In Moab hat Noomi nicht nur ihren Mann und ihre beiden Söhne verloren, sondern auch ihr geistliches Urteilsvermögen. Das wird in den Gesprächen mit ihren Schwiegertöchtern und mit den Leuten von Bethlehem sehr deutlich:

1. Sie irrt sich in ihrem Rat an Orpa und Ruth. Sie meint, ein Leben in Moab mit einem moabitischen Mann wäre besser als ein Leben mit Gott bei dem Volk Gottes (Ruth 1,9).

2. Sie irrt sich in Bezug auf die Heiligkeit Gottes. Sie glaubt, der HERR würde sich zu einem Leben in Moab an der Seite eines heidnischen Mannes bekennen (Ruth 1,8–9).

3. Sie irrt sich in ihrem Urteil über sich selbst. Sie fühlt sich von Gott ungerecht behandelt und erkennt (noch) nicht ihr eigenes Versagen (Ruth 1,21).

4. Sie irrt sich in ihrem Urteil über die Wege Gottes. Sie sieht das Handeln Gottes mit ihr nur als Strafe an. Die Gnade Gottes, die gerade dabei ist, eine verirrte Gläubige wieder zurückzubringen, erkennt sie nicht. Weil sie noch an der Gnade Mangel leidet, ist die Wurzel der Bitterkeit noch in ihrem Herzen (Ruth 1,13.20.21; vgl. Heb 12,13).

Fehlende Gemeinschaft mit Gott führt immer zu geistlicher Kurzsichtigkeit oder Blindheit (vgl. 2. Pet 1,9).

Doch es gibt Heilung. Nach ihrer Rückkehr nach Bethlehem besinnt sich Noomi auch wieder auf ihre Beziehung zu dem (Er-)Löser Boas. Und das führt sie zu einem Rat an ihre Schwiegertochter, der so erfrischend anders ist als noch vor einem halben Jahr. „Der HERR gebe euch, dass ihr Ruhe findet, jede im Haus ihres [moabitischen] Mannes!“, lautete damals ihr Wunsch. Nun sagt sie: „Sollte ich dir nicht [bei Boas] Ruhe suchen, dass es dir wohlgehe.“ Siehe Ruth 1,9 und Ruth 3,1.

„In Deinem Licht werde ich das Licht sehen“ (Ps 36,10).