Ruhe in einer unruhigen Welt?

Das menschliche Herz sehnt sich nach Ruhe. Es sehnt sich nach Frieden und Geborgenheit – Zustände, die dieser Welt weitgehend fremd sind. Doch das Sehnen des menschlichen Herzens bleibt bestehen – persönlich, in Familien, in Völkern, zwischen Nationen. Doch die Frage ist: Gibt es wahre Ruhe, wahren Frieden in dieser Welt – oder ist es eine Illusion, der der Mensch nachjagt?

Schaut man heutzutage in diese Welt, so sieht man nichts als Unruhe und Unfrieden – Uneinigkeit auf jeder Ebene des menschlichen Miteinanders. Doch um diese traurige Feststellung zu machen, brauchen wir nicht allzu weit zu gehen. Ein Blick in unser eigenes Herz genügt, um dieses niederschmetternde Bild zu bestätigen. Schon kurz nach der Erschaffung des Menschen musste Gott feststellen, „dass des Menschen Bosheit groß war auf Erden, und alles Gebilde der Gedanken seines Herzens nur böse den ganzen Tag“ (1. Mo 6,5). Jeder, der ehrlich ist und sich kennt, wird dem zustimmen und mit Jeremia bekennen: „Arglistig ist das Herz, mehr als alles, und verderbt ist es; wer mag es kennen?“ (Jer 17,9). Es sind die Auswüchse dieses unverbesserlich bösen Herzens, die dem Menschen von jeher zu schaffen machen. Nicht umsonst finden wir in Sprüche 4,23 die ernste Warnung: „Behüte dein Herz mehr als alles, was zu bewahren ist; denn von ihm aus sind die Ausgänge des Lebens.“

Die Unruhe und der Unfrieden in dieser Welt sind – wie wir bereits gesehen haben – keine besondere Erscheinung unserer Tage, mögen sie in unserer Zeit auch zunehmen. Nein, sie sind so alt wie der Mensch selbst. Sie gehen zurück auf den Sündenfall des ersten Menschenpaares und haben sich bis in unsere Tage fortgesetzt. Der Ungehorsam des ersten Menschen unterbrach die Gemeinschaft mit seinem Schöpfer-Gott und das Urteil Gottes lautet seitdem: „Kein Friede den Gesetzlosen!“ (Jes 48,22; 57,21). Mag der Mensch sich noch so um Frieden bemühen, ihn zuweilen sogar vortäuschen, das Urteil Gottes ist unabänderlich und bleibt bestehen (vgl. Jer 6,14).

Wenn auch Ruhe der Welt als Ganzes gegenwärtig versagt bleibt, so jedoch nicht dem einzelnen Menschen. Es gibt sie, diese Ruhe, wenn auch nicht auf globaler, so doch auf persönlicher Ebene. Es ist die Ruhe des Herzens und Gewissens, die nicht äußerlich, sondern innerlich genossen wird.

a) Ruhe des Gewissens

Der natürliche Mensch ist ein Feind Gottes (vgl. Röm 5,10; Eph 2,15.16; Kol 1,21.22). Als solcher lebt er in Auflehnung gegen Gott und widersetzt sich Seinen Anweisungen, wo er nur kann (vgl. Jer 6,16). Solange diese Feindschaft nicht beseitigt ist, kommt der Mensch innerlich nicht zur Ruhe. Beunruhigt durch das furchtvolle Erwarten des herannahenden Gerichts und angeklagt durch sein Gewissen – die natürliche moralische Instanz des Menschen – versucht er, auf alle und jede Weise sein Inneres abzulenken und zu zerstreuen. Mag es ihm zuweilen auch gelingen, zu dauerhafter innerer Ruhe gelangt er dadurch nicht. Diese ist nur auf einem Weg zu erlangen, nämlich in der Person Jesus Christus. Seiner Aufforderung in Matthäus 11,28 muss der Mensch nachkommen: „Kommt her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen, und ich werde auch Ruhe geben (oder zur Ruhe bringen).“

Der Herr Jesus allein ist in der Lage, Ruhe – wahre Ruhe – zu geben, und Er allein kann das Gewissen des Menschen zur Ruhe bringen. Doch der Mensch muss kommen. Er muss seinen verlorenen Zustand (an)erkennen und einsehen, dass er „mühselig und beladen“ ist und sich selbst nicht helfen kann. Hat er sich jedoch einmal aufgemacht und ist gekommen, dann wird er diese Ruhe des Gewissens persönlich erfahren.

Ohne Christus gleicht das Innere des Menschen einer stürmischen und aufgewühlten See, mit Ihm jedoch einem stillen Ozean. Jesus Christus ist in der Tat „unser Friede“ (Eph 2,14); „er hat Frieden gemacht durch das Blut seines Kreuzes“ (Kol 1,20). Jeder, der dies persönlich im Glauben für sich in Anspruch nimmt, ist gerechtfertigt aus Glauben und hat Frieden mit Gott (Röm 5,1). Dieser Friede kann durch nichts und niemand geraubt werden, da Gott selbst ihn in Seinem Wort garantiert. Auch ist er nicht von uns und unseren Gefühlen abhängig, sondern allein von Gott. Ihm sei Dank dafür!

Ruhe fand hier mein Gewissen,
denn sein Blut – o reicher Quell!
Hat von allen meinen Sünden
mich gewaschen rein und hell.

b) Ruhe des Herzens

In der erwähnten Stelle in Matthäus 11 spricht der Herr zweimal von Ruhe (Mt 11,28.29). In Vers 28 verbindet Er die Ruhe mit der Aufforderung, zu kommen, in Vers 29 mit der Aufforderung, Sein Joch aufzunehmen und von Ihm zu lernen. Wie wir bereits sahen, handelt es sich in Vers 28 um die Ruhe des Gewissens, die der Herr einem jeden schenkt, der Seiner Aufforderung, zu kommen, folgt. In Vers 29 dagegen spricht Er von einer anderen Ruhe, die nur derjenige findet, der Ihm nachfolgt. Es handelt sich um die Ruhe des Herzens.

Die Ruhe des Herzens ist etwas, was der Herr Jesus, als Er als Mensch über diese Erde ging, allezeit in vollkommener Weise genoss. Er bedurfte nicht der Ruhe des Gewissens, denn Er war ohne Sünde und nie in Feindschaft mit Gott, aber Er genoss die Ruhe des Herzens. Sie ist das Ergebnis der vollkommenen Übereinstimmung und Harmonie mit Gott, wie es im Leben des vollkommenen Sohnes allezeit der Fall war. In allen Umständen war Sein Herz in vollkommener Ruhe und vollkommenen Frieden, und das, weil Er sich allezeit der Zustimmung Seines Gottes sicher war. Diese Übereinstimmung mit den Gedanken und dem Willen Gottes gibt dem Herzen einen tiefen Frieden, der über die Umstände des Lebens erhaben ist und nicht durch sie gestört werden kann. Diesen Frieden genoss der Herr während Seines ganzen Lebens. Er war kennzeichnend für Ihn. In Kolosser 3,15 wird er als „Friede des Christus“ bezeichnet.

Was macht nun diesen Frieden aus? Es ist das glückliche Bewusstsein, in Übereinstimmung mit den Gedanken und dem Willen Gottes zu sein und sich auf einem Weg des Gehorsams zu befinden, den Gott billigen kann. Es ist ein Friede, den jedes Kind Gottes persönlich genießen darf – ein Vorrecht all derer, die Frieden mit Gott haben. Dieser Friede soll in unseren Herzen regieren und entscheiden. Dabei ist es allerdings wichtig, nicht aus dem Auge zu verlieren, dass der Friede des Herzens an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist. Zwei dieser Voraussetzungen werden in unserer Stelle in Matthäus 11 erwähnt.

Sein Joch aufnehmen

Der Herr Jesus fordert uns zuerst auf, Sein Joch aufzunehmen. Dieses Joch umfasst all das, was mit der Nachfolge hinter dem Herrn her verbunden ist. Es ist ein Leben der entschiedenen und bedingungslosen Nachfolge, das den Jünger mit seinem Meister verbindet. Doch ist es etwas, was der Jünger des Herrn freiwillig tut – aus Liebe zu seinem Meister, selbst wenn er sich bewusst ist, dass solch ein Leben Unannehmlichkeiten, ja sogar Hohn und Spott mit sich bringen kann. Das ist sicherlich einer der Gründe, warum es der Herr als Joch bezeichnet. Doch fügt Er in Vers 30 unmittelbar hinzu, dass Sein Joch sanft und Seine Last leicht ist. Der Jünger des Herrn spürt dieses Joch und diese Last kaum, da er das Vorrecht und die Freude, dem Meister nachzufolgen, weitaus höher achtet als die Schmach und die Leiden, die damit verbunden sein mögen.

Von Ihm lernen

Der Herr Jesus ist der göttliche Lehrer (vgl. Hiob 36,22), aber Er war auch selbst Mensch auf dieser Erde und führte ein Leben in völliger Abhängigkeit von Gott. Er war sanftmütig und von (oder im) Herzen demütig. In Seiner Sanftmut gab Er keinen Anstoß, in Seiner Demut nahm Er keinen Anstoß. Alles, was Ihm auf Seinem Weg über diese Erde begegnete, nahm Er aus der Hand Seines Vaters. Stets konnte Er sagen: „Nicht mein Wille, sondern deiner geschehe!“ (Lk 22,42). Der Friede Seines Herzens konnte durch nichts und niemand gestört werden.

Der Herr Jesus ist nach vollbrachtem Werk in den Himmel zurückgekehrt, aber Er hat uns Sein Beispiel hinterlassen, dem wir folgen sollen. Er möchte, dass wir uns mit Ihm beschäftigen, Ihn betrachten, wie Er über diese Erde ging, um von Ihm zu lernen. Dann werden wir denselben Frieden genießen, den auch Er genoss. Seine Worte gelten auch uns: „Lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen.“

Und mit süßer Ruh im Herzen
geh ich hier durch Kampf und Leid,
ew’ge Ruhe find ich droben
in des Lammes Herrlichkeit.

c) Ruhe in dieser Welt

Für die Gläubigen der Jetztzeit gilt – wie bereits der Prophet Micha in Bezug auf das irdische Volk Gottes schreibt: „Macht euch auf und zieht hin! denn dieses Land ist der Ruheort nicht“ (Mich 2,10). Das Bürgertum der Gläubigen ist in den Himmeln, „von woher wir auch den Herrn Jesus Christus als Heiland erwarten“ (Phil 3,20). Der Herr wird wiederkommen und uns in die Wohnungen des Vaterhauses einführen (vgl. Joh 14,2.3): „Und so werden wir allezeit bei dem Herrn sein“ (1. Thes 4,17b). Das ist die wahre Hoffnung der Gläubigen.

Doch auch für diese Erde wird eine Zeit kommen, in der Ruhe und Frieden herrschen werden – ein „Werk“ der dann unter der Regierung von Jesus Christus für tausend Jahre herrschenden Gerechtigkeit (vgl. Jes 9,7; 32,1; 32,17). „Und Gerechtigkeit wird der Gurt seiner Lenden sein“ (Jes 11,5). Es wird eine Zeit unaussprechlicher Freude sein, wie diese Erde sie noch nie gesehen hat (vgl. Jes 35,10; 51,11). Der Herr wird zum Wohlgefallen und zur Freude Gottes über diese Erde regieren. Dann wird sich auch das erfüllen, wovon Jesaja in Kapitel 53,10b prophetisch spricht: „Und das Wohlgefallen (oder der Wille) Jehovas werden in seiner Hand gedeihen.“ Ja, nach Jahrtausenden von Unruhe und Unfrieden wird für diese Erde endlich eine Zeit nie da gewesener Ruhe anbrechen, in der die Menschen in Frieden und Wohlstand leben werden. Dann wird auch der Überrest des irdischen Volkes Gottes nach einer Zeit großer Drangsal zur Ruhe gekommen sein und seine lang ersehnte „Sabbatruhe“ genießen (vgl. Heb 4,9). Wie herrlich wird jene zukünftige Zeit für alle dann lebenden Menschen sein! Gott wird mit allen Seinen Plänen bezüglich Israels und der Erde zum Ziel gekommen sein. Er selbst wird dann ruhen von allen Seinen Werken (vgl. 1. Mo 2,2.3; Heb 4,4).

Dort besingt des Lammes Liebe
Seine teu’r erkaufte Schar,
bringt in Zions sel’ger Ruhe
Ihm ein ew’ges Loblied dar.