„Zieht nun an, als Auserwählte Gottes, als Heilige und Geliebte: herzliches Erbarmen, Güte, Demut, Sanftmut, Langmut“ (Vers 12)

Es ist typisch für den Apostel Paulus, dass er uns erst Tatsachen vorstellt, um dann bei uns praktische Auswirkungen hervorzubringen. Zuerst erwähnt er drei Tatsachen, die wahr sind von jedem Gläubigen: jeder Gläubige ist ein Auserwählter Gottes, ist ein Heiliger und ist ein Geliebter.

Wenn die Kolosser hier als Auserwählte Gottes angesprochen werden, ist das der erhabene Boden von Eph 1,4 (auch 1. Thes 1,4). Er spricht jetzt nicht mehr davon, was sie in ihrem Glauben zu verwirklichen hatten, sondern er beruft sich auf Gottes ewigen Ratschluss, dessen Gegenstände die Kolosser waren und auch wir sind. Wir werden hier in die Ewigkeit zurückgeführt und es wird uns ein Blick in das Herz eines Gottes voll Gnade und Liebe gewährt. Und wir denken an den, der uns das durch Sein Werk verwirklicht hat – den Herrn Jesus, den Sohn des Vaters. Alle diese drei Titel sind wahr auch und in erster Linie von dem Herrn Jesus; Er war der Auserwählte, Er ist der Heilige und Er ist der Geliebte! Gibt uns das nicht ein Bewusstsein von der Gunst Gottes, die uns erwiesen worden ist, und von der Würde, die mit dieser Stellung verbunden ist?

Und die Folgen Seines Werkes sind für die, die dieses Werk angenommen haben, dass auch sie Heilige und Geliebte sind; wir dürfen uns in dem Bewusstsein bewegen, Gegenstände der Liebe Gottes zu sein. Wir sind in eine bestimmte Position hineingestellt, und weil wir das sind, ziehen wir jetzt herzliches Erbarmen, Güte, Demut, Sanftmut, Langmut an. Wir werden nicht zu Auserwählten Gottes, zu Heiligen und Geliebten, weil wir herzliches Erbarmen, Güte, Demut, Sanftmut und Liebe anziehen; sondern weil wir das sind, ziehen wir das alles an. Ähnlich ist es auch in Eph 5,1: wir werden nicht geliebte Kinder, weil wir in Liebe wandeln; sondern weil wir geliebte Kinder sind, wandeln wir in Liebe. Wir sind Kinder des Lichts, und deshalb wandeln wir gemäß diesem Licht; wir werden nicht durch einen Wandel zu Kindern des Lichts.

Solchen Gegenständen der Gnade und Liebe Gottes geziemt kein anderes Verhalten, als das, was dann beschrieben wird. Und in dem Herrn Jesus, wie Er als Mensch auf dieser Erde gelebt hat, finden wir vollkommen diese Kennzeichen des neuen Lebens, und wir bewundern Ihn als den vollkommenen Menschen; aber wir vergessen dabei nicht diese Aufforderung, selbst nun diese Kennzeichen anzuziehen. Wie sieht das bei mir ganz persönlich damit aus? Unseren Mitgeschwistern gegenüber? Unseren Ehepartnern gegenüber? Unseren Kindern und Enkelkindern gegenüber? Haben wir diese Stücke angezogen, oder sind wir in der Praxis doch eher von ihrem Gegenteil gekennzeichnet?

Herzliches Erbarmen: Der Herr Jesus ist voll innigen Mitgefühls und barmherzig (Jak 5,11); so oft heißt es in den Evangelien von Ihm, dass Er innerlich bewegt wurde (z.B. Lk 10,33); ja, in Ihm hat uns die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes besucht (Lk 1,78). Das Herz sieht die Not des Anderen und neigt sich liebevoll diesem Elend zu. Und wenn wir das nun anziehen sollen, meint das, dass das auch bei uns in mutigen Taten sichtbar sein soll. Wer die Barmherzigkeit Gottes an sich selbst erfahren hat, dem sollte es nicht schwer fallen, sie auch anderen gegenüber zu üben.

Güte: Güte ist Freundlichkeit, die sich im Handeln, in Aktivität ausdrückt. In dem Herrn Jesus ist die Güte und Menschenliebe unseres Heiland Gottes erschienen (Tit 3,4), die Güte Gottes leitet uns zur Buße (Röm 2,4).

Demut: Niedriggesinntheit, niedrig oder besser noch gar nicht von sich denken. Auch diese Demut hat der Herr Jesus in Seinem Leben in Vollkommenheit offenbart (Mt 11,29), und darin sollen wir von Ihm lernen. Besonders groß wird uns die Demut des Herrn Jesus, wenn wir in Phil 2,5–8 sehen, wie tief Er sich erniedrigt hat; und auch dort wird uns gesagt, dass diese Gesinnung auch in uns sein soll.

Sanftmut: nicht auf seinen Rechten bestehen. Der Herr Jesus hat nicht auf Seinen Rechten bestanden (Mt 21,5). Was hat Er nicht alles ertragen an Spott und an Hohn, und hat sich dem übergeben, der gerecht richtet. Von Mose wird gesagt, dass er der sanftmütigste Mann auf dem Erdboden war (4. Mo 12,3); und das wird gesagt, nachdem vorher gegen ihn häßlich geredet wurde. Aber er ergreift dann keine Partei für sich selbst, Gott selbst nimmt die Dinge dann in die Hand, und Er wird auch alle Dinge regeln, die für uns selbst unregelbar sind. Sanftmut bedeutet also auch, sich unter die Führung Gottes zu stellen und Ja dazu zu sagen (Mt 11,26). Auch zum Aufnehmen des Wortes Gottes brauchen wir ein herzliches Ja (Jak 1,21). David hatte Sanftmut gezeigt, als Simei ihm fluchte (2. Sam 16,10). Das Gegenteil von Sanftmut ist Rebellion.

Langmut: Langmut hat es im Gegensatz zum Ausharren mit Menschen zu tun; Ausharren bezieht sich mehr auf Geduld in übenden Umständen, Langmut bezieht sich mehr auf Geduld mit übenden Menschen. Es bedeutet, anderen nicht das zu vergelten, was sie uns vielleicht Übles tun. Wie übel ist man mit dem Herrn Jesus umgegangen, aber wie hat Er sowohl Seinen Jüngern als auch Seinen Feinden gegenüber diese Langmut bewiesen!

Das, was uns hier vorgestellt wird, sollen wir nicht nur hier und da einmal praktizieren, sondern es soll uns als Grundhaltung zieren. Es ist unser Verhalten unter Menschen, nicht nur unter den Hausgenossen des Glaubens, aber gerade auch da. Wir können den Geschwistern gegenüber und den Menschen der Welt gegenüber doch keine verschiedenen Charaktere offenbaren. Das hat der Herr doch auch nicht getan! Das herzliche Erbarmen meint z.B. nicht nur, dass wir natürliches Mitempfinden praktizieren sollen, wenn Menschen in Not gekommen sind. Wir sollen innerlich angerührt werden und aus diesem Angerührt-Sein entsprechend helfen. Das gilt nicht nur bei äußerer Not, wir sind auch gefordert, wenn Geschwister in innere, geistliche Not gekommen sind, dann müssen wir geistlich helfen. Das ist manchmal wohl schwieriger, als in äußeren Dingen zu helfen. Und wenn Geschwister schwierige Charaktere haben, wird unsere Sanftmut oder Langmut auf besondere Weise geübt. Die Eigenarten und Kompliziertheiten des Anderen zu ertragen – nicht ihre Sünde! – macht diese Bereitschaft oft zu einer Herausforderung für uns. Wir neigen manchmal dazu, dass wir mit einem geistlichen Ordnungs-Denken herangehen und uns dieses herzliche Erbarmen fehlt, um den Anderen zu gewinnen. Wir müssen sehr wachsam sein über unser eigenes Ich. Wenn sich das einmischt, dann geht alles das, was hier gesagt wird, ins Leere und dient nicht zur Verherrlichung des Herrn.

„…einander ertragend und euch gegenseitig vergebend, wenn einer Klage hat gegen den anderen; wie auch der Christus euch vergeben hat, so auch ihr“ (Vers 13)

Bei den fünf Stücken von Vers 12 haben wir gesehen, dass sie nicht nur den Geschwistern gegenüber geübt werden sollen, sondern auch gegenüber ungläubigen Menschen. Hier wird nun der Schwerpunkt mehr auf das Verhalten unter Glaubensgeschwistern gelegt. Im Epheser-Brief wird dabei noch ergänzt, dass wir einander ertragen sollen in Liebe (Eph 4,2). Wir ertragen die Gewohnheiten und Schwachheiten und Eigenarten der anderen. Wenn wir in andere Gegenden oder Länder und reisen und nicht bereit sein können, die dortigen Gewohnheiten und Mentalitäten zu ertragen, dann verlieren wir einen großen Segen! Es gibt genaue Menschen, schnelle Menschen und langsame Menschen, es gibt solche, die schnell reden, es gibt solche, die schön schreiben können – und das ist das Gebiet des Ertagens. Wir ertragen auch Bosheiten gegen uns. Der Herr Jesus hat die Bosheiten gegen Ihn auch ertragen; was Er aber nicht ertragen hat, war Bosheit gegen Gott. Und wie handeln wir? Gehen wir nicht oft auf die Barrikaden, wenn uns Böses zugefügt wird? Das sollten wir ertragen! Und sind wir nicht oft gleichgültiger, wenn Gott gegenüber Böses getan wird?

Und wenn Sünde vorkommt, dann geht es auch nicht mehr darum, zu ertragen, sondern zu vergeben (Lk 17,3+4). Und wenn die Vergebung gute Resultate haben soll, dann muss da auch etwas eingesehen und bekannt werden. Das Bekenntnis zeigt, wie weit sich der Betreffende echt innerlich getrennt hat von dem Bösen und es verurteilt (vgl. David in Ps 32,5; 51,6). Aber bis es eingesehen wird, sollen wir diese vergebende Haltung haben. In den manchen Schwierigkeiten unter Brüdern, wenn da etwas mal nicht eingesehen wird von dem Anderen, dann sollten wir doch immer diese Bereitschaft zum Vergeben in unserem Herzen und in unserer Haltung haben – und dann können wir es auch, wenn es nicht gelöst werden kann, Gott übergeben. Das Gericht Gottes fällt auf den, der nicht zum Vergeben bereit ist (Mt 18,33–35). Paulus hatte dieses Ertragen und diese Bereitschaft zum Vergeben selbst noch im Gefängnis in Rom gezeigt (2. Tim 4,16).

Frage: Kann vergeben werden, wenn gar kein Bekenntnis vorliegt, wenn gar nicht um Vergebung gebeten wird?

Es ist ein göttlicher Grundsatz, dass Sünden vergeben werden, wenn sie bekannt wurden (1. Joh 1,9; Jak 5,16). Es muss ein Bekenntnis da sein, damit die Vergebung ihren Abschluss findet. Aber hier in diesem Vers liegt der Nachdruck darauf, dass wir eine vergebende Haltung haben sollen, und die muss schon da sein, bevor das Bekenntnis kommt. Es ist für uns auch viel einfacher, zu einem Bruder oder Schwester hinzugehen und zu bekennen und um Vergebung zu bitten, wenn ich weiß, dass er reich an Vergebung ist. Es hilft sehr, wenn wir eine solche vergebende Haltung haben, dass jemand auch kommt und ein Bekenntnis ablegt. Ein Bekenntnis muss auch aufrichtig sein, aber wir dürfen keine Vorschriften dafür machen, als wäre es nur zu akzeptieren, wenn es unseren Vorstellungen entspricht; wir dürfen z.B. kein formvollendetes schriftliches Bekenntnis fordern. Aber ohne ein Bekenntnis wird es bei dem Schuldigen nie ein ruhiges Gewissen und nie eine Wiederherstellung geben (Ps 32,3+4).

Das Ertragen und das Vergeben ist interessanterweise in beide Richtungen formuliert: einander ertragend und euch gegenseitig vergebend. Sollte es mir schwerfallen, den Bruder zu ertragen oder ihm zu vergeben, dann sollte ich vielleicht daran denken, dass er mich auch ertragen muss und vielleicht auch einmal mir vergeben muss. Wir könnten ganz allgemein sagen: „Wenn eine Schwierigkeit entsteht zwischen Brüdern…“.

Und wenn wir Klage gegen den anderen haben, dann sollen wir auch die Gesinnung des Herrn offenbaren, der es dem übergab, der gerecht richtet (1. Pet 2,22); wir müssen bereit sein, auch einmal zurückstecken zu können. Wenn einer Klage hat gegen den Anderen, dann hat der Andere ihm wohl ein Unrecht zugefügt. Dann sollten wir aber auch zuerst hingehen und versuchen, ihn zu überführen (Mt 18,15). Und wir wollen ernstlich hoffen und beten, dass es in solchen Fällen auch zu einer Klärung kommt. Und dann sollen wir vergeben, wie Christus uns vergeben hat. Wie hat Er uns vergeben? Er hat unsere Sünden hinter Seinen Rücken geworfen (Jes 38,17) und wird ihrer nie mehr gedenken (Jes 43,25), Er kommt nie mehr auf meine Sünden zurück.

Wenn vergeben wurde, dann ist die Sache zugedeckt, es muss nicht alles in die Öffentlichkeit gezerrt werden, oder vor die Brüderstunde oder Versammlung gebracht werden. Spr 19,11 zeigt einen ganz wichtigen Punkt zu diesem Thema. Es ist eine erhabene Haltung, wenn es sich um persönliche Dinge handelt, dass man Vergehungen eines anderen gegen einen selbst übersehen kann. Das bedeutet nicht, dass wir Böses gut heißen sollen und darüber hinwegsehen, sondern dass wir nicht ohne Rücksicht unser vermeintliches Recht durchsetzen sollen, sondern diese Dinge dem Herrn übergeben und sie dann auch ruhen lassen können.

„Zu diesem allen aber zieht die Liebe an, die das Band der Vollkommenheit ist“ (Vers 14)

Diese ganzen Wesenseigenschaften sind die Charakterzüge des neuen Menschen; und die göttliche Liebe übergoldet alle diese Eigenschaften. Die Liebe verleiht all diesen Eigenschaften einen vollkommenen Ausdruck und einen göttlichen Charakter und verhindert die Verwechslung mit irdischer Liebe oder irdischen Eigenschaften. Die Liebe ist also nicht etwa ein weiteres sechstes Kennzeichen, sondern der jeweilige Beweggrund und Antrieb zu all diesen Eigenschaften. Jedes dieser Teile ist in sich sehr wertvoll, aber ohne die Liebe ist alles nichts (1. Kor 13). Sie ist das Band der Vollkommenheit.

Es sind also nicht nur natürliche Charaktereigenschaften, die die Menschen mitbringen, es gibt ja auch natürlicherweise sehr sanftmütige Menschen oder sehr demütige Menschen, sehr edle und gut erzogene und anständige Menschen; aber das hier sind die Charakterzüge des neuen Menschen, die der Geist Gottes in uns bewirkt. Die halten nämlich auch noch, wenn es schwierig wird. Es wäre aber zu unserer tiefen Beschämung, wenn uns ungläubige Menschen in ihrem Verhalten zeigen, wie eigentlich unser Verhalten sein sollte; und andersherum natürlich auch, wenn unter uns Verhaltensweisen anzutreffen sind, die man selbst bei Ungläubigen nicht findet.

Es bleibt eine herzerforschende Frage für uns nach der Betrachtung der Kennzeichen dieser Verse: Warum schaffen wir es nicht, indem wir die Wesenszüge des Herrn offenbaren, in Einmütigkeit beieinander zu bleiben? Darauf gibt es eine sehr niederschmetternde Antwort: Die Offenbarung der Eigenschaften des Herrn bewirkt nicht immer positive Reaktionen (Ps 109,4; 2. Kor 12,15). Es ist möglich, dass ein Bruder seine Brüder liebt, und je mehr er sie liebt, dass er umso weniger von ihnen geliebt wird! Wie ist das möglich? Paulus war mit ganzer Kraft bemüht sind, die Wesenszüge des neuen Menschen in Licht und Liebe, in Gnade und Wahrheit zu offenbaren; und die Korinther waren so fleischlich ist, dass sie die Wahrheit nicht mehr hören wollten. Und je mehr er in die Liebe Christi ihnen die Wahrheit vorstellte, desto weniger liebten sie ihn, weil sie die heiligen Gedanken der Wahrheit nicht hören wollten. Und so ist es auch in unseren Tagen keine Garantie, dass ungeistliche Christen unsere Liebe in geistlicher Weise beantworten. Aber dieser Vers zeigt uns erst einmal unsere Verantwortung, und hat nichts damit zu tun, was das für Auswirkungen auf andere hat.

„Und der Friede des Christus regiere in euren Herzen, zu dem ihr auch berufen worden seid in einem Leib; und seid dankbar“ (Vers 15)

Dann wir das alles noch geschmückt durch den Frieden des Christus. Was ist der Friede des Christus? Es ist die Frucht, die aus der Entfaltung dieser Eigenschaften hervorgeht. Der Friede Gottes erhebt uns über die Umstände (Phil 4,7); Gott sitzt auf Seinem Thron, und nichts erschüttert diesen Frieden. Auch die Bundestags-Wahl 2009 erschüttert nicht den Frieden Gottes. Aber der Friede des Christus lässt uns in den Umständen ruhig und gelassen sein; es ist der Friede dessen, der mit einer anbetungswürdigen Ruhe des Herzens durch die Umstände hindurchgegangen ist. Der Herr Jesus hat uns den Frieden mit Gott geschenkt, und Er hat uns Seinen Frieden gegeben (Joh 14,27). Das war der Friede, den der Herr Jesus auf dem Weg Seines Dienstes unter allergrößten Schwierigkeiten und inmitten der feindseligsten Widersacher ununterbrochen genossen hat. Es ist der gleiche Friede, den der auferstandene Herr Seinen Jüngern gewünscht hat (Joh 20,21), als Er sie aussandte. Es ist nicht der Friede, den Er auf dem Kreuz für die Seinen erworben hat (Joh 20,19). Das heißt, auf dem Weg des Dienstes dürfen wir angesichts größter Probleme in diesem Frieden ruhen.

Das ist der Friede des Christus, und der regiert oder entscheidet dann in unseren Herzen. Wir können auch Entscheidungen in unserem Leben treffen, wo wir innerlich keine Unruhe verspüren, aber das muss nicht notwendigerweise der Friede des Christus sein. Diesen Frieden des Christus werden wir nur dann wirklich haben, wenn wir ein Leben führen in Gemeinschaft mit dem verherrlichten Christus. Und dann können wir durch diesen Frieden auch die richtigen Entscheidungen finden in unserem Leben.

Das Wort, das hier für regiere oder entscheide gebraucht wird, steht im Griechischen auch für einen Schiedsrichter oder Kampfrichter. Es gibt im brüderlichen, geschwisterlichen Miteinander, auch in den örtlichen Versammlungen, oft Fragestellungen, zu denen das Wort Gottes keine konkreten Aussagen trifft. Und dann gibt es unterschiedliche Ansichten, und dann möchte sich vielleicht der eine gegen den anderen durchsetzen, oder eine Gruppe sich gegen eine andere Gruppe durchsetzen. Und gerade in solchen Fällen, wo wir keine klare Weisung haben, ist es ein ganz wichtiges Kriterium, dass der Friede des Christus uns erfüllt, dass er regiert und entscheidet, damit wir nicht etwas tun, wenn wir darüber keinen Frieden haben.

Es scheint hier auch nicht nur eine persönliche Sache zu sein, sondern durch die Mehrzahlform euren Herzen wird wohl angedeutet, dass es auch um den Frieden untereinander geht. Auch der Nachsatz macht deutlich, dass es hier um die enge Beziehung geht, die wir untereinander haben. Wir sind in einem Leib zu diesem Frieden berufen, alle zusammen! Es ist das Teil aller derjenigen, die diesen Leib bilden.

Wofür sollen wir in diesem Zusammenhang dankbar sein? Da hier das Miteinander trotz aller Unterschiedlichkeit im Vordergrund steht, sollte es uns mit tiefer Dankbarkeit erfüllen, dass wir keine Einzelgänger sind, dass wir nicht auf uns allein gestellt sind; Gott hat uns mit anderen zusammengefügt in einem Leib. Ist das nicht ein Grund zu tiefer Dankbarkeit? Es ist das Ergebnis dieser Verse: wer in tiefem inneren Frieden zur Ruhe gekommen ist und in dessen Leben diese Kennzeichen des neuen Menschen gefunden werden, der ist dankbar. Der hadert nicht, weder mit Gott noch mit Geschwistern, der ist zufrieden, und das macht ihn dankbar!

„Lasst das Wort des Christus reichlich in euch wohnen, indem ihr in aller Weisheit euch gegenseitig lehrt und ermahnt mit Psalmen, Lobliedern und geistlichen Liedern, Gott singend in euren Herzen in Gnade“ (Vers 16)

Das Wort des Christus wird einerseits so bezeichnet, weil Er es gegeben hat, und andererseits auch, weil es Ihm gehört. Es ist das Wort des Christus, das uns die Kraft gibt, die eben betrachteten Dinge zu praktizieren. Dieses Wort ist die Richtschnur zur Entfaltung des göttlichen Lebens und außerdem der geschriebene Ausdruck des göttlichen Lebens. Und dieses Wort haben wir heute in unseren Händen, und es soll in uns eine Bleibe finden. Auch von den Jünglingen wird gesagt, dass das Wort Gottes in ihnen wohnt (1. Joh 2,14). Und wenn es reichlich in uns wohnt, dann kann sich das neue Leben in uns entfalten und zur vollen Blüte kommen. Das Wort des Christus wohnt in unseren Herzen, da, wo die Entscheidungen für Christus fallen, die Seine Billigung finden.

Das Wort des Christus ist nicht das Wort Gottes im allgemeinen Sinn. Das Wort des Christus sind die Mitteilungen im Neuen Testament, die uns diese Person in ihrer ganzen Herrlichkeit vorstellen. In Joh 17,14 ist es das Wort des Vaters; das Wort, das uns Gott als den Vater und uns in dieser Beziehung als Kinder zu dem Vater vorstellt. Das Wort des Lebens (Phil 2,16) ist eigentlich gar nicht auf die Bibel, sondern auf den Herrn Jesus bezogen, der das Wort des Lebens ist. Das Wort des Christus ist also genau das, was der Geist Gottes von dem Herrn Jesus als dem erhöhten Christus im Himmel uns in den Briefen zeigt (Joh 16,14), vor allem in den Briefen an die Epheser und die Kolosser.

Dieses Wort des Christus gibt auch die Möglichkeit zu einer unterschiedlichen Entfaltung dieses Lebens. Damit steht es im Gegensatz zum Gesetz. Die menschliche Natur braucht Richtlinien und Regeln, aber das Gesetz ist nicht diese Richtschnur; es ist das Wort des Christus, das in den einzelnen Gläubigen verschiedene Auswüchse dieses Lebens gestaltet. Da gibt es keine Uniformierung; es entfaltet sich in dem einen so und in dem anderen anders; aber in jedem Fall ist es die Entfaltung des neuen Lebens. Das Wort Gottes lässt diese Unterschiede bestehen, im Gegensatz zu den festen Regeln des Gesetzes.

Und dann werden die Früchte, die Ergebnisse dieses Wohnens des Wortes des Christus in uns vorgestellt. Wobei man das Wort indem auf zweierlei Weise auslegen kann: das gegenseitige Lehren und Ermahnen kann sowohl Folge als auch Voraussetzung für das Wohnen des Wortes des Christus in uns sein. Die eine Frucht ist, dass wir uns in aller Weisheit gegenseitig lehren. Was ist Weisheit? Weisheit ist nicht menschliche Weisheit wie in 1. Kor 2,1–7, sondern bedeutet, das Gute lieben und das Böse hassen. Als Salomo zum König eingesetzt wurde, erbat er sich Weisheit von Gott (1. Kön 3,4). Weisheit bedeutet auch, aus der Erkenntnis gewonnener Einsicht sich in entsprechenden Situationen weise zu verhalten. Es hat Brüder gegeben mit sehr großer Erkenntnis, die aber in entscheidenden Situationen völlig unweise waren. Weisheit und Erkenntnis dürfen wir also nicht auf eine Stufe stellen. Weisheit bedeutet, im richtigen Augenblick das Richtige zu tun auf die richtige Weise!

Und in dieser Weisheit lehren und ermahnen wir uns gegenseitig. Womit? Mit Psalmen, Lobliedern und geistlichen Liedern. Diese Stelle ist ein Beleg dafür, dass Musikinstrumente in den Zusammenkünften der Gläubigen nicht der christlichen Haushaltung entsprechen. Das waren jüdische Elemente, heute singen und spielen wir Gott in unseren Herzen. Wir sind hier auf wirklichem christlichem Boden, und es ist sehr wichtig, dass wir das erfassen. Auf christlichem Boden werden drei Dinge praktiziert: die Lehre des Wortes des Christus, verbunden mit Liedern und verbunden mit Danksagung. Das Wort des Christus, die christliche Wahrheit. Natürlich lehren wir in der Wortverkündigung auch andere Teile der Schrift, aber wir dürfen die christliche Wahrheit nicht vernachlässigen. Wir lehren das Wort des Christus, und das wird verbunden mit Lobliedern. Es ist wertvoll, wenn wir gute christliche Lieder haben, die das christliche Gedankengut vorstellen. Unsere Väter haben da viele christliche Wahrheiten in Liedform ausgedrückt. Sie haben die christliche Wahrheit gekannt und haben darüber Lieder gedichtet.

„Und alles, was immer ihr tut, im Wort oder im Werk, alles tut im Namen des Herrn Jesus, danksagend Gott, dem Vater, durch ihn“ (Vers 17)

Und dann gehört auch die Danksagung dazu. Manchmal fragen uns unsere jungen Geschwister, warum wir das in den Zusammenkünften so machen. Es gibt natürlich keine Liturgie, keine Anweisung über den Ablauf, aber wir haben hier fundamentale Tatsachen, die wir in den Zusammenkünften verwirklichen dürfen: das Wort des Christus lehren, Lieder singen, und auch Dank-Gebete sprechen.