Christus hat einen Namen, der über jeden Namen ist. Dieser Name drückt die verschiedenen Herrlichkeiten und Vorzüge unseres gelobten Herrn und Heilands aus. Mit Freude dürfen wir Seine unendlichen Vollkommenheiten betrachten und die Aufmerksamkeit auf Ihn selbst richten, als den Einen, in dem sich alle Gedanken und Wege Gottes konzentrieren sowie als denjenigen, der das bleibende und ewige Teil des Herzens eines jeden Gläubigen ist. Es ist eine Vorwegnahme der Freude, die wir im Himmel genießen werden, wenn wir von der Betrachtung Christi überwältigt werden, wie wir das vorbildlich bei der Königin von Scheba sehen, die in der Gegenwart Salomos gewesen war.

Im Heiligtum  können wir „mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn“ anschauen und verwandelt werden „nach demselben Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, als durch den Herrn, den Geist“ (2. Kor 3,18). So wie es Sein Verlangen ist, Sein geliebtes Volk in der Vertrautheit Seiner Gegenwart zu sehen, in dem Maß möge Er in unserem Herzen den Wunsch wachrufen, mit dem Psalmisten auszurufen: „Eins habe ich von dem HERRN erbeten, danach will ich trachten: zu wohnen im Haus des HERRN alle Tage meines Lebens, um anzuschauen die Lieblichkeit des HERRN und nach ihm zu forschen in seinem Tempel“ (Ps 27,4).

Bei unserem vorliegenden Gegenstand werden wir aufgefordert, Seine Unveränderlichkeit im Gegensatz zu dem vergänglichen Charakter dieser Welt zu betrachten. Solange wir noch durch unsere Körper mit dieser Schöpfung verbunden sind, die bis jetzt „mitseufzt und mit in Geburtswehen liegt“ (Röm 8,22), wird es Zeiten geben, in denen wir durch die Tendenz des Verfalls und des Todes, die in dem Ganzen vorherrschen, bedrückt werden. Da das Gericht feststeht, wird sie bald verschwinden, denn „die jetzigen Himmel aber und die Erde sind durch dasselbe Wort aufbewahrt für das Feuer, behalten auf den Tag des Gerichts und des Verderbens der gottlosen Menschen“ (2. Pet 3,7). Das, was aus der Hand des Herrn hervorgegangen ist, wird untergehen. „Wie einen Mantel wirst du sie zusammenrollen und sie werden verwandelt werden“ (Heb 1,12). Warum? Die Antwort ist, dass die erste Schöpfung das Schicksal des ersten Menschen teilen wird. „Noch eine kleine Weile“ (Off 6,11) wird vergehen, zum Zeugnis der Rechte und Herrlichkeiten des Sohnes des Menschen, bis die Schöpfung von den Banden des Verfalls gelöst wird, um die Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes zu teilen. Aber das ausgesprochene Gerichtsurteil über sie ist endgültig und unwiderruflich, wenn die Durchführung auch noch aufgeschoben ist.

Es ist deshalb ein großer Trost für uns, wenn wir uns daran erinnern, dass der Herr selbst, der Schöpfer, für immer derselbe bleibt. Die Vergänglichkeit der Zeit, das Abscheiden solcher, die wir kannten und liebten, die Zeichen der Sterblichkeit, die wir ständig wahrnehmen, sind alles Dinge, die unsere Herzen mit Besorgnis und Niedergeschlagenheit erfüllen könnten, wenn wir uns unseren Blick durch den Horizont der Zeit einengen ließen. Aber wir dürfen Gott danken, dass wir es mit einer Person zu tun haben, die über jedem Wechsel steht, mit IHM, der immer derselbe ist, und dessen Jahre nicht vergehen (vgl. Heb 1,12). Er ist der, den unsere Seele als ihren Heiland, Erlöser und Herrn kennt. Es ist ein Charakterzug des Christentums, dass wir verbunden, ja aufs engste vereint sind, mit einer göttlichen Person, die dadurch, dass sie als Mensch unter Menschen war, alle unsere Nöte und Sorgen kennt. In dem zitierten Psalm sehen wir die Gefühle, die bereits angedeutet wurden. Es wird unsere Herzen ermutigen, wenn wir uns ein wenig damit beschäftigen.

Zuerst möchte ich auf die von Gott über den Psalm 102 gesetzte Überschrift hinweisen: „Gebet eines Elenden, wenn er verschmachtet und seine Klage vor dem HERRN ausschüttet.“ Wir dürfen uns  daran erinnern, dass dieser „Elende“ niemand anders als der Messias selbst in Seiner Bedrängnis und Verwerfung ist. Doch wenn wir einmal die besonderen Umstände, in denen Er hier gesehen wird, außer acht lassen, und zu unserem vorliegenden Gegenstand kommen, lesen wir in Vers 24: „Er hat meine Kraft gebeugt auf dem Weg, hat verkürzt meine Tage“. Indem Er sich an Gott wendet, sagt Er: „Mein Gott, nimm mich nicht weg in der Hälfte meiner Tage! – Von Geschlecht zu Geschlecht sind deine Jahre.“ Wie machen diese Worte unseren Erretter für unser Herz kostbar, wenn es uns in dieser Weise gestattet ist, Ihn in Umständen zu sehen, die unseren so ähneln, ja zu sehen, dass Er, indem Er Mensch wurde, mit dem Gefühl und der Erfahrung der Schwachheit, sowie der Kürze des Lebens, bekannt gemacht wurde. An einer anderen Stelle lesen wir, dass Er „in allem versucht worden ist in gleicher Weise wie wir, ausgenommen die Sünde“ (Heb 4,15). Und genau das ist es, was Ihn fähig macht, unsere Schwachheiten mitzuempfinden und uns Gnade zu rechtzeitiger Hilfe finden zu lassen. Für immer sei Sein heiliger Name dafür gepriesen!

Wenden wir uns jetzt der Antwort auf diesen Ausruf zu. Sie beginnt in Vers 26: „Du hast einst die Erde gegründet, und die Himmel sind deiner Hände Werk. Sie werden untergehen, du aber bleibst; und sie alle werden veralten wie ein Kleid; wie ein Gewand wirst du sie verwandeln, und sie werden verwandelt werden; du aber bist derselbe und deine Jahre enden nicht“ (V. 26–28). Ehrfürchtig dürfen wir sagen, dass Gott Ihn in Seiner Antwort auf Seinen Schrei der Schmerzen – den notvollen Schrei Seines Gesalbten! –, an Seine Schöpfermacht erinnert. Weiter zeigt Er Ihm, dass, wenn auch die Werke seiner Hände untergehen, Er bleiben wird. Dass, im Gegensatz zu deren Verwandlung, Verfall und Auflösung, Er, obwohl jetzt in Schwachheit und Bedrängnis, in sich selbst der Unveränderliche ist. Solch eine Sprache kann nur im Licht des Geheimnisses Seiner Person verstanden werden. Den Punkt, den wir an dieser Stelle jedoch betonen möchten ist, dass der Trost und die Ermutigung, die Seine heilige Seele empfing, in Verbindung mit der Unendlichkeit Seines eigenen Wesens stand. Mehr brauchen wir dazu nicht zu sagen, doch wie nahe wird Er so zu uns in unserer Schwachheit gebracht, wenn wir lesen, dass es das „Gebet eines Elenden“ war, und wie viel können wir aus dem Charakter der Antwort, die Er erhielt, lernen.

Wir sollten noch einen weiteren Punkt beachten. Als der Urheber unserer Errettung (Heb 2,10) wurde Er durch Leiden vollkommen gemacht; und wurde so das vollkommene Beispiel für all Seine betrübten und versuchten Heiligen. Aber das Erstaunliche ist, dass der Trost, womit Er getröstet wurde, während Er seinen Weg der Verwerfung beschritt, als Er, was die äußere Seite angeht, vergeblich und für nichts seine Kraft verzehrte (Jes 49,4), von der gleichen Art ist wie der, womit wir auf unserem Erdenweg getröstet werden. Wird von Ihm in den Psalmen als dem Unveränderlichen gesprochen, so werden wir – während wir durch diese unbeständige Welt gehen – daran erinnert, dass Er bleibt, dass Er immer derselbe ist, derselbe durch alle Jahrhunderte hindurch, genauso wie durch die unermesslichen Zeitalter der Ewigkeit. In diesem Sinn befinden wir uns auf einem Felsen, einem Felsen, den nichts erschüttern kann. Auf diesem Felsen können wir in vollkommenen Frieden ruhen und ohne die geringste Furcht an die Auflösung aller Dinge denken. Christus bleibt, sollten wir alles andere auch verlieren. Nein, wir sollten besser sagen: Lasst alles andere aus unserem Blick verschwinden, weil wir Christus besitzen. Was wir betrachtet haben, lehrt uns, dass wir bereits jetzt einer anderen Welt angehören, die so unveränderlich ist, wie Christus selbst. Diese Unterweisung gerade war es, die der Herr Seinen Jüngern vermittelte. In Johannes 13 zum Beispiel wird die ganze Bedeutsamkeit der Fußwaschung gleichsam so ausgedrückt: „Wenn ich auch nicht länger bei euch, in euren Umständen, bleiben kann, so möchte ich euch doch zeigen, wie ihr mir folgen und ein Teil mit mir haben könnt, an dem neuen Platz, wohin ich jetzt gehe“. Wenn ihn Maria Magdalene festhalten wollte, sagte Er: „Rühre mich nicht an, denn ich bin noch nicht aufgefahren zu meinem Vater. Geh aber hin zu meinen Brüdern und sprich zu ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater und meinem Gott und eurem Gott“ (Joh 20,17).

Es ist praktisch dieselbe Unterweisung, nur in anderen Worten. Durch diese Botschaft bringt Er Seine Jünger in Seine eigene Stellung und in Beziehung zu sich selbst und das notwendigerweise im Himmel. Wir gehören also nicht nur einer anderen Welt an, sondern der Herr möchte, dass wir dort im Himmel Gemeinschaft mit Ihm haben.  „Du aber bleibst“ – das ist ein Wort zur Stärkung und Ermutigung. Es gibt uns nicht nur ein sicheres und unbewegliches Fundament inmitten von Änderungen und Unruhe, sondern es zieht auch unsere Herzen nach oben und bringt sie in Verbindung mit einer neuen Ordnung, aufgrund Seines Sieges über den Tod und Seiner Auferstehung, in der Er selbst der Mittelpunkt aller Herrlichkeit ist. „Der hinabgestiegen ist, ist derselbe, der auch hinaufgestiegen ist über alle Himmel, damit er alles erfüllte“ (Eph 3,10). So fällt es uns nicht schwer, den Tod auf alles in dieser Welt anzuwenden, weil bereits das Licht einer anderen Welt in unseren Seelen angebrochen ist – eine neue Welt, wo keine Veränderung, kein Tod, noch Trauer jemals eindringen kann, und wo wir für immer bei Christus sein werden, dem Bild des Sohnes gleichförmig (Röm 8,29). Von dieser neuen Schöpfung ist Er der Anfang als der Erstgeborene aus den Toten (Kol 1,18) – und Er bleibt. So dürfen auch wir sagen: „Du aber bist derselbe, und deine Jahre werden nicht vergehen“ (Heb 1,12).

[Übersetzt von Stephan Keune aus: „The Name above every Name“ von E. Dennett.]