

Nicht ganz einfach zu verstehen ist der Ausdruck „Weißbrot“ in Vers 16, weil das entsprechende Wort nur hier in diesem Sinn in der Bibel vorkommt, und von einem semitischen Wortstamm mit der Bedeutung „weiß“ abgeleitet wird. Wenn diese Übersetzung richtig ist, dann weist das Wort vielleicht vorbildlich auf die in seinen eigenen Augen vorhandene Selbstgerechtigkeit (“weiß“) hin. Allerdings ist es etwas ungewöhnlich, dass in Vers 16 schon der Korbinhalt genannt wird, dann aber im folgenden Vers nochmals auf den Inhalt des oberen Korbes hingewiesen sein sollte. Deshalb ist es nicht abwegig, das hebräische Wort von einem anderen Wortstamm mit der Bedeutung „löchrig“ abzuleiten und an einen löchrigen Flechtkorb zu denken. So verstanden könnte hier ein vorbildlicher Hinweis auf die hohle Ohnmacht des Menschen, der selbst etwas für Gott tun möchte, vorliegen.

Das letzte Detail aus dem Traum des Bäckers sind die gefräßigen Vögel. Schon im Gleichnis vom Sämann fressen die Vögel den guten Samen weg und von Babylon wird gesagt, es sei „ein Gewahrsam jedes unreinen Geistes und ein Gewahrsam jedes unreinen und gehassten Vogels“ (Off 18, 2) geworden. Der Feind möchte den Menschen daran hindern, etwas für Gott zu bringen. Wer es stolz auf dem eigenen Kopf trägt, braucht sich nicht zu wundern, wenn Gott keine Speise bekommt. Abraham hatte die Vögel weggescheucht, die sich auf die Opfertiere herabstürzen wollten (1. Mo 15, 11). Beim Bäcker sieht man keine Spur von solcher Sorge für die Nahrung für den Pharao. Er ist nachlässig und sorglos. Das ist der natürliche Mensch.