[Übersetzt von Manuel Thomas aus Nr. 8: Le Messager Évangélique, 1886, S. 176]

In den Wegen Gottes fällt die detaillierte Sorgfalt auf, mit der Er sich um unsere Herzen bemüht und uns erkennen lässt, wie Er uns sieht. Wir sehen in allem, was Gott sagt, dass Er uns vollkommen kennt. Der Herr erzählte der Samariterin in Johannes 4 ihre Geschichte, zeigte ihr, was in ihrem Herzen war, erweckte ihr Gewissen und zeigte ihr auf diese Weise Seinen Auftrag. Der Räuber am Kreuz verstand, durch den Heiligen Geist erleuchtet, die Vollkommenheit Jesu und bezeugte, dass Er nichts Ungeziemendes getan hatte. Aber im Blick auf sich selbst sagte er: „Wir zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsere Taten wert sind“ (Lk 23,41). Diese Erfahrung ist notwendig – nicht nur, um gerettet zu werden, sondern um sich aus Gottes Sicht zu erkennen und in Gemeinschaft mit Ihm zu sein. Diese Erfahrungen können traurig, belastend sein, aber sie sind wertvoll und befestigen uns im Frieden. Sie enthüllen uns unerwartete Dinge und unterrichten uns so auf eine heilsame Art und Weise.

Es gibt eine immerwährende Tendenz im Menschen, sich selbst unter das Gesetz zu stellen und etwas in sich selbst suchen, was seine Stellung vor Gott sichern könnte. Aber das Evangelium zeigt uns, dass Gott uns durch und durch kannte und uns doch geliebt hat. Das Gesetz, das dem Sünder gegeben wurde, verdammt ihn zwangsläufig; es muss ihm seine sündige Natur und sein Verderben offenbaren. Der Mann, der schon 38 Jahre am Teich Bethesda lag (Joh 5,2–9), war durch die Auswirkung seiner Krankheit nicht in der Lage, das einzige Heilmittel, das ihn heilen konnte, zu nutzen. Der christliche Glaube weckt das Gewissen auf und bewirkt dadurch, dass wir uns unter das Joch des Gesetzes stellen, wenn unsere Augen nicht auf Christus gerichtet sind. Das Christentum entfernt den Vorhang, der die Heiligkeit Gottes vor uns verbarg, eine Heiligkeit, die durch den Tod Jesu ans Licht kam und uns ein ganz anderes Maß der Heiligung vorschreibt. Dies ist oft ein Stolperstein für aufrichtige und bekehrte Seelen, die über das Gefühl einer noch größeren Verantwortung beunruhigt sind. Sie haben die Gnade, so wie es sein sollte und wie sie in Römer 4 zu sehen ist, noch nicht verstanden. Bei dem Versuch, Gott durch die eigene Heiligung näherzukommen, schwächen sie die Verheißung ab, dass Gott Sünder rechtfertigt. Und doch werden wir nur aufgrund dieser Rechtfertigung im Himmel sein. Ein Gerechter braucht nicht gerechtfertigt zu werden, und er wird auch nicht durch gute Werke gerechtfertig, sondern weil er gerecht ist. Wenn ich die Absicht habe, etwas zu meiner Rechtfertigung durch eigene Werke hinzuzufügen, stehe ich nicht mehr auf dem Grundsatz der reinen Gnade (Röm 4,4.5). Unsere Gefühle können unserem Glauben keine größere Sicherheit geben. Wenn wir uns auf sie stützten, wäre das nur eine verfeinerte eigene Gerechtigkeit.

Wenn Gott den Sünder rechtfertigt, geht es nicht um die Anerkennung des Bösen durch Gott. Der Tod Christi verherrlicht die Gerechtigkeit, Heiligkeit und Liebe Gottes vielmehr, als die ewige Verdammnis des Sünders es je tun könnte. Wenn ich vollkommen gerecht an der Tür des Himmels vorstellig werden könnte, müsste Gott sie mir öffnen, und ich würde dort eingehen, ohne Seine Liebe kennengelernt zu haben, ohne Gott kennengelernt zu haben, der die Liebe ist. Das Kreuz Christi zeigt Gottes vollkommene Gerechtigkeit und Seine vollkommene Liebe mir gegenüber; es zeigt mir, wer Gott für mich ist. Seine Liebe stellte Christus an meine Stelle und schlug Ihn mit den Schlägen, die ich verdient hätte. Das Kreuz ist ein bleibendes Zeugnis der Liebe Gottes mir gegenüber. Gott, der meine Sünden und deren Folgen kannte, gab Seinen Sohn für mich, dessen Blut für die Sühnung notwendig war. Durch das Opfer Christi, hat Gott auf immerdar die vollkommen gemacht, die geheiligt werden (Heb 10,14).

Der Glaube kann nur das erfassen, was außerhalb von mir steht. Ein gutes Werk, ein gutes Gefühl werden durch unsere Erfahrung anerkannt, aber nicht durch den Glauben. Die Unterscheidung zwischen Juden und Heiden wird durch den Glauben aufgehoben, der ihnen die gleichen Segnungen gibt.

Römer 4,25 zeigt die beiden Grundlagen unserer Sicherheit: den Tod Christi und Seine Auferstehung. Sie bilden die Quelle unseres Friedens mit Gott. Auf dieser Grundlage können wir in vollkommenem Frieden in der Gegenwart Gottes sein. Diese Sicherheit in der Gegenwart Gottes kann keine Folge von Leichtfertigkeit sein und andererseits kann Zweifel nur aus dem Unglauben gegenüber den Verheißungen Gottes hervorkommen. Unsere Errettung beruht nicht auf dem, was wir Gott gegenüber sind, sondern darauf, dass Gott für uns ist; sie geht aus der vollkommen Liebe Gottes hervor, die Er uns durch die Gabe Seines Sohnes bewiesen hat. Man verunehrt Christus, wenn man daran zweifelt, dass Sein Blut uns von aller Sünde reinigt (1. Joh 1,7). Gott offenbart sich gegenüber verlorenen Sündern in Gnade, nicht im Gericht.

Je mehr wir die unendliche und unaussprechliche Liebe Gottes uns gegenüber sehen und fühlen, desto mehr wird das Herz berührt und gedemütigt, weil die Liebe mit unserem natürlichen Stolz nicht vereinbar ist.

Zu Beginn des Römerbriefs zeigt Paulus die Bosheit des Menschen; er überführt Juden und Heiden der Sünde; er zeigt ihnen das Blut Christi als Gottes Antwort auf diesen Zustand. Die Auferstehung Christi zeigt uns, dass es etwas Größeres gibt als all unsere Erfahrungen; sie gibt dem Gewissen eine klare Sicht dafür, dass wir durch das Leben Christi in uns lebendig gemacht wurden. Es versetzt uns in die Lage, den Baum und nicht nur die Früchte zu beurteilen (Mt 12,33): den alten Menschen, die Sünde, die in uns wohnt, und nicht nur die begangenen Sünden. Die Quelle des Lebens, Christus, ist in der Gegenwart Gottes. Ich habe das Leben Christi empfangen, und das ist eine Wahrheit, die mich nicht weniger erfreut als die über das Blut Christi. Sie lässt uns in Bezug auf die Verdammnis in Frieden sein; ich besitze Christus Selbst, der in der Gegenwart Gottes ist, Er gibt mir Leben und ich bin in dem Geliebten angenehm gemacht. Er ist die Quelle des Lebens und das Leben vermittelt mir Frieden.

Das Leben Christi gibt uns Erfahrung, aber die Erfahrung berechtigt uns nicht dazu, Rückschlüsse darüber zu ziehen, was wir sind.

Gott gab uns das Blut Christi und den auferstandenen Christus. Alle meine Sünden lagen auf Jesus; meine Sünden sind wie der Stein, der das Grab Christi verschloss. Gott kommt, findet Christus unter meinen Sünden, weckt Ihn auf und erhebt Ihn in Seine Gegenwart. Christus ist, nachdem Er den Lohn meiner Sünden getragen hat, ohne meine Sünden auferstanden und zurück in die Gegenwart Gottes gegangen, außerhalb der Auswirkungen des Zornes Gottes, der Macht des Todes und der Macht Satans, wo Er auch mich eingeführt hat. Der auferstandene Christus bezeugt ewig unsere vollkommene Rechtfertigung. Der Heilige Geist gibt uns durch den Glauben Teil an dieser Rechtfertigung, aber das Werk, das uns rechtfertigt, wurde schon vor 1800 Jahren (geschrieben im 19. Jahrhundert) vollbracht.

Das Blut Christi ist Gottes Antwort auf meine Sünden.

Die Mitteilung des Lebens des auferstandenen Christus lässt mich die Heiligkeit Gottes und den Zustand meines Herzens erfahren, die Quelle der Kämpfe, der Angst und auch der Freude.

Die Freude und der Frieden entstammen nicht den Auswirkungen des Lebens Christi in uns, sondern dem Wissen um die Liebe Gottes und die Gabe Christi.