Das Zelt der Zusammenkunft in der Wüste war der Ort, wo Gott mit Seinem irdischen Volk zusammentreffen wollte. Alles musste Seinen Gedanken entsprechen, und Gott hatte Mose während 40 Tagen und 40 Nächten auf dem Berg das Muster dieser Wohnung gezeigt, damit sie dann auch genauestens nach diesem Muster angefertigt und zusammengefügt würde. Das eigentliche Zelt, das im Alten Testament noch aus dem Heiligtum und dem Allerheiligsten bestand, die durch einen Vorhang voneinander getrennt waren, wurde errichtet aus Brettern, die zur Stabilität untereinander mit Riegeln verbunden waren. Zu diesen Brettern und ihren Riegeln sollen hier einige praktische Bemerkungen folgen.
Die Bretter
Die Bretter wurden aus Akazienholz angefertigt und hatten an ihrem einen Ende zwei Zapfen, mit denen sie je ein Brett in zwei Füße aus Silber gestellt wurden. Überzogen wurden die Bretter mit Gold. Diese Bretter sind ein Bild von den Gläubigen, die gemeinsam das Haus Gottes bilden. Das Akazienholz, das aus der Erde gewachsen ist, deutet dabei auf den irdischen Ursprung und auch die Schwachheit des Menschen hin, seinen Zustand als Geschöpf. Um Teil des Hauses Gottes sein zu können, mussten die Bretter mit Gold überzogen werden, ein Bild der göttlichen Herrlichkeit, die ihnen verliehen wurde durch ihre Annahme des Sühnungswerkes des Herrn Jesus.
An dieser Stelle ist zu beachten, dass alle Geräte des Heiligtums und des Allerheiligsten aus reinem Gold gefertigt wurden, was darauf hinweist, dass unser Herr Jesus, von dem alle diese Geräte sprechen, in sich selbst wesenhaft göttliche Herrlichkeit besitzt, uns ist sie aus reiner Gnade geschenkt worden.
Eine Besonderheit bei den Brettern muss noch erwähnt werden, und zwar im Blick auf die Bretter für die Winkel des Hauses. Sie waren „doppelt von unten auf und waren an ihrem Oberteil völlig aneinander in einem Ring“. Gerade an den Winkeln, den Ecken des Hauses, hatte Gott dafür gesorgt, dass dieses Haus eine zusätzliche Stabilität in jede Richtung bekam. Gerade die Bretter an den Ecken mussten überaus fest zusammenstehen, nichts durfte sie auseinanderbringen.
Wenn wir in diesem Haus auch einmal ein Bild einer örtlichen Versammlung sehen wollen, so möchte ich diese Bretter an den Winkeln einmal mit den Brüdern in Verbindung bringen, die in besonderer Weise Verantwortung tragen für ein örtliches Zeugnis. Wie wichtig ist es, dass gerade sie Festigkeit und Stabilität vermitteln, aber auch völlige Einmütigkeit in allen grundsätzlichen lehrmäßigen Fragen haben.
Die Füße der Bretter
Die Füße der Bretter waren aus Silber gefertigt, ein Bild des Preises, der zu unserer Erlösung bezahlt werden musste. Diese Füße hatten Löcher, in die die beiden Zapfen der Bretter gesteckt wurden, so dass je ein Brett auf zwei Füßen aus Silber ruhte. Wenn Silber also von der Erlösung spricht, so können wir in den beiden Füßen vielleicht die Erlösung unter zwei verschiedenen Aspekten sehen:
• die gegenwärtige Erlösung, die Vergebung unserer Sünden (Eph 1,7; Kol 1,14),
• die zukünftige Erlösung auch unseres Leibes (Röm 8,23).
Auf diesen beiden Fundamenten darf jeder Glaubende fest stehen.
Die Riegel
Nun musste dieses Zelt der Zusammenkunft in der Wüste aufgerichtet werden. Immer wieder aufs Neue musste es abgebaut und aufgebaut werden, je nachdem, wie die Wolken- oder Feuersäule voran zog. Aber der Boden war jedes Mal der raue und unebene Sand der Wüste. Deshalb gab es diese weise Anordnung, dass die einzelnen Bretter nicht nur einfach nebeneinander auf ihren Füßen aus Silber stehen sollten, sondern dass sie auch untereinander bzw. miteinander durch fünf Riegel verbunden werden sollten. Dabei liefen vier Riegel außen durch Haken an den Brettern, und für den fünften Riegel mussten alle Bretter in halber Höhe durchbohrt werden, damit dieser Riegel innen durch die Bretter geschoben werden konnte und so auch für eine zusätzliche Stabilität sorgte.
Lehrmäßige Bedeutung
Schon oft sind diese vier außenliegenden Riegel und der eine innenliegende Riegel mit sehr gesegneten neutestamentlichen Wahrheiten in Verbindung gebracht worden. Nach dem vollbrachten Werk des Herrn Jesus, Seiner Auferstehung und Himmelfahrt hat Er aus der Herrlichkeit den Heiligen Geist herabgesandt, der nun sowohl in der Versammlung als Gesamtheit als auch in jedem einzelnen Gläubigen persönlich wohnt. Diese Tatsache ist ein schönes Bild von dem in der Mitte der Bretter innen durchlaufenden Riegel.
Dann hat der verherrlichte Herr Seiner Versammlung nach Eph 4,10–12 auch Gaben gegeben; und wir können in den vier außen liegenden Riegel einen Hinweis auf die vier Gaben sehen, deren Dienst insbesondere mit der Auferbauung der Versammlung zu tun hat: die beiden unteren Riegel erinnern an die Apostel und Propheten des Neuen Testamentes, die die Grundlage des Hauses Gottes gelegt haben (Eph 2,20), und in den beiden oberen Riegeln könnten wir vielleicht den gegenwärtigen Dienst der Hirten und Lehrer sehen.
Praktische Anwendung
Wenn wir bei dieser Auslegung stehen bleiben wollen, könnten wir zu dem Gedanken kommen, dass das Wohlergehen eines örtlichen Zeugnisses von der Versammlung allein von der richtigen Wirksamkeit der vom Herrn gegebenen Gaben abhängt, und unsere persönliche und gemeinschaftliche Haltung dabei unerheblich sei. Nun, wir wissen, dass das absolut nicht so ist, und schon die in Epheser 4 folgenden Verse machen auch deutlich, dass der Leib durch das Zusammenwirken der Glieder und aller Gelenke für sich selbst Wachstum bewirkt. Ich möchte deshalb einmal diese fünf Riegel mit fünf ausgewählten Stellen aus dem Neuen Testament in Verbindung bringen, aus denen ganz besonders die gegenseitige Verantwortung der Gläubigen füreinander deutlich wird.
Gegeneinander mit Demut fest umhüllt sein – 1. Pet 5,5
Paulus schreibt den Philippern, dass sie in der Demut einer den anderen höher achten sollten als sich selbst (Phil 2,3). Demut ist Niedriggesinntheit, eine Haltung, die nichts aus sich selbst macht. Demut bedeutet nicht, möglichst schlecht von sich zu denken, sondern Demut bedeutet, gar nichts von sich zu denken. Was wirkliche Demut ist, hat uns der Herr Jesus als Mensch auf dieser Erde vorgelebt, Er war von Herzen demütig (Mt 11,29). Ein wunderbares Beispiel Seiner Demut finden wir in der Fußwaschung in Joh 13: Demut liebt zu dienen!
Nun werden sowohl die Jüngeren als auch die Älteren in 1. Pet 5,5 zu dieser Demut gegeneinander aufgefordert. Es ist also keine einseitige Angelegenheit. Aber es scheint mir doch eine Sache der Schicklichkeit und eines gewissen geistlichen Anstandes zu sein, dass sie besonders von den Jüngeren zu den Älteren zuerst gelebt werden muss, bevor erwartet werden kann, dass die Älteren ihnen gegenüber diese Demut erweisen. Aber als ein erster Riegel, der die Bretter untereinander fester verbindet, die Demut zu haben, würde das nicht manche Schwierigkeiten an einem Ort lösen, vielleicht manches Generationenproblem, und zu mehr Festigkeit führen?
In Frieden untereinander sein – 1. Thes 5,13
Diese wichtige Aufforderung des Apostels Paulus an die Thessalonicher hatte auch der Herr Jesus schon Seinen Jüngern gesagt (Mk 9,50). Er nennt auch die glückselig, die Friedenstifter sind (Mt 5,9), die fähig sind, bei Störungen untereinander zum Frieden zu wirken. Frieden untereinander ist im Allgemeinen ein Zustand von geistlicher Gesinnung und Ordnung. Es ist ein Klima, wo sich ein geistliches Leben entfalten kann, das dem Herrn zur Ehre und allen Betroffenen zum Segen ist.
Frieden kann man planen (Spr 12,20), man muss ihn positiv wollen, dann ist das Ergebnis Freude. Und man muss dem Frieden auch nachjagen, aber nicht um den Preis praktischer Heiligkeit (Heb 12,14). Das kann durchaus Anstrengung und Konzentration auf dieses Ziel bedeuten. Aber für das Zusammenleben der Geschwister an einem Ort ist dieser Frieden eine elementare Voraussetzung. Er fällt uns nicht in den Schoß; und wenn wir ohne diesen Frieden untereinander unseren Weg gehen, wenn wir nur nebeneinander oder vielleicht sogar gegeneinander wirken, wird sich das früher oder später offenbaren. Schon im Alten Testament wird wiederholt vor Oberflächlichkeit in dieser Beziehung gewarnt (Jer 6,14; 8,11). Deshalb wollen wir als den zweiten Riegel der Verbindung der einzelnen Bretter untereinander den Frieden untereinander sehen – er wird unbedingt zur Stabilität wirken!
Einander lieben – Röm 13,8
Paulus schreibt den Römern in diesem Zusammenhang von einer gewissen Schuld; das will sagen, dass wir uns bewusst sein sollten, dass wir den Anderen immer noch mehr lieben könnten, dass es immer noch neue Betätigungsmöglichkeiten der Liebe gäbe, wenn wir nur ein offenes Auge dafür hätten. Petrus ergänzt diesen Gedanken noch, indem er uns auffordert, einander zu lieben mit Inbrunst aus reinem Herzen (1. Pet 1,22). Diese gottgewirkte Liebe sucht immer das Wohl und das Beste des Anderen, niemals das Ihre (1. Kor 13,5).
Die Erweisung der Liebe zueinander hat aber durchaus auch eine gewisse Abhängigkeit von dem praktischen Zustand des Anderen; sie kann sich nicht immer auf die gleiche ungezwungene Art erweisen, wenn bei dem Anderen vielleicht Böses zu sehen ist. Wir lieben die Kinder Gottes, wenn wir Gott lieben und Seine Gebote halten (1. Joh 5,2). Liebe soll also immer da sein, aber sie kann sich nicht immer auf die gleiche Weise erweisen, sie muss vielleicht auch einmal hart sein, wie es bei Joseph im Umgang mit seinen Brüdern der Fall war. Liebe kann Sünde auf dem Anderen nicht ertragen und versucht so lange zu wirken, bis die Dinge wieder gottgemäß in Ordnung gekommen sind, dann kann sie wieder ungehemmt fließen.
Wenn Petrus auch noch davon schreibt, dass die Liebe eine Menge von Sünden bedeckt (1. Pet 4,8), dann meint er damit nicht, dass die Liebe einfach böse Zustände oder Taten verschweigt und zudeckt. Nein, echte Liebe sieht Böses bei dem Anderen, schon bevor es allgemein sichtbar und offenbar ist; und dann geht sie hin und beschäftigt sich mit dem Betreffenden und sucht seine Wiederherstellung, bevor sich diese Dinge zu einem öffentlichen Fall entwickeln müssen – so bedeckt sie eine Menge von Sünden. Sie werden nicht unter den Teppich gekehrt, sondern geordnet, bevor sie weitere Entwicklungen nehmen können.
In dieser praktischen Anwendung ist diese tätige und aufrichtige Liebe zueinander am ehesten mit dem Riegel zu vergleichen, der in der Mitte der Bretter durchlaufend war von einem Ende zum anderen.
Acht haben aufeinander – Heb 10,24
Wenn wir diese Aufforderung zu einem gedeihlichen Zusammenleben beherzigen wollen, dann ist damit nicht gemeint, dass wir einander misstrauen und deshalb kontrollieren sollten, auch nicht Fehler bei dem Anderen suchen. Es geht hierbei darum, Sorgfalt miteinander zu haben, einander zu helfen in den Umständen des Lebens, das Wohl des Anderen zu suchen. Kennen wir eigentlich am Ort gegenseitig die Umstände, in denen wir uns gerade befinden? Könnten wir ganz konkret füreinander beten, weil uns gewisse Übungen tatsächlich bekannt sind? Fällt es uns auf, wenn jemand unter uns nicht mehr so frei und glücklich wirkt? Dann sollten wir uns vom Herrn die rechte Art erbitten, aufeinander zugehen zu können und aufzumuntern und anzureizen. Wenn wir uns so durch diesen vierten Riegel miteinander verbunden wissen, könnte manche sich anbahnende Lücke vielleicht vermieden werden.
Sorge haben füreinander – 1. Kor 12,25
Der Gedanke der Fürsorge füreinander ist nicht dem Bild des Hauses Gottes entnommen, sondern dem des Leibes Christi. Alle Gläubigen sind Glieder dieses Leibes, und Paulus sagt den Korinthern, dass Gott den Leib zusammengefügt hat, damit die Glieder dieselbe Sorge füreinander hätten. Erweisen wir einander diese liebevolle Aufmerksamkeit?
Es ist diese Tätigkeit, die der barmherzige Samariter erst selbst für den aufgewandt hatte, der unter die Räuber gefallen war, und die er dann dem Wirt der Herberge übertragen hatte für die Zeit seiner Abwesenheit (Lk 10,34+35). Es beweist Rücksichtnahme aufeinander und das Bemühen, dem anderen das, was ihm gerade mangelt, bereitzustellen.
Die Verwirklichung des Baues – und seine Ergebnisse
Es ist sehr interessant, den weiteren Bericht über den Bau der Stiftshütte zu verfolgen! Gemäß dieser Anordnungen Gottes in 2. Mo 26,15–30 wurde aufs Genaueste angefertigt, die Schilderung davon finden wir in 2. Mo 36,20–34. Und dann können wir uns das bildlich gut vorstellen, wie dann alle angefertigten Teile im Sand der Wüste lagen; sie mussten noch zusammengesetzt und aufgerichtet werden. Das wird in 2. Mo 40,17+18 speziell für die uns hier beschäftigenden Einzelteile berichtet. Und es ist auffallend, wie oft im Gesamtzusammenhang wiederholt wird, dass alles genau so geschah, wie der HERR Mose geboten hatte (V. 19,21,23,25,27,29 und 32). Und als dann die ganze Wohnung mit all ihren Gerätschaften so nach den Gedanken Gottes aufgerichtet war, „bedeckte die Wolke das Zelt der Zusammenkunft, und die Herrlichkeit des HERRN erfüllte die Wohnung“ (Vers 34).
Demut – Frieden – Liebe – Acht – Haben – Fürsorge: Auch heute wird sich der Herr zu einer örtlichen Versammlung mit Seiner segensreichen Gegenwart bekennen, wo diese Tugenden wirklich gelebt werden. Am stabilsten wird es dabei dem Haus ergehen, wo nicht einer dieser fünf Riegel außer Acht gelassen wird. Schenke der Herr, dass wir es noch vielfach erleben können!
Ich möchte diese kurzen Gedanken mit einem Zitat eines bewährten Dieners des Herrn beschließen, der zu der zwischen Evodia und Syntyche entstandenen Schwierigkeit folgendes gesagt hat: „Wenn Evodia und Syntyche ihren Weg hätten allein gehen können, hätte es keinen Konflikt und keinen Streit gegeben. Aber sie waren berufen, gemeinsam zu wandeln, und das erfordert Selbstverzicht. Es gibt im ganzen Universum keinen Ort, wo das ICH so in Stücke zerrissen wird, wie in der Versammlung Gottes! Sollten wir nicht froh sein, dass unser hassenswürdiges ICH so in Stücke zerrissen wird? Wer auch immer mir hilft, mein ICH im Tode zu halten und zu versenken, tut mir etwas Gutes, wie ungeschickt er es auch tun mag. Selbstverzicht ist das göttliche Geheimnis. Und ganz gewiss gibt es keinen Ort, an dem der Bedarf an dieser lieblichen Gnade dringender ist, als im Schoß der Versammlung Gottes!“