Von den drei Evangelisten, die von der Einsetzung des Mahles des Herrn berichten, gibt nur einer die Worte wieder, die der scheidende Erlöser in Verbindung damit aussprach. Es ist Lukas, der auf die Worte: «Dies ist mein Leib, der für euch gegeben wird», noch den Ausspruch des Herrn hinzufügt: «Dieses tut zu meinem Gedächtnis!» (Lk 22, 19. 20). Damit gab Er diesem Mahl einen feierlichen Charakter, das sonst leicht als bedeutungslos hätte übersehen werden können. Nur in Lukas stellt also der Geist Gottes diesen Nachsatz vor uns hin, weil in diesem Evangelium die göttliche Menschheit Jesu in all ihrer unvergleichlichen Fülle und Vollkommenheit dargestellt wird, beispiellos in Gottes wie auch in der Menschen Augen. Inmitten ergreifender Umstände wird Er uns hier als der erniedrigte Mensch gezeigt, der an die Liebe und Treue derer appelliert, die mit Ihm ausgeharrt haben in Seinen Versuchungen (V. 28). Als der Verworfene und Verachtete, der über die blinde Vergeßlichkeit und Unkenntnis Jerusalems, der bevorzugten Stadt Gottes, geweint hatte, drückt Er gegenüber den Seinen den Wunsch aus: «Tut dies zu meinem Gedächtnis.» Wie könnte jemand, der Ihn als Seinen Erlöser kennt, einer solchen Bitte widerstehen?

Beachten wir aber, daß Er nicht nur als der erniedrigte, sondern auch als der verherrlichte Mensch, als der Herr Jesus, so gesprochen hat. Denn später empfing der Apostel der Nationen von dem erhöhten Herrn die Anweisung, daß wir von dem Brote essen und vom Kelche trinken sollten, zu Seinem Gedächtnis (1. Kor 11,23–26). Hatten die Worte des Herrn in Lukas mehr die Form eines Wunsches, so haben die gleichen Worte im Korintherbrief mehr die Form eines Gebotes. Dort schien Er mehr die Liebe, hier aber mehr den Herzensgehorsam Seiner Erlösten anzusprechen. Dort redete Er als der unter ihnen Anwesende, hier als der über alle Himmel Erhöhte. Alle Schrift ist vollkommen, und es ist nützlich für uns, sowohl über die Liebe Seines Herzens, in der Er sich an den Tisch setzte, wie auch über die Autorität Seines Wortes nachzusinnen, das uns von der Herrlichkeit her gegeben wurde.

Auch die Tatsache, daß dieses Gedächtnismahl unauflöslich verbunden ist mit dem Essen des Brotes und dem Trinken aus dem Kelche, ist lehrreich. Die Worte: «Tut dies zu meinem Gedächtnis!» zeigen deutlich, daß «Gedächtnis» das Ergebnis von «tun» ist. Es kann nicht ohne das »tun» geschehen. Gewiß werden Gläubige beständig für sich des Herrn gedenken. Seine Person sollte ja immer die Gedanken der Seinen beschäftigen. Wir werden sogar ermahnt, «allezeit das Sterben Jesu am Leibe umherzutragen» (2. Kor 4, 10). Dabei wollen wir aber festhalten, daß kein Kind Gottes für sich als einzelner zum Gedächtnis das Brot essen und vom Kelch trinken kann. Das ist wesentlich eine Handlung in der Versammlung, da das Brot ja gerade die Einheit des Leibes des Christus darstellt, und das Essen davon die Gemeinschaft zum Ausdruck bringt (1. Kor 10,16.17). Der Herr hat die damit verbundenen Schwierigkeiten vorausgesehen und dafür gesorgt, daß der Charakter Seines Mahles an einem Tage der Verwirrung, wie dem heutigen, nicht verlorengehe: Er hat Seine eigene Gegenwart verheißen, die genügend ist, auch wenn nur zwei oder drei zu Seinem Namen hin versammelt sind (Mt 18, 20).

So schützen uns diese einfachen Worte vor allen unklaren Auffassungen: Einerseits vor einer Gedächtnisfeier ohne das Brot und den Wein. Anderseits aber auch vor der tadelnswerten Gleichgültigkeit, in der man sagt: Es kommt nicht darauf an, man kann das Gedächtnis des Herrn für sich allein feiern oder auch an Seinem Tische mit denen, die den Herrn aus reinem Herzen anrufen. Die Worte «tut dies» entziehen solchen Meinungen die Grundlage.

Dieses Gedächtnismahl ist auch ein Zeugnis gegenüber der Welt. Denn die Einsetzung des Mahles des Herrn ist mehr als ein einfaches Mittel, das vom Geiste wirkungsvoll gebraucht wird, um die Gedanken Seines Volkes auf Seine eigene gesegnete Person zu richten, in besonderer Beziehung zu Seinem Erlösungswerk. Durch das Gedächtnismahl wird auch Sein Tod verkündigt, bis Er kommt. Außer Seiner herrlichen Bedeutung für die Gläubigen ist es auch eine Gedenkfeier für alle, wenn sie nur sehen und glauben wollten. Denn so hat sich der Herr in der Welt ein Denkmal errichtet, das unvergänglicher ist als Marmor. Es besteht in den liebenden Herzen Seiner gehorsamen Erlösten, die Brot essen und Wein trinken zu Seinem Gedächtnis. So wie in den einstigen Opfern, den Vorbildern auf Christum, ein Erinnern an ungesühnte Sünden war (Heb 10, 3), so ist auch des Herrn Mahl, außer seiner heiligen Bedeutung für die Gläubigen, ein stilles aber ernstes Zeugnis gegen die Welt vom Tode des Herrn, dessen sie schuldig ist und für den sie sich verantworten muß.