Im ersten Teil dieses Kapitels haben wir gesehen, dass Gott Sorge trägt, Sich inmitten des traurigen sittlichen Zustandes des aus der Gefangenschaft zurückgekehrten Volkes einen Überrest, die Kinder Levi, zu erhalten, deren Vorbild der wahre Knecht Gottes ist (Kap. 3,3; 2,5–6). Dieser Überrest sollte durch Prüfungen geläutert werden, wie der Schmelzer das Silber läutert, um so den Messias, den Retter Israels, bei Seinem Kommen aufnehmen zu können. Diesen Überrest will der Geist Gottes jetzt vor unsere Blicke stellen. Wie erfreulich und tröstlich ist das angesichts eines so großen Verfalls!

„Da unterredeten sich miteinander, die den HERRN fürchten.“ Sie werden durch die Furcht des HERRN gekennzeichnet, im Gegensatz zu der Masse des Volkes, von der in Vers 5 gesagt wird: „Sie fürchten mich nicht.“ Diese Furcht war charakteristisch für den treuen Überrest beim ersten Kommen des Herrn. Aber sie wird auch bei den Zeugen Christi in der jetzigen Zeit sowie bei dem Überrest Judas in den letzten Tagen gefunden werden. Man predigt der Welt oft, dass Hingabe und Heiligung die ersten Schritte auf einem christlichen Lebensweg bilden. Wie aufrichtig es diese Menschen auch meinen mögen – sie irren sich; damit muss man nicht beginnen. Außerdem fordert man auf diese Weise die Welt zum Betreten eines Weges auf, auf dem die Menschen zwar „einen Schein von Weisheit haben, in eigenwilligem Gottesdienst und in Demut“, wobei aber im Grunde nur die „Befriedigung des Fleisches“ bezweckt wird (Kol 2,23). Bei solchen Belehrungen vergisst man, dass der Anfang der Weisheit die Furcht Gottes ist. Ich bin auf diesen Gegenstand bereits eingegangen, doch möchte ich noch einmal betonen, dass Gottesfurcht daran erkannt wird, dass das Wort Gottes Autorität über das Gewissen eines Menschen hat. Wir können Gott nicht wohlgefallen, ohne Seinem Wort zu gehorchen. Kein religiöses Bekenntnis hat diesen Grundsatz in der Praxis jemals zugelassen, in unseren Tagen noch weniger als früher. Auch heute geben die religiösen Systeme zwar zu, dass das Wort Gottes bindend ist [geschrieben 1911, Anm. d. Üb.], aber nur insoweit, als es ihren Einrichtungen nicht widerspricht. Ein dem Herrn ergebenes Herz weiß dagegen, dass Gott auf den blickt, „der da zittert vor seinem Worte“ (Jes 66,2).

„Da unterredeten sich miteinander die den HERRN fürchten, und der HERR merkte auf und hörte; und ein Gedenkbuch ward vor ihm geschrieben für die, die den HERRN fürchten, und welche seinen Namen achten. Und sie werden mir, spricht der HERR der Heerscharen, zum Eigentum sein an dem Tage, den ich machen werde; und ich werde sie verschonen, wie ein Mann seinen Sohn verschont, der ihm dient“ (Vers16–17).

Zwei Dinge kennzeichnen hier den Überrest: sie fürchten Gott und achten Seinen Namen, oder, wie andere übersetzen, „gedenken Seines Namens“. Man gedenkt des Namens einer Person während ihrer Abwesenheit. Das war die Stellung des Überrestes Israels vor dem ersten Kommen des Messias. So sollte es auch bei uns sein, die wir Sein zweites Kommen erwarten. Der Glaube zeigt sich gerade darin, dass er an den Herrn Jesus denkt, während Er abwesend ist. Sobald wir Ihn sehen werden, werden wir keinen Glauben mehr benötigen. Wenn man von sichtbaren Gegenständen umgeben ist, bedeutet es etwas Großes und Schweres, die unsichtbaren Dinge zu verwirklichen und die Blicke des Glaubens auf sie zu richten. Der unsichtbare Christus muss so deutlich vor unseren Herzen stehen, dass Ihm gegenüber alles, was uns umgibt, seine Anziehungskraft verliert. Das lässt sich nur im Glauben verwirklichen. Er ist gleichsam das Auge unserer Seele, mit dem wir Seine Nähe sehen und fühlen können. Wie groß unsere Schwachheit auch sein mag, wir dürfen doch immer sagen: „Du bist bei mir.“ Seine Gegenwart hängt nicht davon ab, inwieweit wir sie verwirklichen. Natürlich sollten wir uns dieser Tatsache nicht nur bewusst sein, sondern auch ein Empfinden dafür haben. Das Bewusstsein seiner Nähe ist die Quelle unserer Sicherheit, während wir die Wüste durchschreiten: „Ich fürchte nichts Übles.“ Aber wenn wir Seine Nähe fühlen, findet das in den Worten Ausdruck: „Dein Stecken und dein Stab, sie trösten mich.“ Ja, das Gefühl Seiner Gegenwart erfüllt unsere Herzen mit Freude und Trost.

Sicher haben wir Ursache, uns bei dem Gedanken zu demütigen, wie wenig die Freude im Herrn und die Gemeinschaft mit Ihm in unserem Leben gefunden werden. Aber lasst uns auch daran denken, dass Gott uns mit dem Glauben zwei weitere Dinge gegeben hat, mit deren Hilfe wir tatsächlich in der unsichtbaren Wirklichkeit leben und die Hindernisse, auf die wir dabei stoßen werden, überwinden können. Diese beiden Hilfsmittel sind das Wort Gottes und das Gebet. Das Wort offenbart uns Christus; das Gebet ist die notwendige Voraussetzung für die Gemeinschaft mit Ihm und den Genuss Seiner Gegenwart. So werden wir täglich in Seiner Erkenntnis wachsen, bis wir Ihn in der Herrlichkeit sehen werden, wie Er ist.

Inzwischen ermuntert Er uns. Er kennt unsere Schwierigkeiten und unsere Schwachheit so gut. Er ruft uns zu: Du hast eine kleine Kraft aber gerade das treibt dich an, dich an mein Wort und an meinen Namen zu klammern. Halte fest, was du hast! Mehr fordere ich nicht von dir. Denke auch daran, dass all deine Gedanken über mich, alles, was du in Schwachheit für mich getan hast, in meinem Gedenkbuch niedergeschrieben ist und nie vergessen wird.

Was tun nun diejenigen, die den HERRN fürchten? Sie unterreden sich. Es ist das Kommen Christi, des Messias, des durch den Propheten angekündigten Herrn, das sie beschäftigt. Wir müssen daran denken, dass Maleachi, wenn er von dem Herrn redet, hauptsächlich Sein Kommen vorstellt: „Plötzlich wird zu seinem Tempel kommen der Herr, den ihr sucht.“ „Siehe, er kommt!“ „Wer kann den Tag seines Kommens ertragen?“ (Kap. 3,1.2) Auch der vorliegende Abschnitt und besonders das vierte Kapitel handeln von diesem Gegenstand. „Er kommt“ ist das letzte Wort des Alten Testaments, „ich komme bald“ das letzte des Neuen Testaments. Die, die den HERRN fürchten, erwarten Sein Kommen in Gnade. Der erste Vers unseres Kapitels stellt uns Sein Kommen in Herrlichkeit vor. In Kapitel 4 finden wir schließlich Sein Kommen im Gericht, das Er auf die Verwerfung Seiner Gnade hin ausführen muss. Natürlich handelt es sich hierbei nicht um das zweite Kommen des Herrn für die Seinen, um sie zu Sich in die Wolken zu versammeln. Diese Tatsache war im Alten Testament noch ein völlig unbekanntes „Geheimnis“.

Die beiden ersten Kapitel des Lukasevangeliums schildern uns in lebendiger Frische das Verhalten derer, die Gott fürchteten, als der Herr Jesus im Begriff stand, auf dem Schauplatz dieser Erde zu erscheinen. Maria und Elisabeth redeten miteinander über das Kommen des Messias. Zacharias sprach davon zu allen seinen Nachbarn. Die durch die Engel belehrten Hirten unterredeten sich miteinander über das Ereignis, das soeben stattgefunden hatte. Simeon sprach mit den Eltern, die das Kindlein Jesus in den Tempel brachten, über den gleichen Gegenstand. Die Prophetin Anna redete von Ihm zu allen, die in Jerusalem auf Erlösung warteten. Auch in Johannes 1,40–47 unterhalten sich die Jünger Andreas, Petrus und Nathanael über den Messias, der Sich ihnen soeben offenbart hatte. Welch ein großer Gegenstand der Freude für all diese Gläubigen: Der Heiland wird kommen, der Heiland kommt, der Heiland ist da!

Sollten nicht auch wir Christen, die wir Gott zu fürchten und Seinen Namen zu achten bekennen, miteinander über diese Dinge reden? Ist es für uns eine Freude, uns über Sein zweites Kommen zu unterhalten? Der Feind versucht auf tausenderlei Weise diese Unterredungen der Kinder Gottes zu verhindern. Möchten wir uns nicht den Mund verschließen lassen! Alles, was in der Welt geschieht, deutet darauf hin, dass Seine Verheißung sich bald erfüllen wird. Der Mitternachtsruf ist schon erschollen: Er kommt, Er steht vor der Tür!

Vielleicht wird Er noch etwas verziehen, aber auf jeden Fall ist Sein Kommen sehr nahe. Wollen wir uns bis dahin nicht miteinander über diese Dinge unterreden? Es bedarf keiner Anstrengung unsererseits, um Ihn zu erwarten. Die Kraft hierzu empfangen wir, indem wir das erste Wort des Propheten Maleachi beherzigen: „Ich habe euch geliebt!“ Wenn wir Seine Liebe zu würdigen wissen, werden unsere Herzen von Ihm erfüllt sein, Ihn erwarten und notwendigerweise in unseren Unterhaltungen davon überströmen.

„Und der HERR merkte auf.“ Das ist ein sehr schöner Gedanke für das Herz derer, die sich über Ihn und Sein nahes Kommen unterreden. Wenn auch unsichtbar, so ist Er doch bei ihnen und beachtet ihre Unterhaltungen. Er hört zu, auch wenn vielleicht viel Unkenntnis vorhanden ist, wie bei den Jüngern von Emmaus. Diese beiden Männer hatten ihren Heiland verloren und erwarteten Ihn nicht mehr; aber sie „gedachten Seines Namens“, wenn auch mit traurigen Herzen. Sie wussten nicht, dass Er auferstanden war, aber sie unterhielten sich über Ihn. In diesem Augenblick schloss der Herr Sich ihnen an. Seine Anteilnahme galt diesen Armen in Israel, die Den verloren hatten, der sie so geliebt hatte. Dann öffnete Er ihnen die Schriften, und ihre Herzen begannen in ihnen zu brennen. Und als Er Sich ihnen offenbart hatte, hatten sie nichts Eiligeres zu tun, als zu ihren Brüdern zu laufen, um ihnen die gute Nachricht zu überbringen. Während sie so noch miteinander redeten, erschien Jesus selbst in ihrer Mitte und öffnete ihnen das Verständnis für die Schriften. Nach Seiner Himmelfahrt kehrten die Jünger dann voller Freude nach Jerusalem zurück, um miteinander von Ihm und Seiner nahen Ankunft zu reden.

„Und ein Gedenkbuch ward vor ihm geschrieben für die, die den HERRN fürchten und die seinen Namen achten.“ In dieses Buch wird alles eingetragen, was gottesfürchtige Herzen zum Ausdruck gebracht haben, die die Autorität des Herrn anerkennen, während Seiner Abwesenheit an Ihn denken und, wie Philadelphia, Seinen Namen nicht verleugnen. Dieses Gedenkbuch wird „vor Ihm“ geschrieben. Gott misst jedem einzelnen Wort Wert bei. Auch ihre Namen sind in dieses Buch eingeschrieben, das Er Selbst mit eifersüchtiger Sorgfalt behütet. Welch ein Gedanke! Wenn wir während der so kurzen Zeit unseres Lebens Seinen Namen nicht verleugnen und das Wort Seines Ausharrens bewahren, wird Er das nie vergessen. Das Gedenkbuch des Herrn wird im Himmel beständig vor Ihm geöffnet bleiben.

„Und sie werden mir, spricht der HERR der Heerscharen, zum Eigentum sein an dem Tage, den ich machen werde; und ich werde sie verschonen, wie ein Mann seinen Sohn verschont, der ihm dient.“ Der Herr spricht in den letzten Versen von Maleachi zweimal von „dem Tag, den Er machen wird“ (siehe Kap. 4,3). Psalm 118,24 gibt uns Aufschluss über die Tragweite dieses Ausdrucks. „Dies ist der Tag, den der HERR gemacht hat“, heißt es da – ein wunderbarer Tag, an dem Christus, der Stein, den die Bauleute verworfen haben, zum Eckstein geworden ist. In diesem Psalm wird das Kommen des Herrn in Herrlichkeit zu Seinem Volk im Voraus gefeiert. Zweifellos finden wir den Tag des Herrn in den Propheten meistens im Charakter des Gerichts vorgestellt. Maleachi selbst spricht von ihm (Kap. 4,1) als von einem Tag, der kommt, brennend wie ein Ofen. Aber niemals wird von diesem Tag des Gerichts gesagt, dass Gott ihn machen wird. Was der Herr einführt und aufrichtet, ist nicht das Gericht, sondern Heil, Gerechtigkeit, Friede, Freude und Herrlichkeit. An dem Tage, den Er machen wird, wird Gott Seinen geliebten Sohn der Welt als den wahren Melchisedek darstellen, als den Urheber aller Segnungen.

„Und sie werden mir, spricht der HERR der Heerscharen, zum Eigentum1) sein.“ Dann wird Er die Treuen als die Seinen für Sich beanspruchen, die keinem anderen gehören. Alle Schätze des ganzen Weltalls stehen Ihm zur Verfügung, und während Seiner tausendjährigen Regierung wird gesehen werden, dass Er der Besitzer all dieser Dinge ist. Aber Er wird darüber hinaus noch etwas besitzen, das der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist, einen Schatz, der Ihm allein gehört, zu dem nur Er den Schlüssel hat und an dem Er Sich alleine erfreuen wird. Der persönliche Schatz der orientalischen Herrscher enthielt ihre kostbarsten Kleinodien. So wird auch der Schatz Gottes aus denen bestehen, die Ihn einst inmitten der allgemeinen Untreue fürchteten und sich „miteinander unterredeten“, die Ihn als den „Aufgang aus der Höhe erwarteten. Das gleiche gilt auch für diejenigen, die Ihn heute als den glänzenden Morgenstern erwarten. Am Tage der Offenbarung Seiner Herrlichkeit werden die Armen des jüdischen Volkes sowie die schwachen Zeugen, die heute inmitten des Verfalls treu sind, Ihm unter all Seinen Schätzen die teuersten sein.

Diejenigen, die dieses besondere Eigentum des Herrn bilden, haben das Wort Seines Ausharrens bewahrt und Seinen Namen nicht verleugnet (Off 3). Die Synagoge Satans kann sie nicht anerkennen, aber Er kennt sie, und auch ihre Feinde werden eines Tages erkennen, dass der Herr sie geliebt hat.

„Und ich werde sie verschonen, wie ein Mann seinen Sohn verschont, der ihm dient.“ Welch ein gesegnetes Band, das hier schon fast an das christliche Verhältnis heranreicht! Der Prophet redet nicht mehr wie vorher von der Beziehung eines treuen Sklaven zu seinem Herrn, sondern von der eines Dieners, dessen Tätigkeit seiner Zuneigung als Sohn entspringt. Im Hinblick auf die Zeit des zukünftigen Friedensreiches heißt es in Offenbarung 22,3–4: „Und seine Knechte werden ihm dienen, und sie werden sein Angesicht sehen, und sein Name wird an ihren Stirnen sein.“

„Und ihr werdet wiederum den Unterschied sehen zwischen dem Gerechten und dem Gesetzlosen, zwischen dem, der Gott dient, und dem, der ihm nicht dient“ (Vers 18). Dieses „ihr“ richtet sich, wie bereits bemerkt, nicht an die Treuen, die „verschont“ werden, sondern an die Masse des Volkes, das die „Übermütigen“ und die „Täter der Gesetzlosigkeit“ glücklich pries (Vers 15) und Gott verleugnete, als Er es züchtigte. Wenn der Überrest verschont werden wird, während die Übermütigen, deren Los sie beneidet hatten, vom Gericht getroffen werden, dann wird das Volk seine Torheit einsehen. Gott wird Sich öffentlich zu denen bekennen, die Ihn gefürchtet und auf das Kommen des Herrn gewartet haben. Dadurch wird Er einen Teil des aufrührerischen Volkes zwingen, Seine Heiligkeit, die sie vorher verleugnet hatten, anzuerkennen. Gezwungenermaßen werden sie so endlich den Unterschied zwischen den Knechten Gottes und den Gesetzlosen sehen müssen.

1) Die franz. Bibelübersetzung hat hier „Schatz“ statt “Eigentum“. Dieser Ausdruck wurde im folgenden Abschnitt beibehalten. Vgl. die Fußnote zur Elberfelder Übersetzung und 2. Mose 19,5. Der Übersetzer.