Josua 14,5–15.

„Und euch in nichts erschrecken lasst von den Widersachern“ (Phil 1,28).

Es ist nicht von ungefähr, dass der göttlich inspirierte Geschichtsschreiber den hellen und mutigen Geist des wahren Besitzers beschreibt, bevor die Ausmaße und Grenzen des Erbteils der neuneinhalb Stämme im Land Kanaan im Einzelnen aufgeführt werden. Die Seele benötigt Feuereifer in sich, und Stärke und Mut in Gott; und damit werden wir uns das zu Eigen machen, was Gott uns gegeben hat.

Vom 14. bis zum Ende des 19. Kapitels lesen wir von der Verteilung des Landes Kanaan an die neuneinhalb Stämme. Der Bericht über das hehre Ziel Kalebs, Hebron zu besitzen, bildet die Einführung dieser wichtigen Geschichte.

Diese neuneinhalb Stämme mussten ihren Fuß auf ihr Erbteil setzen, obwohl die Lage ihres Besitzes durch den Herrn selbst festgelegt worden war: „durch das Los ihres Erbteils”, aber ihr Fußfassen im Erbteil hing von ihnen selbst ab, sowie auch bei einem Christen in geistlichen Dingen. Israel hatte jenen Abschnitt in seiner Geschichte in Kanaan erreicht, als sie dort standen, wo zwei Wege zusammentrafen: der Weg der Faulheit und der Weg der Ernsthaftigkeit. Wie viele Kalebs gibt es an dieser Weggabelung? Wie viele wahre Besitzer gibt es, die sich aufmachen und den Weg der Ernsthaftigkeit bis zum Sieg verfolgen?

„So wie der HERR Mose geboten hatte, so taten die Kinder Israel, und sie teilten das Land” (Vers 5). Und dann war es Gilgal – Gilgal mit all seinen Erinnerungen an die Gott-gegebene Freiheit – wo die Männer von Juda zu Josua kamen. Kaleb stand vor dem Führer und vor ganz Israel auf und machte mit dem feurigen Geist eines wahren Besitzers seinen Anspruch auf das Gebirge Hebron und seine befestigten Städte geltend.

Die Worte Kalebs mussten jede treue Seele angespornt haben, als er sich an Josua wandte und sagte: „Du kennst das Wort, das der Herr zu Mose, dem Mann Gottes, meinet- und deinetwegen in Kades-Barnea geredet hat.” Der Herr war noch der gleiche unwandelbare Herr für Kaleb, obwohl 45 Jahre vorübergegangen waren und ein neues Zeitalter für Israel angebrochen war und obwohl Kalebs alte Genossen tot waren – wegen ihres Unglaubens in der Wüste begraben, denn er allein glaubte den zuverlässigen Verheißungen des Herrn. 45 Jahre zuvor, in der dunklen Stunde der Auflehnung Israels gegen Gott, war Kaleb für seinen Gott eingetreten. Als die verzagten Kundschafter das Volk zum Unglauben verleiteten, stützte sich Kaleb mutig auf seinen Gott und beantwortete, ohne Rücksicht auf die Gunst seiner Genossen, ihre schwachen und ungläubigen Worte mit den Worten: „Lasst uns nur hinaufziehen und es in Besitz nehmen, denn wir werden es gewiss überwältigen”, während sein festes Herz auf das Gejammer und die Mutlosigkeit Israels antwortete: „Wenn der HERR Gefallen an uns hat, so wird er uns in dieses Land bringen und es uns geben, ein Land, das von Milch und Honig fließt” (4. Mo 13,30; 14,8).

Der Herr hatte in jenen Tagen über ihn gesagt: „Aber meinen Knecht Kaleb – weil ein anderer Geist in ihm gewesen und er mir völlig nachgefolgt ist, ihn werde ich in das Land bringen, in das er gekommen ist; und seine Nachkommenschaft soll es besitzen” (4. Mo 14,24). Kalebs Glaube erhob ihn aus dem Murren Israels, aus ihrer Feigheit und ihren Vorwürfen gegen den Herrn. Er vertraute auf Gott, hielt an ihm fest und überließ Schwierigkeiten und Riesen seinen Händen. Er suchte nur eins – das Wohlgefallen des Herrn an ihm.

Und Mose schwor an jenem Tag und versprach Kaleb das Land, worauf seine Füße getreten waren. Gott gebe seinem Volk den Mut, ihre Füße auf seine Verheißungen zu stellen, denn jede Verheißung wird sich erfüllen.

Von jenem Tag in Kades-Barnea an nahm Kaleb einen besonderen Platz in Israel ein. In den dunkelsten Stunden der Wüste, in den trostlosesten Nächten der Reise Israels, inmitten von Pest und göttlichem Missfallen, wurde Kaleb durch die Verheißung Gottes aufrecht erhalten. Er musste mit der ungläubigen Menge leiden, musste mit ihnen in Bedrängnis kommen (das gleiche Prinzip gilt auch heute noch, denn alle leiden gemeinsam, und der Unglaube und die Auflehnung der Einen betrifft auch die Anderen); doch während die Kämpfer Israels umkommen mochten, wusste Kaleb, dass seine Füße auf dem Gebirge Hebron stehen würden. Und während Tausende zu seiner Rechten sterben mochten, wusste Kaleb, dass seine Familie die großen und festen Städte der Kinder Enaks besitzen würde, denn der Herr hatte es gesagt.

Kaleb ist für uns in unseren Tagen der Schwachheit und Unzufriedenheit ein Vorbild. In ihm finden wir ein Beispiel der feinsten Qualitäten christlichen Kämpfertums: Aufrichtigkeit für Gott, ungebrochene Kraft durch Gott und beständige Abhängigkeit von Gott. Weder hatten 45 Jahre gewohnheitsmäßigen Vertrauens auf Gott seine Seele zum Selbstvertrauen verleitet, noch war durch 45 Jahre der beständigen Gunst Gottes in Kaleb irgendwie das Bewusstsein gemindert, dass in Gott allein unsere Kraft ist, wie seine Worte klarmachen: „Vielleicht ist der Herr mit mir, dass ich sie vertreibe, so wie der Herr geredet hat.” Wie beschämt dieser edle Besitzer die schwache, kraftlose Seele! 38 Jahre inmitten eines Jammerchores gelebt zu haben und trotzdem singen zu können: „Meine Stärke und mein Gesang ist der Herr”, ist wirklich ein Wunder, und ebenso ist es ein Wunder, dass Kaleb sagen kann: „Der Herr hat mich am Leben erhalten, so wie er geredet hat.” „Wie er geredet hat” – vier große Worte, größer als alle 38 Jahre des Murrens von ganz Israel zusammengenommen. „Wie er geredet hat” – denn Kaleb war nicht gefallen und gestorben wie andere Kriegsmänner.

Seine ganze Wüstenreise und sein ganzes Kämpferleben war das Wohlgefallen des Herrn an seinem Volk seine Quelle des Muts gewesen – eines Muts, der ihn im Alter von 85 Jahren antrieb, mit dem gleichen Eifer mit seiner Familie gegen die Riesen Kanaans zu kämpfen, der ihn im Alter von 40 Jahren befähigt hatte, gegen noch größere Riesen als diese zu kämpfen: das Murren und den Unglauben Israels. „Und nun gib mir dieses Gebirge”, denn „ich bin heute noch so stark wie an dem Tag, als Mose mich aussandte; wie meine Kraft damals, so ist meine Kraft jetzt zum Kampf und um aus- und einzuziehen.” Nur wenige Kämpfer Christi können so sprechen. Zu viele betagte christliche Kämpfer betrachten die lange Zeit ihres Dienstes als Ausrede für ihre Immunität in Bezug auf diese stündliche Abhängigkeit von Gott, die ihnen früher zum Sieg verhalf; und „vielleicht ist der Herr mit mir” wird zu einem prahlerischen und degenerierten: „Ich werde davonkommen wie die anderen Male und mich freischütteln” (Ri 16,20).

Josua segnete Kaleb wegen seiner Worte; und ebenso ruht auf jedem Kaleb-ähnlichen Christen der besondere Segen Christi, unseres Führers. Der Herr ehrte die Abhängigkeit Kalebs von ihm selbst; Er vertrieb daher die Söhne Enaks und schlug Kirjath-Arba und gab der Stadt ihren alten Namen Hebron zurück, wodurch der Ort mit dem Vater der Treuen verbunden wurde anstatt mit dem großen Mann unter den Riesen.

Der Name Kaleb hat eine unfeine Bedeutung, denn er bedeutet „Welpe”. Manche sehen darin einen Hinweis auf seine Treue, denn Kaleb folgte seinem Herrn mit echter Entschiedenheit, wie ein Hund seinem Herrn nachfolgt. Manche sehen in dem Namen einen Hinweis auf die besondere Herrlichkeit Judas, denn „Juda ist ein junger Löwe [o. Löwenwelpe]” (1. Mo 49,9). Was auch immer die wahre Bedeutung seines Namens sein mag, Kaleb, der treue Mann, hatte sein Erbteil in Juda – „Lobpreis”. Und so ist es bis heute in den geistlichen Dingen unter Gottes Kämpfern: treue Männer „wohnen” in Lobpreis, ja „stets werden sie dich loben.” Sein mutiger Geist erreichte seinen Höhepunkt inmitten des Murrens Israels und er erbte in dem edelsten Teil des verheißenen Landes. Gott gewährte gleichsam dem Mann, der am Ort des Murrens gut von seinem Namen sprach, eine Heimat in dem Land des Lobpreises.

Der Geist Gottes schließt den Bericht über den Glauben und den Sieg Kalebs mit einer freudigen Bemerkung: „Und das Land hatte Ruhe vom Krieg.” Wenn ein mutiges Herz in der Versammlung Gottes aufsteht und die Riesen erschlägt, dann gibt es Ruhe vom Krieg.