Wenn ihr nun an einem Ort zusammenkommt, so ist das nicht des Herrn Mahl essen“ (Vers 20)

Die Korinther kamen also offenbar noch an einem Ort zusammen. Und das ist auch die normale örtliche Darstellung von dem Zusammenkommen im Charakter von Versammlung. Hier kommen allerdings zwei Fehlverhalten der Korinther zum Vorschein: sie hatten einerseits übersehen, dass das Brotbrechen nicht eine persönliche Mahlzeit ist, sondern dass es ein gemeinsames Mahl des Herrn ist (vgl. 1. Kor 10). Und der zweite Fehler war, dass sie handelten als sei es ihr Mahl, und nicht das Mahl des Herrn. Menschen mögen vielleicht ja aus Sorge vor dem Niedergang Anordnungen erlassen, aber es ist des Herrn Mahl, und nur Er hat Autorität dabei.

Der Apostel unterscheidet deshalb jetzt das Mahl des Herrn von einem eigenen Mahl. Im griechischen Text steht bei des Herrn Mahl noch ein besonderes Eigenschaftswort, sodass der Ausdruck bedeutet: das dem Herrn gehörende Mahl! Ein großartiger Ausdruck, der so noch einmal in Off 1,10 im Zusammenhang mit dem Tag des Herrn vorkommt; daraus lernen wir, dass der Sonntag der dem Herrn gehörende Tag ist. Wir können also mit dem Mahl des Herrn nicht das tun, was wir wollen. Es ist leider in der Christenheit durch menschliche Hinzufügungen ausgeschmückt worden in jeder erdenklichen Hinsicht. Man macht daraus ein Musikfest, eine ökumenische Begegnung, oder man nimmt es ein zur Vergebung der Sünden. Manche feiern es sogar zusammen mit Ungläubigen. Aber das ist nicht mehr des Herrn Mahl essen!

Denn jeder nimmt beim Essen sein eigenes Mahl vorweg, und der eine ist hungrig, der andere ist trunken“ (Vers 21)

Die Korinther hatten scheinbar ganz normale Mahlzeiten oder sogar Liebesmahle verbunden mit dem Brotbrechen; es waren wohl getrennte Dinge für sie, aber sie hatten sie zeitlich miteinander verbunden. In den Anfangstagen der Versammlung war der Zustand der Gläubigen auch noch so, dass sie geistlich damit umgegangen waren und gut zwischen diesen beiden Dingen unterschieden haben. Aber dann kam die Zeit des Niedergangs und in Korinth wurde der Charakter des Gedächtnismahles aus den Augen verloren. Deshalb ordnet der Apostel auch an, diese Dinge direkt zu trennen.

Offenbar waren es die Reichen gewesen, die bei ihren Liebesmahlen für die Speisen aufkamen; aber diese waren es auch, die zuerst an sich selbst gedacht hatten und sich vollgegessen und sogar betrunken hatten – wohl nicht von dem Wein des Abendmahls, sondern von dem Wein, den sie sowieso zu ihren Mahlzeiten tranken. Also diejenigen, die Liebe zeigen wollten, machten diese sozialen Unterschiede so erschütternd deutlich. Konnte der Apostel da etwa loben?

Im Protestantismus ist es ein geläufiger Gedanke, dass das Abendmahl eine rein persönliche Sache sei. Der Gedanke der Gemeinsamkeit ist zwar der Hauptgedanke der Seite des Tisches des Herrn (1. Kor 10); aber auch das Mahl des Herrn können wir nicht unabhängig von den anderen nehmen. Auch das Mahl des Herrn zu begehen ist eine gemeinsame Sache. Das wird schon an der Ausdrucksweise später deutlich, wo er eben nicht sagt: das Brot, das du brichst…, den Kelch, den du trinkst…, sondern: „das Brot, das ihr brecht“. Wenn wir gemeinsam noch durch Gottes Gnade das Brot brechen dürfen und vielleicht bei einer Gelegenheit die Seite des Mahles des Herrn im Auge haben, so brechen wir es doch im Hinblick auf alle, mit denen wir verbunden sind. Es ist eine gemeinsame Angelegenheit. Ich kann das Brot nicht allein brechen. Tisch des Herrn und Mahl des Herrn dürfen wir also nicht irgendwie voneinander trennen, aber wir unterscheiden Schwerpunkte dabei.

Habt ihr denn nicht Häuser, um zu essen und zu trinken? Oder verachtet ihr die Versammlung Gottes und beschämt die, die nichts haben? Was soll ich euch sagen? Soll ich euch loben? Hierin lobe ich nicht“ (Vers 22)

Als erstes ordnet der Apostel im Blick auf das Abendmahl an, dass ab sofort das Einnehmen von Speisen um den Hunger zu stillen, zu Hause geschehen soll. In Vers 33 kommt er dann noch einmal darauf zurück und ermahnt sie, auch beim Essen aufeinander zu warten. Sie wären in diese schlimmen Entwicklungen nicht hineingeschlittert, wenn sie aufeinander gewartet hätten. Das Warten aufeinander ist eigentlich immer gut, auch im Dienst und in allen geistlichen Dingen!

Das Verhalten der Korinther jedenfalls hat die beschämt, die arm waren, und das ist ganz und gar gegen die Gesinnung unseres Herrn. Und sie haben dabei die Versammlung Gottes verachtet. Das war nicht mehr der Ausdruck der Versammlung Gottes an einem Ort.

Zwei Punkte werden also den Korinthern hier vorgehalten, die sie bei ihrem Fehlverhalten nicht bedacht hatten:

  • sie verachteten dadurch die Versammlung Gottes; sie beachteten die Heiligkeit Gottes und Seiner Versammlung nicht; es geht hier um die Ordnung in der Versammlung als Leib Christi, und diese Ordnung haben sie nicht beachtet, und das war eine Verachtung der Versammlung Gottes. – Ihr Verhalten richtete sich gegen Gott, gegen Seine Heiligkeit.

  • und zweitens beschämten sie dabei ihre Mitgeschwister, die nichts oder weniger als sie hatten. In dem Mahl des Herrn kommt wie bei sonst keiner anderen Gelegenheit die Einheit zum Ausdruck, aber in ihrem Verhalten war davon nichts sichtbar geworden. Wenn sie so zusammen waren, traten diese Spaltungen zutage, und da wurde diese Beschämung einer gegen den anderen deutlich. – Ihr Verhalten richtete sich gegen ihre Mitgeschwister und offenbarte einen Mangel an Liebe.

Das Verhalten der Korinther war also Unrecht gegen Gott und Unrecht gegen ihre Mitgeschwister. Sie haben äußerlich noch eine Form gehabt, denn sie kamen an einem Ort zusammen und sie brachen das Brot. Aber sie hatten die Bedeutung dessen, was sie taten, völlig aus dem Blick verloren. Sie dachten nicht an den Tod des Herrn, sondern sie stillten ihren eigenen Hunger. Aus diesem doppelten Unrecht folgt ein doppelter Verlust. Sie verloren den Charakter ihres Zusammenkommens, und sie verloren den Segen der christlichen Gemeinschaft untereinander. Deshalb konnte Paulus im Blick auf dieses Fehlverhalten nicht loben. Möchten wir für uns daraus die Lehre ziehen, die Bedeutung unserer geistlichen Vorrechte tief in das Herz zu fassen, damit unsere Blicke auf Christus und Sein Werk gerichtet bleiben. Und genau dahin richtet Paulus jetzt die Blicke der Korinther und damit auch unsere Blicke.