Mit Habakuk führt uns unser Streifzug jetzt zu einem „kleinen Propheten“, der jedem hilft, der Fragen an Gott hat. Hast du nicht auch schon erlebt, dass Gott bei vielem Schlimmen nicht eingreift oder Dinge „zulässt“, die du nicht verstehen kannst – und hast (insgeheim oder laut ausgesprochen) „Warum?“ gefragt?

Der Bote und die Botschaft

Das Buch des Propheten Habakuk hat einen sehr persönlichen Charakter. Er bringt keine Botschaften direkt an das Volk, sondern der Leser wird Zeuge eines Dialogs zwischen Gott und Habakuk. Habakuk erlebt, wie böse und ungerecht sich Gottes Volk benimmt. Er fragt Gott, warum dieser zusieht. Gott antwortet ihm, dass Er sein Volk durch die Chaldäer – also das Reich Babylons – züchtigen wird. Das wiederum wirft bei Habakuk die Frage auf, ob es gerecht ist, wenn ein böses Volk wie Israel durch ein gänzlich gottloses Volk wie Babylon gerichtet wird. Gott gibt Habakuk auch darauf Antwort …

Streiflicht aus dem Propheten Habakuk:

„Warum lässt du mich Unheil sehen und schaust Mühsal an? … Warum schaust du Räubern zu, schweigst, wenn der Gottlose den verschlingt, der gerechter ist als er, und machst die Menschen den Fischen des Meeres gleich, dem Gewürm, das keinen Herrscher hat? … Auf meine Warte will ich treten und auf den Turm mich stellen und will spähen, um zu sehen, was er mit mir reden wird und was ich erwidern soll auf meine Klage … Herr, ich habe deine Kunde vernommen, ich fürchte mich; Herr, belebe dein Werk inmitten der Jahre, inmitten der Jahre mache es kund; im Zorn gedenke des Erbarmens! … Ich aber, ich will in dem Herrn frohlocken, will jubeln in dem Gott meiner Rettung“ (Hab 1,3.13b.14; 2,1; 3,2.18).

Lässt Gott Ungerechtigkeit durchgehen?

Wer kennt das nicht, was Habakuk hier erlebt: Da geschehen Dinge, mit denen ich mich nicht abfinden kann oder will. Ein Schulkollege hat mich auf dem Kieker und kommt damit gut an. Ein Arbeitskollege mobbt mich und macht selbst Karriere. Mein (leiblicher) Bruder oder meine Schwester verpetzt mich und kommt selbst ungeschoren davon. Schlimmer ist es noch, wenn jemand aus dem Volk Gottes, wie bei Habakuk, auf Kosten anderer Gottes Willen völlig missachtet. Das alles ist ungerecht, es verstößt gegen Gottes Gerechtigkeit – und doch greift Gott nicht ein. Es scheint, als sehe Er teilnahmslos zu. Da kommen Fragen auf: „Warum lässt Gott das zu? Warum hilft Er mir nicht? Warum lässt Er böse Dinge geschehen?“

Wie geht ein gläubiger Christ mit solchen Situationen um? Man kann kämpfen: Die Gerechtigkeit muss doch siegen, also los wie Robin Hood! Man kann zweifeln: Gibt es Gott überhaupt, wenn ich doch nichts von Ihm bemerke? Man kann resignieren: Treu nach Gottes Wort zu leben ist in der heutigen Zeit eben nicht mehr machbar. Man kann Gott Vorwürfe machen: Es ist ungerecht, dass es dem Gerechten schlechter geht als dem Ungerechten! Man kann zynisch werden: Wenn Gott scheinbar den Gottlosen belohnt, dann kann ich es noch ärger treiben oder zumindest mit gleicher Münze heimzahlen. War die richtige Reaktion dabei?

Asaph machte Ähnliches mit und hat darüber einen Psalm geschrieben. Es war für ihn schier unerträglich, dass die gottlosen Menschen scheinbar sorglos leben konnten und immer reicher wurden (Ps 73,12). Wie er damit umging, ist lehrreich: Erstens machte er es den Gottlosen nicht nach, sondern blieb Gott treu (Hab 1,15). Dabei half ihm, dass er sich – zweitens – Gottes Pläne und Ziele neu bewusst machte: Er hielt an der Wahrheit fest, dass Gott gerecht ist und Ungerechtigkeit richten wird. Nicht jetzt, sondern zu seiner Zeit. Dabei war es sicher nützlich für ihn, sich nicht mit Gedanken der Rache aufzuhalten, sondern sich an Gott zu orientieren und zu erfreuen (Hab 1,17.23). Sicher, das war mühsam für ihn (Hab 1,6), aber es lohnte sich: Gott machte ihn von Frust und Verbitterung frei und gab ihm Freude und Geduld.

Habakuk bekommt hier eine ähnliche Antwort wie Asaph: Das ungerechte Volk wird von Babylon überrannt werden (Hab 1,6ff.). Das ist eine Antwort, die dem Zweifel und der Resignation den Boden entzieht: Gott ist gerecht. Das müssen wir einfach festhalten. Das bedeutet auch, dass Ungerechtigkeit (also alles, was Gottes Willen widerspricht) verurteilt wird – zu seiner Zeit. Habakuk hatte Ungerechtigkeit gerade im Volk Gottes vor Augen. Dort fängt Gott mit seinem Gericht an; auch heute noch (1. Pet 4,17).

Warum tut Gott, was Er tut?

Mit dem Hinweis, dass der gerechte Gott Ungerechtigkeit auf lange Sicht nicht durchgehen lässt, wollte Habakuk sich nicht begnügen. Und unsereins geht es manchmal ähnlich. So einfach wollen wir es uns nicht machen, sondern wir möchten schon gern verstehen, warum Gott so handelt. „Warum-Fragen“ sind erlaubt. Oft genug liest man in der Bibel, dass gläubige Menschen Gott nach dem „Warum“ gefragt haben – nach dem Grund für sein Handeln. Solche Fragen sind nur dann falsch, wenn man damit Gott anklagt. Sollte Gott aber nicht Fragen akzeptieren, die in der Erwartung gestellt wurden, dass Er weiterhelfen und den inneren Frieden wieder herstellen kann?

So war es bei Habakuk (vgl. Hab 2,1). Und dass er weiterfragt, erscheint berechtigt: Ist es etwa gerecht, wenn Gott ausgerechnet ein noch schlimmeres, ja gänzlich gottloses Volk als Richter über sein Volk benutzen will (Hab 1,13)? Darauf hat Gott drei Antworten. Erstens: „Der Gerechte wird durch seinen Glauben leben“ (Hab 2,4). Damit wird Habakuk bestätigt, dass kein Glaubender in diesem Gericht untergehen wird (vgl. Hab 1,12). Zweitens wird der Gottlose, den Gott zum Gericht benutzt hat, auch selbst gerichtet werden (Hab 2,6ff.) – Gott übersieht keine Sünde. Und drittens ist Gott souverän und muss über seine Handlungen keine Rechenschaft ablegen (Hab 2,20).

Vom Fragen zu Frieden und Freude

Gottes Antworten bringen Habakuk zu ehrfürchtigem Lobpreis (Hab 3). Er ist beeindruckt von Gottes Allmacht und Souveränität. Er lässt Gottes Größe und Macht vor seinem inneren Auge vorüberziehen und wird dabei selbst ganz klein (Hab 3,16). Wie gut, dass er vor Gott keine Angst haben muss. Im Gegenteil, er genießt Frieden und kann sich freuen, von Ihm angenommen zu sein (Hab 3,16.18.19) – angenommen von dem allmächtigen Gott, der regiert, selbst wenn man es (noch) nicht sieht. So bekommt Habakuk durch die Antworten auf seine Fragen Frieden und Freude. Jeder, der Fragen an Gott hat, kann das erleben. Nicht immer gibt Gott konkrete Antwort. Aber Frieden gibt Er (Phil 4,7), und wenn man den hat, kann man sich freuen – selbst wenn man immer noch nicht versteht.