„Siehe das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt.“

Es gab kein Bild, das den Juden mehr vertraut war als das Lamm. Es war das tägliche Brandopfer in Israel, morgens und abends. Außerdem verbürgte das Passsahlamm den grundsätzlichen Frieden des Jahres; und die erste Einsetzung ging mit der Befreiung der Söhne Israels aus dem Haus der Knechtschaft einher. Wir können daher verstehen, welche Gedanken und Gefühle in den Herzen derer aufgekommen sein müssen, die jetzt, da Jesus von seinem Vorläufer ein solches Zeugnis ausgestellt bekam, auf einen Erretter warteten.

Johannes sagt nicht: „das die Sünde der Welt wegnehmen wird“, noch viel weniger: „weggenommen hat“. Auch scheint die Auffassung nicht haltbar, dass Er jetzt dabei war, die Sünde wegzunehmen. Es ist, wie häufig bei Johannes und anderen, die abstrakte Form der Sprache; und die Bedeutung sollte in ihrem vollsten Ausmaß verstanden werden, ungeachtet der Zeit der vollständigen Erfüllung. Da stand eine Person, und das war sein Werk. Das Zeugnis schaut also voraus auf die Ergebnisse des Todes Christi als Ganzes; doch sie würden nicht alle gleichzeitig in Erscheinung treten.

Das erste Ergebnis sollte das Evangelium sein, die Botschaft an jeden Gläubigen, dass seine Sünden vergeben sind. An die Stelle der Sünde, die bisher allein vor Gott stand, wird jetzt das Blut des Lammes gesetzt; und Gott kann der Welt daher in Gnade und nicht im Gericht begegnen. Jetzt war nicht mehr nur die Liebe in der Person Christi gekommen, sondern auch das Blut vergossen, wodurch Gott selbst den Verdorbensten reinigen kann. Und das Evangelium ist die Verkündigung an alle Geschöpfe, dass Gott bereit ist, jeden anzunehmen, und dass er alle, die Christus annehmen, vollkommen reinigt. Tatsächlich nehmen ihn jetzt nur die Seinen an, die Versammlung; aber das Zeugnis ist ausgesandt zu der ganzen Schöpfung.

Wenn Christus in seinem Reich wiederkommt, wird es ein weiteres Ergebnis geben, denn die ganze Schöpfung wird dann von der Knechtschaft des Verderbens befreit werden, und Israel wird schließlich auf ihren Messias blicken, den sie in ihrem blinden Unglauben durchstochen haben. Die herrlichen Ergebnisse des Opfers Christi werden dann noch viel größer und weitreichender sein, aber immer noch nicht vollständig.

Erst die neuen Himmel und die neue Erde (und das übersteigt den begrenzten Rahmen der jüdischen Propheten, sondern ist die volle Bedeutung, die die christlichen Apostel diesen Worten geben) werden die endgültige Erfüllung erleben. Und dann wird es tatsächlich gesehen werden, wie wahr der Herr Jesus das Lamm Gottes war, das die Sünde der Welt wegnimmt. Denn dann, und erst dann, wird die Sünde gänzlich verschwunden sein und auch alle ihre Folgen. Die Bösen sind dann gerichtet und für immer in den Feuersee geworfen, ebenso Satan und seine Engel. Gerechtigkeit wird dann die Grundlage der Beziehung Gottes mit der Welt sein, nicht Sündlosigkeit wie am Anfang, auch nicht Handlungen in Christus im Hinblick auf die Sünde wie seitdem bis heute, sondern alles ist dann neu gemacht.

Beachte jedoch, dass der Täufer nicht von den „Sünden der Welt“ spricht. Welch verhängnisvoller Irrtum bemächtigt sich der Menschen, wenn sie es wagen, in menschlicher Art und Weise mit der Wahrheit Gottes zu hantieren. Diesen verbreiteten und schlimmen Fehler findet man nicht nur in Predigten oder Büchern. Die feierlichen Liturgien das Katholizismus und des Protestantismus sind in diesem Punkt genauso falsch. Sie verändern und verfälschen unbewusst das Wort Gottes, wenn sie sich direkt auf diese Schriftstelle beziehen. Sowohl Paulus als auch Petrus sprechen von Gläubigen, wenn sie sagen, dass der Herr selbst ihre Sünden auf dem Holz getragen hat. Ohne das könnte in der Tat weder Frieden des Gewissens noch eine gerechte Grundlage für die Anbetung Gottes erreicht werden, entsprechend der Wirksamkeit des Werkes Christi. Der Christ wird aufgefordert, mit Freimütigkeit in das Heiligtum zu kommen durch das Blut Jesu, welches zu gleicher Zeit seine Sünden abgewaschen und ihn selbst nahe gebracht hat. Doch das gilt einzig und allein für den Gläubigen. Im totalen Gegensatz dazu steht der Zustand des Ungläubigen, der Zustand jedes Menschen von Natur. Er ist fern von Gott, in Schuld, Dunkelheit und Tod. Die Sprache der Liturgien verwechselt das alles, entsprechend der Praxis ihrer Anbetung, denn die Welt wird wie die Kirche und die Kirche wie die Welt behandelt.

Wäre Christus das Lamm Gottes, das die Sünden der Welt wegnimmt, dann ständen alle Menschen freigesprochen vor Gott und dürften tatsächlich freimütig herzunahen und anbeten; aber dem ist nicht so. Das Blut ist jetzt für die Sünde der Welt vergossen, so dass der Evangelist jetzt ausgehen und das Evangelium predigen kann und allen denen, die glauben, die Vergebung von Gott zusichern kann. Aber alle, die es ablehnen, müssen in ihren Sünden sterben und umso schrecklicher gerichtet werden, weil sie die Botschaft der Gnade abgelehnt haben.