Die Offenbarung im ersten Kapitel war dazu bestimmt, das Gewissen des Überrestes zu treffen. Der vorliegende Abschnitt enthält eine weitere Ermahnung (Fußnote 1). Möchten wir, wie der Überrest, die erste verstanden haben! Ach, die Zeit sollte kommen, wo die Nachkommen dieses Überrestes den Ersehnten der Nationen, ja ihren eigenen Messias kreuzigen würden, obwohl sie gerade zu dem Zweck nach Jerusalem zurückgeführt worden waren, um Ihn aufzunehmen! Auch wurde der Leuchter Israels von seiner Stelle weggenommen und das Volk selbst weit über Babylon hinaus weggeführt. So ergeht es jedem untreu gewordenen Zeugnis. Gott braucht uns nicht für Sein Zeugnis! Wenn wir es geringschätzen, vertraut Er es anderen Händen an. Hat Er nicht im Blick auf Israel gesagt: „Er wird seinen Weinberg anderen geben“?

In der ersten Offenbarung geht es um Eigenliebe und Selbstsucht, in der dritten um Heiligkeit. Vor Gott besitzen wir eine unveränderliche Heiligkeit in Christus und eine unantastbare Gerechtigkeit, weil wir in Ihm Gottes Gerechtigkeit geworden sind. Aber wir sind auch berufen diese Gerechtigkeit und diese Heiligkeit, die wir unserer Stellung nach besitzen, im praktischen Leben hier auf der Erde zu verwirklichen. Eine wirkliche Trennung von allem Bösen und eine lebendige Gemeinschaft mit Gott, dem Vater und dem Sohn – das ist praktische Heiligkeit. An dieser Heiligkeit hatte es dem Überrest gemangelt, und einig Jahre später sollte das in einer noch viel betrüblicheren Weise zum Vorschein kommen. Sie verunreinigten sich, indem sie die Töchter der Kanaaniter heirateten (Esra 9 und 10), den Sabbath brachen und das Priestertum entweihten (Neh 13). Im Blick auf das letztere richtet Haggai die folgende Frage an die Priester: „Siehe, wenn jemand heiliges Fleisch im Zipfel seines Gewandes trägt, und er mit seinem Zipfel Brot oder Gekochtes oder Wein oder Öl oder irgendeine Speise berührt, wird es heilig werden? Und die Priester antworteten und sprachen: Nein“ (Hag 2,12). Er legt ihnen also den Fall eines Menschen vor, dem das heilige Fleisch, das er in seinem Mantel trägt, den Charakter äußerer Heiligkeit verleiht. Wird nun dadurch die Frucht seiner Arbeit (Brot, Öl, Wein oder andere Produkte menschlicher Tätigkeit) geheiligt werden? Keineswegs. Soll eine Arbeit Gott wohlgefällig sein, muss sie die Frucht innerer Heiligkeit sein. Gott erkennt nur das als für Ihn getan an, was aus dieser Quelle hervorfließt. Keine Stellung äußerer Heiligkeit, kein noch so schönes Bekenntnis macht unsere Arbeit angenehm vor Gott. Das ist eine ernste Sache, über die es sich lohnt, nachzudenken. Gerade in unseren Tagen leben so viele bekennende Christen in der Illusion, dass Gott ihre karitativen Bemühungen als für Ihn getan anerkennen werde.

Der Prophet fährt fort: „Wenn ein wegen einer Leiche Verunreinigter dies alles berührt, wird es unrein werden? Und die Priester antworteten und sprachen: Es wird unrein werden“ (Hag 2,13). Ein Leichnam war in Israel das eindrucksvollste Bild der schrecklichen Folgen der Sünde. Wenn die Absonderung vom Bösen, von der Sünde, nicht eine Realität für uns ist, wie könnte dann das Werk unserer Hände rein sein? wie könnte es vor Gott angenehm werden? Es ist beschmutzt, unrein. Das musste dem Gewissen des Überrestes, das muss unserem Gewissen eingeprägt werden. Es kann viel getan werden, um das Korn zu mahlen, der Traube den Saft und der Olive das Öl auszupressen. Aber das so Gewonnene wird dann nur für unsere eigenen Interessen benutzt. Was ist das für Gott? Die Frucht der Sünde! Nur das hat bleibenden Wert, was Ihm aus reinem Herzen dargebracht und allein für Ihn getan wird; das ist die wohlriechende Salbe der Maria. Die Arbeit eines Knechtes Gottes besteht nicht darin, die eigenen Speicher zu füllen, sondern die seines Herrn. „Da antwortete Haggai und sprach: So ist dieses Volk und so diese Nation vor mir, spricht der HERR, und so ist alles Tun ihrer Hände; und was sie dort darbringen, ist unrein“ (Hag 2,14).

Das ist es auch, was unsere Arbeit heutzutage relativ unfruchtbar macht. „Kam man zu einem Garbenhaufen von zwanzig Maß, so wurden es zehn; kam man zum Fass, um fünfzig Eimer zu schöpfen, so wurden es zwanzig“ (Hag 2,16). Ich sage „relativ“, weil Gott, wenn Er uns auch züchtigen muss, es doch mit Maß tut. Er ist langmütig, barmherzig und voll unendlicher Güte. Was bringt die Arbeit unserer Hände heute ein? Was sie einbringen sollte, haben wir von dem Propheten gehört: Material für das Haus Gottes – Seelen, die nicht nur errettet sind, sondern auch dem Zeugnis der Versammlung hinzugefügt werden. Ist es nun so? Leider nicht! Wie schwer vereinigen sich die Kinder Gottes! Das Licht ist vielfach noch so schwach, dass es nicht die Kraft hat, diejenigen, die noch im Finstern sind, anzuziehen. Es gelingt ihm kaum, durch die geschlossenen Lider der Seele zu dringen, um sie aufzuwecken.

Doch die Züchtigung war noch weiter gegangen: „Ich schlug euch mit Kornbrand und mit Vergilben, und mit Hagel alle Arbeit eurer Hände“ (Hag 2,17). Gott hatte sogar die Kraftquellen ihrer Arbeit geschlagen. Das Tor des Segens war verschlossen. Hatte der Überrest daraufhin wenigstens Buße getan? „Ihr kehrtet nicht zu mir um, spricht der HERR.“

Aber nun sagt das Wort Gottes mit Nachdruck: „Richtet doch euer Herz auf die Zeit von diesem Tag an und aufwärts; vom vierundzwanzigsten Tag des neunten Monats an, von dem Tag an, als der Tempel des HERRN gegründet wurde, richtet euer Herz darauf! ... Von diesem Tag an will ich segnen“ (Hag 2,18–19). Wenn ihr heute über eure Wege nachdenkt und sie verurteilt und euch ans Werk begebt, um dieses Haus zu bauen, das ihr infolge eures Egoismus und eurer Weltlichkeit nach der Grundlegung aufgegeben habt, so will ich von diesem Tage an segnen!

Brüder, lasst uns dasselbe tun und diesen Aufruf beherzigen! Wir können den Segen wiedererlangen. Ein wenig mehr Glaubensenergie, ein Aufgeben unserer Bequemlichkeit und unserer eigenen Interessen, eine ernstere Trennung von der Welt und endlich Herzen, die für Christus schlagen und Eifer für den Bau des Hauses Gottes zeigen – im gleichen Augenblick werden wir den verloren gegangenen Segen wiederfinden!

Fußnote 1: Wie bereits erwähnt, enthält das Buch Haggai vier Offenbarungen. Die erste und dritte sind Zurechtweisungen, die zweite und vierte prophetische Ermunterungen.