Hochmut und Neid schlummern im Herzen und sind an sich nicht wahrnehmbar. Das sollte uns vorsichtig machen, anderen Hochmut und Neid vorzuwerfen. Natürlich ist es wahr, dass diese Eigenschaften durch Worte und Taten offenbar werden können. Aber offenbar werden – das ist ja gerade der Knackpunkt.

Leider muss man feststellen, dass Christen anderen Hochmut (oder etwas anderes) vorhalten, ohne irgendwelche klare Indizien nennen zu können. Das hört sich dann so an: „Der redet von oben herab; er hat irgendwie eine arrogante Art; sie kommt schon so hochnäsig daher usw.“ Mag sein, dass da etwas dran; es mag aber auch sein, dass man sich das nur einbildet oder gewisse Charaktereigenschaften überinterpretiert.

Wer auf dieser Schiene nebulös argumentiert, sollte bedenken, dass das die Feinde Christi und die Feinde seiner Jünger auch so gemacht haben. Auf die Aussage des Pilatus hin, dass er keine Schuld bei Jesus fände, sagten die Juden: „Er wiegelt das Volk auf“ (Lk 23,5). Das war eine allgemeine Aussage, unter der man sehr viel verstehen konnte. So wurde auch Paulus mit den Worten angeklagt: „Wir haben diesen Mann als eine Pest befunden“ (Apg 24,5). Was für eine grandios klare Aussage!

Und was auch noch ganz wichtig ist: Wer ständig bei anderen Hochmut, Neid und dergleichen vermutet, beweist damit, dass gerade diese Eigenschaften in dem eigenen Herzen wuchern! Wer hinter jeder Aktion Hochmut vermutet, ist selbst hochmütig. Eliab warf seinem Bruder jüngeren Bruder David Vermessenheit und Bosheit des Herzens vor, aber Gott hatte Samuel gezeigt, dass das Herz Davids besser war als das Herz eines Eliabs (1. Sam 17,28 und 1. Sam 16,7). Bei Eliabs Herzen war also etwas nicht in Ordnung!