Die ersten neun Verse des zweiten Kapitels gehören eigentlich noch zum vorhergehenden. Wie das erste Kapitel schildern sie den moralischen Zustand des verantwortlichen Priestertums. Dadurch wird uns ein Blick in das Herz des religiösen Menschen gewährt, damit wir lernen, dessen Wesenszüge bei uns selbst zu verurteilen. Zu diesem Zweck brauchen wir uns nur an den ersten Vers zu erinnern: „Ich habe euch geliebt. Unser Bewahrungsmittel ist das Bewusstsein der Liebe Christi. Lasst uns immer wieder zu dieser Quelle zurückkehren; denn wir haben sonst kein Kraft, ein treues Zeugnis abzulegen. Der Herr sagt zu Philadelphia nicht: „Sie werden erkennen, dass du mich geliebt hast“, sondern: „Sie werden erkennen, dass ich dich geliebt habe“ (Off 3,9). Wenn wir in Gemeinschaft mit dem Herrn sind, werden wir Seine Liebe erfahren. Dort, und nicht in unserem immer unvollkommenem Dienst, lernen wir sie kennen.

„Und nun, ihr Priester, an euch ergeht dieses Gebot! Wenn ihr nicht hört, und wenn ihr es nicht zu Herzen nehmt, meinem Namen Ehre zu geben, spricht der HERR der Heerscharen, so werde ich den Fluch unter euch senden und eure Segnungen verfluchen; ja, ich habe sie auch verflucht, weil ihr es nicht zu Herzen nehmet. Siehe, ich schelte euch die Saat und streue euch Mist in das Angesicht, den Mist eurer Feste, und man wird euch zu ihm hintragen“ (Verse 1–3). Die Menschen, die aufgrund ihrer Vorrechte in der engsten Verbindung mit Gott stehen, werden auch am strengsten gerichtet. Die Priester rühmten sich ihrer Vorrechte, vergaßen dabei aber Gott. Wozu waren sie denn da, wenn nicht „um Seinem Namen Ehre zu geben“? Andernfalls würde Gott ihre Segnungen und Vorrechte in einen Fluch verwandeln. Diese Drohung war schon zur Zeit des Propheten Maleachi sehr aktuell – wie viel mehr heute!

„Und ihr werdet wissen, dass ich dieses Gebot an euch gesandt habe, damit mein Bund mit Levi sei, spricht der HERR der Heerscharen“ (Vers 4). Wir finden hier eine im Alten Testament sehr häufige absichtliche Verwechslung von Priestern und Leviten. Das Priestertum hatte eigentlich schon am Fuß des Sinai versagt, als Aaron, der Hohepriester, das Volk „zügellos gemacht hatte“, indem er ihm das goldene Kalb bereitete (2. Mose 32,25). Es war von neuem gefallen, als Nadab und Abihu, die Söhne Aarons, fremdes Feuer vor dem HERRN darbrachten (3. Mose 10,1) und verzehrt wurden. Es war noch tiefer gefallen, als Eli, ein Nachkomme Ithamars, seine Söhne mehr ehrte als den HERRN. Gott musste ihm daraufhin ankündigen, dass Er an seiner Statt einen treuen Priester erwecken würde, der alle Tage vor Seinem Gesalbten wandeln würde (1. Sam 2,29. 35). Dann berief Gott Zadok aus der Familie Eleasars. Diese Familie nahm seitdem den ersten Platz in der Ausübung des Priesterdienstes ein (1. Chr 6,50–53; 24,1–6). Aber am Ende des Buches Nehemia sehen wir, was auch aus dieser Familie geworden war: „Verunreiniger des Priestertums und des Bundes des Priestertums und der Leviten“ (Neh 13,29). So nennt sie auch Maleachi: „Ihr habt den Bund Levis zerstört“ (Kap. 2,8). Das änderte allerdings nichts an dem festen Vorsatz Gottes, in der Zukunft aus dieser Familie wieder ein treues Priestertum zu erwecken. Diese werden sogar Zadok unter der Regierung Davids übertreffen und „vor Seinem Gesalbten wandeln alle Tage“. Aber infolge der gegenwärtigen Treulosigkeit der Söhne Zadoks besteht der HERR auf Seinem Bund mit Levi.

Der hier über das jüdische Priestertum ausgesprochene Fluch wird in gleicher Weise das christliche Bekenntnis treffen. Der Apostel Petrus spielt auf 2. Mose 19,6 an, wenn er an die Christen schreibt: „Ihr seid ein heiliges Priestertum ... Ihr seid ein auserwähltes Geschlecht ein königliches Priestertum, eine heilige Nation“ (1. Pet 2,5.9). Als äußeres Bekenntnis ist auch dieses Priestertum untreu geworden und kann keinen Bestand haben. Aber die Ratschlüsse Gottes sind unbereubar und werden trotz allem zur Ausführung kommen. Gott wird einmal die gesamte Christenheit richten und zu dem bösen Knecht sagen müssen „Der Herr jenes Knechtes wird kommen an einem Tage, an welchem er es nicht erwartet, und in einer Stunde, die er nicht weiß, und wird ihn entzwei schneiden und ihm sein Teil setzen mit den Heuchlern: da wird sein das Weinen und das Zähneknirschen“ (Mt 24,50–51). Aber dennoch wird es auch dann nicht weniger wahr sein, dass „Sein Bund mit Levi besteht“.

Die Söhne Levis hatten bei zwei denkwürdigen Gelegenheiten ihren Eifer für den HERRN bewiesen. Nach der Errichtung des goldenen Kalbes und der Sünde Aarons stellte sich Mose im Tor des Lagers auf und rief: „Her zu mir, wer für den HERRN ist! Und es versammelten sich zu ihm alle Söhne Levis. Und er sprach zu ihnen: Also spricht der HERR, der Gott Israels: Legt ein jeder sein Schwert an seine Hüfte, geht hin und wieder, von Tor zu Tor im Lager, und erschlagt ein jeder seinen Bruder und ein jeder seinen Freund und ein jeder seinen Nachbar. Und die Söhne Levis taten nach dem Worte Moses; und es vielen von dem Volke an selbigem Tage bei dreitausend Mann. Und Mose sprach: Weiht euch heute dem der HERR, ja, ein jeder in seinem Sohn und in seinem Bruder, um heute Segen auf euch zu bringen“ (2. Mose 32,26–29). Die Weihung der Leviten war ihr Eifer für den HERRN, im Gegensatz zu der offiziellen Einweihung der Priester (2. Mose 29).

Dieser Eifer zeigte sich zum zweiten Mal, als Israel sich mit den Töchtern Moabs verband, um den Baal-Peor anzubeten. In heiligem Zorn durchbohrte Pinehas, der Sohn Eleasars, die Schuldigen mit einer Lanze. Dieses Ereignis liegt unserer Stelle hier zugrunde: „Mein Bund mit ihm war das Leben und der Friede“ (Vers 5). Genau das hatte Gott damals zu Mose gesagt: „Pinehas, der Sohn Eleasars, des Sohnes Aarons des Priesters, hat meinen Grimm von den Kindern Israel abgewendet, indem er in meinem Eifer in ihrer Mitte geeifert hat, sodass ich die Kinder Israel nicht in meinem Eifer vertilgt habe. Darum sprich: Siehe, ich gebe ihm meinen Bund des Friedens; und er wird ihm und seinem Samen nach ihm ein Bund ewigen Priestertums sein, darum dass er für seinen Gott geeifert und für die Kinder Israel Sühnung getan hat“ (4. Mose 25,10–13). Aufgrund der Treue Pinehas' sollte das ewige Priestertum in der Familie Eleasars, dessen Sohn dieser Levit war, verbleiben.

So wird es am Ende der Tage wirklich sein. Aus Hesekiel 48,11 und 12 geht hervor, dass es im tausendjährigen Reich wieder ein Priestertum unter den Söhnen Zadoks geben wird: „Den Priestern, – wer geheiligt ist von den Söhnen Zadoks – die meiner Hut gewartet haben, welche, als die Kinder Israel abirrten, nicht abgeirrt sind, wie die Leviten abgeirrt sind, ihnen soll ein Gehobenes von dem Hebopfer des Landes gehören, ein Hochheiliges an der Grenze der Leviten.“ Hier haben wir ein Beispiel der oben erwähnten absichtlichen Verwechslung von Priestern und Leviten; denn es waren die Priester, die „den Bund Levis zerstört hatten (Vers 8).

„Mein Bund mit ihm war das Leben und der Friede; und ich gab sie ihm zur Furcht, und er fürchtete mich, und er, er zitterte vor meinem Namen. Das Gesetz der Wahrheit war in seinem Munde, und Unrecht fand sich nicht auf seinen Lippen; er wandelte mit mir in Frieden und Geradheit, und viele brachte er von ihrer Ungerechtigkeit zurück. Denn die Lippen des Priesters sollen Erkenntnis bewahren, und das Gesetz sucht man aus seinem Munde, denn er ist ein Bote des HERRN der Heerscharen“ (Vers5 – 7).

Levi zeichnete sich also durch folgende Eigenschaften aus: 1. Was sein Herz betraf: er fürchtete den HERRN. Darin unterschied er sich von den weltlichen Priestern, von denen Gott sagen musste: Wo ist meine Furcht? 2. Was seine Worte betraf: das Gesetz der Wahrheit war in seinem Munde, und Unrecht fand sich nicht auf seinen Lippen. 3. Was seinen Wandel betraf: er wandelte mit dem HERRN in Frieden und Geradheit. 4. Was seinen Dienst betraf: er hatte viele von ihrer Ungerechtigkeit zurückgebracht. 5. Was seine Botschaft betraf: er war ein Bote der HERR der Heerscharen.

Gott betrachtet hier den schwachen Dienst der Leviten im Licht des Dienstes des Sohnes Eleasars. Er vergleicht ihn mit seinem Ursprung. Dementsprechend beurteilt er unseren Dienst am Maßstab des Dienstes Christi. Der ganze Abschnitt redet eigentlich von Ihm und entwirft ein bewundernswertes Bild Seiner Tätigkeit als Mensch. Der Herr Jesus war auf der Erde offiziell kein Priester. Das wurde Er erst nach Seiner Auferstehung aus den Toten (Ps 110). Aber Sein ganzes Leben entsprach dem eines treuen Leviten. Er diente sowohl Gott als auch den gefallenen Menschen in vollkommener Weise. Deswegen hat Gott Ihm ein unveränderliches Priestertum anvertraut. Auf der Erde war Er die Offenbarung Gottes vor den Menschen; im Himmel ist Er jetzt der Stellvertreter der Menschen vor Gott.

Eine Stelle im fünften Buch Mose stellt uns in Levi ebenfalls den vorbildlichen Charakter Christi vor: „Und von Levi sprach er: Deine Thummim und deine Urim sind für deinen Frommen ... Segne, HERR, sein Vermögen, und das Werk seiner Hände lass dir wohlgefallen“ (5. Mose 33,8–11)

In diesem großartigen Kapitel treten besonders zwei Personen hervor: Joseph und Levi. Beide zeichnen sich durch ihre Absonderung für Gott aus. Joseph wird gesegnet, weil er der Abgesonderte unter seinen Brüdern war. Er hatte den Charakter eines Nasirs, seine Absonderung war von Gott angeordnet. In dieser Stellung war er treu. Deswegen kommt das Wohlgefallen Gottes „auf das Haupt Josephs und auf den Scheitel des Abgesonderten unter seinen Brüdern“ (Vers 16). Dagegen war die Absonderung Levis freiwillig, eine Frucht seiner Treue. Darum „segnet der HERR sein Vermögen, und das Werk seiner Hände ist ihm wohlgefällig.“ Darum empfängt er auch ein ewiges Priestertum. Die Urim und die Thummim, also die Kennzeichen des Priestertums, durch die man den HERRN befragte (1. Sam 28,6; 23,9; vgl. 4. Mose 27,21; Esra 2,63; Neh 7,65), sind für „Seinen Frommen“ (5. Mose 33,8). Geschichtlich ist diese Verheißung in der Familie Eleasars, des Vaters Pinehas', erfüllt worden. Aber in Maleachi 2 geht es um die grundsätzliche Seite – deshalb wird dort nicht Pinehas, sondern sein Stammvater Levi erwähnt. Das Verhalten Levis (Pinehas'), wie auch das des Herrn Jesus, dessen Vorbild er war, bildet die Grundlage jedes Priesterdienstes.

„Ihr aber seid abgewichen von dem Weg, habt viele straucheln gemacht im Gesetz, ihr habt den Bund Levis zerstört, spricht der HERR der Heerscharen. So habe auch ich euch bei dem ganzen Volke verächtlich und niedrig gemacht, in demselben Maße wie ihr meine Wege nicht bewahrt und die Person anseht beim Gesetz“ (Vers 8–9). Der Prophet kommt hier auf die Priester zurück, die nur den äußeren Schein und das Bekenntnis des Priestertums hatten. Anstatt auf den Wegen Levis zu wandeln, der von Anfang an ihr Vorbild hätte sein sollen, waren sie, obwohl sie den Namen „Leviten“ trugen, eigene, gesetzlose Wege gegangen. Damit „machten sie viele im Gesetz straucheln“. Darüber hinaus wandten sie das Gesetz unterschiedlich an, je nachdem es sich um Arme oder Angesehene handelte. Darum würde Gott sie vor aller Augen verächtlich machen.