Auch wenn manche Ausleger es anders sehen, kann ich an Ziba, dem Knecht aus dem Haus Sauls, nicht viel Gutes finden. Vor dem Hintergrund der schönen Gesinnung Mephiboseths gibt er eine schlechte Figur ab.

Als Mephiboseth zu David gerufen wurde, fällt er auf sein Angesicht und bezeichnet sich als einen toten Hund. Er ist sich seiner Hilflosigkeit und Unwürdigkeit voll bewusst. Auch Ziba gehörte zum Haus Sauls und war dort mit zwanzig Untergebenen kein ganz kleines Licht. Hatte er nicht genauso die Vergeltung Davids verdient? Aber die Haltung Mephiboseths vermissen wir bei ihm völlig, wenn er sich auch als „dein Knecht“ bezeichnet. Auf die Frage Davids, ob noch jemand vom Haus Sauls da sei, an dem er Güte erweisen könnte, erwähnt Ziba zwar Mephiboseth, beeilt sich aber hinzuzufügen, dass er an beiden Füßen lahm ist (2. Sam 9,1–8). Hatte er vielleicht auf die Güte Davids für sich spekuliert?

Dass er dann die Felder für Mephiboseth bearbeiten muss, mag seinen Stolz verletzt haben. Durch seine Wohltätigkeit gegenüber David und verleumderische Lügen über Mephiboseth rückt er sich in bestes Licht und heimst die Felder Mephiboseths für sich ein (2. Sam 16,1–4).

Mephiboseth versichert David später, dass er vorgehabt hatte, mit David zu ziehen, aber durch den Betrug Zibas daran gehindert worden war. Er offenbart damit eine Haltung aufrichtiger Treue und Hingabe. Und Ziba? Er schmückt sich mit den fremden Federn in Form der Vorräte aus den Beständen Mephiboseths, aber wir lesen nichts davon, dass er mit David ziehen will.

Während der Abwesenheit Davids aufgrund der Verschwörung Absaloms treffen wir Mephiboseth in einer Haltung der Trauer und Demütigung an (2. Sam 19,25). Ziba dagegen hält sich in der Gesellschaft Simeis auf (2. Sam 19,18). Simei hatte David auf übelste Weise geflucht. Und auch wenn er jetzt, als er die Vergeltung Davids fürchten musste, eiligst um Vergebung bittet, müssen wir doch aus den Anweisungen Davids an Salomo bezüglich Simeis in 1. Könige 2,8.9 schließen, dass sich seine innere Haltung David gegenüber nicht geändert hatte.

Als David schließlich den Kompromiss vorschlägt, dass sich Mephiboseth und Ziba die Felder teilen sollen, wäre es für Ziba doch spätestens an der Zeit gewesen, die Verleumdung zu bekennen und Mephiboseth die Felder zu überlassen. Doch Ziba hält sich dezent zurück und behält die Hälfte. Mephiboseth dagegen verzichtet ohne jeden Groll gegenüber Ziba auf alle Ländereien. Die Nähe und Gemeinschaft Davids und die wiederhergestellte Ehre Davids bedeuten ihm mehr als aller irdischer Besitz.

Der eine nach außen ein Gönner und Wohltäter, aber hinter den Kulissen ein Heuchler und Verleumder. Der andere äußerlich lange (zu Unrecht) in schlechtem Licht, aber innerlich von echter Treue und Hingabe geprägt. Sollten wir uns nicht eher ein Beispiel an Mephiboseth nehmen?