Geschichtlicher Hintergrund zur Zeit Daniels

Hier am Anfang des Buches Daniel befinden wir uns im Jahr 606 v.Chr. Die ersten Verse zeigen uns die erste Wegführung des Volkes der Juden unter Nebukadnezar. Als Hiskia seinerzeit von seiner schweren Krankheit wieder genesen war, da hörte der König von Babel davon und sandte ihm eine Botschaft. Und der genesene Hiskia zeigte den Gesandten aus Babel seine ganzen Schätze. Als diese dann wieder weggezogen waren, lässt Gott durch Jesaja dieses Gericht voraussagen, was wir hier in Daniel 1 finden (Jes 39,4–7). Es folgte dann unter Jojakin noch eine zweite Wegführung im Jahr 597 v.Chr. (2. Kön 24,8–17), wo dann alle Geräte des Heiligtums geraubt wurden; und unter Zedekia erfolgte dann bei der dritten Wegführung die völlige Zerstörung Jerusalems im Jahr 586 v.Chr. (2. Kön 25,1–12)

Um das Buch Daniels und den Standpunkt, den Gott hier einnimmt, recht zu verstehen, müssen wir einige Stellen aus dem AT zu dem geschichtlichen Hintergrund lesen. Sie zeigen, wie wunderbar die Geschichte des Volkes Israel begann, und wie erschütternd ernst das Ende war. Hier ist eben Gott nicht mehr der Gott Israels und das Volk nicht mehr Sein Volk.
5. Mo 32,8 zeigt einen Grundsatz Gottes im Blick auf Sein Volk, so begann die Geschichte des Volkes Gottes. Die ganzen Völker ringsumher bekamen ihre Bestimmung nur durch das Volk Israel, alles drehte sich um dieses Volk.
• In 1. Chr 29,23 wird von Salomo gesagt, dass er sich auf den Thron des HERRN setzte an seines Vaters Davids statt. Das war der Ausgangspunkt, da gab es einen Thron Gottes, der zuerst von David und danach von Salomo eingenommen wurde.
Amos 3,2 zeigt, wie Gott in Seiner souveränen Gnade alles bemisst nach Seinen Gedanken über Israel. Aber weil Israel Sein irdisches Volk war, würde Er gerade deswegen ihre Ungerechtigkeiten an ihnen heimsuchen.
• Und dann sehen wir im Lauf der Geschichte, wie zuerst die zehn Stämme in die Gefangenschaft nach Assyrien kamen, und wie dann später auch Juda – und das finden wir hier im Buch Daniel – gerichtet werden musste. Von Manasse lesen wir z.B., dass er Juda verleitete, mehr Böses zu tun als die Nationen (2. Chr 33,9), d.h. Juda war verdorbener als die Nationen dieser Erde mit all ihrem Unflat.
• Und dann hat Gott gesagt, dass das nicht mehr Sein Volk und Er nicht mehr ihr Gott sei – Lo-Ammi (Hos 1,9). Und so kommt jetzt die Botschaft durch einen einzigen Mann, durch Daniel.

Es hatte Gott nicht wohlgefallen, solange Er noch mit Israel in Verbindung stand, eine Nation dieser Erde so zur Supermacht werden zu lassen, wie es dann unter den vier Weltreichen, von denen Nebukadnezar das Haupt von Gold war, der Fall wurde. Diese Weltreiche waren gekennzeichnet durch sehr hohe Persönlichkeiten, und ihr Reich umschloss mehr oder weniger die ganze damalige bekannte Welt. Das hatte Gott nicht gestattet, solange noch Verbindung mit Israel bestand. Es gab wohl mächtige Staaten, z.B. das hochkultivierte Ägypten, die Sumerer, die Assyrer, aber Gott gestattete nicht, dass sie eine überragende Position einnahmen, solange noch Israel bestand. Jetzt aber war Israel beiseitegesetzt, und das ist der Startpunkt des Buches des Propheten Daniel.

Jetzt benutzt Gott nicht mehr Propheten, um zu Seinem Volk zu sprechen. Es ist überhaupt ein Charakterzug Gottes, dass Er immer dann, wenn der Verfall in Seinem Volk eingetreten war, Propheten sandte. Das Senden von Propheten ist an sich kein gutes Zeichen. Es ist durchgängig so, wenn Propheten kamen und Gott durch sie redete, dass das Volk irgendwie abgefallen war. Letzten Endes war das Auftreten von Propheten natürlich auch Gnade, aber es war eben auch ein Zeichen dafür, dass die Dinge in Unordnung waren. Dass Gott also durch Propheten zu Seinem Volk redete, fehlt im Buch Daniel komplett. Hier wird nicht mehr irgendwie zu einem Überrest gesprochen, sondern es ist eine einzelne Person – dieser gottesfürchtige Daniel – der Gott sich offenbart, sonst niemandem. Es ist keine Botschaft Gottes an Sein Volk. Dass wir im Lauf des Buches auch immer wieder Hinweise auf den kommenden Fürsten, den Herrn Jesus, haben werden, macht dieses Buch so beglückend. Sonst aber ist es ein Buch von sehr ernster Natur.

Wir sehen also im Buch Daniel, dass die Zeiten der Nationen (Lk 21,24) begonnen haben. Diese Zeiten der Nationen dauern an, bis der Herr zur Aufrichtung Seines Reiches wiederkommt und dann auch diese Nationen richten wird, weil sie ihrer Verantwortung ebenfalls nicht entsprochen haben. Aber in dieser Zeit der Nationen bewahrt sich Gott einen Überrest auf, und den finden wir im Buch Daniel dargestellt in Daniel und seinen Freunden. Und es sind zwei Dinge, die diesen Überrest besonders kennzeichnen:
• sie erhalten sich rein in fremdem Land, und
• Gott gibt ihnen aufgrund ihrer Treue Kenntnis und Einsicht über Seine Gedanken (vgl. Ps 25,14)
Es ist bemerkenswert, dass Gott sogar das, was Er tun würde, zunächst nicht Daniel offenbart, sondern den König Nebukadnezar in einem Traum sehen lässt. Und dieser König braucht dann Daniel, um überhaupt zu verstehen, was er gesehen hatte. Auch das ist ein Zeichen dafür, dass Gott sich zurückgezogen hatte in den Himmel und dass es sich hier um die Zeiten der Nationen handelt. Typisch für das Buch Daniel ist deshalb der Ausdruck Gott des Himmels, er kommt viermal in diesem Buch vor (Dan 2,18+19; 2,37+44), sonst überwiegend in den Büchern Esra und Nehemia. Gott als König ist im Himmel, Er redet in Seiner Gnade noch zu Einzelnen, aber während der Zeit der vier Weltreiche hat Er Seinen Platz im Himmel und offenbart sich nicht und hat die Macht auf der Erde diesen vier Weltreichen überlassen.

Einen weiteren Hinweis darauf finden wir in der Tatsache, in welcher Sprache Gott einen großen Teil des Buches Daniel hat schreiben lassen; von Dan 2,4 – 7,28ist der Text in aramäischer Sprache geschrieben (s. Fußnote in Dan 2,4). Auch das drückt durchaus eine Art Gericht Gottes aus, denn Aramäisch war früher für das Volk Israel eine Fremdsprache, die sie nicht verstanden (vgl. 2. Kön 18,26).

Daniel

Das Buch Daniel ist eines der am meisten vom Feind angegriffenen Bücher der Bibel. Wohl deshalb, weil Daniel zum Teil weit bevor Dinge eingetroffen sind, historische Wahrheiten vorhergesagt hat. Es ist sehr auffällig, dass der Geist Gottes immer dann, wenn ein besonderer Angriff Satans bevorstand, im NT ausdrücklich bestätigt, was im AT geschrieben war. So betont das NT auch ausdrücklich, dass Daniel ein Prophet war (Mt 24,15), dass seine Weissagungen Wort Gottes sind und dass der Herr Jesus selbst seine Aussagen bestätigt (Mk 13,14). Er ist also der Verfasser dieses ganzen Buches. Über die meisten schreibenden Propheten wissen wir sehr wenig von ihren persönlichen Hintergründen. Bei Daniel ist das anders, über ihn wissen wir sehr viel.

Daniel bedeutet mein Richter ist Gott. Als junger Mann wird er nach Babel deportiert und bleibt dort bis ins hohe Alter Seinem Gott treu! Er hatte nicht nur einen guten Anfang genommen sondern blieb auch bis zum Schluss treu und entschieden. Ähnlich wie bei Joseph schildert uns Gottes Wort keine Schwäche oder Sünde oder etwas Böses in seinem Leben. Gleich im ersten Kapitel werden eine ganze Reihe moralischer Charaktereigenschaften von ihm gezeigt, seine Entschiedenheit und Treue, sein Herzensentschluss und seine Absonderung. Er war ein junger Mann von vielleicht 16 Jahren, der da schon mit absoluter Entschiedenheit fern von seinem Zuhause unter den schwierigsten Umständen in der Fremde auftritt. Auch bewies er tiefes Mitempfinden und Erschütterung über die furchtbaren Dinge sein eigenes irdisches Volk betreffend, die Gott ihm in diesem Buch zeigte. Mehrmals wird er deshalb in diesem Buch von Gott als Vielgeliebter angesprochen (Dan 9,23; 10,11+19). Gott hatte Sein besonderes Augenmerk auf ihn gerichtet, weil Er sah, welch ernste Auffassung er von seinem Glauben an den HERRN hatte.

Auch außerhalb des Buches Daniel selbst finden wir verschiedene Hinweise auf bemerkenswerte Eigenschaften dieser vorbildlichen Person:
• in Mt 24,15 wird er als Prophet bezeichnet; die Art und Weise, wie Gott ihn als Prophet benutzt, ist etwas anders als bei den übrigen Propheten, wo Gott durch den Propheten eine direkte Ansprache an das Volk hatte. Prophet bedeutet, dass jemand ein Sprachrohr für jemand anderen ist. Daniel ist Sprachrohr Gottes an uns; was er in diesem Buch niedergeschrieben hat, ist eine Ansprache Gottes an uns, Gott benutzt Daniel als Sprachrohr. Aber ein Prophet ist auch ein Sprachrohr von Menschen zu Gott, und Daniel übernimmt auch diese Rolle eines Propheten in seinem beeindruckenden Gebet in Daniel 9.
• in Hes 14,14+20 wird er sittlicherweise auf eine Stufe mit Noah und Hiob gestellt, und Gott gibt ihm hier ein außergewöhnliches Zeugnis seiner praktischen Gerechtigkeit, d.h. dass Daniel in Übereinstimmung mit dem lebte, was er von Gott und Seinem Willen wusste. Noah war Prediger der Gerechtigkeit (2. Pet 2,5), und bei Hiob wird wiederholt seine Vollkommenheit und Rechtschaffenheit gerühmt (Hiob 1,1+8). Und auf diese Stufe stellt Gott auch den Daniel.
• in Hes 28,3 wird Daniel noch einmal erwähnt, und Gott zieht dort einen Vergleich, um die Weisheit des gefallenen Engelsfürsten zu beschreiben, und die Referenz, die Er dabei benutzt, ist Daniel. Er muss ein überaus weiser Mann gewesen sein (vgl. Dan 1,17).
• In Heb 11,33 wird er zwar nicht namentlich erwähnt, aber von welchem Propheten sonst könnte gesagt werden, dass durch dessen Glauben der Löwen Rachen verschlossen wurden?

Das Buch Daniel

Die ersten 6 Kapitel Daniels zeigen uns die äußere Entwicklung der vier antiken Weltreiche, die sukzessive aufeinander folgten, aber in ihrer Kraft jeweils nachließen, wie sie uns in dem Traum Nebukadnezars von dem Standbild vorgestellt werden (Dan 2,31–33). Zuerst haben wir das babylonische Weltreich (das Haupt von feinem Gold), das größte an Macht, das es je gegeben hat; dann folgt das medo-persische Königreich des Königs Kores (Brust und Arme von Silber); dann das griechische Weltreich (Bauch und Lenden von Kupfer), und dann noch das römische Reich (Schenkel und Füße von Eisen und Ton). Die Hochzeiten dieser Reiche sind natürlich längst vorbei. Das römische Reich ist auch in gewissem Sinn vorbei, hat seine Blütezeit längst hinter sich, aber es wird wieder erstehen. Gott wird noch einmal mit Rom anknüpfen, wie uns die Offenbarung zeigt.

Während uns also die Kapitel 1–6 die äußere Entwicklung dieser 4 Weltreiche zeigen, beschäftigen sich die Kapitel 7–13 mehr mit dem inneren Wesen und Charakter dieser Weltreiche. In diesem zweiten Teil des Buches werden sie vorgestellt in dem Gesicht Daniels von den vier großen Tieren (Dan 7,3–7).

„“Im dritten Jahr der Regierung Jojakims, des Königs von Juda, kam Nebukadnezar, der König von Babel, nach Jerusalem und belagerte es. Und der Herr gab Jojakim, den König von Juda, in seine Hand, und einen Teil der Geräte des Hauses Gottes; und er brachte sie in das Land Sinear, in das Haus seines Gottes: Die Geräte brachte er in das Schatzhaus seines Gottes“ (Vers 1+2)

Die ersten Verse des Buches Daniel stellen die Erfüllung der Prophezeiung Jesajas an Hiskia dar. Nebukadnezar kam im dritten Jahr der Regierung Jojakims zur Belagerung Jerusalems, und der Herr gab die Stadt in seine Hand. Wir haben hier eine sehr ernste Entwicklung vor uns. Gott zieht sich gleichsam zurück in den Himmel, sodass Daniel mit Recht sagt, dass die Macht und der Wille Gottes es war, die Nebukadnezar zu einem König der Könige gemacht hat, während Er sich selbst als Gott des Himmels im Himmel zurückhielt (Dan 2,37).

Jojakim war der Sohn des gottesfürchtigen Königs Josia. Neko, der König von Ägypten, hatte ihn zum König an seines Vaters statt gemacht und ihm den Namen Jojakim gegeben (2. Kön 23,34+35). Welch ein gewaltiger Unterschied bestand zwischen Josia und seinem Sohn Jojakim bezüglich der Wertschätzung und Anerkennung des Wortes Gottes! Josia zerriss seine Kleider, als er die Worte dieses Buches hörte (2. Kön 22,11); Jojakim dagegen zerschnitt die Buchrolle mit den Worten Gottes und warf sie ins Feuer (Jer 36,23). Er war verantwortlich als König über das Volk Gottes, aber er hat dieser Verantwortung nicht entsprochen. In Jer 22,18+19 wird dann das Ende dieses Königs beschrieben.

Das Land Sinear wird schon in 1. Mo 10,10 erwähnt, dort wird Babel als Teil dieses Landes beschrieben, wahrscheinlich das Kernland des Landes Sinear. Der damalige Herrscher dieses Reiches war Nimrod. Babel ist ein Bild dieser Welt. Die Bibelzeigt uns vier Charakterzüge von Babel, wie wir sie auch in der Welt heute wiederfinden: der gewaltige Jäger Nimrod in 1. Mo 10,8–10 zeigt uns ihre Härte und Brutalität. Auch wenn Babel manchmal lächelt und freundlich erscheint, sollten wir uns nichts vormachen. Wir dürfen von dieser Welt und ihrem Fürsten kein Erbarmen erwarten, Härte und Brutalität stehen dahinter. 1. Mo 11,1–9 zeigt uns dann bei dem Turmbau zu Babel den Hochmut als zweiten Charakterzug dieser Welt. Der Prophet Daniel hier zeigt uns einen dritten Charakterzug, nämlich den der Vermischung oder Toleranz. Der Teufel versucht, auf welche Weise auch immer, uns mit dieser Welt zu vermischen. Wenn es um Toleranz geht, ist die aus Sicht der Welt auch immer einseitig, denn immer sollen die Christen Eingeständnisse machen, um sich an die Welt anzupassen, nie umgekehrt. Und in Off 17 + 18 finden wir dann einen vierten Charakterzug, dort wird Babel als ein Bild der religiösen Welt vorgestellt. In Babel geht es nicht nur um moralische Vermischung, es geht auch um religiöse Vermischung.

Nebukadnezar als König von Babel ist aber nicht ein Bild von dem Teufel, dem Fürsten der Welt. Er war von Gott eingesetzt worden, er war das Haupt von Gold. Durch ihn hatte Gott dafür gesorgt, dass auf dieser Erde stabile Regierungen entstünden, nachdem das Volk Israel beiseite gesetzt war. Natürlich war der Hof Nebukadnezars voller Götzendienst, aber wir können ihn nicht nur negativ sehen, er war eine von Gott gegebene Autorität (Dan 2,37) – zum Guten für die Menschen und zum Zügeln der Leidenschaften der Menschen. Er war letzten Endes sogar ein Knecht Gottes (Jer 43,10).

„Und der König befahl Aschpenas, dem Obersten seiner Hofbeamten, dass er von den Kindern Israel, sowohl vom königlichen Geschlecht als auch von den Vornehmen, Jünglinge brächte, an denen keinerlei Fehl wäre und die schön von Aussehen und unterwiesen in aller Weisheit und kenntnisreich und mit Einsicht begabt und tüchtig wären, im Palast des Königs zu stehen, und dass man sie die Schriften und die Sprache der Chaldäer lehre“ (Vers 3+4)

Zuerst nun geht dieser König von Babel nach Jerusalem und holt dort die Elite Jerusalems zu sich nach Babel, und dann folgt die Integration und Umerziehung nach den Prinzipien Babels. Was ist das Ziel des Teufels heute? Er möchte uns in seinen Einflussbereich bekommen. Damals konnten die Jünglinge gar nicht anders, sie mussten von Jerusalem nach Babel. Wir haben heute diesen politischen Zwang nicht, aber es gibt doch gewisse Sachzwänge. Wir gehen in Babel zur Schule, wir bilden uns aus in Babel, wir arbeiten in Babel, in dieser Welt.

Die Prophezeiungen Jesajas und Jeremias über dieses Gericht Gottes an Seinem Volk (Jes 39,6+7; Jer 25,11+12) war also eingetreten (vgl. auch 5. Mo 28,32). Und Nebukadnezar tut jetzt etwas ganz Raffiniertes. Er will diese Jünglinge aus Israel, die ja an sich schon außergewöhnlich sein sollten, zu Chaldäern machen. Und die Beschreibung der Kriterien, die diese jungen Männer haben sollten, beginnt nicht bei ihren inneren Fähigkeiten, sondern bei ihren äußeren Qualitäten. Es ist immer die Weise des Teufels, dass er den Blick auf das äußerlich Beeindruckende hat, Gott aber sieht auf das Herz (1. Sam 16,7). Diese Jünglinge sollten in der Sprache und der ganzen Weisheit der Chaldäer unterwiesen werden. Nebukadnezar wollte sie damit vergessen machen, wo sie herkamen, dass sie zum Volk Israel gehörten. Und er bot ihnen damit auch die Möglichkeit, in diesem Riesenreich aufzusteigen und Karriere zu machen, eine wichtige Rolle zu spielen. Natürlich ist es das Ziel des Teufels, uns alle in seinen Einflussbereich zu bekommen und uns dann umzuerziehen. Aber wir sehen hier, auf wen er es besonders abgesehen hat.

Seine Auswahlkriterien lassen sich in zwei Gesichtspunkten zusammenfassen: er will die Besten haben, und er will die Jungen haben. Wenn er die kriegen kann, dann hat er nicht nur diesen Jungen und Besten geschadet, dann hat er auch dem Herrn geschadet. Napoleon Bonaparte hat einmal gesagt: Wer die Jugend hat, hat die Zukunft. Das wusste damals der Pharao und das wusste hier auch Nebukadnezar. Und heute ist das nicht anders. Sind auch wir Älteren, die wir uns mit der Jugend beschäftigen, bewusst, dass der Teufel es gerade auf die jungen Leute abgesehen hat? Wenn er Ältere vom Weg abzieht, ist das schlimm genug, dann ist vielleicht ein halbes Leben verloren für den Herrn. Wenn er aber einen Jungen abzieht, ist ein ganzes Leben verloren für den Herrn! Wenn er die, die nachrücken, für sich instrumentalisieren kann, dann hat er damit dem Herrn geschadet, und das ist letztlich immer das Ziel bei allen seinen Bemühungen.

Die Zahl der Jünglinge in der Gefangenschaft ist nicht bekannt, es mögen Hunderte gewesen sein. Sie waren eigentlich drei bösen Einflüssen ausgesetzt, zunächst den Schriften und der Sprache der Chaldäer, dann der Tafelkost und dem Wein des Königs, und schließlich kam noch die Namensänderung hinzu. Das waren Riesenversuchungen für sie; zunächst eine kostenlose hochqualifizierte Ausbildung, dann kostenlose Verpflegung und schließlich die höchsten Stellungen in beruflicher Hinsicht, glänzendste Karriere-Aussichten.

Was die chaldäischen Schriften und Sprache betraf, zielte das auf ihren Intellekt ab, ihr Verstand sollte auf babylonisch umgepolt werden. Im weiteren Verlauf des Buches sind mit den Chaldäern direkt schon die Wahrsager gemeint, die astrologische, heidnische Kenntnisse besaßen. Übrigens gehen deren damalige vermeintliche Weisheiten bis in unsere heutigen Tage und in die Schulbücher unserer Kinder hinein. Empfinden wir nicht zu unserer heutigen Zeit ernste Parallelen zu dieser damaligen Gefahr der Indoktrinierung unserer Kinder durch die Sprache und die Schriften der Welt? Heute wird unserer Jugend nicht nur Mathematik und Physik beigebracht, sondern die angeblichen Kenntnisse über Evolution sind aus keinem Lehrplan wegzudenken.“Und der König bestimmte ihnen für jeden Tag eine Tagesration von der Tafelkost des Königs und von dem Wein, den er trank, und dass man sie drei Jahre lang erzöge; und an deren Ende sollten sie vor dem König stehen“ (Vers 5)

Drei Jahre lang sollte die Ausbildung oder Umerziehung dauern, und während dieser drei Jahre sollten sie mit der Tafelkost des Königs ernährt werden und von seinem Wein trinken. An der Tafelkost des Königs Nebukadnezar teilzunehmen, war ein hochgefährliches Angebot. Speise ist das, was wir aufnehmen. Bei dieser zweiten Gefahr geht es nicht um das Intellektuelle, sondern um die Einflüsse für unser natürliches Leben. Denken wir an die Sexualkunde mit allem, was dazu gehört; furchtbare Dinge, die gegen Gottes Wort sind. Das ist die Speise, die unseren Kindern heute vorgesetzt wird. Und hochgestellte Politiker leben uns das im Blick auf Homosexualität sogar noch vor. Diese zweite Gefahr betraf ihre Moral und Ethik, und hier versuchten sie sich, dagegen zu wehren. Dieser Bericht ist ungefähr 2600 Jahre alt, aber hochaktuell für unsere Tage, und wir brauchen in unseren Tagen die Entschiedenheit dieser vier Freunde. In der Welt wird Entschiedenheit überhaupt nicht mehr erwartet, eher sogar verachtet, da ist Toleranz gefragt, alles muss mitgemacht werden.

Diese Tafelkost war aus mehreren Gründen unrein. Die Speisen Nebukadnezars konnten unmöglich den Forderungen Gottes aus 3.Mose entsprechen. Aber noch ernster ist es, dass das, was Nebukadnezar gegessen und getrunken hatte, vorher den Götzen geopfert worden war. Das machte die Sache so ernst.

Es ist auffallend, dass jedes Mal, wenn von der Tafelkost die Rede ist, der Wein als zusätzliches Genussmittel noch besonders erwähnt wird. Der Wein ist an sich ein Bild der natürlichen, unschuldigen, an sich nicht bösen Freude auf dieser Erde (Ri 9,13; Ps 104,15). Aber hier ist es der Wein Babels (Off 17,2), der mit absolut weltlichem Bösen verbunden ist. Weltliche Begierden und Freuden verunreinigen, sowohl sittlich-moralisch als auch religiös. Es war also ein zusätzliches Lockmittel des Königs, diesen Jünglingen verderbliche und verunreinigende Freuden geben zu wollen. Das ist auch in unserer Zeit ein ganz gefährlicher Punkt für uns alle, denn wir leben in einer genusssüchtigen Welt, die viele schöne Dinge anbietet; dabei dürfen wir aber nie vergessen, dass es der König von Babel ist, der sie uns anbietet.

„Und unter ihnen waren von den Kindern Juda: Daniel, Hananja, Misael und Asarja. Und der Oberste der Hofbeamten gab ihnen Namen; und er nannte Daniel Beltsazar, und Hananja Sadrach, und Misael Mesach, und Asarja Abednego“ (Vers 6+7)

Der Oberste der Hofbeamten mochte gedacht haben, dass die Namen dieser vier Freunde nicht zum Hof des Königs Nebukadnezars passten, weil sie alle einen Hinweis auf Gott in ihrem jeweiligen Namen tragen:
• Daniel: mein Richter ist Gott; dieser Name war Programm für Daniel, er sah sich persönlich als verantwortlich vor Gott als seinem Richter; er wollte nicht treu sein, damit Gott ihn gebrauchen konnte, aber Gott konnte ihn gebrauchen, weil er treu war
• Hananja: den der HERR gnädiglich gegeben hat, der Herr ist gnädig
• Misael: wer ist wie Gott
• Asarja: dem der HERR hilft, der HERR hilft
Diese Namen gaben ein deutliches Zeugnis von der Herkunft dieser Männer, aber sie passten nicht an den Hof des Königs. Bei diesen jungen Leuten sollte ihre Identität verändert werden, sie sollten Chaldäer werden und das Judentum und den Gott, den sie bis dahin verehrt hatten, total vergessen. Das Gedächtnis an den Namen Gottes sollte völlig ausgelöscht werden bei ihnen und durch ihre neuen Namen sollte ausgedrückt werden, dass die Götter der Chaldäer stärker seien. Deshalb ließ dieser Oberste ihnen neue Namen geben, die alle mit dem bösen Götzen dieser Völker zu tun haben:
• Beltsazar: den Bel begünstigt oder beschirmt; Nebukadnezar sagt selbst, dass das ein Name seines Gottes ist (Dan 4,5), nach Jes 46,1 sogar einer der Hauptgötter von Babel
• Sadrach: Befehl des Aku (der Mondgott)
• Mesach: wer ist wie Aku
• Abednego: der Knecht des Nego (der Gott der Weisheit); Nego ist wahrscheinlich eine bewusste Entstellung von Nebo, einer weiteren Hauptgottheit von Babel (Jes 46,1)

Und diese vier Freunde akzeptierten erst einmal, dass man ihre Namen änderte; sie hatten auch gar keine andere Wahl, denn sie waren Sklaven, ohne jedes Recht in der Fremde. Auffallend ist aber, dass gleich im nächsten Vers Daniel bei seinem alten Namen genannt wird. Und er selbst hält auch an seinem alten Namen fest, wie der weitere Verlauf dieses Buches zeigt (z.B. Dan 8,1+15+27; 9,2; 10,7+11+12). Und auch der Herr Jesus selbst spricht von ihm als Daniel. Wenn wir treue Knechte Gottes sind, wenn es unser Wunsch ist, auch in der Fremde unseren Herrn zu verherrlichen, dann wird Er unseren Namen bewahren – bis in Ewigkeit! Daniel bleibt Daniel, auch im Himmel.

„Und Daniel nahm sich in seinem Herzen vor, sich nicht mit der Tafelkost des Königs und mit dem Wein, den er trank, zu verunreinigen; und er erbat sich vom Obersten der Hofbeamten, dass er sich nicht verunreinigen müsse“ (Vers 8)

Daniel war ein Mann von Vorsätzen. Im Alter von ca. 16 Jahren hatte er Vorsätze, und er war bereit, als diese Vorsätze auf die Probe gestellt wurden. Daniel war deshalb später ein Vielgeliebter, ein Mann nach dem Herzen Gottes, weil er als junger Mann ein entschiedener Mann war. Er hatte Grundsätze Gottes, für die er eintreten wollte. Und wenn er je Gedeihen haben sollte – und er hatte über mehrere Dynastien hinweg bis zur Zeit des Kores Gedeihen gehabt – dann nur, weil er als junger Mann Entschlüsse gefasst hatte, die er mit der Hilfe des Herrn durchführte. Hatte nicht Gott sie in die Ferne geführt? Konnten sie denn hier in Babel überhaupt darauf achten, nur das zu essen, was rein war? Und doch hatte Daniel diesen Herzensentschluss, sich nicht mit der Tafelkost des Königs zu verunreinigen. Was muss er schon in seinem Elternhaus an Unterweisungen bekommen haben, dass er sich als Jugendlicher nicht von den Verlockungen der Welt verleiten ließ.

Das spricht auch unsere Verantwortung als Eltern an. Unsere Kinder und jungen Leute sind heute umgeben von dem Sumpf Babylons und diesen Einflüssen ausgesetzt. Da ist es unsere Aufgabe, ihnen beizustehen und zu helfen. Haben wir als Väter Zeit für unsere Kinder, um sie vor diesen Einflüssen zu schützen? Was geben wir unseren Kindern an geistlichem Rüstzeug mit, welche Grundsätze lernen sie im Elternhaus kennen? Kennen unsere Kinder, wenn sie das Elternhaus verlassen, die Grundsätze und Gedanken Gottes für unser Leben? Und haben sie bei uns auch sehen können, dass wir selbst danach leben?

In 1. Pet 3,15 werden wir aufgefordert, Christus in unseren Herzen zu heiligen. Es geht nicht nur um eine äußerlich zur Schau gestellte Frömmigkeit, vielleicht sogar mit einer gewissen Heuchelei verbunden, sondern die Entscheidungen für den Herrn müssen aus unserem Herzen hervor kommen. Und wenn es vom Herzen ausgeht, dann wird auch das äußere Verhalten dem Herzenszustand entsprechen. Als Barnabas nach Antiochien kam, ermahnte er die Geschwister dort, mit Herzensentschluss bei dem Herrn zu verharren (Apg 11,23). Wir brauchen heute solche entschiedenen Christen mit Herzensentschlüssen für den Herrn! Wie wertvoll, wenn unsere Herzen von dem erfüllt sind, was die Ehre Gottes ausmacht. Daniel und dann auch seine Freunde zeigen uns, dass man auch in böser Zeit treu sein kann. Das ist auch die Botschaft des 2.Tim-Briefes, dieses dreifache „Du aber“ (2. Tim 3,10+14; 4,5). So wurde Daniel zu einem Vorbild für alle jungen Gläubigen, und sogar auch für die alten.

Daniel hatte diesen Herzensentschluss gefasst, als die Versuchung konkret vor ihn gestellt wurde. Was mag in seinem Herzen vorgegangen sein, als er in Jerusalem gefangen genommen und nach Babel deportiert wurde? Wir dürfen annehmen, dass er dort schon um Bewahrung gebetet hat. Er wusste sicher noch nicht im Einzelnen, welche Art von Versuchung in Babel auf ihn zukommen würde, aber er wusste, dass es ein Ort war, an welchem dem Götzendienst gehuldigt wurde. Wenn heute ein junger Mensch sein Elternhaus wegen Ausbildung oder Studium oder aus anderen Gründen verlassen muss, dann weiß er meistens auch noch nicht, was an dem neuen Ort alles auf ihn zukommen wird. Eins aber weiß er ganz sicher, es handelt sich immer um Plätze in dieser Welt, wo es auch Versuchungen geben wird. Und deshalb ist diese Bitte um Bewahrung so wichtig für einen jeden. Entscheidend ist aber auch, dass ein solcher Herzensentschluss gleich ganz am Anfang in der neuen Umgebung auch umgesetzt wird. Je länger wir warten, umso schwieriger wird es, weil unser Verhalten vorher einer solchen Entscheidung dann oft entgegensteht.

Bis hier ist es übrigens nur Daniel, noch nicht seine drei Freunde, der sich in seinem Herzen diese Sache vornahm. Es ist oft in der Bibel zu finden, dass die Energie und die Erweckung bei einer einzelnen Person beginnt und dann auf die Übrigen übergreift, so wie auch hier bei den drei Freunden Daniels. Sein Beispiel hat seine drei Freunde angespornt, und so erlebt er, was Paulus in 2. Tim 2,19–22 dem Timotheus schreibt, dass das Abstehen von der Ungerechtigkeit und das Fliehen der jugendlichen Begierden mit denen verwirklicht werden kann, die den Herrn anrufen aus reinem Herzen. Unsere Entscheidungen und unser Verhalten haben Auswirkungen auf andere, ob wir das wollen oder nicht, und das gilt sowohl positiv als auch negativ. Aber weil Daniel solch einen Herzensentschluss gefasst hatte, hat Gott ihn auch so außerordentlich gesegnet. Ja, Er zieht Seine Augen nicht ab von dem Gerechten (Hiob 36,7). Aber es ist auch ein trauriger Gedanke, dass es weit mehr Jünglinge gewesen sein mögen, die dem Beispiel Daniels nicht gefolgt sind! Sie dachten nicht so, wie diese vier Freunde – und sie versagten in der Erprobung. Wir lernen daraus, dass man sich selbst unter Gläubigen manchmal gegen den Strom stellen muss.

Absonderung ist ein fundamental wichtiger Gedanke für unser geistliches Leben! Sie äußert sich hier darin, dass diese jungen Männer sagen, dass sie diese Speisen nicht essen und den Wein des Königs nicht trinken können. Bei den Speisen gab es ja klare Gebote von Seiten Gottes (3. Mo 11); und das Einhalten dieser Anordnungen bewirkte geradezu die Absonderung von den umgebenden Völkern. Dabei ging es um die Unterscheidung zwischen rein und unrein (3. Mo 11,46+47; vgl. Hes 22,26; 44,23). Gott möchte auch heute, dass immer wieder Belehrung da ist zur Unterscheidung zwischen Unreinem und Reinem, und die Verantwortung darüber fängt in der Familie an. Die Probleme unserer Kinder sind in erster Linie die Probleme ihrer Eltern! Joseph war unter seinen Brüdern der Abgesonderte (1. Mo 49,26; 5. Mo 33,16), deshalb konnte auf ihm das Wohlgefallen Gottes ruhen. Woher kommt all diese Schwachheit unter uns? Weil wir diesen klaren Standpunkt nicht mehr einnehmen, weil wir nicht mehr in jeder Hinsicht klar auf der Seite des Herrn stehen. Auch wenn es sich um scheinbar belanglose Äußerlichkeiten handelt, wie hier diese Speisen – es war Gottes Wort, und unter keinen Umständen wollten Sie gegen Gottes Willen handeln. Das ist kein Sektierertum sondern der wahre Charakter des Glaubens! Ich kann nicht ein Herz für den Herrn haben und dann Sein Wort nicht beachten oder als Nebensächlichkeit abtun; auch nicht, wenn es mir unwichtig vorkommt. Wenn wir unsere persönliche Meinung neben das Wort Gottes stellen und ihr mehr Gewicht geben, dann ist das ein Mangel an Hingabe und Treue bei uns.

Wichtig ist auch zu sehen, auf welche Art und Weise Daniel seinen Entschluss vorbrachte. Ein Herzensentschluss ist ja nicht etwas, was im Herzen bleibt, es muss ja auch zur Ausführung kommen (Spr 4,23). Wir entschuldigen manchmal unser eigenes Versagen damit, dass wir zwar etwas in unserem Herzen vorhatten, aber es nicht geschafft haben. Daniel war da anders. Er hatte zunächst ein klares Urteil über das Angebot des Königs, er wusste, dass diese Tafelkost verunreinigende Auswirkungen auf ihn haben würde. Aber dann gab er auch ein ehrliches Bekenntnis über sein Urteil ab; er gebrauchte keine Ausreden irgendwelcher Art, sondern bezeugte klar, dass er sich damit verunreinigen würde. Und schließlich trug er seinen Entschluss auch in einer geziemenden Weise dem Obersten der Hofbeamten vor, denn er erbat es sich von ihm, dass er sich nicht verunreinigen müsse. Keine Opposition oder Widerstand oder Aufbegehren, sondern in schicklicher, anständiger Weise als Bitte formuliert. Ein vorbildliches Verhalten dieses 16-jährigen Jünglings für uns alle!

„Und Gott gab Daniel Gnade und Barmherzigkeit vor dem Obersten der Hofbeamten“ (Vers 9)

Was Daniel gemacht hatte, war nicht ganz ungefährlich gewesen. Wenn man als Sklave in Babel es wagte, den Mund aufzutun, hätte das auch schnell den Tod zur Folge haben können. Aber Gott stand dahinter, und Daniel erfuhr ein Stück weit, dass sogar seine Feinde mit ihm in Frieden waren, weil seine Wege dem HERRN wohlgefielen (Spr 16,7).

Gott gab ihm Gnade und Barmherzigkeit. Daniel brauchte beides. Er brauchte die unverdiente Zuwendung Gottes, denn er war ja Teil eines Volkes, das Gott nicht mehr Sein Volk nennt, Teil eines Volkes, das sich total von Gott abgewandt hatte. Dennoch gibt Gott dem Daniel unverdienterweise Seine Zuwendung. Aber Daniel brauchte auch Barmherzigkeit, denn er war in ganz schwierigen und notvollen Umständen als Gefangener in fremdem Land. Darin brauchte er das Mitempfinden Gottes mit seiner Situation. Gott gibt ihm beides! Das bedeutete aber nicht, dass die Wege Daniels sofort glatt verlaufen wären; sein Glaube wird auch noch weiter geprüft.

Was war das Erfolgsrezept Daniels? War es sein Herzensentschluss, oder war es die Gnade und Barmherzigkeit Gottes? Beides ist unabdingbar! Dieser Vers zeigt uns ein Prinzip Gottes, das wir immer wieder in der Bibel sowohl im AT als auch im NT finden, nämlich das Prinzip von Gnade und Verantwortung. Diese beiden Grundsätze laufen immer parallel nebeneinander. Daniel war zu 100% von der Gnade und Barmherzigkeit Gottes abhängig; aber es war genauso zu 100% wichtig, dass er diesen Herzensentschluss gefasst hatte und ihn auch umsetzte, indem er sein Anliegen in angemessener Form vorbrachte. Die Gnade Gottes nimmt nie unsere Verantwortung weg; und unsere Verantwortung nimmt nie die Gnade Gottes weg.

„Und der Oberste der Hofbeamten sprach zu Daniel: Ich fürchte meinen Herrn, den König, der eure Speise und euer Getränk bestimmt hat; denn warum sollte er sehen, dass eure Angesichter verfallener wären als die der Jünglinge eures Alters, so dass ihr meinen Kopf beim König verwirktet?“ (Vers 10)

Daniel scheint seine drei Freunde sogleich in diese Angelegenheit mit einbezogen zu haben, denn der Oberste der Hofbeamten antwortet hier schon in der Mehrzahl. Sie müssen die gleiche Gesinnung wie er selbst gehabt haben. In dieser Situation ging es um die Abwehr verderblicher Einflüsse, und die Einstellung Daniels hatte sich auf seine Glaubensgenossen übertragen.

Aber der Oberste fürchtete um sein Leben und verweigerte den vier Freunden ihre Bitte. Menschenfurcht trifft auf Gottesfurcht. Wir sehen deutlich den Unterschied zwischen Glaube und Unglaube. Glaubensmut ist nicht Unnüchternheit, aber die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus (1. Joh 4,18 ). Glaube überwindet entgegenstehende Hindernisse.

„Und Daniel sprach zu dem Aufseher, den der Oberste der Hofbeamten über Daniel, Hananja, Misael und Asarja bestellt hatte: Versuche es doch mit deinen Knechten zehn Tage, und man gebe uns Gemüse zu essen und Wasser zu trinken; und dann mögen unser Aussehen und das Aussehen der Jünglinge, die die Tafelkost des Königs essen, von dir geprüft werden; und tu mit deinen Knechten nach dem, was du sehen wirst“ (Vers 11–13)

Daniel aber gibt deshalb nicht auf, er zeigt ganze Entschiedenheit, Beharrlichkeit und Vertrauen auf Gott. Er hätte sich ja auch sagen können, dass er jetzt alles in seiner Macht stehende versucht hatte, sogar bei dem Obersten der Hofbeamten, und dass er sich nun halt doch unterwerfen müsse und von dieser Tafelkost und dem Wein ernähren müsse. Aber er sucht in aller Demut und Unterwürfigkeit einen anderen Weg und wendet sich an einen anderen. Dieses Mal geht er zu dem Aufseher, den der Oberste über diese Kleingruppe eingesetzt hatte, also eine Ebene tiefer. Wenn es darum geht, in einer Welt, in der es oft schwierig ist, für den Namen des Herrn einzustehen, dürfen wir ruhig Einfallsreichtum in geistlichem Sinn beweisen und sollten uns nicht vorschnell geschlagen geben. Der Herr wird uns helfen, wenn wir die rechte Gesinnung haben und uns von Schritt zu Schritt richtig verhalten (Heb 11,6 ).

In aller Demut und Bescheidenheit zeigt Daniel dem Aufseher eine Möglichkeit auf, in einem überschaubaren Zeitraum mit ganz einfachen und trotzdem nahrhaften Mitteln versorgt zu werden und danach einen Vergleich mit den Übrigen zu machen. Können wir uns vorstellen, wie sehr Daniel und seine Freunde besonders in diesen 10 Tagen um den Segen Gottes für diese Speisen gebetet haben mögen? Sicher haben sie dabei ein ganz anderes Bewusstsein dabei gehabt als wir heute, wenn wir Speise aus der Hand Gottes annehmen.

Die Zahl 10 ist in der Bibel immer ein Hinweis auf eine Zeit der Erprobung, des Testes; und Daniel ist mit seinen Freunden bereit, sich diesem Test zu stellen. Wir lesen ja nicht, dass Gott ihm Gelingen zugesagt hatte zu seiner erneuten Bitte, aber er hatte das Vertrauen zu Gott, dass er Segen dazu geben würde.

„Und er hörte auf sie in dieser Sache und versuchte es zehn Tage mit ihnen. Und am Ende der zehn Tage zeigte sich ihr Aussehen besser und völliger an Fleisch als das aller Jünglinge, die die Tafelkost des Königs aßen“ (Vers 14+15)

Gott sorgt dafür, dass diesem neuen Vorschlag Daniels stattgegeben wird. Eigentlich hat diese konsequente Treue Daniels und seiner Freunde sogar eine dreifache Antwort Gottes zur Folge: zunächst wird ihrem Vorschlag stattgegeben, dann zeigt sich nach den Tagen der Erprobung ihr Aussehen besser als das der Übrigen, und schließlich gibt Gott ihnen weitere Einsicht und Verständnis in aller Schrift und Weisheit (Vers 17).

Ein eigentlich ganz unnatürliches Ergebnis dieses Versuches. Natürlicherweise konnten sie allein mit Gemüse und Wasser nach 10 Tagen nicht blühender aussahen, als alle Übrigen. Ihre Gebete, dass diese einfachen Speisen zur Ehre Gottes ihre Wirkung tun würden, wurden erhört. Gott stand auf ihrer Seite, und dieses Ergebnis bei den vier Freunden war der Ausdruck Seines Wohlgefallens an ihnen und ihrer Treue. Gott hat immer reiche Belohnungen für den, der sich auf Seine Seite stellt. Es ist etwas Großes, die Zustimmung und Bestätigung Gottes zu erleben (1. Sam 2,30 ; Spr 16,7 ). Aber ein weltliches Sprichwort sagt auch: „Man ist, was man isst“. Sicher hat auch die unreine Speise des Königs ihre Spuren bei den Übrigen hinterlassen.

„Da tat der Aufseher ihre Tafelkost und den Wein, den sie trinken sollten, weg und gab ihnen Gemüse“ (Vers 16)

Erst nach den 10 Tagen wurden die Tafelkost und der Wein weggenommen, die ganze Zeit über stand sie neben dem Gemüse und Wasser, worum Daniel gebeten hatte. Aber für den Rest der drei Jahre blieb sie dann weg, die Versuchung in dieser Hinsicht war zu Ende für die Freunde. Es gab später neue Erprobungen, aber diese Erprobung war zu Ende. Nachdem der Herr 40 Tage und Nächte in der Wüste versucht wurde, wich der Teufel für eine Zeit von ihm (Lk 4,13 ). Auch in unserem Leben wird das so sein: wenn wir in einer Erprobung wirklich standhalten, dann wird diese Erprobung auch einmal aufhören. Wenn wir aber in einer Erprobung immer wieder nachgeben, werden wir über lange Jahre mit solchen Dingen zu kämpfen haben.

Jeden Tag in den 10 Tagen hatten die vier Freunde die Tafelkost vorgesetzt bekommen – und sie haben sie jeden Tag stehen lassen! Das war eine harte Versuchung für sie. Und jetzt wurde nur ihnen die Tafelkost des Königs weggenommen, nicht allen Jünglingen. Es war ja nur der Aufseher über diese vier Freunde gewesen, der ihnen diesen Versuch gestattet hatte (Vers 11).
„Und diesen vier Jünglingen, ihnen gab Gott Kenntnis und Einsicht in aller Schrift und Weisheit; und Daniel hatte Verständnis für alle Gesichte und Träume“ (Vers 17)

Wir müssen in diesem Kapitel zwischen zwei verschiedenen Arten von Weisheit unterscheiden. Wenn in Vers 4 von den jungen Leuten gesagt wird, dass sie schon Weisheit besitzen sollten, dann ist das eine irdische, praktische Befähigung, erworbene Kenntnisse anzuwenden. Das ist ganz allgemein auch der Unterschied zwischen Weisheit und Kenntnis. Weise Menschen sind meistens ältere Menschen, die aufgrund ihrer Erfahrungen die Kenntnisse, die sie besitzen, angemessen anwenden können. Im Geistlichen wird diese Unterscheidung in 1. Kor 12,8 auch gemacht, wo von dem Wort der Weisheit und dem Wort der Erkenntnis die Rede ist. Weisheit und Kenntnis sind also nicht identisch. Weisheit ist die richtige praktische Anwendung des Wissens. Und das war die Anforderung Nebukadnezars an die Jünglinge in Vers 4, und diesen gleichen Maßstab der einsichtsvollen Weisheit legt er dann auch bei der Prüfung am Ende der dreijährigen Ausbildung in Vers 20 an. Wenn Daniel dem Nebukadnezar später seinen Traum anzeigt und deutet, dann spricht er in Dan 2,30 auch zuerst von dieser menschlichen Weisheit. Aber er sagt dann sofort, dass er diese Traumdeutung nicht aufgrund dieser menschlichen Weisheit anzeigen konnte, sondern aufgrund einer Offenbarung Gottes.

Was Gott den vier jungen Männern hier aber gibt, ist die Weisheit Gottes, und wahre Weisheit kommt immer von oben (Jak 3,15+17 ). Gott gibt sie uns gern, wenn wir darum bitten (Jak 1,5 ), und der Herr Jesus ist der Inbegriff dieser Weisheit von Gott (1. Kor 1,30 ). Wir besitzen auch den Geist der Weisheit (Eph 1,17 ), das meint nicht den Heiligen Geist, sondern dass wir durch den Heiligen Geist Weisheit empfangen, Gottes Gedanken zu verstehen, denn der natürliche Mensch kann sie nicht verstehen. Es ist dem Menschen auch nicht möglich, von sich in den Besitz der Weisheit zu gelangen, Gott muss sie uns geben (vgl. Hiob 28,12–28 ). Uns steht die Weisheit Gottes zur Verfügung (Kol 1,9 ), aber sie kann nur in einem gottesfürchtigen Herzen aufblühen, nur dort wird der Herr sie zur Entfaltung bringen. Das ist fundamental wichtig. Gott gibt die Erkenntnis Seines Willens nur dann, wenn wir aufhören, unsere eigenen Gedanken zu verfolgen. Wir machen oft den großen Fehler, dass wir unsere Gedanken festhalten, und dann den Herrn um Einsicht bitten. Aber wir müssen unsere eigenen armseligen Gedanken total aufgeben, und dann wird der Herr uns Weisheit schenken und Erkenntnis Seines Willens und geistliches Verständnis, ein vom Geist Gottes geprägtes und gefördertes Verständnis.

Die Kenntnis und Einsicht in aller Schrift bezieht sich hier eindeutig auf das Wort Gottes – im Gegensatz zu dem Ziel Nebukadnezars für die Jünglinge in Vers 4 in Bezug auf die Schriften der Chaldäer. Wenn wir wünschen, dass Gott uns Verständnis über Sein Wort schenkt, dann ist das untrennbar verbunden mit einem Leben der Hingabe und der Absonderung. Wir werden niemals so nebenbei neben einem weltförmigen Leben Erkenntnis über Gottes Wort erlangen (2. Tim 2,7 ). Das Geheimnis des HERRN ist für die, die ihn fürchten (Ps 25,14 ; Spr 3,32 ). Und diese Einsicht, die Gott ihnen hier schenkt, möchte Er auch benutzen, um dadurch Sein übriges Volk zu belehren und zu unterweisen (Dan 11,33 ). Der junge König Salomo hatte um ein verständiges Herz gebeten, um das Volk Gottes richten zu können, und Gott hatte dieser Bitte entsprochen (1. Kön 3,9–125,9 ).

Daniel als Initiator der vier Freunde erhält noch zusätzlich ein besonderes Teil von Gott, eine besondere Gabe. Aber diese Unterschiede haben sie nicht auseinander gebracht. Sie bleiben Freunde, sie werden nicht neidisch aufeinander oder hochmütig, sie bleiben Genossen (Dan 2,17). Es ist ja nicht immer einfach, eine Freundschaft zu bewahren unter solchen, die der Herr unterschiedlich begabt.

„Und am Ende der Tage, nach denen der König sie zu bringen befohlen hatte, brachte sie der Oberste der Hofbeamten vor Nebukadnezar. Und der König redete mit ihnen; und unter ihnen allen wurde keiner gefunden wie Daniel, Hananja, Misael und Asarja; und sie standen vor dem König. Und in allen Sachen einsichtsvoller Weisheit, die der König von ihnen erfragte, fand er sie zehnmal allen Wahrsagepriestern und Sterndeutern überlegen, die in seinem ganzen Königreich waren“ (Vers 18–20)

Wir haben jetzt hier das Ende der drei Jahre vor uns, in denen die jungen Männer aus Israel am Hof des Königs erzogen werden sollten (Vers 5). Und auch Daniel und seine Freunde müssen dem Ruf des Königs folgen. Durch all das, was Gott diesen vier treuen Freunden gegeben hatte, waren sie doch nicht aus ihrer Stellung als Knechte am Hof Nebukadnezars herausgekommen. Der mächtigste Mann der damaligen Welt befragt jetzt auch diese vier Freunde. Was mögen das für Sachen einsichtsvoller Weisheit gewesen sein, die er von ihnen erfragte?

Auch in der Antike haben sich die Menschen ja schon mit seht tiefgehenden Fragen beschäftigt, Fragen philosophischer und metaphysischer Art. Aber wer kann allein über solche tiefgehenden Fragen Antwort geben? Nur die von Gott gelehrten vier Freunde; ihre Antworten müssen sich völlig unterschieden haben von den Ansichten der Weisen Babylons. Das stimmt übrigens auch heute noch. Auch heute gibt es sehr viel kluge Leute, und doch sind sie töricht hinsichtlich fast aller Fragen des Seins, über die Gott uns Gläubige in Seinem Wort unterrichtet.

Wenn wir das Ergebnis dieser Befragung sehen, denken wir an Ps 119,98–100, das hätten ihre Worte sein können. Und das Geheimnis in jedem dieser Verse ist die Bezugnahme auf das heilige Wort Gottes. Wir dürfen uns aber nicht dem Gedanken hingeben, wir wären unseren Mitmenschen überlegen in Bezug auf Intelligenz und menschliche Weisheit. Aber hinsichtlich geistlicher Weisheit sind wir ihnen zehnmal überlegen, denn diese Welt tappt geistlicherweise im Dunkeln. Diese Überlegenheit führt aber niemals dazu, dass wir hochmütig oder eingebildet werden.

Zehn Tage hatte sich Daniel von dem Aufseher erbeten, um Gemüse zu essen und Wasser zu trinken; danach waren er und seine Freunde den Wahrsagern zehnmal überlegen. Zehn ist oft in der Bibel die Zahl unserer Verantwortung Gott gegenüber. Die vier Freunde haben die ganzen zehn Tage durchgehalten; sie haben nicht nach dem fünften Tag aufgegeben, sondern ihrer Verantwortung Gott gegenüber entsprochen. Und dann belohnt Gott sie damit, dass sie zehnmal den Wahrsagern überlegen waren. Wie die Juden später bei Stephanus (Apg 6,10 ) konnte der König Nebukadnezar der Weisheit, mit der diese vier Freunde redeten, nicht widerstehen.

Beantwortet Gott Treue Ihm gegenüber immer auf eine solche Weise? Es hat zu allen Zeiten treue Gläubige gegeben, die ihr Leben nicht geliebt haben und schließlich den Märtyrer-Tod sterben mussten. Gott antwortet nicht immer so wie hier. Aber eins ist sicher: Treue wird immer auf irgendeine Weise belohnt werden.

„Und Daniel blieb bis zum ersten Jahr des Königs Kores“ (Vers 21)

Daniel hatte Bestand. Er muss sehr alt geworden sein. Wenn er als 16-jähriger nach Babel kam und die 70-jährige Gefangenschaft überdauert hat, dann muss er im dritten Jahr Kores (Dan 10,1 ) ungefähr 90 Jahre alt gewesen sein. Wenn wir doch mehr Herzensentschlüsse hätten, auch wir Älteren, wenn wir es doch mehr öffnen würden für die kostbare Person unseres Herrn, dann würde Er auch uns Gedeihen und Bestand geben. Den Jünglingen wird gesagt: „Die Welt vergeht und ihre Lust, wer den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit“ (1. Joh 2,17 ). Auch das Königreich Nebukadnezars musste letztlich vergehen, aber Daniel hatte Bestand, er blieb!

Warum wird jetzt auf Kores Bezug genommen? Damit wird deutlich gemacht, dass Daniel das erste Weltreich Babel überlebt hat. Er hatte den Niedergang dieses ersten Weltreichs und das Aufkommen des zweiten Weltreichs miterlebt. Daniel ist aber auch ein Bild des jüdischen Überrestes, der durch die ganze Zeit der Nationen hindurch gerettet wird bis er schließlich in die Segnungen des 1000-jährigen Reiches eingehen kann.

[Aufzeichnung aus einer Betrachtung]