In demselben Augenblick kamen Finger einen Menschenhand hervor und schrieben, dem Leuchter gegenüber, auf den Kalk der Wand des königlichen Palastes; und der König sah die Hand, die schrieb. Da veränderte sich die Gesichtsfarbe des Königs, und seine Gedanken ängstigten ihn; und die Bänder seine Hüfte lösten sich, und seine Knie schlugen aneinander“ (Dan 5,5.6).

Der Name Belsazar bedeutet Bel (eine babylonische Gottheit) schütze den König. Unter dem Schutz dieses vermeintlichen Gottes meinte er, seine Hand in frivoler Weise gegen den wahren Gott Israels erheben zu können. Eben noch hatten sie scheinbar über den lebendigen Gott triumphiert, aber im gleichen Augenblick schreitet dieser Gott ein. Eben noch hatten sie gemeint: „Frieden und Sicherheit“, doch sofort kam ein plötzliches Verderben über sie (1. Thes 5,2.3).

Und es ist keine Stimme, die da kommt – es erscheint eine Hand, Finger daran, und auf den Kalk der Wand schreibt diese Hand vier Worte. Dieses Zeichen kommt still und leise. Wir können uns vorstellen, dass es bei diesem Gelage von 1000 Leuten nicht leise zuging; und wenn der Wein seine Wirkung tut, wird das noch verstärkt. Es war also eine turbulente Szene – aber dann kommt ganz leise, unvernehmbar, diese Hand. Diese Hand kam von Gott, sagt Daniel später (Dan 5,24), weshalb nicht ganz sicher geschlossen werden kann, dass es sich unbedingt um die Hand Gottes selbst gehandelt hat. Die Hand kam von Gott, aber es war eine Menschenhand; Gott bringt das Gericht durch die Hand eines Menschen (Joh 5,27). Die Beschreibung speziell der Finger einer Menschenhand scheint auf eine besondere Akribie in der jeweiligen Tätigkeit hinzudeuten. So wird in Psalm 8,4 von den Himmeln als „deiner Finger Werk“ gesprochen. Der Nachdruck liegt dabei auf der besonderen Genauigkeit, mit der etwas gemacht wird.

Die Schrift erscheint also auf dem weißen Kalk, dem Leuchter gegenüber. Gott lässt das Licht darauf fallen, so dass jeder es wahrnehmen kann. Aber der Gottlose versteht es trotzdem nicht und auch seine eigenen Götter können ihm dabei nicht helfen (1. Kor 2,14). In welcher menschlichen Sprache diese Schrift geschrieben wurde, ob aramäisch oder nicht, können wir nicht sicher sagen. Auch die Reihenfolge oder Formation der Buchstaben wissen wir nicht. Immerhin konnten die Schriftgelehrten diese Worte ja noch nicht einmal lesen und noch viel weniger erklären.

Was immer es auch für eine Hand war, sie kam von Gott; deshalb müssen wir ein wenig vorsichtig sein, hier direkt von dem Finger Gottes zu sprechen. Der Finger Gottes hatte einst das Gesetz als den Ausdruck Seines heiligen Willens in die steinernen Tafeln eingraviert (2. Mo 31,18). Auch Pharao musste nach seiner Vermessenheit gegen Gott erkennen, dass durch Gottes Finger das Gericht über Ägypten kam (2. Mo 8,12–15). Es ist derselbe Finger, der einst als der Mensch gewordene Sohn Gottes in die Erde schrieb (Joh 8,6). Und jetzt schreibt ein von Gott gesandter Finger hier ein göttliches Urteil, weil man sich gegen diese Heiligkeit versündigt hatte. Dieser Finger schreibt hier das göttliche Urteil über diesen vermessenen König Belsazar, und zwar in demselben Augenblick. Genauso unvermittelt und ohne Verzögerung, wie noch in derselben Nacht sein Leben beendet wird (Dan 5,30) – Gott lässt sich nicht spotten!

Nebukadnezar hatte noch Raum zur Buße bekommen (Dan 4,24–30), bei Belsazar kam das Gericht unmittelbar; es scheint, dass er nach dieser Gerichtsankündigung Gottes keine Möglichkeit zur Buße mehr hatte. Seine Zeit war abgelaufen, wenige Stunden nach diesen Ereignissen musste er sterben! Bei Ahab hatte Gott auch das Gericht ausgesprochen, aber Ahab hatte sich gedemütigt und Gott hatte das Gericht noch einmal aufgeschoben (1. Kön 21,27–29). Das Handeln Gottes ist in jedem einzelnen Fall souverän und absolut gerecht.

Aus der Reaktion des Königs und seinem Erschrecken können wir schließen, dass er doch noch ein Gewissen hatte. Wenn er auch meinte, sich über alles Göttliche hinwegsetzen zu können und seine eigenen Götzen rühmen zu können – mit dieser seiner Haltung war es in dem Augenblick zu Ende, als diese Schrift kam. Er empfand sofort, dass diese Schrift etwas Böses für ihn bedeutete. In sein Gesicht kam die Farbe des Todes, in seine Gedanken kam die Angst, und in seine Knie und Hüften kam die Kraftlosigkeit.

Der König rief mit Macht, dass man die Sterndeuter, die Chaldäer und die Wahrsager hereinbringe; und der König hob an und sprach zu den Weisen von Babel: Jeder, der diese Schrift lesen und ihre Deutung mir anzeigen wird, der soll mit Purpur bekleidet werden, mit einer goldenen Kette um seinen Hals, und er soll als Dritter im Königreich herrschen. Dann kamen alle Weisen des Königs herbei; aber sie vermochten nicht, die Schrift zu lesen und dem König ihre Deutung kundzutun. Da geriet der König Belsazar in große Angst, und seine Gesichtsfarbe veränderte sich an ihm; und seine Gewaltigen wurden bestürzt“ (Dan 5,7–9).

Sofort lässt der König seine Schriftdeuter holen, und Belsazar scheint wie sein Vater Nebukadnezar auch den Daniel dabei ganz vergessen zu haben, denn der muss später wieder extra herzugeholt werden. Belsazar hätte wissen können, dass seine Wahrsager ihm nicht weiterhelfen würden. Aber er hoffte doch, von ihnen aus der Deutung dieser Schrift Trost zu bekommen. Doch er sah sich getäuscht. Man kann hochintelligent sein, aber blind für den Finger Gottes! Wenn man etwas verstehen soll, muss man es auch verstehen wollen.

Dass diese Weisen von Babel nicht an diesem Fest dabei waren und erst in den Saal hereingebracht werden mussten, erklärt sich dadurch, dass es ein Fest für die Großen der Politik war, zu denen die Sterndeuter und Wahrsager einfach nicht dazu gehörten.

Es scheint, dass sowohl diese Wörter gar nicht zu lesen waren als auch erst recht ihre Bedeutung nicht zu erkennen war. Auch bei dieser Szene wird deutlich, dass diese gewaltige Weltmacht abhängig ist von dem kleinen jüdischen Überrest.

Infolge der Worte des Königs und seiner Gewaltigen trat die Königin in das Haus des Gelages. Die Königin hob an und sprach: O König, lebe ewig! Lass deine Gedanken dich nicht ängstigen und deine Gesichtsfarbe sich nicht verändern! Es ist ein Mann in deinem Königreich, in dem der Geist der heiligen Götter ist. Und in den Tagen deines Vaters wurden Erleuchtung und Verstand und Weisheit wie die Weisheit der Götter bei ihm gefunden; und der König Nebukadnezar, dein Vater, hat ihn zum Obersten der Wahrsagepriester, der Sterndeuter, der Chaldäer und der Wahrsager erhoben – dein Vater, o König –, weil ein außergewöhnlicher Geist und Kenntnis und Verstand, ein Geist der Traumdeutung und Rätselerklärung und der Knotenlösung bei ihm gefunden wurde, bei Daniel, dem der König den Namen Beltsazar gegeben hat. So werde nun Daniel gerufen, und er wird die Deutung anzeigen“ (Dan 5,10–12).

Belsazar hatte keine persönliche Beziehung zu Daniel, er muss durch die Mutter des Königs auf ihn hingewiesen werden. Sowohl Daniel als auch die Mutter des Königs waren auf dem Fest nicht dabei gewesen, und das wird von Gott vermerkt. Bei der Mutter des Königs war es aber eine rein äußerliche Trennung gewesen, während Daniel sich auch innerlich von dem Treiben am Hof des Königs immer ferngehalten hatte. Gott jedenfalls nimmt Kenntnis davon, wenn es in diesen gottlosen Zeiten solche gibt, die bei diesem Treiben nicht mitmachen. So war es auch bei dem Herrn Jesus; nach Markus 14,64 waren es alle aus dem Synedrium, die den Herrn zum Tode verurteilten, aber Lukas 23,50.51 zeigt doch, dass es einen gab, Joseph von Arimathia, der in diesen Rat und in diese Tat nicht eingewilligt hatte. Das ist auch eine Botschaft für uns heute in dieser gottlosen Zeit: Wenn wir an diesem gottlosen Treiben nicht teilnehmen, wird das im Himmel vermerkt!

Und wie ist es, wenn es solche Situationen im Volk Gottes gibt? Jesaja 22,12.13 beschreibt eine ähnliches Festgelage wie hier bei Belsazar, nur im Volk Gottes. Sicher nicht so extrem bis hin zu offener Gottlosigkeit, aber offenbar war der Zustand in Israel nur wenig anders gewesen. Und Paulus benutzt diese Stelle aus Jesaja 22 in 1. Korinther 15,32.33, um den Korinthern zu sagen, was das Motto jener Tage war – und wir sagen: was auch das Motto unserer Tage ist. Das ist unsere heutige Gesellschaft, sie wird immer gottloser. Deshalb wollen wir uns warnen lassen, damit nicht mit bösem Verkehr gute Sitten verdorben werden. Das ist es, was Absonderung meint! Obwohl wir wissen, wie diese Welt ist, wollen wir doch zur Ehre unseres Herrn Ihm folgen und auch noch ein Zeugnis sein in dieser Welt, auch wenn es schwieriger wird – denn der Richter steht vor der Tür (Jak 5,9).

Die Mutter des Königs war eine indifferente Person, die keine eindeutige Stellung bezog. Sie wusste bestens Bescheid über die Geschichte Nebukadnezars und Daniels; sie hört von den Ereignissen im königlichen Palast während dieses Festes; und dann geht sie zum König und sagt ihm, dass er das alles nicht so ernst nehmen müsse, dass es da jemanden im Reich des Königs gebe, der ihm das alles schon erklären könne. Sie selbst aber glaubte an diesen Gott des Himmels nicht, sie hatte nur den Hinweis auf Daniel gegeben, war für sich selbst aber indifferent geblieben. Es ist einfach zu wenig, wenn wir über die Wege Gottes nur Bescheid wissen! Sie war zwar auch bei diesem Festgelage nicht dabei, aber eine rein äußerliche Trennung von den Dingen dieser Welt führt nicht näher zu den Dingen Gottes.

Sie beginnt mit den Worten: „O König, lebe ewig“ – doch der König lebte nur noch einen halben Tag, noch in derselben Nacht wurde er getötet. Sicher war es eine gebräuchliche Form der Anrede damals, die selbst Daniel schon mal gebraucht hatte (Dan 6,23), aber wir müssen aufpassen, dass wir manche Grüße unter uns nicht zu einer reinen Form werden lassen. Dann spricht sie aus ihrer menschlichen Erfahrung heraus, was sie von dem Daniel wusste: dass er nämlich zweimal mit Nebukadnezar zu tun hatte und mit ihm gesprochen hatte und dass dies bei beiden Gelegenheiten letzten Endes gut für Nebukadnezar ausgegangen war. Daraus schloss sie menschlich, dass das dieses Mal bei Belsazar auch so sein würde. Aber damit lag sie total verkehrt.

Sie hatte auch ein gewisses Bewusstsein von einer übernatürlichen Kraft, die in Daniel wirkte, ohne dass sie genau erkannte, dass diese Kraft von Gott kam. Sie unterschied die Quelle nicht, aus der dieser außergewöhnliche Geist bei Daniel kam. Daniel hatte selbst einmal gesagt, dass diese Weisheit nicht aus ihm selbst kam (Dan 2,30). Und dann spricht die Mutter dreimal von Belsazars Vater Nebukadnezar; damit macht sie dem Belsazar einen ziemlich deutlichen Vorwurf, dass er von diesem Daniel eigentlich hätte wissen müssen. Die Menschen hatten Daniel vergessen, auch der König Belsazar selbst; aber gerade in diesen Jahren der Vergessenheit von den Menschen hatte Daniel von Gott zwei ganz entscheidende Prophezeiungen bekommen (Dan 7,1; 8,1). Gott hatte ihn nicht vergessen und gerade diese Zeit benutzt, um ihm großartige Weissagungen zu geben.

Und zum Schluss nennt die Mutter des Königs den Daniel nicht mit seinem neuen, chaldäischen Namen Beltsazar. Der Eindruck, der sich bei ihr von Daniel gefestigt hatte, war der, dass dieser Mann ein Mann Gottes war, der seinem Gott treu geblieben war und seine Herkunft nicht ein einziges Mal aufgegeben hatte. Was würde die uns umgebende Welt von uns sagen?