Von Kapitel 3 – 9,24 wird uns die Ordnung vorgestellt, die dem Haus Gottes geziemt. Der übergeordnete Gedanke im Blick auf das Haus Gottes ist Heiligkeit. Von Kapitel 9,24 – 10,13 finden wir anhand alttestamentlicher Geschehnisse Belehrungen über das christliche Bekenntnis. Dann wird ab Kapitel 10,14 – 14,40 die Ordnung in dem Leib Christi gezeigt. Der übergeordnete Gedanke bei dem Leib Christi ist Einheit. Jetzt könnte sich die Frage stellen, warum denn in diesem Abschnitt, in dem es um den Leib Christi geht, in Kapitel 11,1–16 die Belehrungen über das Verhältnis von Mann und Frau stehen. In diesem Abschnitt geht es um die Schöpfungsordnung Gottes, und warum wird das gerade an dieser Stelle in den Fluss der Belehrungen eingeschoben? Es ist so, dass die Schöpfungsordnung Gottes und die Ordnung im Blick auf den Leib Christi sich einander bedingen. Die Missachtung der Schöpfungsordnung Gottes führt zu den größten Zerwürfnissen und Problemen in der Versammlung.

In Kapitel 10 hatte der Apostel Belehrungen über den Tisch des Herrn gegeben, und jetzt schreibt er hier in Kapitel 11 Belehrungen über das Mahl des Herrn. Sowohl in diesen beiden Fällen als auch später bei den Belehrungen über die Wortverkündigung in Kapitel 14 liegt jeweils ein Fehlverhalten der Korinther vor. In Kapitel 10 war es die Teilnahme der Korinther am Tisch der Dämonen, was den Apostel zu den Belehrungen über den Tisch des Herrn veranlasste, und in Kapitel 11 ist es ihr Fehlverhalten im Blick auf das Mahl des Herrn; soziale Unterschiede wurden hervorgehoben, es gab einen gewissen Parteigeist, auch gab es Ausschweifung, weil ein Liebesmahl mit dem Mahl des Herrn verwechselt wurde. Und in Kapitel 14 ist es dann die Unordnung in den Zusammenkünften zur Verkündigung des Wortes Gottes.

Aber die Belehrungen, die jetzt der Apostel darüber gibt, dienten nicht nur dazu, die damaligen Missstände aufzudecken und zu korrigieren, sondern sie dienen auch noch dazu, heutige Missstände aufzudecken. Obwohl das Fehlverhalten heute nicht unbedingt deckungsgleich ist mit dem der Korinther damals, sind doch die Belehrungen dazu geeignet, uns auch heute in diesen Zusammenkünften zu einem schriftgemäßen Verhalten anzuleiten. Paulus beabsichtigt also nicht, eine gelehrte Abhandlung über das Brotbrechen zu schreiben. Der Römer-Brief trägt manchmal diesen Charakter einer Abhandlung, aber nicht so dieser vor uns liegende Abschnitt. Wir müssen den ganzen Abschnitt unter dem Blickwinkel des bösen Fehlverhaltens der Korinther als dem Anlass dazu sehen.

Indem ich aber dieses vorschreibe, lobe ich nicht, weil ihr nicht zum Besseren, sondern zum Schlechteren zusammenkommt“ (Vers 17)

In den Versen 17–19 wird deutlich, dass die Verse 1–16 sich nicht in erster Linie mit den Zusammenkünften der Gläubigen beschäftigen, sondern dort geht es um das öffentliche Gebet von Mann und Frau auch außerhalb der Zusammenkünfte. Im Blick auf diese Belehrungen konnte Paulus offensichtlich noch loben (Vers 1); wenn er aber jetzt über das Zusammenkommen zum Brotbrechen spricht, kann er nicht mehr loben, weil sie nicht zum Besseren sondern zum Schlechteren zusammengekommen waren. Man kann also zum Schlechteren zusammenkommen. In Vers 34 wird dann in einer diesen Abschnitt abschließenden und zusammenfassenden Art gesagt, dass man sogar zum Gericht zusammenkommen kann.

„Indem ich aber dieses vorschreibe“ meint also das jetzt Folgende, die anschließenden Belehrungen über das Mahl des Herrn. Es handelt sich dabei nicht um unverbindliche Empfehlungen, sondern Paulus schreibt es mit seiner apostolischen Autorität als ein Wort des Herrn vor. Legt das nicht einen heiligen Ernst auf diesen Gegenstand des Brotbrechens?

Wenn Paulus irgend konnte, dann lobte er, und war darin seinem Herrn sehr ähnlich; aber hier konnte er nicht loben. Es scheint, dass die Korinther das Brotbrechen mit einer normalen Mahlzeit oder auch mit einem Liebesmahl verbunden haben. Grundsätzlich war das gar nicht einmal so falsch. Hatte nicht auch der Herr Jesus selbst das Abendmahl eingesetzt während einer anderen Feier? Fand da nicht gerade das Passah-Mahl statt, als Er dann das Brot nahm und das Mahl des Herrn einsetzte? Und hatten nicht auch die ersten Christen eine normale Mahlzeit mit dem Abendmahl verbunden (Apg 2,46)? Ihre Liebe untereinander war so groß, dass sie keine Probleme sahen, das Brot zu brechen und damit eine normale Mahlzeit zu verbinden. Aber die Korinther waren nicht auf der Hut gewesen. Und der Apostel muss ihnen zeigen, dass das, was sie jetzt taten, überhaupt nicht mehr das Abendmahl war.

Denn zuerst einmal, wenn ihr als Versammlung zusammenkommt, höre ich, es seien Spaltungen unter euch, und zum Teil glaube ich es“ (Vers 18)

Mit den einleitenden Worten zuerst einmal meint Paulus nicht, dass dann noch verschiedene weitere Punkte folgen würden, sondern es hat die Bedeutung von vor allen Dingen. Paulus verleiht damit dem, was er nun zu sagen hat, ein ganz besonderes Gewicht.

Offenbar kamen die Gläubigen in Korinth noch an einem Ort als Versammlung zusammen. Der Ausdruck „als Versammlung zusammenkommen“ ist von allerhöchster Bedeutung. Es ist ein Zusammenkommen in Versammlung, im Charakter von Versammlung. Und es gibt nicht nur ein solches Zusammenkommen, sondern drei:

  • das Zusammenkommen zum Brotbrechen, das ist der schriftgemäße Ausdruck (Apg 20,7) und fasst Tisch des Herrn (1. Kor 10) und Mahl des Herrn (1. Kor 11) zusammen

  • das Zusammenkommen zur Auferbauung (1. Kor 14)

  • das Zusammenkommen zum Gebet (Mt 18)

Es gibt nur diese drei Zusammenkommen in diesem hohen Charakter. Eine Brüderstunde oder eine Besprechung im Werk des Herrn, eine Konferenz haben niemals diesen hohen Charakter – obwohl sie auch mit großem Segen verbunden sein können. Ein Zusammenkommen als Versammlung in diesem hohen Charakter ist das gleiche wie ein Zusammenkommen zu Seinem Namen hin. Das eine zeigt den Charakter an (in Versammlung), das anderen den Mittelpunkt (die persönliche Gegenwart des Herrn) an. Apg 20,7+8 zeigt auch diese beiden Aspekte: „als wir versammelt waren“ zeigt den Charakter als Versammlung versammelt zu sein; und „wo wir versammelt waren“ betont die örtliche Darstellung der Versammlung. Der Herr Jesus ist in der Mitte der Versammelten als der, dem alle Autorität zusteht. Niemand hat in solchen Zusammenkünften ein Recht, als nur der Herr! Alles muss unter der Leitung des Heiligen Geistes nach dem Willen des Herrn Jesus geschehen, und wir haben uns dem zu unterordnen.

Paulus hatte schon in 1. Kor 1,11 gesagt, dass er von den Hausgenossen der Chloe etwas darüber gehört hatte, dass Streitigkeiten unter ihnen waren. Es waren Spaltungen aufgekommen. Der griechische Ausdruck schisma bezeichnet einen Riss, einen Spalt, der noch sehr klein sein kann. Spaltungen haben zur Ursache, dass man gewisse Gesichtspunkte favorisiert. Auch heute noch besteht diese Gefahr, dass wir polarisieren, Schwerpunkte bilden und dabei andere Punkte beiseite lassen. Eine Spaltung ist noch kein Bruch, sondern ein Riss, der allerdings zu sehen ist. Und es ist immer schon die Gefahr gewesen, dass man selbst aus guten Wahrheiten eine Spaltung macht. Wir müssen bei Spaltung nicht sogleich an Irrlehre denken, sondern an Überbetonungen, Polarisierungen gewisser Wahrheiten. Dabei übersieht man andere Wahrheiten, die genauso wichtig sind.

Wir haben kaum dieselbe Gefahr wie die Korinther, aber der Grundsatz bleibt: wenn wir nicht auf der Hut sind, wenn wir nicht mehr die ganze Wahrheit festhalten, entstehen Risse – und das haben wir in den vergangenen Jahren durchmachen müssen! Und wir lernen hier auch, dass es nicht immer lehrmäßige Fragen sein müssen, die zu Spaltungen führen; hier in Korinth waren es rein äußerliche Dinge gewesen, das Miteinander-Essen. Die gefährlichsten Punkte sind oft die, die wir als nicht so wesentlich erachten.

Zum Teil glaubte Paulus das auch, was er gehört hatte, eine interessante Ausdrucksweise. Wenn wir etwas Schlechtes hören, ist es immer zu empfehlen, zunächst sehr vorsichtig damit zu sein, selbst wenn es aus den besten Quellen kommt. Es ist kaum anzunehmen, dass Paulus Zweifel hegte an der Vertrauenswürdigkeit seiner Gewährsleute, aber er lässt doch offen, dass es Ausnahmen gibt – zum Teil. Er hat durch die Hausgenossen der Chloe eine Perspektive gehört, aber er ist doch vorsichtig genug, um das als eine absolute Tatsache hinzunehmen.

Denn es müssen auch Parteiungen unter euch sein, damit die Bewährten unter euch offenbar werden“ (Vers 19)

Der Ausdruck Parteiungen (griech.: hairesis) ist im Deutschen bekannt unter Häresie, ein ganz anderer Gedanke als bei der Spaltung. Eine Parteiung ist eine Gruppe, die sich bereits abgespalten hat. Und auch hier ist nicht unbedingt Irrlehre die Ursache dafür. Aber es ist ein sektiererischer Geist vorhanden. Sekten gehören zu den Werken des Fleisches (Gal 5,20). Der Apostel sagt damit noch nicht, dass es in Korinth schon direkt Parteiungen gab, ein vollzogener Bruch war noch nicht eingetreten – aber er sah deutlich bei ihnen den Weg dorthin.

Solche Parteiungen müssen sein. Wenn diese Risse (Spaltungen) von Vers 18 nicht göttlich behandelt werden, schreiten sie fort. Will Gott überhaupt, dass Parteiungen entstehen? Ist das aus dem Wort müssen herzuleiten? Es gibt Irrlehrer, die das behaupten. Durch solche Spaltungen würde die Vielfalt sichtbar. Pastor Niemöller hat einmal gesagt, die Sekten seien wie ein Blumenstrauß, man kann in ihnen die verschiedenen Schönheiten sehen. Das ist aber Irrtum im höchsten Maß!

Parteiungen müssen aus zweierlei Gründen sein:

  • sie sind eine sittliche Zwangsläufigkeit: wenn das Verhalten – wie hier bei den Korinthern – fleischlich ist und nicht geordnet, ist eine Spaltung zwangsläufig die Folge

  • der Herr benutzt solche Spaltungen, damit die Bewährten offenbar werden zur Ehre des Herrn

Dieses müssen ist also nicht absolut zu verstehen. Den Philippern beispielsweise schreibt Paulus nichts davon, dass unter ihnen Parteiungen sein müssten. Aber unter den Korinthern – unter euch – war der Zustand so schlecht und ernst, dass durch diese leider entstehenden Parteiungen die Bewährten offenbar werden konnten.

Parteiungen sind also durchaus nicht positiv, sondern ein überaus trauriger Zustand, aber ein notwendiger Prozess der Klärung, damit die Bewährten offenbar werden. Die Bewährten sind solche, die sich nicht einer dieser Lehrmeinungen anschließen, sondern außerhalb dieser Parteiungen bleiben.

[Aufzeichnungen nach einer gemeinsamen Wortbetrachtung/Bibelkonferenz]