„Deshalb, da wir es nicht länger aushalten konnten, gefiel es uns, in Athen allein gelassen zu werden“ (Kap 3,1)

In Kapitel 3 haben wir drei Abschnitte, die das Kapitel auch sehr gut einteilen. In den Versen 1–5 finden wir, wie Paulus den Timotheus nach Thessalonich gesendet hat, und warum er das getan hat. Die Verse 6–10 zeigen uns die Freude des Apostels Paulus über die Nachricht, die Timotheus über den Zustand der Thessalonicher gebracht hatte. Und die Verse 11–13 sind ein indirektes Gebet, das der Apostel Paulus für die Thessalonicher hatte im Hinblick auf die beiden großen Themen Liebe und Heiligkeit, und das wird dann wieder verbunden mit der Ankunft unseres Herrn Jesus mit allen Seinen Heiligen.

Paulus war über Beröa nach Athen gegangen, dort waren seine Mitarbeiter Timotheus und Silas wieder mit ihm zu-sammengetroffen. Paulus konnte die beiden gut gebrauchen, es waren wichtige Mitarbeiter für ihn. Und trotzdem wollte er lieber in Athen allein gelassen werden und sandte Timotheus nach Thessalonich. Dieses allein gelassen werden hat wirklich den Gedanken von Einsamkeit. Aber „die Liebe sucht nicht das Ihre“ (1. Kor 13,5). Paulus hätte Timotheus für sich gebrauchen können, aber er gab ihn trotzdem zurück nach Thessalonich – ein Ausdruck seiner Liebe für die Thes-salonicher.

Was konnte wohl Paulus nicht länger aushalten? Wenn wir diesen Ausdruck gebrauchen, meinen wir meistens unsere eigenen Umstände und Schwierigkeiten und Nöte, in denen wir uns befinden und von denen wir meinen, dass wir sie nicht länger aushalten können. Das meint Paulus hier nicht. Er konnte die Ungewissheit nicht länger aushalten, nicht zu wissen, wie es um seine geliebten Thessalonicher stand. Er hatte also das Wohl der anderen vor Augen, und deswegen war er bereit, seine eigene Situation menschlich gesprochen noch zu erschweren, und es gefiel ihm, allein gelassen zu werden.

Dieses Wort aushalten kann auch übersetzt werden mit ertragen, es kommt viermal im Neuen Testament vor (1. Kor 9,12; 13,7; 1. Thes 3,1+5). Die beiden Stellen im 1.Korinther-Brief zeigen dabei die positive Seite, wie weit die neue Natur in dem Gläubigen ertragen kann, und die beiden Stellen in diesem Brief, dass sie Ungewissheit im Blick auf den Zustand der Mitgeschwister nicht aushalten kann.

„...und wir sandten Timotheus, unseren Bruder und Mitarbeiter Gottes in dem Evange-lium des Christus, um euch zu befestigen und zu trösten hinsichtlich eures Glaubens“ (Vers 2)

Obwohl Timotheus noch jung war und noch gar nicht solange Reisebegleiter des Apostels war, war er offensichtlich doch qualifiziert für eine derart wichtige Aufgabe. Wir finden mehrere Aufgaben und Dienste, die er übernoommen hat: er war in Korinth und hat dort etwas ausgerichtet im Auftrag von Paulus (1. Kor 4,17; 16,10); später sehen wir, wie er einen Dienst in Ephesus getan hat (1. Tim 1,3 ff.), auch nach Philippi wollte Paulus ihn senden, weil er keinen Gleich-gesinnten hatte, der von Herzen für das Ihre besorgt sein würde (Phil 2,19+20). Und hier wird er nach Thessalonich gesandt mit dieser wichtigen Aufgabe, die Gläubigen dort zu befestigen und zu trösten.

Bruder und Mitarbeiter Gottes in dem Evangelium des Christus ist eine schöne Bezeichnung für einen jungen Diener des Herrn. Es ist immer wieder Mut machend, dieses Beispiel des Paulus und Timotheus zu sehen, wie sie Mitarbeiter waren mit anderen zusammen unter der Führung Gottes. Es ist eine besondere Gnade, wenn Ältere so mit Jüngeren ge-meinsam am Werk des Herrn arbeiten. Wenn er ihn als Bruder bezeichnet, dann weist das darauf hin, dass sie alle Le-ben aus Gott besaßen, sie waren Brüder unter Brüdern. Aber sie wussten auch, dass sie alle vom Herrn eine Aufgabe empfangen hatten, dass es ein Werk des Herrn gab, und darin waren sie alle Mitarbeiter. Paulus fand seine eigene Ge-sinnung wieder in dem Herzen des jungen Timotheus. Der jüngere Timotheus trug die gleiche Sorge um die Versamm-lung in seinem Herzen wie der ältere Apostel. Möchte der Herr es schenken, dass auch in dieser Zeit bis zu Seinem Kommen, wo das Werk des Herrn noch betrieben werden kann, Ältere und Jüngere zusammengestellt gemeinsam an der Sorge um die Versammlung tragen!

Wenn Timotheus von uns als jüngerer Bruder bezeichnet wird, fragen wir uns vielleicht, wie alt er hier gewesen sein mag; wie lange kann man sich wohl noch als einen jüngeren Bruder bezeichnen? Grundsätzlich wollen wir doch einmal klar stellen, dass z.B. ein 45-jähriger Familienvater, der im Beruf seinen Mann steht, kein jüngerer Bruder mehr ist. Es ist aber natürlich auch immer eine Frage der Perspektive und der Relation. Im Verhältnis zu dem Alter und der Erfah-rung des Apostels Paulus war Timotheus der jüngere Bruder. Wir wissen von beiden Dienern des Herrn nicht genau, wie alt sie zu diesem Zeitpunkt gewesen sein mögen. Aber Timotheus muss zur Zeit des 1.Thessalonicher-Briefes tat-sächlich noch sehr jung gewesen sein, denn über 10 Jahre später schreibt Paulus an ihn: „Niemand verachte deine Ju-gend“ (1. Tim 4,12); er sagt damit gleichsam: „Sieh dich vor, dass niemand auf den Gedanken kommt, dir deine Jugend zum Vorwurf zu machen“! Und am Ende des Lebens und Dienstes von Paulus war er der Vertrauteste für den Apostel gewesen. Ist das nicht eine Motivation für Jüngere, mit den Älteren Umgang zu haben, um von ihnen zu lernen und ihnen dann auch eine Stütze zu sein!

In Kap 2,18 haben wir gefunden, wie Satan verhindern wollte, dass Paulus zu den Thessalonichern kam – aber die Lie-be findet trotzdem einen Weg. Der Herr verbindet jetzt diese Glieder Seines Leibes durch ein anderes Gelenk der Dar-reichung, durch diesen Timotheus. Auch in unseren Tagen mit allen Schwierigkeiten und Problemfelder kann die Liebe immer einen Weg finden. Gott wird mit Seinen Möglichkeiten nicht in Verlegenheit kommen, auch wenn die Probleme sich häufen. Auch in unserer Ausweglosigkeit gibt es immer einen Ausweg (2. Kor 4,8).

Das Evangelium des Christus zeigt uns den Inhalt dieses Evangeliums. Das Evangelium Gottes ist der Ursprung, das Evangelium des Christus ist der Inhalt, das Evangelium der Gnade Gottes ist das Mittel, wie es zu uns kommt, und das Evangelium der Herrlichkeit ist das Ziel des Evangeliums.

Die Aufgabe von Timotheus bestand darin, die Thessalonicher zu befestigen und zu trösten hinsichtlich ihres Glaubens. Der Ausdruck Glauben kann Verschiedenes bedeuten, es kann den rettenden Glauben meinen, die Hand, die das Gna-denangebot Gottes im Glauben ergreift. Es kann auch das meinen, was wir glauben, also das Glaubensgut, worin wir weiter unterwiesen werden müssen, wenn wir noch jung im Glauben sind. Dann kann Glauben auch das Glaubensver-trauen meinen, und darum geht es hier. Wenn es Verfolgungen gibt, besteht die Gefahr, dass der Glaubende in diesem Glaubensvertrauen wankend wird. Gerade das ist es, was Satan durch seine Angriffe erreichen will Darüber hatte Pau-lus Sorge im Blick auf die Thessalonicher. Denn wenn das Glaubensvertrauen wankend wird, steht der Glaubensweg auf dem Spiel! Deshalb brauchen wir darin Befestigung und Tröstung, damit wir nicht vom Glaubensweg abweichen. In Apg 15,32 finden wir diese beiden Stücke in umgekehrter Reihenfolge, und auch Paulus selbst kannte sie gut (Röm 1,11+12).

Befestigen ist Stärken, und was befestigt uns? Es ist die Wahrheit des Wortes Gottes. Das Befestigen hat es also mit dem Dienst eines Lehrers zu tun, der Wahrheiten vermittelt, Grundlagen vermittelt, die unser Glaubensvertrauen stär-ken, damit wir einen festen Stand haben auf den Belehrungen des Wortes Gottes. In dem Trösten kommt dann nicht ein-fach eine Gefühlssache zum Ausdruck, sondern wir werden auch dadurch getröstet, dass wir erkennen, was Gott be-zweckt mit den Dingen, die in unserem Leben vorkommen. Trösten nimmt die augenblickliche Not nicht unbedingt weg, aber das Ertragen dieser Not wird dadurch gemildert. Trösten ist also mehr der Hirtendienst; dieses Wort kann auch mit ermuntern oder ermahnen übersetzt werden. Timotheus war also bereits zu diesem Zeitpunkt ein Lehrer, der die Wahrheit brachte, und er war auch schon ein Hirte, der ermuntern und trösten konnte. Und aus den Briefen des Apostels Paulus wissen wir auch, dass er eine Aufgabe als Evangelist hatte (2. Tim 4,5). Er war schon ein besonderes Werkzeug in der Hand Gottes mit großen Fähigkeiten und geistlichem Potential, was hier ganz am Anfang seiner Dienstlaufbahn schon deutlich wird.

Zu einem Dienst für den Herrn gehören zwei Grundvoraussetzungen: einmal die Fähigkeit und zum anderen die demü-tige Willigkeit. Eine dieser Voraussetzungen allein genügt nicht. Es hat viele befähigte Brüder gegeben, die keine Wil-ligkeit hatten; andererseits hat es auch immer wieder willige Brüder gegeben, die aber keine Fähigkeit besaßen. Das sei einmal jedem gesagt, der sich die Frage stellt, ob der Herr ihm eine Aufgabe gegeben hat. Manchmal stellt man sich ja diese Frage; welche Aufgabe man hat, ob man dem Herrn dienen möchte und so ähnlich. Allerdings sollte man sich niemals die Frage stellen, ob man die Aufgabe hat, dem Herrn zu dienen, denn diese Aufgabe hat jeder von uns. Wir müssen einfach das tun, was vor unseren Füßen liegt, und dann wird der Herr weiter zeigen und helfen. Und das kann dann soweit führen, dass man vor der Entscheidung steht, entweder das eine (den irdischen Beruf) oder das andere (ganz für den Herrn) zu tun.

„...damit niemand wankend werde in diesen Drangsalen. (Denn ihr selbst wisst, dass wir dazu gesetzt sind; denn auch als wir bei euch waren, sagten wir euch vorher, dass wir Drangsale haben würden, wie es auch geschehen ist und ihr wisst.)“ (Vers 3+4)

Bei Timotheus war jedenfalls beides vorhanden, Fähigkeit und demütige Willigkeit. Und er war einer, der befähigt war, andere im Glauben zu bestärken. Wie viel Gespräche werden manchmal geführt, um Gläubige in anderer Hinsicht zu stärken, aber es gibt nur eine Stärkung: den anderen dahin zu führen, dass er fest im Glauben auf eigenen Füßen stehen kann und nicht von jedem Wind der Lehre hin und her bewegt wird, wenn Drangsale und Prüfungen kommen.

Timotheus sollte nicht nur die Thessalonicher allgemein und insgesamt befestigen und trösten, sondern der Ausdruck niemand weist darauf hin, dass er auch einen Dienst an den Einzelnen tun sollte. Nicht wankend werden ist ein wenig negativ formuliert. Petrus drückt es in positiver Sicht aus und stellt die öffentliche Bewährung des Glaubens unter Be-lastung in den Vordergrund (1. Pet 1,7+8).

Es scheint, dass der Klammersatz dann auch ein wenig erläutert, was Befestigen und Trösten meint. Er belehrt uns näm-lich darüber, dass wir zu Drangsalen gesetzt sind, wir sollen uns nicht wundern über Drangsale in unserem Glaubensle-ben. Und das ist doch gerade Belehrung, wenn uns vorgestellt wird, was das eigentliche Teil der Gläubigen ist. Und of-fenbar hatte Paulus den Thessalonichern das auch schon in den höchstens vier Wochen seines ersten Besuches unter ihnen gesagt. Auch unsere Evangelisten stellen das Glaubensleben nicht nur als sonnige Zeiten vor, denn Verfolgung und Not und Sorgen und Missachtung sind echte Bestandteile des christlichen Lebens. Auch der Herr Jesus selbst hatte Seine Jünger vorgewarnt (Joh 16,2+4); aber Sein Herz wird so recht deutlich in Seinen Worten: „Dies aber habe ich euch von Anfang an nicht gesagt, weil ich bei euch war“. Er hatte es ihnen nicht gleich zu Anfang Seiner drei Jahre un-ter ihnen gesagt, weil Er da noch bei ihnen war und sich solange vor Seine Jünger stellte! Aber jetzt würde Er wegge-hen, und dann würden sie der Drangsal direkt ausgesetzt sein, und deshalb sagt Er es ihnen jetzt. Welch ein wunderba-rer Herr!

Wir finden in der Schrift verschiedene Gründe für Drangsal und Verfolgung. Was z.B. die gläubigen Hebräer erdulde-ten, war zur Züchtigung (Heb 12,7); man konnte unter diesen Leiden der Verfolgung die Absicht Gottes erkennen, dass Er sie zurechtbringen wollte. Eine andere Seite finden wir in 1. Pet 4,12, wo gesagt wird, dass das Feuer der Ver-folgung den Gläubigen zur Prüfung ihres Glaubens geschieht. Das sind also verschiedene Charaktere der Drangsal, die sich doch in der gleichen Art und Weise äußern.

Vielleicht empfinden wir, dass wir es sehr schön erklären können, wie man feststehen kann im Glauben und nicht wan-kend wird darin. Aber wenn wir an unsere Praxis denken, müssen wir da nicht Sorge haben? Denken wir nur an die Zeit des letzten Krieges. Es sind nicht mehr viele unter uns, die das noch miterlebt haben. Als die Zeit des Versammlungs-verbotes kam, da ist der größte Teil der Geschwister weggegangen. Wer von uns will sich davon freisprechen? Welch ein Trost ist das Wort des Herrn an Petrus: „Ich habe für dich gebetet, damit dein Glaube nicht aufhöre“ (Lk 22,32), und dann auch das Wort des Petrus selbst: „Wir werden bewahrt durch Gottes Macht durch Glauben“ (1. Pet 1,5)!

„Darum habe ich ihn auch, da ich es nicht länger aushalten konnte, gesandt, um euren Glauben zu erfahren, ob nicht etwa der Versucher euch versucht habe und unsere Arbeit vergeblich gewesen sei“ (Vers 5)

Dieser Vers ist keine reine Wiederholung von Vers 1, sondern hier wird ein weiterer Grund der tiefen Herzensbesorgnis des Apostels Paulus vorgestellt. In Vers 1 war es die Sorge, dass die Thessalonicher vielleicht angesichts der Drangsal nicht standgehalten hätten; hier ist es die Sorge wegen der großen Gefahr, dass vielleicht der Versucher sie versucht hät-te. Der Versucher sät Zweifel in das Herz, und das ist eine ganz andere Gefahr als Verfolgung und Drangsal, vielleicht sogar noch gefährlicher. Halten wir an dem fest, was schon unsere Liederdichter voll Zuversicht erfahren und in Worte gefasst haben:
„Will Not uns niederbeugen und sich kein Ausweg zeigen – genug, dass Du die Liebe bist!
Will uns der Feind betören, durch Zweifel gar uns stören – genug, dass Du die Liebe bist!“

Der Versucher ist der Teufel, und der hat Ziele. Worin besteht die Versuchung? Er will die Thessalonicher damals und auch die Gläubigen heute vom Weg des Glaubens abbringen. Er will sie der Gemeinschaft der Gläubigen entziehen und sie zurücklocken in die Welt. Er sagt gleichsam: „Stellt euch doch nicht auf die Seite des Verachteten; ihr seht doch, dass euch das nur Drangsal und Verfolgung und Schmach einbringt! Steelt euch doch auf die Seite der vermeintlichen Sieger! Dann wird es euch viel besser ergehen“. Und deshalb appelliert Paulus durch den Timotheus an ihre Gefühle und Empfindungen für Paulus und sagt ihnen: „Wenn ihr das aufgebt, die Botschaft, die ich euch gebracht habe, dann habe ich keine Früchte meiner Arbeit bei euch, dann ist meine Arbeit bei euch vergeblich gewesen“. Die Briefe zeigen uns, dass seine Arbeit nicht vergeblich gewesen ist. Auch im Brief an die Philipper richtet er einen ähnlichen Appell an die Empfänger, für die er solche Empfindungen der Zuneigung hatte (Phil 2,16; vgl. auch Gal 4,11); ähnlich schreibt auch Johannes (1. Joh 2,28). Denken wir als Empfänger des Dienstes unserer Brüder auch schon einmal daran, dass wir durch unser Verhalten dazu beitragen können, dass ihre Arbeit nicht vergeblich gewesen ist?

Bemühung im Werk des Herrn ist wirklich Arbeit, Mühe und Anstrengung, sie ist kein Spaziergang. Werk des Herrn können wir nicht so nebenbei betreiben. Und dann ist es doch auch verständlich, dass die Diener ein großes Interesse an den Ergebnissen dieser Arbeit haben, dass sie nicht vergeblich geschehen ist.

1. Thes 2,19+20 zeigt die feste Zuversicht des Apostels, dass die Thessalonicher seine Herrlichkeit und Freude waren. Er war der festen Überzeugung, dass das an ihnen geschehene Werk Frucht gebracht hatte. Vielleicht fragen wir uns, warum er dann in diesem Vers die Sorge hatte, dass seine Arbeit an ihnen vergeblich gewesen wäre? Schwankte er etwa zwischen Zuversicht und Sorge? Nun, die Sorge, die er hier in diesem Vers ausdrückt, bewegte sein Herz, bevor Timotheus von den Thessalonichern zu ihm zurückgekehrt war, deshalb hatte er ihn gesandt; während das, was er in Kap 2,19+20 schreibt, in dem Wissen dessen geschrieben wurde, was Timotheus ihm berichtet hatte, und was jetzt ab Vers 6 ausführlich beschrieben wird.

„Jetzt aber, da Timotheus von euch zu uns gekommen ist und uns die gute Botschaft von eurem Glauben und eurer Liebe verkündet hat und dass ihr uns allezeit in guter Erinne-rung habt, indem euch sehr verlangt, uns zu sehen, wie auch uns euch“ (Vers 6)

Ab Vers 6 haben wir dann den Bericht des Timotheus, den er dem Apostel Paulus nach seiner Rückkehr von Thessalo-nich gibt. Und schon das aber zu Beginn drückt einen gewissen Gegensatz zu der Sorge in Vers 5 aus, sie hatte sich durch die gute Nachricht aufgelöst. Der Ausdruck gute Botschaft wird sonst im Neuen Testament für die Verkündigung des Evangeliums gebraucht. Und diese Nachricht durch den Timotheus hatte für den Apostel eine solche Bedeutung, als wenn woanders das Evangelium verkündigt würde.

Was war denn die gute Botschaft, die Timotheus mitgebracht hatte? War es, dass die Verfolgungen aufgehört hatten in Thessalonich? Das würden wir vielleicht als eine gute Botschaft empfinden. Nein, die äußere Situation in Thessalonich hatte sich überhaupt nicht verändert, die Drangsal war nicht zu einem Ende gekommen. Heute gehen unsere Gebete für bedrängte Glaubensgeschwister oft dahin, dass ihre Drangsal zu Ende gehen möchte, und das hat sicher auch absolut seinen Platz. Aber für Paulus bestand die gute Botschaft darin, dass er von ihrem festen Glaubensvertrauen in Gott und ihrer Liebe untereinander und zu Paulus und auch zu ihren Feinden hörte.

Wir sollten nicht zu viel Betonung darauf legen, dass hier in diesem Vers die Hoffnung als das dritte Element des christ-lichen Glaubenslebens nicht erwähnt wird. Man kann nicht daraus schließen, dass die Hoffnung bei den Thessaloni-chern weniger geworden war, denn die Situation hier war ja nicht anders, als in 1. Thes 1,3.

Und dann wird auch noch deutlich, dass es dem Versucher auch nicht gelungen war, einen gewissen Keil zwischen Pau-lus und die Thessalonicher zu treiben. Die Drangsale der Thessalonicher hatten es also nicht vermocht, die Beziehungen der Thessalonicher horizontal zu ihrem Gott und vertikal zueinander und zu dem Apostel und seinen Mitarbeitern zu stören. Ist es nicht auch heute bei uns ein Bemühen des Versuchers, Keile zu treiben in die glücklichen Beziehungen zwischen Dienern untereinander und auch zwischen Dienern und solchen, die bedient werden? Die Thessalonicher hat-ten Paulus in guter Erinnerung behalten; das meint nicht ihren Charakter als menschlich nette Leute, sondern als Boten Gottes, die Worte Gottes zu ihnen gebracht hatten. Und sie hatten auch in guter Erinnerung behalten, wie Paulus und seine Mitarbeiter unter ihnen gedient hatten. Wirkt das, was Diener Gottes im Auftrag Gottes uns gebracht haben, auch in unserem Herzen fort? Das führt zu einer besonderen Verbindung und einem gegenseitigen Sehnen zueinander, die dann auch der Versucher nicht so schnell stören kann.

Was anders hätte Paulus wünschen können, dass es bei den Thessalonichern von ihm in Erinnerung blieb? Christus war es, allein Christus, den er ihnen immer vorgestellt hatte. So war sein Dienst in Korinth gewesen (1. Kor 2,2), und so war er sicher auch an jedem anderen Ort. Es ist auch interessant, die Korinther noch in einer anderen Hinsicht mit den Thes-salonichern zu vergleichen. In Korinth hatte Paulus achtzehn Monate gearbeitet, in Thessalonich höchstens vier Wo-chen. Von den Korinthern musste er klagen, dass er umso weniger von ihnen geliebt wurde, je mehr er sie liebte (2. Kor 12,15). Dagegen konnte er von den Thessalonichern er die frohe Botschaft hören, dass sie sich sogar nach ihm sehnten.

Die Aufnahmebereitschaft eines Dieners ist ein Indikator für den geistlichen Zustand eines Gläubigen oder gar einer ganzen örtlichen Versammlung! Wir können nicht einfach darüber hinwegsehen, wenn z.B. Hausbesuche von Dienern nicht mehr erwünscht werden; der Herr verbindet sich mit Seinen Dienern (Joh 13,20), und wer einen Diener ablehnt, lehnt auch den ab, der ihn gesandt hat, den Herrn selbst! Was ist in einem solchen Fall zu tun? Müssen wir solange auf sie einreden, bis sie sich besuchen lassen? Wohl nicht, aber darüber hinweggehen dürfen wir auch nicht. Die Brüder am Ort haben da eine sehr hohe Verantwortung und benötigen viel Weisheit im Umgang damit. Lasst uns nicht die Augen verschließen vor dieser traurigen Entwicklung, die immer mehr um sich greift. Wie kann es sein, dass wir miteinander beim Brotbrechen die innigste Gemeinschaft ausdrücken, aber Besuche untereinander ablehnen?

„...deswegen, Brüder, sind wir in all unserer Not und Drangsal euretwegen getröstet worden durch euren Glauben“ (Vers 7)

Der Glaube des Dieners gereicht zum Segen derjenigen, an denen er dient. Aber es ist auch genauso wahr, dass der Glaube derer, an denen gedient wird, auch zur Freude und zur Kräftigung des Dieners gereicht. Und diese Seite haben wir in diesem Vers.

Auch Paulus hatte Trost nötig (2. Kor 7,6+7; Röm 1,12). Manchmal denken wir vielleicht, die Brüder im Werk des Herrn brauchen keinen Trost. Paulus hatte Trost nötig, und er bekam ihn – hier durch die Ankunft des Timotheus. Wo-rin bestand die Drangsal und Not des Paulus? Er befand sich zur Zeit der Abfassung dieses Briefes in Korinth, und dort hatte er keine Verfolgung zu erdulden. Er scheint dort eineinhalb Jahre relativ ruhig gearbeitet zu haben. Es war die Ungewissheit über den Zustand der Thessalonicher, die ihm diese Not und Drangsal bereitete. Neben all seiner Tätig-keit in seinem irdischen Beruf als Zeltmacher war er in seinen Gedanken immer bei den geliebten Thessalonichern in der Sorge, wie es um sie stehen mochte. Und dabei galt seine Hauptsorge nicht ihrer Gesundheit, ihrem zahlenmäßigen Wachstum, einem schönen Lokal für die Zusammenkünfte, sondern ihrer Stärkung in Glauben und Liebe. Zeigt uns das nicht, worauf es in Wirklichkeit ankommt?

„...denn jetzt leben wir, wenn ihr feststeht im Herrn“ (Vers 8)

Dieser Vers ist ein wichtiger Grundsatz für jeden Diener des Herrn. Worum geht es in jedem Dienst? Nicht darum, die Geschwister von einem selbst abhängig zu machen, dass sie dem Diener nachfolgen, sondern dass sie feststehen im Herrn. Für jeden bescheidenen Dienst ist es neben der Verherrlichung des Herrn das Höchste, dass kostbare Seelen durch diesen Dienst im Herrn gefestigt werden. Fest stehen können wir nicht in eigener Kraft, sondern nur in dem Herrn (Phil 4,1). Ein vermeintliches Feststehen aufgrund eigener Stärke und Selbstsicherheit wird uns sehr schnell zu Fall bringen (1. Kor 10,5).

„Denn welchen Dank können wir Gott für euch vergelten wegen all der Freude, womit wir uns euretwegen freuen vor unserem Gott“ (Vers 9)

Die Freude des Paulus beruhte auf dieser guten Nachricht aus fernem Land (vgl. Spr 25,25). Ein Diener kommt nicht nur und versieht seinen Dienst und verschwindet dann wieder, sondern ihm liegt an den Empfängern seines Dienstes und er interessiert sich für ihren geistlichen Werdegang; und er ist dankbar dafür, wenn er zu seiner Freude erleben darf, dass es geistliches Wachstum gibt. Und diese Freude ist keine überschwängliche Momentaufnahme, keine Euphorie, sondern sie wird vor unserem Gott genossen.

„...indem wir Nacht und Tag über die Maßen flehen, dass wir euer Angesicht sehen und vollenden mögen, was an eurem Glauben mangelt?“ (Vers 10)

Dienst für den Herrn bedeutet Arbeit. Paulus hatte Nacht und Tag um dieses Wiedersehen gefleht, er hatte Nacht und Tag gearbeitet (1. Thes 2,9), bei den Ephesern hatte er drei Jahre lang Nacht und Tag nicht aufgehört, einen jeden zu ermahnen (Apg 20,31). Unablässig hat dieser treue Arbeiter gedient!

Bisher in diesem Kapitel hat das Wort Glauben immer die Bedeutung von Glaubensvertrauen, Glaubensenergie gehabt (Vers 2+5+6+7). Hier geht es jetzt um das persönliche Erfassen des christlichen Glaubensgutes. Das wollte Paulus för-dern, darin sollten die Thessalonicher zunehmen. Das Glaubensgut selbst ist vollkommen und vollendet, da mangelt nichts; aber was bei den Thessalonichern noch rückständig war im Erfassen der christlichen Wahrheit, das wollte Paulus noch hinzufügen. Er hat das dann auch schon in diesem Brief in Kapitel 4 getan, wo er noch ergänzende Belehrungen im Blick auf die Entrückung gibt.

Der Ausdruck vollenden wird im Neuen Testament mit verschiedenen Bedeutungen übersetzt: bereiten (Heb 11,3; 10,5), ausbessern (Mt 4,21), alles Mangelnde ersetzen (1. Pet 5,10), zurechtbringen (Gal 6,1). Ist nicht auch diese Kon-ferenz-Betrachtung eine Gelegenheit, uns zu vervollkommnen, uns zurechtbringen zu lassen (2. Kor 13,11), notwendige Korrekturen anzunehmen?

Vorbemerkung zu Vers 11 bis 13

Der Zusammenhang dieser Verse 11 bis 13 zeigt den Wunsch des Apostels Paulus, zu den Thessalonichern kommen zu wollen. Er überließ das Seinem Gott und Vater und dem Herrn Jesus, hatte aber für den Zeitraum, der bis dahin verge-hen würde, in Bezug auf die Thessalonicher Wünsche und Hoffnungen. Diese Zwischenzeit begann damals, als er sich in Korinth aufhielt und diesen ersten Brief schrieb, und sie endet bei der Erscheinung des Herrn in Herrlichkeit. Er wünschte, dass der Wesenszug der göttlichen Natur – die Liebe -unter den Gläubigen zum Ausdruck kommen sollte, ohne Begrenzung nach oben, völlig und überströmend. Und sein zweiter Wunsch war, dass ihre Herzen in Heiligkeit befestigt würden. Wenn wir diese Liebe in einem überströmenden Maß verwirklichen, dann sollte daraus auch hervor-gehen, dass unsere Herzen befestigt werden. Ist das nicht auch in unseren Tagen, wo alles schwankend und vage und unsicher ist, von großer Wichtigkeit, dass wir Festigkeit haben? Wir müssen uns hüten, dass wir nicht aus unserer eige-nen Festigkeit fallen (2. Pet 3,18). Und dann wird der Bogen nicht nur bis zu seinem nächsten Besuch gespannt, denn der Apostel stellt die Thessalonicher vor Gott. Ist uns bewusst, dass wir immer, in jedem Augenblick unseres Lebens, vor Gott sind? Auch wenn wir jetzt ins Auto steigen am Ende der Konferenz – wir sind auch dabei vor Gott. Und Paulus spannt nun diesen Bogen über diese Zeit der Gnade, diese Zeit unserer Verantwortung hinaus bis zu dem Augenblick, wo unsere Verantwortung endet. Und dann wird offenbar, wie wir das alles praktiziert haben. Dann wird das Ergebnis davon, wie wir unserer Verantwortung nachgekommen sind, zu Seiner Verherrlichung offenbar werden.

„Er selbst aber, unser Gott und Vater, und unser Herr Jesus, richte unseren Weg zu euch“ (Vers 11)

Es hat mehr als fünf Jahre gedauert, bis Paulus die Thessalonicher wiedersehen konnte (2. Kor 8). Er ordnet sein inniges Verlangen, die Thessalonicher zu sehen, dem Willen Gottes und dem Willen des Herrn Jesus unter. Das ist für den heu-tigen Dienst eines Bruders genauso wichtig. Man kann Wünsche und bestimmte Gedanken haben, aber auch wir müssen sie unterordnen unter das, was Gott will und was der Herr Jesus will. So hatte es Paulus auch bei seinem ersten Besuch in Ephesus gehalten, wo er viele Aufgaben sah und bei seiner Abreise seinen Wunsch, zu ihnen zurückzukehren von dem Willen Gottes abhängig machte (Apg 18,21).

Satan hatte bisher Paulus verhindert, zu den Thessalonichern zu kommen. Aber Paulus erwartet jetzt nicht von Satan, dass er den Weg frei macht, sondern dass es durch unseren Gott und Vater und unseren Herrn Jesus geschehen würde. Wenn es um Gott den Vater geht, dann stehen die zärtlichen Beziehungen und die väterliche Fürsorge des Einzelnen zu Ihm im Vordergrund. Wenn es um den Herrn Jesus geht, dann sind es die gemeinsamen Beziehungen derer, die die Versammlung bilden, zu der leitenden Autorität des Herrn. Von Beiden macht er seinen weiteren Weg abhängig. Er war bereit, jeden Auftrag anzunehmen und ließ das wann und das wie und das wo Ihn entscheiden – unabhängig von seinen eigenen Wünschen und seinem Empfinden der Dringlichkeit und Notwendigkeit. Aber Paulus ließ das nicht in einer abwartenden Haltung auf sich zukommen, sondern er befand sich in einer ständigen flehenden Gebetshaltung in Ab-hängigkeit von dem Willen Gottes (Röm 1,10). Beide Seiten liefen bei ihm parallel: der dringende Wunsch mit dem anhaltenden Gebet dafür, und andererseits die zurückhaltende Abhängigkeit von dem Willen Gottes. Bruder Darby hat einmal gesagt: Der Herr lässt uns immer empfinden, dass wir nicht Herren sondern Diener sind.

Er selbst aber: die Gedanken mögen nach rechts oder nach links gehen, aber dann kommt Paulus doch dahin, sich auf diese eine Person zu konzentrieren, der sich selbst für unsere Sünden gegeben hat (Gal 1,4), der selbst vom Himmel herabkommen wird (1. Thes 4,16). Eingerahmt von diesen beiden Tatsachen ist diese Ermutigung, dass Er selbst in der Zeit des Glaubenslebens und des Dienstes für Ihn die Wege Seiner Diener lenkt. Im Griechischen gibt es aber einen deutlichen Unterschied zwischen den Ausdrücken Er selbst und Sich selbst. Sich selbst ist ein einziges Wort, was wir in der deutschen Sprache gar nicht so haben. Hier aber steht Er selbst, ein völlig anderer Ausdruck; man könnte auch über-setzen: Er aber, wobei das Er betont und verstärkt wäre, als würde mit einem Finger auf Ihn hingedeutet.

Die Besonderheit in diesem Zusammenhang ist, dass zwar zwei Personen der Gottheit genannt werden (Gott, der Vater, und der Herr Jesus), aber das Tätigkeitswort von diesen beiden Personen der Gottheit wird in der Einzahl beschrieben: richte. Wie viele andere Bibelstellen auch, zeigt das, dass der Herr Jesus absolut Gott ist, eine Person der Gottheit, die auf die gleiche Ebene gestellt wird, wie Gott der Vater (vgl. auch 2. Thes 2,16+17). Sie werden als Personen unter-schieden, sind aber doch eins in der Gottheit.


„Euch aber mache der Herr völlig und überströmend in der Liebe zueinander und zu al-len (wie auch wir euch gegenüber sind)“ (Vers 12)

Was den Apostel betraf, war es sein Wunsch, dass der Herr seinen Weg zu ihnen richten möchte, was die Thessaloni-cher betraf, war es sein Wunsch, dass in ihrem Leben diese Liebe durch die Autorität des Herrn völlig werden möchte und sogar überströmend. Wir meinen vielleicht, völlig in der Liebe zu sein, ist schon ein sehr hohes Ziel; und demzu-folge ist dann überströmend zu sein ein Zustand, von dem wir kaum meinen, dass wir ihn je erreichen können. Aber so handelt Gott mit uns; Er selbst hat es auch so getan: wo die Sünde überströmend geworden ist, ist die Gnade noch über-schwänglicher geworden (Röm 5,15+20). Es gibt nichts, was Gottes Handeln in irgendeiner Weise eingrenzen oder bremsen könnte. Seine Liebe wird immer alles übertreffen. Und diese Liebe ist nun ausgegossen in unsere Herzen (Röm 5,5); es geht hier also nicht um natürliche Zuneigung und Sympathie, sondern um die göttliche Liebe.

Und jetzt sagt der Apostel den Thessalonichern, dass er genau das bei ihnen auch sehen möchte. Diese Liebe war bereits bei ihnen vorhanden und konnte gelobt werden (Vers 6), aber damit war der Apostel noch nicht zufrieden. In jeder Situ-ation, wie schön und lieblich der Zustand auch sein mag, gibt es noch geistliches Wachstum und Entwicklungsmöglich-keit. Wir werden nie dahin kommen, dass wir mal sagen können. „Jetzt haben wir genug getan!“ Schon im zweiten Brief finden wir dann übrigens, dass der Apostel dafür danken konnte, dass die Liebe jedes Einzelnen von den Thessa-lonichern zueinander überströmend war (2. Thes 1,3) – was für eine prompte Gebetserhörung, und welch ein Zeugnis für die Bereitschaft der Thessalonicher, die Hinweise des Apostels für sich anzunehmen und umzusetzen.

Es ist beeindruckend, wie groß die Liebe der Thessalonicher zueinander und auch zu dem Apostel war. Liebe muss praktiziert werden, muss in Bewegung sein, sonst trocknet sie aus. Entstehen viele Probleme in unseren Tagen nicht dadurch, dass es in unseren gegenseitigen Beziehungen mangelt? Wir müssen auf der Hut sein, dass die Beziehungen unserer Herzen untereinander nicht erkalten! Je mehr wir uns kennenlernen, umso besser lernen wir auch die Mängel und Schwachheiten und Eigentümlichkeiten voneinander kennen, und nur die göttliche Liebe kann sich darüber erhe-ben!

Darüber hinaus sollte sich die Liebe der Thessalonicher nicht nur untereinander in Thessalonich erweisen, sondern auch zu allen. Darunter können wir nicht nur alle Heiligen verstehen, sondern alle Menschen, ob Gläubige oder Ungläubige (vgl. 1. Thes 5,15). Wo wäre sonst unser Zeugnis? Es wird aber schon ein Unterschied gemacht zwischen allen und den Hausgenossen des Glaubens (Gal 6,10; 1. Tim 4,10). Gott selbst macht diesen Unterschied, und wenn wir ihn auch ma-chen, sind wir Seine Nachahmer darin. Wir sollen nicht der Welt mehr dienen als den Gläubigen. Auch kann zu den un-gläubigen Menschen der Welt nicht eine solche Beziehung der Liebe bestehen wie unter Gläubigen. Wir können die Menschen der Welt nicht lieben wie unsere Geschwister. Das tut Gott auch nicht; Er liebt die Sünder, aber nicht in der Weise, wie Er Seine Kinder liebt (1. Joh 3,1). Der Charakter der Liebe Gottes zu den Menschen der Welt ist in erster Linie Gnade und Erbarmen, aber der Charakter der Liebe des Vaters zu den Kindern geht viel weiter! Alle Schleusen der Liebe des Vaters, die Er zu Seinem eigenen Sohn hat, sind nun auch uns geöffnet (Joh 17,23). Auch wir sollten die Liebe zu den Verlorenen haben, wir müssen uns aber vor der Gefahr hüten, dass das nicht zu einer Liebe zur Welt wird! Es ist ein enger und schmaler Grat, auf dem der Gläubige in der Welt verkehren muss. Lot hatte auf diesem Weg der Welt die Hand gereicht; er wollte ein Knecht des Herrn sein, und gleichzeitig seinen Platz in der Welt haben.

Der Maßstab aber, den Gott uns hier vorstellt, hört nie auf, völlig und überströmend in der Liebe gegeneinander zu sein. Die Liebe hat in ihrem Betätigungsfeld keine Grenzen, sie erweist sich gegenüber den Gläubigen und gegenüber der Welt, und sie hat auch in ihrem Ausmaß keine Grenzen, sie ist nicht nur völlig sondern sogar überströmend.

Der Klammersatz macht dann deutlich, dass Paulus das unter den Thessalonichern vorbildhaft vorgelebt hatte, was er ihnen jetzt wünschte. Bei ihm war das, was er predigte, in Übereinstimmung mit dem, was er lebte. Sein Verhalten hat nicht seine Worte Lügen gestraft, sondern es bestätigte das, was er sagte. Für die Liebe der Thessalonicher zueinander war er selbst der Maßstab.

„...um eure Herzen zu befestigen, dass ihr untadelig seid in Heiligkeit, vor unserem Gott und Vater, bei der Ankunft unseres Herrn Jesus mit allen seinen Heiligen“ (Vers 13)

Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen Liebe und Heiligkeit. Die Liebe erhält unsere Herzen in der Gemein-schaft mit Gott, und wenn unsere Herzen in Gemeinschaft mit Gott sind, dann sind wir angezogen von dem Licht Got-tes. Die Liebe ist also das Mittel zur Heiligkeit – nicht umgekehrt. Je mehr wir Liebe zeigen, umso praktischer und wirklicher wird auch die Heiligkeit. Ein Ehemann, der seine Frau liebt, wird alles tun, um sie nicht zu verletzen.

Wir sollen also in der Liebe überströmend werden, damit wir in der Heiligkeit befestigt werden. Liebe geht immer der Heiligkeit voraus: „Wer seinen Bruder liebt, bleibt in dem Licht“ (1. Joh 2,10; 5,2). Sie ist gleichsam eine Vorbereitung, sich in der Heiligkeit Gottes, in dem Licht Gottes wohlzufühlen und das auch in der Praxis zu offenbaren. Praktische Liebe geht nie auf Kosten der Heiligkeit, sondern sie führt immer zu ihr hin. Sie ist der Nährboden, auf dem unsere Hei-ligkeit wächst. Sie führt dazu, dass wir uns von allem distanzieren, was Gott als Böse ansieht, dass wir das hassen, was Gott hasst. Praktische Heiligkeit hat zwei Seiten: Trennung vom Bösen, von dem, was nicht zu Gott passt; und die posi-tive Seite ist die Hinwendung und Widmung an Gott. Es ist wichtig, dass wir diese beiden Seiten im Gleichgewicht hal-ten.

Der Apostel Paulus teilt diesen Wunsch nach praktischer Heiligkeit bei den Gläubigen mit dem Herrn Jesus selbst. In der Abschiedsrede des Herrn wird sehr deutlich, wie Er diesen Gegenstand der praktischen Heiligkeit vor Augen hat. Die Hilfsquelle für praktische Heiligkeit und der untrügliche Maßstab dafür ist das Wort der Wahrheit (Joh 17,17). Und als der verherrlichte Mensch im Himmel würde Er der große Anziehungspunkt für die Herzen der Gläubigen sein (Joh 17,19); wenn wirklich der verherrlichte Christus unser Denken und unser Leben so regiert, dass wir emporgezogen werden (Kol 3,1+2), dann führt uns das wie von allein zu praktischer Heiligkeit (2. Kor 3,18). Und wir besitzen den Geist der Wahrheit, der uns in der ganzen Wahrheit leiten will (Joh 16,13); Sein Bemühen ist es, dass wir in diesen Dingen leben. Möchte der Herr uns helfen, dass das Wort Gottes, Er selbst als der Verherrlichte und das Bemühen des Geistes Gottes ein Leben in praktischer Heiligkeit bei uns fördern!

Dann wird dieser Punkt der praktischen Heiligkeit verbunden mit der Ankunft des Herrn Jesus mit allen Heiligen. Hier ist es ganz klar Sein Offenbar-Werden, Sein sichtbares Kommen, wenn Er auf dieser Erde erscheinen wird, um hier Sein Reich in Macht und Herrlichkeit aufzurichten. Bei diesem Erscheinen kommt Er mit allen Seinen Heiligen (Sach 14,5; Judas 14; 2. Thes 1,10). Dann sind wir Seine Heiligen, dann ist es keine Frage mehr der praktischen Heiligkeit, dann entsprechen wir zu 100% dem, was wir unserer Stellung nach sind. Wer sind diese Heiligen? Es sind die Gläubi-gen des Alten Testaments und des Neuen Testaments; alle diejenigen, die teilhaben an der ersten Auferstehung. Ist es nicht auch Trost und Ansporn zugleich, auch inmitten der übenden Umstände, in denen wir uns durch manche Trennun-gen und Versammlungsschwierigkeiten befinden, wo es auf einmal so viel unterschiedliche Wege gibt, daran zu den-ken, dass einmal alle Heiligen da sein werden?
„Nicht einer fehlt, Du riefst sie alle“!
„Dann wir Deiner Heil‘gen Menge ein Herz, eine Seele sein“!

Sehnen wir uns wirklich von dieser Erde fort? Wenn wir unsere alten Lieder singen, dann muss man doch sagen, dass deren Dichter das in ihrem Leben ausgelebt haben. Diese Lieder wurden gedichtet in einer Zeit, wo die Versammlungen das stärkste Wachstum hatten. Im 19.Jahrhundert vermehrten sich die Versammlungen in Europa explosionsartig; und sie sind entstanden durch das Zeugnis von Brüdern, die diese Lieder gedichtet haben, die wirklich Fremdlinge auf der Erde waren und doch das kräftigste Zeugnis der Versammlung darstellten, das je nach der ersten Zeit der Apostelge-schichte auf der Erde war.

Wann sind diese Gläubigen, die da mit dem Herrn erscheinen werden, Heilige? Erst bei dem Zeitpunkt Seines Erschei-nen, wenn alles zur Vollendung gebracht ist? Nein, wenn der Herr Jesus mit Seinen Heiligen erscheinen wird, dann sind das solche, die schon während ihres Lebens auf dieser Erde stellungsmäßig Heilige waren, von Anfang ihres Glaubens-lebens an! Unsere Stellung als Heilige gründet sich nicht auf eigene Anstrengung, sich zu verbessern und tadellos zu werden, sondern sie ist das Ergebnis des Werkes des Herrn; von unserer Bekehrung an sind wir durch Gottes Gnade Geheiligte der Stellung nach. Und bei diesem Zeitpunkt des Erscheinens haben wir die Zusammenfassung von Stellung und Praxis, und das wird dann sichtbar werden. Sagt Paulus ihnen das nicht deshalb, damit das jetzt schon bei ihnen – und damit auch bei uns – der Fall sei? Dass jetzt schon in unserem Leben Stellung und Praxis übereinstimmen? Er stellt uns die Ankunft mit allen Seinen Heiligen vor, damit unser Leben angesichts jenes Tages heute schon in Übereinstim-mung ist mit dem, was dann einmal sichtbar wird. Das Licht jenes Tages soll uns heute schon heiligen! Damit wird die-ser Tag schon heute sehr feierlich und ernst für uns. Wenn wir mehr leben würden im Blick auf diese Zukunft, dann würde sich wohl manches in unserem Leben ändern!

Also durch die Mitteilung des neuen Lebens sind wir zu Heiligen geworden (1. Pet 1,2), das ist unsere grundsätzliche Stellung. Und das neue Leben in uns will auch praktisch heilig leben, nicht um Heilige zu werden sondern weil wir Hei-lige sind. Es ist eine wunderbare Gnade, dass Gott uns neues Leben geschenkt hat und wir dadurch für Ihn bei Seite ge-setzt wurden; und es ist eine zweite Gnade, dass wir darüber belehrt worden sind. Alle Religionen haben das Prinzip der Selbstverbesserung und Selbsterlösung – was für eine Gnade, dass wir die Wahrheit über schriftgemäße Heiligkeit ken-nen! Würden wir versuchen, dieser unserer Stellung etwas hinzuzufügen, dann würden wir das Erlösungswerk des Herrn schmälern und ihm Abbruch tun; der Herr bewahre uns davor!

Der Ausdruck, der hier mit Heiligkeit übersetzt ist, ist nicht der gleiche wie 1. Thes 4,3+4+7. Dort ist es tatsächlich die ganz praktische Heiligung einschließlich deren Ergebnisses. Aber hier geht es einfach um das Wesen. Paulus hat in die-sem Vers nicht das praktische Ausleben vor Augen, sondern das Wesen. Das Wesen dieser Heiligkeit soll der Charakter sein, in dem ihre Herzen befestigt sind. In unseren Herzen soll eine innere Haltung zunehmen, die durch Heiligkeit ge-kennzeichnet ist, durch eine Hinwendung zu Ihm.