Überblick und Vorbemerkungen über Kapitel 5

Verse 1–3: der Tag des Herrn und seine Bedeutung für die Welt
Verse 4–11: das Verhalten und der Zustand der Gläubigen in der Zeit der Abwesenheit des Herrn
Verse 12–22: kurze Warnungen und Ermahnungen vor bestimmten Gefahren
Verse 23+24: die Treue Gottes uns gegenüber, Der uns bewahren wird bei der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus
Verse 25–28: Schluss des Briefes mit Gebet und Grüßen

Vor dem Tag des Herrn, vor Seiner sichtbaren Erscheinung zum Gericht wird eine ganze Reihe von Ereignissen statt-finden (siehe 2. Thes 2,3 ff.). Zuerst kommt der Abfall vom Christentum; in den Ländern, wo jahrhundertelang das Christentum geherrscht hat, wird man sich völlig davon freimachen. Und zweitens wird der Mensch der Sünde, der An-tichrist, offenbar werden. Man kann also aus dieser Schilderung eine gewisse Reihenfolge der Geschehnisse ableiten:
• zuerst die Entrückung
• danach der Abfall vom Christentum
• dann das Offenbarwerden des Antichristen, der noch vor dem Tag des Herrn auftreten wird (Off 13, gemein-sam mit dem Haupt des römischen Reiches)
• die 7 Siegel, die 7 Posaunen, die 7 Zornesschalen, die furchtbare Gerichtszeit, die noch in 2 Epochen von 3 ½ Jahren eingeteilt werden kann
• dann erst das Erscheinen des Herrn (2. Thes 2,8; Off 19,11 ff.)

In der gegenwärtigen Zeit vor der Entrückung gibt es noch zwei Elemente, die die Entfaltung dieser furchtbaren Ent-wicklungen zurückhalten und bremsen:
• das, was zurückhält (2. Thes 2,6): eine Kraft, ein Einfluss, der von der Versammlung, den wahren Gläubigen ausgeht; auch die heute noch bestehenden obrigkeitlichen Gewalten dienen zur Eindämmung des Bösen
• der, der zurückhält (2. Thes 2,7): eine Person, der Heilige Geist, der untrennbar mit der Versammlung verbun-den ist, weil Er in jedem einzelnen Gläubigen wohnt und auch in der Versammlung insgesamt
Und wenn durch die Entrückung die Versammlung von dieser Erde weggenommen wird, wird auch in dieser Weise der Heilige Geist diese Erde verlassen. Durch die wahren Gläubigen heute wird ein hemmender und zurückhaltender Effekt im Blick auf diese Entwicklungen ausgeübt. Aber nach der Entrückung wird sich die satanische Gewalt auf dieser Erde ungehemmt entfesseln können. Und wenn diese ihren Höhepunkt in der Anbetung des Antichristen finden wird, dann erst wird der Herr Jesus zur Aufrichtung des 1000-jährigen Reiches erscheinen – mit all den Gerichten, die damit ver-bunden sind.

Millionen von wahren Christen haben über diese Reihenfolge der zukünftigen Geschehnisse keine Klarheit. Und viel-fach liegen diese fehlgeleiteten Erwartungen auch darin, dass man einzelne Schriftstellen nimmt und seine Lehrmeinung allein darauf stützt, ohne sie mit anderen Schriftstellen abzugleichen. Wichtig ist es, dass wir das Bild gesunder Worte festhalten (2. Tim 1,13). Gottes Wort gibt uns nicht eine katalogisierte, strukturierte Übersicht über alles das, was in der Zukunft sich ereignen wird. Aber es gibt eine Struktur, und diese Struktur müssen wir durch Forschen und Untersuchen der ganzen Heiligen Schrift herausfinden. Dankbar dürfen wir auf gute Auslegungen zurückgreifen, die uns diese Ge-schehnisse anhand aller (und nicht nur einzelner) Schriftstellen so systematisch vorstellen, dass wir das Bild gesunder Worte erkennen, wo alle einzelnen Punkte zusammenpassen und sich ergänzen und nicht einander widersprechen.

„Was aber die Zeiten und Zeitpunkte betrifft, Brüder, so habt ihr nicht nötig, dass euch geschrieben wird“ Kap 5 Vers 1)

Kapitel 5 schließt an die Belehrungen von Kap 4,14 an. Der Klammersatz von Vers 15 bis 18 ist also ein Einschub, den der Apostel macht, um diese Erklärung geben zu können, dass Entschlafene und Lebende zusammen entrückt werden, um bei dem Herrn zu sein, von wo sie dann gemeinsam mit Ihm hier auf der Erde erscheinen werden. Was die Frage zwischen Entschlafenen und Lebenden betrifft, hatten sie Belehrung nötig; was aber den Tag des Herrn und Sein Kom-men mit allen Seinen Heiligen betrifft, brauchten sie keine weiteren Belehrungen. Paulus hatte während seines kurzen Aufenthalts bei ihnen darüber gesprochen (2. Thes 2,5). Außerdem besaßen sie auch die alttestamentlichen Schriften, die auch immer wieder von diesem Tag des Herrn sprechen.

Wie ist das eigentlich mit uns? Müsste man uns noch einmal darüber schreiben? Haben wir noch Belehrungen darüber nötig? Kennen wir diese Wahrheiten und haben wir unseren Fuß darauf gestellt?

Ein weiterer Gedanke dafür, dass die Thessalonicher nicht nötig hatten, über den Tag des Herrn belehrt zu werden, ist die Tatsache, dass die erste Hoffnung der Kirche nicht der Tag des Herrn ist, nicht der irdische Bereich, sondern der himmlische Bereich. Das ist unsere eigentliche Heimat und unsere erste Hoffnung. Und wenn diese Dinge eintreten werden, die hier beschrieben werden, dann sind wir schon lange da, wo unsere ewige Heimat ist, im Haus des Vaters. Und mit diesen Vorgängen haben wir nur wenig zu tun. Aber doch sollen wir auch Seine Erscheinung lieben (2. Tim 4,1), wenn Er auf dieser Erde Seine Verherrlichung finden wird, wo Er bisher verachtet und verworfen war.

Zeiten und Zeitpunkte ist ein alttestamentlicher Begriff (z.B. Dan 2,21; auch Apg 1,7), der vielleicht so erklärt werden kann, dass mit dem Ausdruck Zeiten Epochen beschrieben werden, während mit dem Ausdruck Zeitpunkte bestimmte Einzelheiten und Merkmale in diesen Epochen vorgestellt werden. Wir können Gott dankbar sein, dass es Zeiten und Zeitpunkte gibt, und dass nicht der Mensch sondern Gott sie festlegt. Es sind Gottes Schritte in Seiner Regierungsge-schichte, und der Mensch kann nicht dagegen angehen. Er glaubt zwar, seine eigene Geschichte souverän gestalten zu können, aber die Regierungswege Gottes dominieren die Weltgeschichte – wann und wie und wozu Er es will.

Was auch noch alles auf uns zukommen mag während unserer Lebenszeit: über allem steht Er, und Er legt Zeiten und Zeitpunkte fest und schreibt die Geschichte dieser Erde, und niemand kann Ihm in Sein Ruder greifen. Und alles hat ein Ziel: dass durch die Beseitigung aller Gottlosigkeit der Herr Jesus einmal auf dieser Erde, wo einst Sein Kreuz gestanden hat, verherrlicht wird und Seine Herrlichkeit die Erde füllen wird wie Wasser den Meeresgrund (Hab 2,14). Das ist das Ziel, worauf diese Zeiten und Zeitpunkte hinsteuern, dass dem Herrn hier auf dieser Erde am Tag des Herrn alle Ehre zu Teil werden wird.

„Denn ihr selbst wisst genau, dass der Tag des Herrn so kommt, wie ein Dieb in der Nacht“ (Vers 2)

Der Tag des Herrn ist nicht unsere erste Erwartung, schon rein zeitlich gesehen nicht. Denn zuerst kommt unsere Entrü-ckung, und wenigstens sieben Jahre später nach der Zeit der Drangsal erst geschieht der Tag des Herrn. Im Blick auf die Entrückung, die Heimholung der Braut ins Vaterhaus, gibt es kein prophetisches Ereignis mehr, was vorher noch ge-schehen müsste – ganz zu schweigen von der Drangsalszeit. Wenn das nicht so wäre, könnten wir nicht sagen: „Herr Jesus, komm!“, dann müssten wir sagen: „Herr Jesus, lass doch das oder das schnell geschehen, damit Du kommen kannst“. Und dennoch lieben wir auch Seine Erscheinung (2. Tim 4,8).

Viele, viele wahre Gläubige auch aus den evangelikalen Kreisen haben die Erwartung, dass vor der Entrückung noch die große Drangsal kommen muss. Wie könnten wir uns dann ermuntern im Blick auf das Kommen des Herrn? Müssten wir dann nicht im Gegenteil Furcht und Zittern haben, ob wir wohl zu den Überwindern gehören würden, die in die Segnungen eingeführt werden? Gerade deshalb schreibt der Apostel den Thessalonichern in 2. Thes 2 auch so deutlich, dass vor unserem Versammelt-Werden zu Ihm nichts anderes vorher mehr geschehen muss, die Entrückung ist das nächste Ereignis, das wir erwarten dürfen.

Der Tag des Herrn ist schon im Alten Testament mehrfach angekündigt worden (Joel 2,1+11; Mal 3,19). Er wird plötz-lich kommen und beginnt mit der Erscheinung des Herrn. Der Tag des Herrn hat also einen plötzlichen Anfang (Mt 24,27), und dieser Tag hat auch ein Ende, das in 2. Pet 3,3 beschrieben wird. Es ist also nicht ein Tag von 24 Stunden, sondern eine ganz lange Epoche, die mindestens 1000 Jahre währt. Der Tag des Herrn beginnt vor dem 1000-jährigen Reich und er endet mit dem Ende des 1000-jährigen Reiches, wo er dann übergeht in den Tag Gottes.

Der Philipper-Brief spricht öfter von dem Tag Christi oder dem Tag Jesu Christi (Phil 1,6+10; 2,16). Wenn es um die-sen Tag geht, dann geht es darum, dass wir einen bestimmten Platz im Reich bekommen werden, Lohn und Anerken-nung für erwiesene Treue. Das ist also nicht zu verwechseln mit dem Tag des Herrn, es ist ein bestimmter Gesichtspunkt des Tages des Herrn. Und wenn in Off 1,10 von dem Tag des Herrn die Rede ist, dann ist es dort eine ganz besondere Ausdrucksweise, die eigentlich bedeutet: der dem Herrn gehörende Tag, und damit ist nur der Sonntag, der erste Tag der Woche gemeint.

„Wenn sie sagen: Frieden und Sicherheit!, dann kommt ein plötzliches Verderben über sie, wie die Geburtswehen über die Schwangere; und sie werden nicht entfliehen“ (Vers 3)

In diesem Vers ist von einer absolut anderen Menschengruppe die Rede wie in Vers 2. Dort sind mit dem ihr die gläu-bigen Thessalonicher gemeint, hier sind mit dem sie die Ungläubigen gemeint, die keine Hoffnung haben. Bis zu diesem Augenblick des Erscheinens des Herrn werden sich diese Menschen in eine falsche Sicherheit wiegen, sie werden so leben, als wäre alles in Ordnung (vgl. Lk 17,26–30). Je mehr sich die Menschen von Gott entfernt haben, umso mehr werden sie sich in Frieden und Sicherheit wähnen, obwohl es gar nicht da ist. Für uns Gläubigen geht es aus dieser Welt zum Licht, für die Übrigen führt der Weg in die ewige Finsternis. Von den Gläubigen wird in Vers 2 gesagt, dass sie etwas wissen; die Ungläubigen sagen etwas, ohne es wirklich zu wissen, sie haben dabei innere Unruhe und Unsicherheit (Lk 21,25+26). Was für ein herrlicher oder auch schrecklicher Gegensatz zwischen diesen beiden Gruppen!

Nach der Entrückung wird es eine kurze Periode von scheinbarer Ruhe und Frieden geben (Off 6,4), deshalb werden die Menschen das berechtigterweise sagen können. Jes 28,15 zeigt, warum: sie haben einen Bund mit der Lüge gemacht und sich darin geborgen. Natürlich ist nicht wirklich Friede und Sicherheit, und ganz plötzlich wird das Verderben kommen – durch die Erscheinung des Herrn. Auch heute versprechen alle Partei- und Wahlprogramme Frieden und Sicherheit, aber es wird keinen wirklichen Frieden auf Erden geben bis zur 1000-jährigen Friedensherrschaft des Herrn Jesus (1. Mo 49,10).

Der Heilige Geist gebraucht hier zwei eindrückliche Bilder dafür, wie der Tag des Herrn kommen wird:
• wie ein Dieb (vgl. 2. Pet 3,10; Off 16,15; 3,3): ein Dieb kommt unerwünscht und überraschend, niemand erwartet ihn, die Menschen sind nicht bereit; und ein Dieb nimmt auch etwas weg, er wird den Menschen das rauben, worauf sie sich gestützt haben und meinten, es gäbe ihnen Sicherheit. Wir denken an die vielen Na-menschristen, die sich auf ein Bekenntnis stützen, das nie zur Buße geführt hat.
• wie die Geburtswehen: sie kommen plötzlich und unausweichlich. Die Schwangere hat den Zeitpunkt nicht in der Hand, und sie kann ihnen auch nicht ausweichen. Die Wehen kommen auch in immer kürzeren Abständen und werden immer intensiver. Das wird sich auch in dieser Gerichtsperiode buchstäblich erfüllen: es geht dann Schlag auf Schlag, und es wird immer schlimmer!

Ist das plötzliche Verderben das gleiche wie die Stunde der Versuchung (Off 3,10) und die große Drangsal (Mt 24,21; Off 7,14)? Die Stunde der Versuchung umfasst die Zeit nach der Entrückung der Gläubigen und sie währt bis zur Auf-richtung des 1000-jährigen Reiches. Das ist der Zeitraum von Off 4 bis Off 19. Die große Drangsal beginnt erst in der Mitte der letzten Jahrwoche, nach 3 ½ Jahren. Die erste Hälfte der Drangsalszeit wird also etwas ruhiger sein als die zweite schreckliche Hälfte, die Drangsal Jakobs (Jer 30,7), die vorwiegend über die beiden Stämme Juda und Benjamin kommen wird, die den Heiland gekreuzigt haben. Das wird auch aus der Beschreibung der 70.Jahrwoche in Dan 9,27 deutlich, wo auch in der Hälfte der Woche ein Wandel eintritt. Das ist der Zeitpunkt, wo Satan aus dem Himmel auf die Erde geworfen wird (Off 12,7 ff.). Zusammen mit dem Haupt des römischen Reiches (Off 13,1–8) und dem Anti-christen (Off 13,11–17) werden sie eine unheimliche Macht des Bösen auf dieser Erde entwickeln.

Es ist etwas Bedrückendes, wenn wir bedenken, was Gott einmal an Gericht über diese Erde bringen wird – obwohl es gerecht sein wird. Niemand wird der Schwere dieses Gerichtes entrinnen können, sie werden nicht entfliehen. Dieses Verderben wird das Verderben alles dessen sein, worauf der Mensch je seine Sicherheit oder Hoffnung gesetzt hat, bis hin zum körperlichen Tod, dem dann noch das ewige Gericht Gottes folgen wird. Hier wird dem Menschen jegliche Il-lusion darüber geraubt, dass er sich je ein Paradies ohne Gott auf der Erde schaffen könnte, Frieden genießen könnte ohne Gerechtigkeit vor Gott zu besitzen.

„Ihr nun, Brüder, ihr seid nicht in der Finsternis, dass euch der Tag wie ein Dieb ergreife; denn ihr alle seid Söhne des Lichts und Söhne des Tages; wir sind nicht von der Nacht noch von der Finsternis“ (Verse 4+5)

Dieser Vers ist eine Feststellung, keine Aufforderung. Die ungläubigen Menschen dieser Welt, die sich in diese falsche Sicherheit wiegen, sind in absoluter Unkenntnis und Finsternis bezüglich göttlicher Dinge. Macht uns das nicht glücklich, dass wir dagegen Söhne des Lichts und Söhne des Tages sind? Wenn diese ungläubigen Menschen von dem Tag des Herrn wie ein Dieb ergriffen werden, dann sind wir auch schon gar nicht mehr da auf dieser Erde.

Wir müssen beachten, dass mit Tag und Nacht und mit wachen und schlafen in diesen Versen nicht immer das Gleiche gemeint ist. Hier sagt der Apostel zunächst, dass wir nicht in geistlicher Finsternis, im Tod, sind. Das würde nämlich bedeuten, dass wir die Entrückung nicht miterleben würden und zurückbleiben und dann von dem Tag des Herrn über-rascht würden. Diese Möglichkeit besteht gar nicht, weil wir eben nicht in Finsternis sind. Wir gehören alle dem an, der das wahre Licht ist, und für uns besteht die Erwartung, dass der Herr kommt, um uns heimzuholen. Das ist die Hoff-nung der Söhne des Lichtes und der Söhne des Tages. Was für ein unendliches Vorrecht; der Tag, der wie ein Dieb kommt, kann uns nicht ergreifen, weil wir schon vorher entrückt worden sind.

Einst waren wir Finsternis (Eph 5,8), jetzt sind wir also nicht mehr in der Finsternis (1. Pet 2,9), sondern wir sind errettet worden aus der Gewalt der Finsternis (Kol 1,13). Und der Gläubige kann auch nie mehr in diesen Zustand zurückfallen! Er ist einmal in das Licht gekommen und bleibt von da an in dem Licht. Hier wird also unsere Stellung beschrieben. Das hat noch nichts zu tun mit unserem geistlichen Zustand, unserem praktischen Wandel. Das finden wir erst im nächsten Vers, wo es um den geistlichen Schlaf der Gläubigen geht.

In Eph 5,8 werden wir als Kinder des Lichts bezeichnet, hier als Söhne des Lichts. Beschreibt der Ausdruck Kinder nicht mehr das, was sie in ihrem Wesen von Natur sind, während bei dem Ausdruck Söhne mehr eine größere Einsicht in die Gedanken des Vaters vorausgesetzt wird?


„Also lasst uns nun nicht schlafen wie die Übrigen, sondern wachen und nüchtern sein“ (Vers 6)

Zuerst hat uns der Apostel in den Versen 4+5 also gezeigt, was wir sind als Söhne des Lichts, daraus folgt dann in die-sem Vers 6, was das für praktische Konsequenzen bei uns hervorbringen sollte. Und in den folgenden Versen zeigt er dann, dass diese praktische Konsequenz nicht etwas Erzwungenes bei uns ist, sondern etwas ganz Natürliches, und zwar so natürlich, wie der Mensch am Tag arbeitet und in der Nacht schläft.

Auch Eph 5,8–10 führt diesen Gedanken auf diese Weise fort: wir sollen nun auch entsprechend unserer Stellung als Kinder des Lichts wandeln, indem wir prüfen, was dem Herrn wohlgefällig ist. Das bedeutet also praktisch, dass wir in unserem Leben die Werke der Finsternis ablegen müssen (Röm 13,12). In unserer Praxis fragen wir eher, ab wann etwas anfängt, dem Herrn zu missfallen. Aber wir müssen nicht auf die Grenze schauen, die wir einhalten müssten, damit es dem Herrn nicht missfällt, sondern dem Herrn ins Auge schauen und fragen: „Herr, was gefällt Dir“? Haben wir in diesem Sinn geübte Sinne zur Unterscheidung des Guten und des Bösen (Heb 5,14)? Dieser Sinn schärft sich in der Gemeinschaft mit Ihm und orientiert sich an Seinem Wort.

Vorrechte, die Gott uns schenkt, sind also gleichzeitig auch Verpflichtung für uns. Im Unterschied zu den Übrigen, den Ungläubigen, sollen wir nicht schlafen, nicht gleichgültig sein im Blick auf den Willen Gottes. Auch der Herr Jesus hat direkt im Anschluss an Seine prophetischen Worte an Seine Jünger über Sein Erscheinen in Macht und Herrlichkeit sie aufgefordert, wachsam zu sein (Mk 13,33–37). Dreimal betont Er das in diesen Versen und möchte sie damit sensibili-sieren, nicht dieser Gefahr der Schläfrigkeit zu erliegen. Nüchternheit bedeutet, die Dinge um uns herum frei von Emo-tionen und Meinungen auf der Grundlage des Wortes Gottes zu beurteilen.

Ein Gläubiger, der schläft, unterscheidet sich äußerlich in nichts von einem Ungläubigen, er gleicht ihm bis aufs Haar. (vgl. Apg 20,9). Deshalb erfolgt in Eph 5,14 auch der Ruf an ihn, aufzuwachen und aus den Toten aufzustehen, aus den Ungläubigen, die noch in Nacht und Finsternis sind. Das Schlafen eines Gläubigen drückt eine Form der Weltförmigkeit aus; ein solcher ist geistlich inaktiv, aber in allen anderen Bereichen aktiv wie ein Weltmensch in der Welt. Bei einem Weltmenschen gibt es nichts, absolut gar nichts, woran Gott irgendwie Gefallen haben könnte. Und das kann praktischerweise auch bei einem Gläubigen der Fall sein. Geistlicher Schlaf bei einem Gläubigen ist also mehr als bloße Gleichgültigkeit und Untätigkeit im Blick auf den Willen Gottes, es ist auch eine gewisse Aktivität im Blick auf die Dinge dieser Welt.

„Denn die, die schlafen, schlafen bei Nacht, und die, die betrunken sind, sind bei Nacht betrunken“ (Vers 7)

Die Dinge, die durch ein ausschweifendes Leben gekennzeichnet sind, werden bei Nacht, im Verborgenen, getan. Da-gegen kann das, was die Gläubigen tun, gesehen werden, und man darf und soll es auch sehen, denn es ist in Überein-stimmung mit dem Licht, in das wir hineingebracht worden sind. Rausch und Trunkenheit ist die größte Form der Unnüchternheit. Wenn wir uns berauschenden Einflüssen hingeben, können wir nicht mehr geistlich sein. Und wenn wir ungeistlich sind, können wir einen nüchternen Christen auch oft gar nicht wirklich erkennen.

In Röm 13,11–13 werden wir aufgefordert, angesichts unserer nahe bevorstehenden Errettung aus einem geistlichen Schlaf aufzuwachen. Und anschließend wird uns gesagt, wie wir das Problem der Unnüchternheit vermeiden können. Vers 13 gibt uns einen dreifachen Blick auf menschliche Sucht, auf die Drogen unserer Zeit:
• Genusssucht (Schwelgereien und Trinkgelage)
• Sexuelle und sinnliche Lust (Unzuchthandlungen und Ausschweifungen)
• Ich-Sucht (Streit und Neid)
Bei diesen drei Ausprägungen menschlicher Sucht merken wir, welche Kräfte gerade heute wirksam sind. Ähnlich schreibt auch Johannes von der Lust des Fleisches, der Lust der Augen und dem Hochmut des Lebens (1. Joh 2,16), die-sen drei Motoren, die den unmoralischen Betrieb der Welt in Gang halten. Deshalb müssen wir nüchtern sein und nicht Vorsorge für das Fleisch betreiben zur Erfüllung seiner Lüste.

„Wir aber, die von dem Tag sind, lasst uns nüchtern sein, angetan mit dem Brustharnisch des Glaubens und der Liebe und als Helm mit der Hoffnung der Errettung“ (Vers 8)

Von dem Tag zu sein weist jetzt nicht so sehr auf den Tag des Herrn hin, denn im Griechischen steht kein Artikel vor Tag. Es bedeutet mehr, dass wir durch Tag charakterisiert sind, ähnlich wie wir in Vers 5 als Licht-Söhne und Tag-Söhne bezeichnet werden.

Nüchternheit bedeutet, von allen Einflüssen der Welt und des Fleisches frei zu sein und damit sich ganz zur Verfügung des Herrn zu halten. Das gilt auch im Blick auf die Technik unserer Tage mit all ihren großen und kleinen Bildschirmen. Technik ist die Droge unserer heutigen Zeit! Heute meint man immer, irgendetwas zu verpassen, wenn man nicht online ist – das ist keine Nüchternheit. Aber ständig mit Herz und Ohr auf Empfang zu sein für das, was Gott in meinem Leben will, das ich geistliche Nüchternheit. Die höchste Form der Nüchternheit ist, wenn wir vom Heiligen Geist erfüllt sind. Die Welt beurteilt das ganz anders. Als die ersten Christen vom Heiligen Geist erfüllt wurden, beurteilte die Umgebung das so, dass sie voll von süßem Wein wären (Apg 2,13).

Zum wiederholten Mal werden jetzt in diesem Brief die drei Dinge Glauben, Liebe und Hoffnung genannt. Die Thessa-lonicher hatten diese praktischen Kennzeichen des neuen Lebens in ihrem Leben gezeigt (Kap 1,3), hier werden sie noch einmal daran erinnert, sie als Teile einer Waffenrüstung oder Schutzwehr zu tragen. Paulus sagt ihnen praktisch: „Ihr habt diese drei Grundpfeiler praktischen Christenlebens schon offenbart in eurem Leben, sie sind bei euch vorhan-den. Und genau diese drei Wesenszüge bilden zugleich euren besten Schutz gegen diese lehrmäßigen Angriffe auf die Wahrheit bezüglich des Kommens des Herrn“. Wir sehen hier auch wieder, dass lehrmäßige Klarheit nicht zu trennen ist von moralischen Konsequenzen.

Der Brustharnisch schützt das Herz, unsere Empfindungen und Zuneigungen und der Ausgangspunkt der Entscheidun-gen unseres Lebens (Spr 4,23) müssen reguliert werden durch Glaubensvertrauen und göttliche Liebe. Der Helm schützt den Kopf, den Sitz unserer Gedanken. Unsere Gedankenwelt muss geschützt werden durch die Blickrichtung auf das, was als Hoffnung vor uns liegt, unsere zukünftige Errettung (Phil 3,20+21).

Diese Teile der Waffenrüstung sind Hilfsquellen, die Gott uns zur Verfügung stellt; unsere Verantwortung ist es, sie auch anzuziehen. Gegen welche Attacken des Feindes sind nun diese Waffen gedacht? Zuerst will er uns die Hoffnung auf das Wiederkommen des Herrn rauben, und nur wenn wir diese Teile der Waffenrüstung anziehen, bleibt uns diese Hoffnung lebendig erhalten. Und ein weiteres Ziel des Feindes ist es, dass er uns äußerlich in unserem Verhalten dieser Welt gleichstellen will, dass wir schlafen und aussehen wie die Übrigen.
• Der Glaube verbindet uns mit der unsichtbaren Welt, es ist das Fundament. Je mehr wir mit den unsichtbaren Dingen beschäftigt sind, umso weniger wird der Teufel uns mit den sichtbaren Dingen der Welt abziehen kön-nen. Er bewahrt uns vor Unnüchternheit in unseren Zuneigungen.
• Und je mehr wir in unseren Herzen Liebe haben, einmal zu Gott, dann aber auch zu den Brüdern, umso weni-ger Raum ist in unseren Herzen für die Liebe zur Welt. Wenn die Liebe zu Gott oder zu unseren Brüdern nach-lässt, dann wird genau dieses Vakuum gefüllt von der Liebe zu dieser Welt.
• Und wenn unser Denken ausgefüllt ist mit der vor uns liegenden Errettung (Phil 3,20+21), dem Kommen des Herrn zur Entrückung, dann wird es dem Feind nicht gelingen, uns diese Hoffnung zu rauben.
Aber es genügt nicht, dass wir diese Waffen kennen, wir müssen sie auch anziehen, d.h. wir müssen das auch wirklich praktizieren! Nach der Betrachtung dieses Abschnittes müssen wir uns alle doch die ernste Frage stellen, ob wir wirklich in der tagtäglichen Erwartung des Kommens des Herrn leben!

Bemerkenswert ist, dass die Liebe diesmal in der Mitte zwischen den anderen beiden Elementen steht. Liebe ist die Schutzwehr gegen diese falschen Lehren, Liebe ist der Ausdruck einer innigen Zuneigung. Das zeigt uns, dass es hier nicht um rein lehrmäßige, intellektuelle Dinge geht. Ich könnte dies alles wissen, besser vielleicht als alle anderen, und ich könnte das auch in exzellenter Weise darlegen – aber wenn mich nicht die Liebe bewegt, dann ist das nutzlos (1. Kor 13). Die Liebe ist insofern das Lebenselixier des Gläubigen, nicht Erkenntnis, nicht die Fähigkeit, andere unterweisen zu können. Liebe bewahrt uns in der Gemeinschaft mit unserem Gott und Vater und dem Herrn Jesus; sie bewahrt uns auch davor, uns aus parteiischen Gründen von irgendwelchen Brüdern und Schwestern abzuwenden. Es ist nicht die göttliche Liebe, die sich nur punktuell auf jemanden richtet, weil derjenige uns so gefällt oder uns entgegenkommt. Lie-be bettet uns ein in eine Beziehung zu Gott und zu den Geschwistern, die uns letzten Endes unangreifbar macht. In dieser Liebe können wir ruhen – das ist eine Abwehr gegen Angriffe des Feindes durch falsche Lehre und auch durch falsche Praxis. Die innigste Beziehung eines Gläubigen zu Gott und auch zu den Mitgeschwistern ist ein starkes Schutzmittel, denn wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott (1. Joh 4,16–18).