Überblick über Daniel 2 bis 7

Daniel 2 hatte uns in dem Traum Nebukadnezars die Entwicklung der Herrschaft des Menschen auf der Erde gezeigt. Es waren vier Weltreiche, die mit dem babylonischen Weltreich unter Nebukadnezar ihren Anfang nahmen. Die ganze Geschichte der Herrschaft der Nationen wird in diesem Bild in Daniel 2 in ihrem äußeren Ablauf vorgestellt – vier Weltreiche, endend mit dem römischen Reich, das durch die Macht des Herrn Jesus zerstört werden wird. Es ist ein außerordentlich wichtiger Blick, den wir in diesem Kapitel finden: Gott gibt die Herrschaft den Menschen. Und wie die Menschen diese Macht benutzen, ist dann der Gegenstand der Kapitel 3 bis 6, die historisch genannt werden können. In diesen vier Kapiteln werden innere Entwicklungen gezeigt, die moralische Seite dieser Reiche:

  • Kapitel 3 – Götzendienst

  • Kapitel 4 – Selbst-Überhebung, Verlust der Gottes-Erkenntnis

  • Kapitel 5 – Gottlosigkeit

  • Kapitel 6 – Anbetung des Menschen; die Spitze des Verderbens

Diese historischen Kapitel 3 bis 6 sind eingebunden in die prophetischen Weissagungen der Kapitel 2 und 7. Sie enthalten deshalb nicht nur Historie, nicht nur moralische Unterweisungen, sondern unbedingt auch prophetische Hinweise. Ganz eindeutig hat Gott vor, in diesen vier geschichtlichen Berichten uns prophetische Entwicklungen der Endzeit zu zeigen. Es wird unseren Glauben sehr stärken, wenn wir darin erkennen, wie Gott zu Seinem Christus steht, und wie Er trotz aller Bosheit der Menschen zu Seinem Ziel kommt. Zwei große Linien durchziehen also diese geschichtlichen Kapitel:

  • die innere Entwicklung innerhalb der Zeiten der Nationen sowie der Missbrauch ihrer Macht durch ihre Herrscher

  • die äußeren Umstände und die inneren Charakterzüge des treuen Überrestes, dargestellt in Daniel und seinen drei Freunden

All diese Berichte können also auf verschiedenen Ebenen betrachtet werden, als historisch oder als prophetisch; aber wir wollen auch die Belehrungen dieser Geschehnisse für uns persönlich nehmen.

Die Kapitel 2 bis 4 zeigen an dem Beispiel des Nebukadnezars auch, dass Gott zu jedem Menschen zwei-, dreimal redet, um seine Seele abzuwenden von der Grube, vom Rennen ins Geschoss (Hiob 33,29.14–18). In Kapitel 2 muss er nach der Deutung des Traumes durch Daniel anerkennen, dass der Gott Daniels der höchste Gott ist, da hatte Er sich ihm ganz klar offenbart. Hier in Kapitel 3 offenbart sich Gott ihm wieder ganz deutlich darin, wie Er sich der drei Freunde im Feuerofen annimmt. Und wieder kommt er in den Versen 28+29 unter einen gewissen Eindruck von der Größe und Macht Gottes – aber wie auch beim ersten Mal scheint dieser Eindruck nicht bleibend bei ihm gewesen zu sein. In Kapitel 4 haben wir dann noch ein Reden Gottes zu ihm, diesmal sogar in einem zeitweiligen Gericht. Aber Gott lässt ihn in dieser geistigen Umnachtung nicht laufen und gibt ihm sein Bewusstsein wieder zurück, und wieder muss Nebukadnezar anerkennen, wer Gott ist.

Rückblick auf Daniel 3,1–12

In Kapitel 3 finden wir, dass Nebukadnezar scheinbar sehr schnell die Eindrücke aus der Deutung des Traumes durch Daniel wieder verloren hatte. Scheinbar unmittelbar danach richtete er dieses gewaltige Bild auf, 30 m hoch und vollständig aus Gold. Er wollte damit durch eine gemeinsame Religion den auseinanderdriftenden Kräften seines riesigen Reiches mit seinen vielen unterschiedlichen Religionen entgegenwirken und sein Volk durch eine gemeinsame Religion einigen. Er richtete dieses Bild auf und befahl seinen Untertanen, diesem Bild göttliche Verehrung darzubringen. Gerade damit hatte er sich in Gegensatz gesetzt zu Gott! Gott ist es, der über die Gewissen der Menschen herrscht, und niemals ein Mensch. Das hat Nebukadnezar in seinem Hochmut total übersehen. Er befiehlt den Menschen, zu glauben, was er für richtig hält, nämlich sein goldenes Bild anzubeten. Das ist ein Eingriff in die Rechte Gottes! Und so sahen das auch diese drei Freunde Daniels, die lieber in den Ofen gingen, als Gott zu verleugnen.

Weshalb war eigentlich Juda in die babylonische Gefangenschaft gekommen? Sie waren von Gott wegen ihres Götzendienstes aus dem Land der Verheißung entfernt worden. Das war die Strafe Gottes an ihnen. Und jetzt kommen sie in die Gefangenschaft, und beschämenderweise kannten sie das, wozu sie jetzt gezwungen wurden, schon freiwillig aus dem Land Kanaan. Man muss davon ausgehen, dass die Masse der Juden nicht so treu gewesen ist, wie Daniel und seine drei Freunde – sie hatten es Jahrhunderte schon im eigenen Land so getrieben. Dadurch wird uns das Verhalten dieser vier jungen Männer zu einem so eindrucksvollen Vorbild. Unser Schwachpunkt heute ist, dass wir Gottes Gedanken nicht mehr genügend kennen und deshalb auch nicht mehr mit letzter Treue gehorchen.

Nebukadnezar lässt sein Bild einweihen, und die ganzen führenden Leute seines Reiches sind bei diesem Ereignis zugegen. Nur einer fehlt – Daniel; warum er hier nicht in Erscheinung tritt, darüber gibt uns das Wort Gottes keine Auskunft; aus Dan 2,48+49 kann man allerdings entnehmen, dass sich die Wege der vier Freunde getrennt hatten durch die unterschiedlichen Funktionen, die ihnen übertragen worden waren. Die jetzt in Daniel 3 verordnete Religion des Königs war von einfachster Art: wenn der Klang der Musikinstrumente ertönte, sollten alle niederfallen vor diesem Bild und es anbeten – das war es auch schon. Es war also keine so sehr problematische Angelegenheit, aber sie war böse, weil sie über die Gewissen der Menschen herrschte und dem Verehrung zukommen ließ, was Nebukadnezar geschaffen hatte. Sein grenzenloses Selbstbewusstsein wird in der zweifachen Betonung in den Versen 14 und 15, dass er es aufgerichtet und gemacht hatte, ganz deutlich. Wie stolz war dieser Mann auf dieses für sich selbst aufgerichtete Bild.

Es scheint, dass das auch so in seinem ganzen Reich befolgt wurde, nur drei Männer taten nicht nach dieser Aufforderung. Deshalb wurden sie vor dem König angezeigt (Vers 8 ff.). Auffallend ist, dass sie als Juden und jüdische Männer bezeichnet werden, solche, die Sklaven waren. Und dann wird immer wieder betont – wie um das Gewissen Nebukadnezars zu treffen – dass Nebukadnezar selbst sie in ihre jetzige Stellung befördert hatte: du hast sie bestellt, auf dich achten sie nicht, deinen Göttern dienen sie nicht. Es kommt aber auch unheiliger Neid und Eifersucht in den Worten dieser Männer zum Ausdruck. Allerdings ist die Anschuldigung „deinen Göttern dienen sie nicht“ ganz unberechtigt, denn das hatte Nebukadnezar nicht gefordert. Diese Anschuldigung wird von den Anklägern den Worten Nebukadnezars hinzugefügt.

Diese treuen Männer waren gekennzeichnet durch Weisheit und durch Einsicht. Sie erkannten, was hinter dem Bild von Nebukadnezar stand, nämlich seine Götter. Sie durchschauten die ganze Sache und warfen sich deshalb nicht vor dem äußerlichen Bild nieder, weil sie wussten, dass dahinter die Realitäten der Götzen Babylons standen. Sie waren auch weise darin, wann sie etwas sagten und wann sie schwiegen; und in dem wenigen, was sie dann sagen, bewiesen sie auch wieder Weisheit und Unterscheidungsvermögen. Sie zeichneten sich auch nicht nur durch Treue aus, sondern auch durch Standhaftigkeit und Mut; sie waren nicht nur einmal treu, sondern sie blieben treu in ganz schwierigen Umständen. Was können wir doch von diesen jungen Männern lernen! Wie wenig zeigen wir oft in viel einfacheren Umständen von diesen Charakterzügen. Wie oft mangelt es uns an Weisheit und Erkenntnis in Bezug auf das, was die Welt uns heute anbietet. Wie oft fehlt es uns an Weisheit zum Reden und zum Schweigen, auch an dieser Standhaftigkeit und Treue und auch dem Mut dieser jungen Männer.

In Daniel 1 waren sie schon treu gewesen, hatten aber Daniel als ihren Anführer dabei. Hier in Daniel 3 sind sie genauso treu, ohne dass Daniel erwähnt wird. Sie stehen in ihrem Glauben auf eigenen Füßen und haben diesen Mut und diese Treue auch ohne Daniel bewiesen.