Da fiel der König Nebukadnezar nieder auf sein Angesicht und betete Daniel an; und er befahl, ihm Speisopfer und Räucherwerk darzubringen. Der König antwortete Daniel und sprach: In Wahrheit, euer Gott ist der Gott der Götter und der Herr der Könige und ein Offenbarer der Geheimnisse, da du vermocht hast, dieses Geheimnis zu offenbaren.“ (Vers 46–47)

Daniel und seine drei Freunde sind ja ein Bild des zukünftigen gläubigen jüdischen Überrestes. Gott sorgt dafür, dass die Feinde dieses Überrestes anerkennen müssen, dass doch Gott diesen Überrest bestätigt (5. Mo 28,9+10). Das ist übrigens wahr im Blick auf Israel und auch im Blick auf uns (Off 3,9). Gott bekennt sich zu der Treue eines Überrestes – sei es damals oder sei es heute.

Die Reaktion Daniels auf die Offenbarung des Traumes war Lobpreis gewesen (Vers 20–23), in diesen Versen finden wir jetzt die Reaktion Nebukadnezars auf die Deutung des Traumes. Als erstes finden wir eine typisch heidnische Reaktion (Apg 14,11–13), er fällt vor Daniel nieder um ihn anzubeten. Auch bei Kornelius finden wir eine ähnliches Verhalten (Apg 10,25), wie auch bei Johannes (Off 19,10; 22,8). Wenn es um die Verehrung von Menschen oder Geschöpfen geht, ist es auffallend, dass Petrus und Paulus das von sich gewiesen haben, während Herodes diese Anbetung annimmt und sich selbst dadurch das Gericht Gottes zuzieht (Apg 12,21–23). Warum hat Daniel diese Huldigung nicht zurückgewiesen? Gott teilt es uns einfach nicht mit, aber seine Haltung in dieser Situation finden wir in Vers 49, wo er sich für seine Freunde verwendet. Es war ihm nicht zum Verhängnis geworden.

Nebukadnezar sah auf den Menschen und hatte nicht verstanden, dass Gott die Quelle dieser Offenbarung war, wie auch bei Paulus in Apg 14. Wenn ein Mensch keine Beziehung zu Gott hat, dann muss sein Gewissen getroffen werden, und das war bei Nebukadnezar noch nicht der Fall. Es ist praktisch eine Illustration von Röm 1,25, und muss für Daniel eine schrecklich beklemmende Situation gewesen sein. Satan versuchte durch diese Huldigung des Königs, ihn innerlich zu Fall zu bringen. Die größte Gefahr für uns ist nicht die Löwengrube oder der Feuerofen, sondern wenn uns durch Menschen Verehrung entgegengebracht wird! Wir müssen uns auch davor hüten, Brüdern, deren Dienst wir schätzen, eine gewisse Verehrung zu erweisen.

Auch was Nebukadnezar dann über Gott zum Ausdruck bringt, zeigt, dass er ist immer noch in seiner heidnischen Götter-Vorstellung gefangen ist. Er spricht ihm zwar allerhöchste Autorität zu und auch Macht über jeden Regenten dieser Erde, aber er spricht zu Daniel von eurem Gott, er selbst hatte immer noch keine persönliche Beziehung zu diesem Gott. Für ihn ist er der Gott der Götter, der Oberste von allen Götzen. Aber was er so über Gott sagt, ist natürlich überhaupt nicht wahr. 1. Kor 8,4–6 zeigt deutlich, dass es nur einen wahren und lebendigen Gott gibt und alle Götzenbilder und Götter nichts sind. Was Menschen als Götter bezeichnen, ist nichts als tote Materie, wenn auch Dämonen dahinterstehen. Wir können allerdings nicht sagen, dass sie gar nicht existieren, es sind Kreaturen des Teufels; aber es sind keine der Anbetung würdigen Götter. Satan, der Gott dieser Welt (2. Kor 4,4) hält diese falschen Götter am Laufen; und zu bestreiten, dass sie existieren, würde ihm direkt in die Karten spielen. Wenn wir wir auch in Ps 136,2 aufgefordert werden, den Gott der Götter zu preisen, ist das aber nicht der gleiche Sinn, wie Nebukadnezar es ausgedrückt hat. Es ist die Anerkennung der Tatsache, dass Gott über allem steht.

Nebukadnezar hatte außerdem auch anerkannt, dass Gott der Herr der Könige ist. Das scheint ein Hinweis darauf zu sein, dass er verstanden hatte, dass seine Macht nur von begrenzter Zeit war, dass es einen Gott gibt, der Könige absetzt und Könige einsetzt. Und als letztes hatte er auch noch anerkannt, dass es bei seiner Elite keine Weisheit gab, dass wahre Weisheit nur bei diesem Gott der Juden zu finden ist, der ein Offenbarer der Geheimnisse ist. Wenn unser Gott sich mitteilt, dann tut Er es so, dass man es verstehen kann.

Nebukadnezar zeigt hier nur ein äußeres Beeindruckt-Sein von dem, was er erlebt hatte, ohne sich unter diesen Gott zu beugen. Er kommt zu dem verstandesmäßigen Ergebnis, dass das, was Daniel für ihn getan hatte, ein normaler Mensch gar nicht hätte tun können. Es ist deshalb seine Schlussfolgerung, dass dieses Wesen, das Daniel dazu geleitet hatte, höher als alle seine Götter sein muss. Nebukadnezar ist also überhaupt nicht Gott näher gekommen; er hatte nur anerkennen müssen, wenn er seinen Verstand nicht ganz ausschalten wollte, dass es einen höheren Gott als alles, was er kannte, geben musste. Es besteht also doch eine große Kluft zwischen einer gewissen verstandes- oder gefühlsmäßigen Anerkennung Gottes und dem rettenden Glauben, zu dem man nur kommen kann, wenn Herz und Gewissen erreicht worden sind.

Und wenn die Erkenntnis Gottes nur gefühls- oder verstandesmäßig bleibt, dann wird sie auch nicht sehr dauerhaft sein und möglicherweise sogar ins Gegenteil umschlagen. Das wird auch bei Nebukadnezar in Daniel 3 deutlich, wo er offenkundig überhaupt nicht mehr an einen Gott der Götter denkt, sondern dieses gewaltige Bild aus Gold und damit im Grunde sich selbst anbeten lässt, und dann sogar der Überzeugung ist, dass es keinen Gott gibt, der aus seiner Hand zu erretten vermöchte (Dan 3,15).

Frage: Wie weit kann eigentlich der natürliche Mensch Gott erkennen oder in eine Beziehung zu Gott kommen? In Römer 1 wird vorgestellt, dass jemand, der die Schöpfung unvoreingenommen betrachtet, zu der Schlussfolgerung kommen muss, dass es ein Wesen geben muss, der dies alles hervorgebracht hat. Das ist eine Erkenntnis, die Gott dem Menschen durch den Verstand gibt; der menschliche Verstand muss durch die Herrlichkeit der Schöpfung zu dem Ergebnis kommen, dass es einen Gott im Himmel gibt. Es erhöht seine Verantwortung, aber es hilft ihm noch nicht richtig weiter. Dazu ist dann das Evangelium nötig. In diesem Sinn sind Daniel 2 und Römer 1 kein Evangelium. Es zeigt dem Menschen, dass er eine Beziehung zu Gott hat, eine Stellung der Verantwortlichkeit Gott gegenüber. Der einzige Weg, Gott zu erkennen und mit ihm in Beziehung zu treten, geht allein über Herz und Gewissen eines jeden Menschen.

Darauf machte der König Daniel groß und gab ihm viele große Geschenke, und er setzte ihn als Herrscher ein über die ganze Landschaft Babel und zum Obervorsteher über alle Weisen von Babel. Und Daniel bat den König, und er bestellte Sadrach, Mesach und Abednego über die Verwaltung der Landschaft Babel. Und Daniel war am Hof des Königs.“ (Vers 48–49)

Daniel und seine Freunde hatten Gott geehrt, und jetzt sorgt Gott dafür, dass sie geehrt werden und an den Platz kommen, den Er ihnen zugedacht hat (1. Sam 2,30; Spr 15,33). Wir finden hier auch den so wichtigen inneren Zusammenhalt unter Gläubigen. Daniel hatte die Offenbarung bekommen, aber er wollte den Ruhm nicht für sich allein haben, sondern verwendet sich für die, die mit ihm gebetet hatten. So gibt es unterschiedliche Aufgaben unter den Gläubigen, aber der dabei vom Herrn geschenkte Segen ist für alle, nicht nur für die, die an vorderster Front stehen (1. Sam 30,24)! So ist auch der Segen dieser Konferenz nicht nur für die Brüder, die dabei sein konnten, sondern auch für alle Geschwister, denen es nicht vergönnt war und die zu Hause für diese Konferenz gebetet haben.

Daniel bekommt hier zwei große Ehren angeboten, er sollte zum Herrscher über die zentrale Landschaft Babel und auch zum Obersten aller Weisen gemacht werden. Aber anstatt das für sich anzunehmen, verwendet er sich für seine Freunde und schlägt dem König vor, die Verwaltung über die Landschaft Babel ihnen zu geben. Das Angebot, über alle Weisen gesetzt zu werden, hatte er nicht abgelehnt, und das ist übrigens auch der Grund, warum er am Hof des Königs blieb und die drei Freunde in Kapitel 3 ohne Daniel gefunden werden. Vers 49 ist also gewissermaßen auch eine Einführung in das nächste Kapitel. Dort werden alle Regierungsbeamten zur Einweihung des Standbildes gerufen, aber Daniel war kein Beamter sondern Oberster der Weisen Babels. Daniel hat nie nach hohen Dingen getrachtet (Röm 12,16; Mt 6,33; Spr 16,7), sondern in Einfachheit und Schlichtheit um jeden Preis die Ehre bei Gott höher wertgeschätzt als die Ehre vor den Menschen. Er wollte keinen Erfolg haben, er wollte nur seinem Gott treu sein. Möchten wir diese Haltung für uns selbst und auch in der Erziehung unserer Kinder nachahmen!

Diese beiden Verse haben auch eine prophetische Aussage. Wir finden hier einen Hinweis darauf, dass der Herr Jesus einmal groß gemacht wird, dass Er einmal herrschen wird. Und so, wie Daniel hier seine drei Freunde nicht vergessen hatte und auf das Wirken von Daniel hin auch erhoben werden, so wird auch der Herr Jesus Seine Herrschaft nicht allein ausüben. Die, die zu Ihm gestanden haben, werden Seine Herrlichkeit teilen.