Einleitung zu Daniel 7 – 12 

Mit Kapitel 7 beginnt der zweite Teil des Buches Daniel. Im ersten Teil hatten wir die Zeiten der Nationen gesehen, in denen vier Weltreiche nacheinander auf der Erde die Autorität ausübten, wobei der Schwerpunkt in den ersten sechs Kapiteln auf dem babylonischen Weltreich liegt. Gott hatte diesen Reichen Autorität verliehen, nachdem Er Seinen Thron aus Jerusalem hatte entfernen müssen. Vor dieser Zeit der vier aufeinanderfolgenden Weltreiche, als Israel noch das Volk Gottes war, gab es keine Weltreiche. Zur der Zeit, als Gott dem Nebukadnezar die Macht verlieh und damit das erste der vier Weltreiche begann, war das assyrische Reich unter Sanherib (Jes 36 – 38) schon wieder Geschichte; es kann auch nicht als erstes Weltreich gezählt werden, weil zu dieser Zeit noch der Thron Gottes in Jerusalem stand. Man kann diese Zeiten der Nationen ganz exakt bestimmen: Sie begannen mit der Zerstörung Jerusalems durch Nebukadnezar und werden ihr Ende finden in der Herrschaft des Herrn Jesus bei der Aufrichtung Seines Reiches.

Die Kapitel 1–6 zeigen uns, welche Antwort die Regenten dieser Weltreiche Gott auf Seine Güte gegeben haben. Sie waren alle gegen Gott. Nebukadnezar, das Haupt von Gold, der erste Regent, der von Gott direkt eingesetzt wird, verleitete sein ganzes Volk zum Götzendienst. Sein Sohn Belsazar verunreinigte die heiligen Gefäße des Tempels. Darius, der Meder, der das babylonische Reich zerstört hatte, ließ sich göttliche Verehrung darbringen. Das ist in gedrängter Form der Inhalt der ersten sechs Kapitel dieses Buches: Gott überträgt Menschen die Macht – und sie erweisen sich als untreu!

In dem jetzt beginnenden zweiten Teil des Buches Daniel haben wir eine ganz andere Sichtweise. Es ist nicht mehr ein äußerlich beeindruckendes Bild von diesen vier Reichen, sondern in diesen Kapiteln kommt jetzt Israel, das Volk der Juden, mehr vor uns. Wir sehen zwar den tiefen moralischen Zustand der Unreinheit und des Verderbens der vier Weltreiche, aber andererseits auch das Teil des Überrestes in dieser Zeit. Es wird uns gezeigt, welche Stellung und welche Wege dieses Volk während der Herrschaft dieser vier Weltreiche erfahren werden. Dadurch wird diese zweite Hälfte des Buches Daniel so besonders wertvoll. Es ist eben nicht nur trockene und schwer zu verstehende Prophetie; wir sehen, dass Gott – wie böse die Zeiten auch sein mögen – immer einen Überrest für sich haben wird! Auch bei Daniel selbst veränderte sich seine Gesichtsfarbe, als er sah, was mit seinem geliebten Volk noch alles geschehen musste (Dan 7,15); aber er durfte doch auch sehen, dass Gott sich einen Überrest bewahren würde. Und ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt dieser Kapitel ist, dass Gott Seinen Sohn, diesen Sohn des Menschen, an die Stelle bringen wird, die Er verdient hat! Gott wird Seinen Sohn als den Letzten, der Autorität hat, öffentlich anerkennen.

In diesen Kapiteln 7 bis 12 finden wir, dass Daniel vier Gesichte hatte:

  • Daniel 7 hat als Hauptgegenstand das 4. Weltreich, das wiedererstehende römische Weltreich; Daniel hat dieses Gesicht im ersten Jahr Belsazars (Dan 7,1).
  • Daniel 8 hat als Hauptgegenstand das 2. und 3. Weltreich, das medo-persische und griechische Weltreich, und den König des Nordens; Daniel hat dieses Gesicht im dritten Jahr Belsazars (Dan 8,1).

  • Daniel 9 hat als Hauptgegenstand das Ende der babylonischen Gefangenschaft sowie Hinweise auf den kommenden Messias; Daniel hat dieses Gesicht im ersten Jahr des Darius (Dan 9,1).

  • Daniel 10 – 12 hat als Hauptgegenstand den König des Nordens (Dan 10), den König des Südens (Dan 11) und eine Ansprache an den jüdischen Überrest (Dan  12); Daniel hat dieses Gesicht im dritten Jahr des Kores (Dan 10,1).

Sowohl Daniel 2, wo uns diese vier Weltreiche in diesem großen Bild gezeigt werden, als auch Daniel 7, wo wir diese Reiche in den Bildern wilder Tiere vorgestellt finden, enden mit der göttlichen Macht, die diesen Weltreichen ein Ende machen wird. In Daniel 2 ist es der Stein ohne Hände, der das Bild zerschmettern wird; und hier in Daniel 7 ist es der Sohn des Menschen, der das Reich übernehmen wird.