Alle vier Evangelien berichten von dem, was über dem Haupt des Herrn Jesus auf dem Kreuz geschrieben stand:
„Und sie brachten oben über seinem Haupt seine Beschuldigungsschrift an: Dieser ist Jesus, der König der Juden“ (Mt 27,37).
„Und als Aufschrift mit seiner Beschuldigung war angeschrieben: Der König der Juden“ (Mk 15,26).
„Es war aber auch eine Aufschrift über ihm geschrieben in griechischer und lateinischer und hebräischer Schrift: Dieser ist der König der Juden“ (Lk 23,38).
„Pilatus schrieb aber auch eine Aufschrift und setzte sie auf das Kreuz. Es war aber geschrieben: Jesus, der Nazaräer, der König der Juden. ... Und es war geschrieben auf Hebräisch, Lateinisch und Griechisch“ (Joh 19,19.20).
Jedes Evangelium gibt die Aufschrift etwas anders wieder. Wie können wir diese Unterschiede erklären?
Der Schlüssel zum Verständnis liegt wohl darin, dass die Aufschriften in drei verschiedenen Sprachen verfasst waren: auf Hebräisch, Griechisch und Lateinisch. Drei Evangelien erwähnen jeweils eine Aufschrift in einer dieser Sprachen, während ein Evangelium nicht wörtlich zitiert – das Evangelium nach Matthäus.
Nur Matthäus benutzt in diesem Zusammenhang das Wort „Beschuldigungsschrift“, während die anderen von „Aufschrift“ reden. Matthäus betont also anscheinend mehr die Ursache, warum der Herr für schuldig befunden wurde – und legt weniger Wert auf die Angabe des genauen Wortlauts.
Im Johannes-Evangelium haben wir die hebräische Aufschrift. Denn dort ist von Jesus als dem Nazaräer die Rede, womit normalerweise nur Juden etwas anfangen konnten. Dementsprechend lesen wir in Johannes 19,20: „Diese Aufschrift nun lasen viele von den Juden ...“ Außerdem setzt Johannes das Hebräische an die erste Stelle, wenn er die drei Sprachen der Aufschrift nennt.
Lukas hingegen erwähnt zuerst die griechische Schrift. So dürfen wir davon ausgehen, dass Lukas auch diese griechische Aufschrift mitgeteilt hat.
Zu Markus passt die lateinische Aufschrift, denn er benutzt häufiger lateinische Ausdrücke.
Auch wenn es Unterschiede bei den Aufschriften gibt – die Kernaussage ist immer dieselbe. In allen Evangelien finden wir daher bei der Aufschrift die Worte: „Der König der Juden“. Auch die Hohenpriester, die gegen die Aufschrift protestierten, erwähnen nur diese Aussage (vgl. Joh 19,21).
„Der König der Juden“ – was für ein merkwürdiger Anklagegrund war das doch! Kann man jemand für das verurteilen, was er ist? Ist nicht das maßgebend, was er getan hat? Und wenn er König ist, ist er dann nicht derjenige, der andere richten sollte? „Ein König, der auf dem Thron des Gerichts sitzt, zerstreut alles Böse mit seinen Augen“ (Spr 20,8). Doch hier sehen wir nicht einen König auf dem Thron sitzen, sondern „den König der Juden“ an ein Kreuz gehängt!
So wurde Er verworfen von der Welt in ihren verschiedenen Schattierungen. Die unterschiedlichen Sprachen bei den Aufschriften deuten das an: Das Hebräische weist auf die religiöse Welt hin, das Griechische auf die kulturelle und das Lateinische auf die politische Welt. Alle haben Ihn verworfen!