Wir wollen das gewaltige Vorrecht des ewigen Lebens, das dem Gläubigen geschenkt ist, so erwägen, wie die Schrift es uns vorstellt. Obwohl es zu allen Zeiten von höchster Wichtigkeit war, ist doch das Bestehen auf dieser Wahrheit heute mehr denn je angesagt, wie jeder Treue bemerken wird, der diese Zeilen liest. Der Geist des Irrtums erkühnt sich gegen den Geist der Wahrheit. Die Wahrheit über Christus selbst wird nicht nur gefährdet, sondern verdreht und untergraben durch den Irrtum; und Irrtum gegen den Sohn ist das, was dem Vater am meisten verhasst ist. Wie teuer sollte dem Christen die Wahrheit sein!

Denn Christus ist nicht nur als der wahrhaftige Gott, sondern auch als das ewige Leben offenbart (1. Joh 5,20). Der Vater weckt die Toten auf und macht lebendig (Joh 5,21), ebenso der Heilige Geist, wie Römer 8 verschiedentlich zeigt; doch ausdrücklich wird von Ihm, der das Bild des unsichtbaren Gottes ist, gesagt, dass Er das ewige Leben ist. Er, das ewige Wort, wurde Fleisch und wohnte unter uns, voller Gnade und Wahrheit. Denn aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, und zwar Gnade um Gnade. Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben, Gnade und Wahrheit sind durch Jesus Christus geworden. Niemand hat Gott jemals gesehen, der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat ihn kundgemacht (Joh 1,14–18). Deswegen sagt der Apostel (2. Tim 1,10), dass Christus den Tod zunichtegemacht hat und Leben und Unverweslichkeit ans Licht gebracht hat durch das Evangelium. Beides wurde also nur da und nur auf diese Weise in Ihm persönlich offenbart, durch sein Werk und durch die Worte, die er sprach – Geist und Leben für die Seinen.

Im Alten Testament

Im Alten Testament schien das Licht über das ewige Leben nur schwach, die Ausdrücke waren vergleichsweise vage und doch klar genug, um solchen, die das Zeugnis von Gott wahrhaftig empfangen haben, das echte Bewusstsein einer herrlichen Zukunft für sie zu vermitteln. Das machen sowohl die Synoptiker als auch das Johannesevangelium deutlich (Mt 19,16; Mk 10,30; Lk 10,25; Joh 5,39). Abels Glaube bezeugt den Tod eines anderen für das Bedürfnis seiner Seele. Konnten andere damit nichts anfangen? Die Entrückung Henochs zeugte von einem Leben im Himmel, und auch auf der Erde wandelte er in diesem Leben, bevor Gott ihn aufnahm. War das für die Gläubigen nach ihm in Bezug auf das Leben auch nicht hilfreich? Wenn Abraham zu Gott sagt: „Möchte doch Ismael vor dir leben“ (1. Mo 17,18), können wir uns kaum vorstellen, dass er nur an die Erde und die Gegenwart dachte. Ohne Zweifel besagte auch Psalm 16,11 weit mehr: „Du wirst mir kundtun den Weg des Lebens“, genauso wie Psalm 36,9: „Bei dir ist der Quell des Lebens, in deinem Licht werden wir das Licht sehen.“

Die direkte Grundlage dessen, was sogar die Juden in den Tagen unseres Herrn in Bezug auf das ewige Leben anerkannten, liegt vermutlich (wie schon oft bemerkt wurde) in Schriftstellen wie Psalm 133,3: „Leben bis in Ewigkeit“, und dem Begriff in Daniel 12,2 („und viele von denen, die im Staube der Erde schlafen, werden erwachen: diese zu ewigem Leben, und jene zur Schande, zu ewigem Abscheu“). Auch die Offenbarung der Gnade, die der Mensch nach dem Sündenfall hörte, gab bußfertigen Herzen seit Beginn seiner traurigen Geschichte zweifellos die Zuversicht, dass der kommende Same der Frau nicht nur die Macht des Bösen zertreten würde, sondern die Gläubigen, die durch ihn zu Gott aufblicken, auch mit einem neuen Leben segnen würde, das den Tod überwinden und fähig sein würde, ihn selbst in Frieden zu genießen. Abraham frohlockte, dass er den Tag Christi sehen würde, und er sah ihn und freute sich. Hiob wusste sowohl von der Auferstehung der Gerechten (Hiob 19,25–27) in Verbindung mit dem Aufstehen des blutsverwandten Erlösers am letzten Tag auf dieser Erde als auch von der Auferstehung der Ungerechten (Hiob 14,10–12) in Verbindung damit, dass selbst die Himmel nicht mehr sein werden.

Wir erkennen also, dass im Alten Testament ewiges Leben durch Psalmen und Propheten verbunden wird mit den Tagen messianischer Macht und Herrlichkeit. Der Herr erweitert in Matthäus 25,46 die jüdischen Erwartungen auf solche Gläubige aus allen Nationen, die am Ende des Zeitalters die Boten des Evangeliums des Reiches aufnehmen werden. Es wird zwar von ganz Israel gesprochen, aber ausdrücklich nur auf die zehn Stämme angewandt, die so lange im Staub schlafen, und auf die aus den Nationen, die zu jener Zeit glauben. Es schien unnötig, es auch von dem gottesfürchtigen jüdischen Überrest zu sagen.

[Übersetzt aus dem Buch F.E.R. Heterodox on Life Eternal von William Kelly; dieses Buch kann für nur 1,00 € beim CSV bezogen werden, www.csv-verlag.de]