Aufzeichnungen aus einer Betrachtung über den 1.Thessalonicher-Brief 

Mit dem 1.Thessalonicher-Brief kommen wir zu einem völlig anders gearteten Brief, als es der zuletzt betrachtete Kolosser-Brief war. Dieser war von Paulus spät und aus der Gefangenschaft heraus geschrieben worden, und er hatte große lehrmäßige Tiefen darin entfaltet. Der 1.Thessalonicher-Brief ist wahrscheinlich der erste inspirierte Brief des Apostels und wurde verfasst im Jahr 52 n.Chr.; er entwickelt weniger die lehrmäßigen Grundlagen des Christentums und unseres Glaubens, obwohl er sie doch alle voraussetzt. Dieser Brief stellt uns besonders zwei Dinge vor:
• einen lebendigen und frischen Charakter des Glaubenslebens bei den Thessalonichern
• einige wichtige Aspekte des Kommens des Herrn zur Entrückung und auch bei Seiner Erscheinung

Der Apostel hatte den Thessalonichern in einer relativ kurzen Zeit von max. vier Wochen (drei Sabbathe; Apg 17,2) als Menschen, die in der Welt waren, das Evangelium gebracht und sie gleichzeitig auch im Glauben belehrt und befestigt. Drei Gruppen von Menschen werden dort beschrieben: einige von den Juden glaubten, eine große Menge von den anbe-tenden Griechen, und nicht wenige von den vornehmsten Frauen. Aus diesen drei Gruppen bildete sich die Versamm-lung in Thessalonich. Sie besaßen absolut nicht nur die Gewissheit ihrer Bekehrung und Errettung, wie es heute bei Millionen von Gläubigen der Fall ist, die niemals weiter kommen. Dieser Brief wurde nur relativ kurze Zeit später ge-schrieben, nachdem er bei ihnen gewesen war, das macht ein Vergleich des Berichtes in Apg 17 und 18 mit den Anga-ben aus diesem Brief deutlich. Es wird also nur ein Zeitraum von einigen Wochen, höchstens ganz wenigen Monaten, verflossen sein zwischen seinem erstmaligen Besuch in Thessalonich und dem Verfassen dieses Briefes. Darin ist die tiefe Liebe und Fürsorge des Apostels für die Gläubigen zu sehen; er brachte ihnen nicht nur das Evangelium und be-lehrte sie dann, um sie danach ihrem Los zu überlassen. Unablässig betete er für alle Gläubigen, und die Sorge um alle Versammlungen lag beständig auf ihm und beschäftigte ihn. Bei ihm war es nicht so, dass er, wenn er von einem Ort weiterreiste, die dortigen Gläubigen hinter sich ließ und vergaß, sondern er war immer mit ihnen beschäftigt.

Nachdem die Thessalonicher das Evangelium angenommen hatten, waren sie in große Verfolgungen und Drangsale gekommen. Paulus war von dort vertrieben worden und nach Beröa weitergezogen (1. Thes 2,15; Apg 17,10). Wenn es übrigens dort heißt, dass „die in Beröa edler waren als die in Thessalonich“, dann müssen wir dabei bedenken, dass es sich dabei noch nicht um die Versammlung handelt. Paulus kam in Beröa in die Synagoge zu den Juden, und diese wa-ren edler als die in Thessalonich. Allgemein verbreitet ist nämlich der Gedanke, dass die gläubigen Christen in Beröa edler als die Thessalonich waren; es geht aber um die Haltung der Juden, die dann durch das tägliche Untersuchen der Schriften zum Glauben kamen und zu einer Versammlung wurden.

Von Beröa aus war Paulus allein nach Athen und schließlich auch nach Korinth weitergereist. Er hatte Silas und Timotheus dort zurückgelassen (Apg 17,14+15) und erwartet mit Sorge ihre Antwort. Auf dieser Reise hatten ihn einige Brüder begleitet, denen er dann den Auftrag gab, Timotheus und Silas zu sagen, sie möchten ihn möglichst bald aufsu-chen. In Korinth treffen dann diese beiden Männer mit Paulus wieder zusammen und berichten ihm von dem Glauben und der Liebe der Thessalonicher (Apg 18,5). Dieser Glaube hatte standgehalten auch in den Verfolgungen (1. Thes 3,6). Und daraufhin schreibt Paulus ihnen diesen ersten Brief. Er drückt darin seine Freude über ihr Verhalten aus und belehrt sie dann über die Dinge, die ihnen noch unklar waren bezüglich des Kommens des Herrn. Und er gibt ihnen auch noch einige Warnungen bezüglich ihres moralischen Verhaltens.

In Athen und in Korinth verkündigte er täglich das Wort (Apg 17,17), daneben hatte er dann auch noch diese Sorgen und nahm sich die Mühe, einen solchen Brief zu schreiben, natürlich unter der Leitung des Heiligen Geistes. All das zeigt uns auch etwas von der Innigkeit des Verhältnisses dieses Bruders im Werk des Herrn zu den Geschwistern, denen er diente. Wie eine Mutter hatte er sie genährt und gepflegt in diesen kurzen Tagen, aber gleichzeitig auch wie ein Vater in seiner mit Liebe verbundenen Autorität ihnen das Wort vorgestellt (1. Thes 2,7+11). Zwischen dem Apostel Paulus und den Thessalonichern bestand eine ganz enge und herzliche Vertrauensbeziehung, was aus der immer wiederkehren-den Anrede Brüder deutlich wird. Und so sollte es unter uns Geschwistern auch heute immer sei.

In vielen Briefen sind Mängel im Zustand der Versammlungen, an die geschrieben wird, vorhanden, was im 1.Thessalonicher-Brief eigentlich nicht so zu erkennen ist. Es werden wenige Ermahnungen über das praktische Verhalten ausgesprochen. Was ihnen fehlte, war noch eine gewisse Belehrung über einen Aspekt der Entrückung, nämlich dass die heimgegangenen Gläubigen auch mit den lebenden Gläubigen zusammen entrückt werden. Das war das einzi-ge, was ihnen fehlte an Belehrung. Alles andere hatte er ihnen in dieser kurzen Zeit sagen können. Sie wussten, dass wir mit dem Herrn erscheinen werden; nur ein Punkt war nicht erwähnt, so kann man aus dem Brief schließen, was nämlich mit den in dieser kurzen Zeit heimgegangenen Geschwistern geschah. Darüber besaßen sie noch keine Klarheit (vgl. 1. Thes 4,13 ff.).

In jedem Kapitel dieses Briefes wird uns diese Hoffnung des Kommens des Herrn unter einem anderen Aspekt vorgestellt. Nach wenigen Jahrzehnten der Zeit der Versammlung auf der Erde – schon Anfang des 2.Jahrhunderts – war die Hoffnung auf das baldige Wiederkommen des Herrn in den größten Teilen der damaligen Christenheit nicht mehr lebendig. Und durch die Gnade des Herrn ist vor knapp 200 Jahren die gleiche Wahrheit wieder ans Licht gebracht wor-den. Müssen wir uns da nicht fragen, wo unsere Frische ist im Blick auf diese Wahrheit? Möchte die Betrachtung dieses Briefes dazu beitragen, dass sowohl unsere Erwartung des Kommens des Herrn als auch unser Dienst, der in einer solchen Erwartungshaltung anders aussehen wird als wenn man denkt: „Mein Herr verzieht zu kommen“ (Mt 24,48), wie-der mit neuer Frische belebt wird. Das Beiseite-Schieben der Erwartung des Kommens des Herrn hat nämlich einen unmittelbaren Einfluss auf den Dienst.

Ein besonderer Aspekt im 1.Thessalonicher-Brief ist auch noch die Art und Weise, wie diese Gläubigen das Wort aufgenommen hatten. Paulus hatte Eingang bei ihnen gefunden (Vers 9), sie hatten das Wort aufgenommen. Die Korinther hatten denselben Diener und denselben Dienst erlebt, aber welch ein Unterschied zu den Thessalonichern! Bei den Korinthern war Paulus 1 ½ Jahre gewesen, in Thessalonich höchstens vier Wochen, und sie hatten das Wort aufgenommen, es hatte Eingang in ihren Herzen gefunden. So stehen sie in diesem Brief vor uns als Christen in ihrer Anfangs-Situation, in ihrer Einfachheit und Frische und in ihrer Energie.

Kapitel 1

„Paulus und Silvanus und Timotheus der Versammlung der Thessalonicher in Gott, dem Vater, und dem Herrn Jesus Christus: Gnade euch und Friede!“ (Vers 1)

Paulus vereinigt sich in diesem Brief mit seinen Mitarbeitern Silvanus (Silas) und Timotheus. Es wird auch nicht seine Apostelschaft in den Vordergrund gestellt, wie in manchen anderen Lehrbriefen, sondern er stellt sich ganz formlos und schlicht gleichsam auf eine Stufe mit seinen beiden Mitarbeitern. Das ist eine Besonderheit in seinen Briefen, es fehlt jede Beifügung bei seinem Namen. Seine Apostelschaft wird immer dann betont, wenn die Wahrheit Gottes in Frage gestellt oder seine apostolische Autorität unterhöhlt wurde. Das war hier wegen des guten Zustandes der Thessalonicher nicht notwendig.

Wenn wir seine Anrede mit dem Epheser- und Kolosser-Brief vergleichen, dann stellen wir Unterschiede fest. Er schreibt hier nicht an die heiligen und treuen Brüder (Eph 1,1; Kol 1,1); er setzt bei den Thessalonichern noch kein großes Wachstum voraus. Er sieht diese Gläubigen auch nicht in ihrer bevorzugten Stellung als Leib Christi; er schreibt auch nicht „an die Versammlung Gottes, die in Korinth ist“ (1. Kor 1,1), sondern er stellt diesen jungen Gläubigen ihre Anfangsbeziehung vor, die sie zu Gott ihrem Vater haben. Sie hatten es in ihrer Umgebung mit einer feindlichen Welt zu tun, aber sie hatten es eben auch mit einem Vater zu tun, der sie liebt, weil sie Seine Kinder sind. Sie durften wie in einer Familie die Liebe und Zuneigung ihres himmlischen Vaters kennenlernen. Und sie hatten es außerdem auch mit einem Herrn zu tun, der sie bewahren würde in diesen schweren Verfolgungen und Drangsalen.

In Gott, dem Vater, und dem Herrn Jesus Christus zu sein, sind Anfangsbeziehungen, die nie verloren gehen, in denen der Gläubige immer stehen bleibt und die auch nicht wachstümlich sind (vgl. 1. Joh 2,14; Joh 10,28+29). Herrliche Be-ziehungen junger Gläubiger, die immer bestehen bleiben! Als Kinder den Vater erkannt zu haben, nicht nur persönlich, sondern kollektiv als Versammlung (vgl. Eph 2,18). In Gott, dem Vater, zu sein, stellt uns das Vorrecht vor; in dem Herrn Jesus Christus zu sein, mehr die Seite der Verantwortung. Sie waren sich trotz ihres Anfangszustandes ihrer Vor-rechte bewusst, aber auch ihrer Verantwortung.

Die Thessalonicher kamen aus dem Götzendienst (Vers 9), wo sie Götzenbildern gedient hatten. In der heidnischen Welt gibt es viele Götter und Herren, „so ist doch für uns ein Gott, der Vater, von dem alle Dinge sind, und wir für ihn, und ein Herr, Jesus Christus, durch den alle Dinge sind, und wir durch ihn“ (1. Kor 8,5+6). Auch dieser Aspekt steht hinter dieser einmalig schönen Anrede.

Aber der Apostel nennt sie doch schon Versammlung. Sie waren zum Glauben gekommen, und sie waren die Versamm-lung in Thessalonich. Versammlung der Thessalonicher zeigt auch ihre Vielzahl als Einzelne, dass sie schon aus einer ganzen Anzahl von Gläubigen bestand. Ohne förmlichen Beschluss, ohne irgendeine Verordnung des Apostels, waren sie allein dadurch, dass sie zum Herrn gekommen waren, die Versammlung der Thessalonicher geworden.

Dann folgt ein äußerst knapper Gruß: „Gnade euch und Friede“. Alle übrigen Versammlungen haben umfangreichere Begrüßungen, aber in fast allen Briefen tauchen diese beiden Begriffe auch auf. Aber immer stehen sie in Bezug zu der jeweiligen Situation der Empfänger dieser Briefe. Also Gnade und Friede, wie sie den Ephesern gewünscht wird, ist nicht dasselbe, wie es hier den Thessalonichern gewünscht wird. Sie brauchten Gnade für diesen schweren Weg der Verfolgung und Drangsal, und dann brauchten sie Frieden in diesen widrigen Umständen für ihre Herzen.

Die Thessalonicher waren sich bewusst, dass sie in der Gnade standen, und er wünscht ihnen weiterhin Gnade – und Friede. Die Reihenfolge ist übrigens nie andersherum, nicht zuerst Friede und dann Gnade. Denn aus der empfangenen Gnade fließt dann der Friede des Herzens hervor.

„Wir danken Gott allezeit für euch alle, indem wir euch erwähnen in unseren Gebeten, unablässig...“ (Vers 2)

Vers 2 zeigt die große Bedeutung des Gebets. Der Apostel Paulus war nicht nur mit den Gläubigen beschäftigt, während er bei ihnen war, sondern auch während seiner Abwesenheit. Übrigens spricht er hier von wir; ein schöner Hinweis auf die Gebetsgemeinschaft der drei Diener Paulus, Silas und Timotheus. Das gemeinsame Gebet unter Dienern ganz unter-schiedlichen Alters und Aufgaben ist außerordentlich wertvoll. In 2. Kor 1,19 schreibt Paulus den Korinthern, dass es zwischen diesen drei Dienern auch eine Einmütigkeit in ihrem Dienst gab, nicht nur im Gebet.

Paulus und Timotheus sind ja durch ihre häufigen Erwähnungen in der Apostelgeschichte und den Briefen ganz gut be-kannt; zur Person des Silas oder Silvanus finden wir da weniger Hinweise, dafür aber sehr bedeutende: in Apg 15,22+32 wird er ein Führer unter den Brüdern und ein Prophet genannt; und auch Petrus hat am Ende seines ersten Briefes ein Urteil über ihn, er bezeichnet ihn als einen treuen Bruder (1. Pet 5,12). Wir sind nicht alle Führer unter den Brüdern, wir sind nicht alle Propheten, aber dieses Urteil als einen treuen Bruder, das sollte doch auch von einem jeden von uns gesagt werden können!

Paulus muss hier nicht tadeln, aber er muss belehren. Wir sehen darin, dass das Empfangen der Wahrheit auch vom Teufel untergraben wird. Es schwingt eine gewisse Sorge bei dem Apostel mit bezüglich der Thessalonicher und ihres Defizites über die Belehrung über das Kommen des Herrn. Aber er muss nicht tadeln, und er kann Gott allezeit für sie danken und sie in seinen Gebeten erwähnen. Wir beten oft für die traurigen Zustände unter uns, für die notvollen Um-stände, in denen wir uns befinden, aber danken wir Gott auch für das, was noch da ist? Sollte uns der Dank für das, was Gott trotz allem Versagen noch wirken kann in unseren Tagen, nicht mehr erfüllen? Dann wird das ganze Gebet einen Charakter annehmen, wie er hier beschrieben wird – ein Dankgebet, ein Opfer des Dankes für Gott! Bruder Kelly hat einmal gesagt: „Man muss sehr viel Gnade haben, um für wenig Gnade, die wir bei anderen sehen, dankbar zu sein“!

In 1. Sam 12,23 sagt Samuel etwas sehr Interessantes: „Auch ich – fern sei es von mir, gegen den HERRN zu sündigen und aufzuhören, für euch zu bitten“. Er sprach diese Worte aus, als das Volk Israel gerade einen König gefordert hatte, um wie die umgebenden Nationen zu sein. Auch Abraham war einer, der Fürbitte tat (1. Mo 18,27 ff.) für andere (vgl. auch Epaphras in Kol 4,12).

Paulus dankte Gott allezeit, gedachte der Thessalonicher unablässig, und er arbeitete Nacht und Tag (Kap 2,9) mit sei-nen eigenen Händen. Wie ist das einem Menschen von gleichen Gemütsbewegungen wie wir es sind, möglich, so unab-lässig einerseits dem Herrn zu dienen, andererseits unablässig zu beten, und drittens noch unablässig seinem Beruf nachzugehen? Das bleibt uns ein Geheimnis! Es zeigt die Größe dieses Dieners, der von einer derartigen Liebe und Hingabe erfüllt war. Er war dem Herrn Jesus sehr sehr ähnlich. Und er war auch ein demütiger Mann, er hat sich nicht über die Thessalonicher gestellt, obwohl er diesen unablässigen Einsatz bei ihnen hatte. Wenn wir irgendwo dienen, dürfen wir uns nicht über solche stellen, an denen wir dienen, denn das wird empfunden. Müssen wir uns da nicht fra-gen, wie es bei mir persönlich aussieht; habe ich auch so ein wenig von diesen Zügen?

„...gedenkend eures Werkes des Glaubens und der Bemühung der Liebe und des Aus-harrens der Hoffnung auf unseren Herrn Jesus Christus, vor unserem Gott und Vater“ (Vers 3)

Diese drei Elemente Glaube, Liebe und Hoffnung werden auch in 1. Thes 5,8 noch einmal genannt. Sie kommen in den Briefen häufiger zusammen vor (z.B. Kol 1,4+5 u.a.) und bilden den Inhalt wahren Christentums. Glaube, Liebe und Hoffnung sind die inneren Kennzeichen einer anstrengenden äußeren Tätigkeit für den Herrn, nämlich Werk, Bemü-hung und Ausharren. Glaube ist die Fähigkeit, sich zu beschäftigen mit den unsichtbaren Dingen, mit Gott selbst und mit allem, was mit Ihm in Verbindung steht. Und bei den Thessalonichern war der Glaube, diese unsichtbare Macht, vorhanden. Liebe ist der Motor für alle Bemühungen. Es ist die Liebe zu den Brüdern gemeint, nicht die Liebe zu Gott; Bruderliebe ist die edelste Form der Liebe unter Menschen. Hoffnung ist die Antriebsquelle. Wo keine Hoffnung mehr ist, das ist keine Bewegung mehr, kein Antrieb. Der Glaube stützt sich auf Gott, die Liebe geht aus zu allen Heiligen, und die Hoffnung ist ausgerichtet auf den kommenden Herrn. All diese Dinge werden ausgeübt vor Gott. Unser Gewis-sen steht in der Ausübung dieser Dinge im Licht vor Gott.

Alle drei inneren Elemente werden hier gepaart mit ihrem äußeren Ausdruck. Es wird nicht nur von ihrem Glauben ge-sprochen, sondern von dem Werk des Glaubens. Ihr Glaube hatte sich im praktischen, täglichen Leben offenbart, hatte sich gezeigt. Er steht nicht so im luftleeren Raum, sondern er hat Beziehung und Auswirkung in unserem Leben, und es gab ein Werk des Glaubens bei ihnen. Ihr ganzes Leben war geprägt von ihrem Bemühen, es war wie ein einziges Werk. Und bei der Liebe gab es auch Bemühung; Liebe äußert sich nicht nur in Worten, vielmehr in Bemühung. Wir sollen nicht nur mit Worten lieben, sondern in Tat und Wahrheit (1. Joh 3,18). Und ihre Hoffnung war auch nicht so ei-ne nebulöse Sache, sondern sie hatte Ausharren und richtete sich direkt auf den Herrn Jesus Christus und Sein Kom-men.

Im Sendschreiben an Ephesus kann der Herr loben, aber er sagt dort folgendes: „Ich kenne deine Werke und deine Ar-beit (oder Mühe) und dein Ausharren“ (Off 2,2). Äußerlich lief der Wagen noch, da waren Werke, da war Arbeit und da war sogar noch Ausharren. Aber der Bezugspunkt zu dem eigentlichen göttlichen Element fehlte! Der Glaube wird nicht mehr genannt, die Liebe wird nicht mehr genannt, und die Hoffnung, Christus, wird nicht mehr genannt. Das ist erschütternd! Stehen wir nicht auch ein bisschen in dieser Gefahr? Wir sollten uns nicht mit äußerlichen Tätigkeiten zufrieden geben. Wir müssen uns vielmehr fragen: werden sie noch genährt vom Glauben, von der Liebe, und von der Hoffnung auf den Herrn Jesus?

In Ephesus waren Dinge vorhanden, die auch in Thessalonich vorhanden waren, nämlich Werk, Bemühung und Aushar-ren. Das ist das, was gesehen wurde, es ist etwas hervorgekommen, das man sehen konnte. Aber in Thessalonich wird nicht nur das was gezeigt, sondern auch das wie. Es geht jetzt um das wie. Wie war das Werk der Thessalonicher? Es waren hervorgekommen aus einer Glaubensbeziehung mit dem Herrn, nicht mit kaltem Herzen geschehen (vgl. 2. Tim 1,13). Wenn wir mit kaltem Herzen die Wahrheit festhalten, ist es reine Orthodoxie; aber wenn es verbunden ist mit ei-ner Liebe, und mit einem Glauben, einer praktischen Verbindung mit Gott, dann kann es das Rechte hervorbringen. Und das wie des Einsatzes war Liebe, Liebe zum Herrn und auch Liebe zu denen, an denen sie dienten. Und ihr Ausharren, ihr Darunter-Bleiben, war das Ausharren der Hoffnung. Das wie ihres Ausharrens war die Erwartung des Kommens des Herrn. In dem Wort Hoffnung kann auch Vertrauen gesehen werden (Röm 5,5). Es ist einerseits ein Erwarten des Herrn, es ist aber auch andererseits ein Vertrauen in den Herrn. Möchten wir auch in schwierigen Umständen ausharren im Vertrauen auf unseren Herrn.

Es ist auffallend, dass schon in 2. Thes 1,3 die Hoffnung nicht erwähnt wird (vgl. auch 1. Thes 3,6). Wie schnell kön-nen wir, gerade auch in übenden Umständen, die Erwartung des Herrn aus der Frische unseres Glaubenslebens verlie-ren. Und wenn eines dieser drei Kennzeichen wahren Christenlebens fehlt, dann werden auch die anderen nach und nach aufhören. Allerdings müssen wir bei den Thessalonichern auch berücksichtigen, dass der Grund für diese nachlas-sende Hoffnung wohl der Mangel an Belehrung über diese wichtige Wahrheit des Kommens des Herrn war.

„...wissend, von Gott geliebte Brüder, eure Auserwählung“ (Vers 4)

Der Apostel benutzt in diesem Brief immer wieder den Ausdruck Brüder, wenn er die Thessalonicher anredet, und schließt darin auch immer die Schwestern mit ein. Aber hier spricht er sie als von Gott geliebte Brüder an. Das höchste Motiv, Brüder und Schwestern zu lieben, ist die Tatsache, dass sie von Gott geliebt sind. Auch wenn wir vielleicht manchmal Mühe mit dem einen oder anderen haben, dann ist es immer gut, daran zu denken, dass unsere Brüder und unsere Schwestern von Gott geliebt sind. Dieser Ausdruck von Gott geliebt redet von der permanenten Liebe Gottes; Er hat sie geliebt und dass diese Liebe hält bis ans Ende an.

Dann spricht Paulus von der Auserwählung, allerdings behandelt er das Thema an sich hier nicht, das finden wir eher z.B. in Eph 1. Wenn er hier ihre Auserwählung anspricht, dann redet er die Thessalonicher nicht als Versammlung an, sondern als Brüder, als Einzelne. Auserwählung ist etwas Persönliches. Es geht hier also nicht um die Lehre von der Auserwählung, sondern um die Tatsache, dass Paulus wusste, dass die Thessalonicher auserwählt waren. Wie konnte er das wissen? Wusste er, als er nach Thessalonich kam und dort das Evangelium verkündigte, wer dort auserwählt war und wer nicht? Natürlich nicht. Aber nachdem er die Auswirkungen des neuen Lebens in den Thessalonichern gesehen hatte, das Werk des Glaubens, die Bemühung der Liebe und das Ausharren der Hoffnung, wusste er, dass es Auserwähl-te Gottes sind. An ihren Früchten, an dem sichtbaren Ergebnis der Verkündigung in dem Leben dieser jungen Gläubi-gen, konnte Paulus durch Beobachtung wissen, dass sie Auserwählte waren.

Was ist das für ein herrliches Zeugnis, wenn man Jungbekehrten ansieht, dass sie wirklich auserwählt sind, weil sie sich dementsprechend verhalten. Diese gewaltige Tatsache der Auserwählung können wir in unserem praktischen Leben als Menschen hier auf der Erde zum Ausdruck bringen. Offensichtlich war das auch bei dem Rufus so gewesen (Röm 16,13); die charakterisierende Auffälligkeit in seinem Leben, die dem Paulus ins Gedächtnis kam, als er an ihn dachte, war, dass man an ihm ein lebendiges Zeugnis von der alles überragenden Tatsache der ewigen Auserwählung sehen konnte.

Wir wollen in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass diese jungen Gläubigen aus Thessalonich nur über einen Zeitraum von ca. 3 Wochen mündliche Belehrungen von dem Apostel Paulus empfangen hatten; wir sind z.T. schon seit Jahrzehnten auf dem Weg des Glaubens, wir haben das ganze Wort Gottes in gedruckter Form in Händen, wir haben Konferenzen, der Herr hat uns Gaben gegeben zum mündlichen und schriftlichen Dienst, wir haben alle Quellen, alle Möglichkeiten offen – wie nutzen wir diese Möglichkeiten? Setzen wir das so um, wie diese Thessalonicher? Beschämt es uns, wenn wir in unseren Tagen des Endes so kurz vor dem Kommen des Herrn einen Blick tun dürfen in die Tage des Anfangs und sehen dürfen, was dieselbe Gnade Gottes damals in den Herzen der Gläubigen zuwege gebracht hat?

Von Gott auserwählt zu sein ist etwas ganz Großes! Sicher wollte der Apostel diese jungen Gläubigen mit dieser Be-merkung auch stärken und ermutigen (vgl. 2. Thes 2,13). Auch für uns kann es wichtig sein, daran erinnert zu werden, was wir durch Gottes Gnade sind, was für unendlich große Geschenke Er uns gemacht hat in Seinem Sohn.

Die Thessalonicher werden in diesen Versen mit drei kleinen unterschiedlichen Wörtern mit Gott in Verbindung ge-bracht:
• in Gott, dem Vater (Vers 1): das ist Vorrecht, Geborgenheit
• vor unserem Gott (Vers 3): das ist Verantwortung, und darin liegt ein gewisser Ernst; wir sind vor den Augen Gottes; vor den Augen Gottes zu stehen, ist etwas Ernstes (1. Kön 17,1); dessen müssten wir uns mehr bewusst sein
• von Gott (Vers 4): das ist Segnung; von Gott kommt aller Segen (Jak 1,17)

„Denn unser Evangelium war nicht bei euch im Wort allein, sondern auch in Kraft und im Heiligen Geist und in großer Gewissheit, wie ihr wisst, was wir unter euch waren um euretwillen“ (Vers 5)

In Vers 5 wird geschildert, wie das Evangelium zu den Thessalonichern gekommen war, in Vers 6+7 finden wir, wie es von ihnen aufgenommen wurde, und in Vers 8 wie es von ihnen weitergegeben wurde. Mit vier Umschreibungen stellt der Apostel vor, wie das Evangelium zu ihnen gekommen war. Und man kann wohl sagen, dass das vier Voraussetzun-gen für einen fruchtbringenden Dienst sind:
• nicht im Wort allein: Paulus hatte ihnen nicht nur eine Darlegung des Inhalts des Evangeliums in Worten ge-bracht, sondern er stand auch mit seiner ganzen Person hinter dieser Botschaft. Die Botschaft muss natürlich im Wort zu uns kommen, eine andere Quelle als dieses göttliche Wort gibt es nicht, um den Sünder zu über-führen und zur Buße zu leiten. Auch der Herr Jesus hat das Wort gepredigt (Mk 2,2; 4,14). Wir sind wiederge-boren durch das lebendige und bleibende Wort Gottes (1. Pet 1,23). Aber Paulus stand auch in einer tiefen in-neren persönlichen Beteiligung hinter diesem Dienst.
• in Kraft: nicht menschliche körperliche oder geistige Kraft oder Überzeugungskraft, denn die Kraft Gottes wird in Schwachheit vollbracht (2. Kor 12,9), sondern indem der Heilige Geist ihn führte, war sein Dienst kraftvoll vor Gott gewesen (vgl. 1. Kor 2,4); Paulus diente Gott in seinem Geist (Röm 1,9), d.h. mit der ganzen inneren Hingabe, mit allem inneren Engagement, nicht wie ein Beamter. Aber das Evangelium selbst ist auch Gottes Kraft (Röm 1,16), die in den Menschen wirkt; Gott hat uns einen Geist der Kraft, der Liebe und der Beson-nenheit gegeben (2. Tim 1,7), das meint nicht den Heiligen Geist als solchen, sondern eine durch Ihn bewirkte geistliche Gesinnung
• im Heiligen Geist: der Heilige Geist überführt den Sünder (Joh 16,8), Er führt in die Wahrheit ein, Er gibt Kraft zum Zeugnis, und Er weckt auch die Hoffnung auf das Kommen des Herrn. Wir müssen bedenken, dass Kraft und Leitung des Heiligen Geistes zwei verschiedene Dinge sind. Man spürte bei der Verkündigung die Leitung des Heiligen Geistes. Wissen wir das heute in der Praxis noch, was das bedeutet, das Wort unter der Leitung des Heiligen Geistes zu verkündigen? Das allein kann der Weg zum Segen sein! Ohne die Leitung des Heiligen Geistes kann es auch in unserem Dienst keine Kraft geben (vgl. Mk 1,22; 2. Kor 6,6+7)
• in großer Gewissheit: er eröffnete aus den Schriften und legte aus ihnen die Wahrheit über den Christus dar (Apg 17,2+3); er wusste, dass er Wahrheit redete. Was die Schriften prophetisch über Christus sagten, und was dieser Jesus von Nazareth gelebt hat, war identisch! Das führte zu dieser großen Gewissheit, dass er wusste, er konnte Wahrheit reden. Und er wusste auch, weil er es an sich selbst erlebt hatte, was für eine wunderbare ver-ändernde Kraft dieses Evangelium ist – das führt zu einer großen Gewissheit. Was von Gott kommt, ist völlig gewiss, nichts anderes auf dieser Erde ist wirklich gewiss.

Neben diesen Punkten müssen wir noch das beachten, was die Apostel selbst uns vorgelebt haben (Apg 6,4): sie ver-harrten im Gebet und im Dienst des Wortes; und dabei ist die Reihenfolge außerordentlich wichtig. Wenn das Gebet nicht da ist, dann wird der Dienst des Wortes nur noch hohl sein und keine Kraft haben.

Dieser Vers 5 hat neben dieser Seite des Verkündigers auch noch eine zweite Seite. Der Apostel also sprach das Wort Gottes, er sprach es in der Kraft Gottes und unter der Inspiration des Heiligen Geistes und in großer Gewissheit. Wenn jemand so spricht, dann hat das auch eine Wirkung auf die Zuhörer, und das ist dann die zweite Linie dieses Verses. Der Prediger findet durch die Art, wie er predigt, einen gewissen Niederschlag. Das kann gar nicht anders sein. Paulus hat das Wort verkündigt, und wenn irgend etwas zum Leben führen kann, dann ist es das Wort, angewandt in der Kraft Gottes. Die Zuhörer haben das Wort aufgenommen, weil es das Wort Gottes war, weil es mit Kraft gebracht wurde, und das führte sie zum Glauben, zur Bekehrung. Und wo der Heilige Geist wirken und zum Glauben führen konnte, gibt Er auch das Bewusstsein Seiner Gegenwart, das ist sehr wesentlich! Wer durch das verkündigte Wort zum Glauben geführt wurde, empfängt auch den Heiligen Geist als das Siegel der Erlösung. Und dann fehlt es auch nicht an der Gewissheit, solche Gläubige haben auch eine tiefe Gewissheit im Blick auf das, was sie gelernt und erfahren haben. Sie wissen, dass das, was sie geglaubt haben, die Wahrheit ist.

Dieser Vers zeigt also, dass es darauf ankommt, wie der Dienst ausgeführt wird. Paulus hatte um der Thessalonicher willen auf vieles verzichtet; er hatte selbst gearbeitet, er wollte das Evangelium kostenfrei machen. Durch dieses Ver-halten hat er die typische Taktik Satans verhindert, der immer versucht, einen Keil zu setzen zwischen die Gläubigen und die Diener. Wir wollen aber auch festhalten, dass Gott auch dann, wenn die Botschaft mangelhaft gebracht wird, doch größer ist und Gutes bewirken kann.

Wenn wir diese Verse richtig verstehen wollen, müssen wir bedenken, dass Paulus ein Apostel war, ein spezielles Werkzeug in der Hand Gottes, das Er gebrauchte, um die christliche Wahrheit vorzustellen. Und er hat auch inspiriert durch den Geist Gottes gesprochen. Deshalb können wir hier nur allgemeine Grundsätze für uns entnehmen. Wir ver-gleichen uns nicht mit Paulus, wir sind keine Apostel, aber diese Grundsätze sind auch wahr, wenn wir heute dem Herrn dienen. Der Apostel Paulus hatte einen Dienst für den Herrn, und er lebte ein Leben mit dem Herrn. Es besteht die Ge-fahr, dass wir nur noch den Dienst sehen, aber wir haben auch ein Leben zu leben mit dem Herrn. Paulus konnte das unterscheiden, aber auch miteinander verbinden: das Leben mit dem Herrn gibt dem Dienst für den Herrn die Kraft! Er zeigt also hier am Anfang dieses Verses seinen Dienst, und am Ende des Verses sein Leben, das er vor ihnen gelebt hatte, was er unter ihnen gewesen war.

„Und ihr seid unsere Nachahmer geworden und die des Herrn, indem ihr das Wort auf-genommen habt in vieler Drangsal mit Freude des Heiligen Geistes“ (Vers 6)

Vers 6 zeigt dann, dass es nicht nur darauf ankommt, wie die Botschaft gebracht wird, sondern auch darauf, wie sie aufgenommen wird. Die Thessalonicher hatten sie aufgenommen, trotz Drangsal. Dadurch unterschieden sie sich von dem steinigen Ackerboden, wo sofort, wenn Drangsal kommt, das Wort aufgegeben wird (Mt 13,20+21). Das Nachah-men hier an dieser Stelle scheint tatsächlich den speziellen Aspekt zu haben, dass es eng mit der Drangsal zusammenhängt. Sie hatten den Apostel auch darin nachgeahmt, dass sie Drangsal erduldet hatten, wie auch er.

Die Thessalonicher waren Nachahmer der Apostel geworden und des Herrn. Warum diese Reihenfolge? Sie sahen im Leben von Paulus, dass er selbst Christus nachahmte (1. Kor 11,1; 4,16; Phil 3,17). Und sie wurden dadurch, dass sie Paulus nachahmten, zu dem Herrn selbst geführt. Die Korinther allerdings und die Philipper müssen noch aufgefordert werden, Nachahmer zu werden, von den Thessalonichern wird zweimal bestätigt, dass sie es bereits waren (Vers 6; 2,14). Sie stellten damit die in den Schatten, die schon weit länger auf dem Weg des Glaubens waren.

Nachahmen meint nicht Nachfolgen. Es gibt nur Einen, der sagt: Folge mir nach! Brüder dürfen das niemals tun. Es sind verkehrte Männer, die in der Mitte der Gläubigen Jünger hinter sich abziehen (Apg 20,30). Wir alle sollen dem Herrn nachfolgen, das tat Paulus und das taten auch die Thessalonicher. Aber nachahmen dürfen wir Brüder sehr wohl, ihren Glauben (Heb 13,7). Nachahmen meint auch nicht imitieren! Wenn wir nur imitieren, werden wir Formalisten.

Wir brauchen in unserer Zeit zunehmender Desorientierung, wo alles infrage gestellt wird, Vorbilder, die Impulse zu guter geistlicher Nachahmung geben. Möchte Gott es schenken, dass wir in den Familien, in den örtlichen Versamm-lungen für die nachwachsende Generation immer solche Vorbilder haben oder es selbst sind. Nachahmung kann ganz allgemein unter zwei Gesichtspunkten gesehen werden: wir sollen die Gesinnung des Herrn nachahmen (Phil 2,5), und auch Seinen Wandel (1. Pet 2,21).

Auch uns heute begleiten Drangsal und die Freude des Heiligen Geistes, wenn wir für den Herrn arbeiten. Wir erfahren die Gnade des Herrn, die uns mit tiefer Freude erfüllt, gewirkt durch den Heiligen Geist. Immer, wenn wir festhalten an der Wahrheit und für sie einstehen, wird das den Feind reizen, uns zu schaden und uns in Drangsal zu bringen. Wir müssen die Bereitschaft haben, auch für den Herrn zu leiden, wie Er es auch dem Apostel am Anfang gesagt hatte (Apg 9,16). Das kann aus der eigenen Familie kommen oder aus der Verwandtschaft, sogar von den Geschwistern, die nicht die ganze Wahrheit festhalten wollen. Wir werden erleben, dass alle, die gottselig leben wollen in Christus Jesus, ver-folgt werden (2. Tim 3,12).

Wenn hier von den Thessalonichern gesagt wird, dass sie das Wort mit Freuden aufgenommen haben, dann ist das nicht die Beschreibung ihrer Bekehrung. Ein Mensch, der sich bekehren will, wird nie das Wort mit Freuden aufnehmen, das zeigt das Gleichnis von dem Sämann (Mt 13,20+21). Dort fällt der Same auf das Steinige und geht alsbald auf, weil er das Wort mit Freude aufnimmt. Das ist nicht etwas Gutes, der Herr Jesus verurteilt das und sagt, dass es wertlos sei, weil es keine Wurzel hat. Es ist ganz wichtig, dass wir das Wort nicht mit Freuden aufnehmen. Es kann nicht sein, wenn Gott uns sagt, dass wir Sünder sind, dass wir verloren sind, dass wir die ewige Verdammnis verdient haben, dass das für uns ein Gegenstand der Freude ist. Das Gleichnis von dem vierfältigen Ackerboden wird uns zu unserer Information vorgestellt, damit wir wissen, wie das Evangelium aufgenommen wird. Wenn die Hörer der Botschaft Freude haben, dann sollten wir selbst keine Freude daran haben, denn es hat keine Wurzeln. Und wenn wir empfinden, dass durch un-sere Bemühungen oft so wenig Frucht hervorkommt, dann hat uns dieses Gleichnis darauf vorbereitet. Der Herr hat das vorausgesehen und es uns in diesem Gleichnis gezeigt. Nicht alles, was wir ausstreuen, wird auch angenommen. Aber auch heute noch gibt es auch das gute Ackerfeld! Es gibt heute noch Menschen, die zum Glauben kommen. Da sagt der Herr Jesus übrigens auch nicht, dass das die Leute sind, die sich freuen. Er sagt, dass das solche sind, die das Wort aufnehmen und verstehen (Mt 13,23). Und bei diesen gibt es nur bei einer Art Frucht, und da auch nicht überall hundert Prozent. Welch ein Trost! Ob und wieviel Frucht aus unserer Verkündigung hervorkommt, hängt durchaus nicht allein von der Predigt und dem Prediger ab. Auch der Hörer hat eine ganz gewaltige Verantwortung.

Die Thessalonicher hatten grundsätzlich das Wort aufgenommen mit Freuden, sie waren bereit, den ganzen Umfang des Wortes Gottes, wie es nach ihrer Bekehrung zu ihnen kam, mit der Freude des Heiligen Geistes aufzunehmen. Es ist al-so eine Freude, die der Heilige Geist hervorruft, nicht Seine eigene Freude. Ist das nicht beglückend für uns heute? Wir säen heute mit Tränen (Ps 126,5+6), wir tragen mit Tränen den Samen zur Aussaat, weil die Geschwister nicht das tun, was sie hören. Aber das ändert nichts an der Freude, die der Heilige Geist trotz Missachtung, trotz Nachstellung, trotz Unverstanden-Bleiben, hervorruft. Es ist eine Realität, der in uns wohnende Heilige Geist gibt uns die Gewissheit, und Er gibt uns auch die Freude! Ohne Freude wird kein Dienst recht geschehen. Der Dienst muss hervorkommen aus einer ruhigen genossenen Gemeinschaft mit Gott. In diesem Sinn ist Freude nicht wie so ein herabstürzender Bach, wie Bruder Darby die Freude einmal vergleicht, sie ähnelt hier sehr dem Frieden, ist nicht so geräuschvoll, sondern tiefe innere Freude. Wie kann die Freude des Heiligen Geistes doch beglücken!

Jakobus sagt, dass wir mit Sanftmut das eingepflanzte Wort empfangen sollen (Jak 1,21), nicht mit Auflehnung oder Rebellion, sondern mit der inneren Bereitschaft, das Wort aufzunehmen. Der Apostel hatte in den drei Wochen viel-leicht jeden Abend reden können und hatte ihnen doch einiges mitgeben können von der christlichen Freude. Wahrscheinlich hat er tagsüber mit seinen eigenen Händen gearbeitet, und am Abend hat er zu ihnen gesprochen und ihnen manches vorgestellt. Sie hatten es aufgenommen, und es hatte ihnen Drangsal gebracht.

„...so dass ihr allen Gläubigen in Mazedonien und in Achaja zu Vorbildern geworden seid“ (Vers 7)

Diese jungen Gläubigen waren durch ihr Aufnehmen des Wortes einer ganzen Landschaft zu Vorbildern geworden. Landauf, landab wurde von diesen Gläubigen aus Thessalonich gesprochen, Mazedonien und Achaja waren die beiden Hauptgegenden Griechenlands, mit einer Ausdehnung von ca. 300 km zwischen Thessalonich und Achaja. Als Illustration kann uns ein Vergleich dienen: wenn heute in Stuttgart geredet würde über unseren Glauben und unsere Liebe hier in Dillenburg, dann hätten wir ungefähr diese Entfernung. Es war wie eine Erweckung, von der das Echo weit in die Umgebung erschollen ist. Durch Thessalonich lief eine römische Heeresstraße, die vom Osten in den Westen des römi-schen Reiches führte. Und die Thessalonicher werden sich überlegt haben, wie sie diese natürlichen Gegebenheiten nut-zen konnten für die Ausbreitung des Evangeliums. Auch heute müssen wir so überlegen, wo der Herr uns ganz natürli-che Gelegenheiten schenkt, die wir für ihn nutzen sollen.

Das Wort Vorbild hat unbedingt eine doppelte Bedeutung. In 1. Kor 10,11 ist Vorbild ein Gegenbild, eine Art Voraus-schau. Es ist ein Vorbild in dem Sinn, dass etwas vorher schon da ist, bevor dann das erscheint, wovon es redet. Die Op-fer des Alten Testaments sind in diesem Sinn ein herrliches Vorbild auf das Werk und die Person Christi. Die zweite Bedeutung von dem Vorbild haben wir hier in dem Sinn von Muster oder vorbildlich. Jemand ist in sittlicher Hinsicht ein Vorbild für das Verhalten von anderen. Vorbilder können sowohl junge Gläubige (1. Tim 4,12) als auch ältere Gläu-bige sein (1. Pet 5,2+3); es ist also nicht vom Alter abhängig, ein Vorbild zu sein (auch Jak 5,10).